Читать книгу IPO-Guide: die Börsenakademie - Handelsblatt GmbH - Страница 4
Unternehmer sind sich über die Mehrkosten nicht im Klaren
ОглавлениеEin Negativbeispiel hierfür ist die von den Geldgebern verschmähte Aktie von JJ Auto. Der chinesische Autozulieferer ging im Mai 2014 in Frankfurt und Warschau an die Börse. Statt der ursprünglich erhofften 16 Millionen Euro nahmen die Chinesen nur etwas mehr als 700.000 Euro ein. Offiziell störte das Finanzvorstand Clement Hoo wenig. Eigentlich wolle man mit dem Börsengang nur das Image in China verbessern, sagte er kurz vor dem IPO. Ein Listing in Deutschland habe bei Kunden schließlich einen guten Klang.
Für das Unternehmen war es ein kostspieliger Imagegewinn, denn jeder Börsengang bringt eine weitreichende Berichtspflicht über die eigene Geschäftstätigkeit mit sich. Häufig beschäftigen Firmen extra Mitarbeiter für die Finanzkommunikation, die unter anderem verantwortlich sind für die Berichterstattung und die Durchführung der Hauptversammlung. Zudem fallen nach dem Börsengang Kosten für die Börsennotierung an. Und auch ein Aufsichtsrat will bezahlt werden.
Die Mehrkosten für die zusätzlichen Gremien lassen sich nicht pauschal beziffern, meistens unterschätzen Unternehmer jedoch den Aufwand. Die Kosten für den eigentlichen Börsengang liegen nach Schätzungen von Experten zwischen sechs und zwölf Prozent des Bruttoemissionserlöses.
Vor allem Technologieunternehmen und Internetfirmen dürften sich davon kaum abschrecken lassen. Diese beiden Branchen haben sich – nach dem Kollaps des Neuen Markts unmittelbar nach der Jahrtausendwende nur allzu verständlich – lange zurückgehalten. Jetzt kommt Bewegung in den Markt: Mit dem Onlinehändler Zalando hat seit langem mal wieder ein großer Vertreter dieses Segments den Schritt an die Börse gewagt. Branchenkenner sehen darin ein wichtiges Signal und gehen von vielen Nachahmern aus.
So meistern auch Mittelständler den Börsengang
Mittelständische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren relativ selten den Gang aufs Parkett gewagt – obwohl das Börsenumfeld nicht das schlechteste war. Doch viele Firmen scheuen die organisatorischen Herausforderungen: Vom Berichtswesen bis zur Unternehmensführung – bevor die Aktie platziert wird, muss intern einiges auf den Prüfstand. Denn am Kapitalmarkt wird ein erhebliches Maß an Transparenz gefordert.
Eine Pflichtübung ist das Reporting, also das ordnungsgemäße Aufbereiten und Veröffentlichen der Geschäftszahlen. Während GmbHs dies in der Regel nur einmal im Jahr machen, werden nach einem Listing regelmäßig Informationen verlangt. Neben der Hausbank lesen plötzlich auch Analysten, Investoren und Journalisten mit – und haken nach, wenn sie etwa auf zu kühne Expansionspläne stoßen.
Viele Unternehmen üben den Weg an die Börse mit der Ausgabe einer Anleihe, die ebenfalls mit Publizitätspflichten verbunden ist. Ansonsten ist es mit der Geheimniskrämerei spätestens dann vorbei, wenn der Wertpapierprospekt veröffentlicht wird. Wer Informationen zurückhält oder zu langsam weitergibt, dem drohen hohe Bußgelder. Das gilt insbesondere für sogenannte Pflichtmitteilungen, die das Unternehmen veröffentlichen muss, wenn mit erheblichen Auswirkungen auf den Börsenkurs zu rechnen ist. Wichtig ist daher, genügend Vorlauf zu haben und die Abläufe – schon vor dem Börsengang – einzuüben.
Investoren sehen ungern zu viel Familie an der Spitze
Die Veröffentlichungspflichten, die ein Börsengang mit sich bringt, erfordern zusätzliche Kompetenzen. Doch spezialisierte Juristen, Buchhalter oder Kommunikationsberater für die neue Abteilung „Investor Relations“ sind teuer – und müssen ausgelastet sein, damit sich deren Einstellung lohnt. Manche Unternehmen gehen deshalb einen anderen Weg, so etwa Bastei Lübbe: Für den IPO wurden zwar Teams umstrukturiert, aber letztendlich schuf der Verlag keine zusätzlichen Stellen. Die neuen Aufgaben werden mit Bordmitteln gestemmt, bei Fragen stehen externe Berater bereit.
Auf Unterstützung von Spezialisten setzt Bastei Lübbe zum Beispiel beim Reporting. Zwar stellt der Verlag intern monatlich eine Gewinn-und-Verlust-Rechnung nach HGB-Standard auf. Am regulierten Kapitalmarkt ist jedoch der internationale Rechnungslegungsstandard IFRS gefragt. Die Umrechnung übernimmt ein Dienstleister.
Die Umstellung beim Reporting bereitet Börsenneulingen auch deswegen Kopfzerbrechen, weil die Daten aller Niederlassungen sehr schnell zusammengetragen werden müssen, schließlich haben Unternehmen nach Abschluss des Geschäftsjahres maximal vier Monate Zeit, um den Gesamtbericht zu komplettieren. Hier empfiehlt es sich, eine gewisse Historie aufzubauen: Vor dem Börsengang sollte mindestens ein Geschäftsjahr nach den künftig anzuwendenden Standards bilanziert worden sein, damit Investoren Zahlen vergleichen können.
Im Unternehmen muss zudem neu definiert werden, wer welche Informationen wann bekommt – sonst kann schnell der Verdacht von Insiderhandel aufkommen. Natürlich müssen alle wichtigen Leute über die neuesten Zahlen informiert sein, dennoch sollte der Kreis derer, die Einsicht haben in sensible Dokumente, so klein wie möglich gehalten werden.
Besonderen Anforderungen sehen sich Familienunternehmen gegenüber, die sich dem Kapitalmarkt öffnen wollen: Investoren sehen es nicht gern, wenn die Familie an der Spitze zu präsent ist. Als besonders problematisch gilt es, wenn sich der Senior zurückzieht, aber trotzdem noch hier und da ins operative Geschäft eingreift. Ein unabhängiger angestellter Geschäftsführer kann diese Situation entschärfen.