Читать книгу Zombie Zone Germany: Auf Sendung - Hanna Nolden - Страница 4

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Je näher sie dem Lager kamen, desto gepflegter wirkte die Gegend. Weniger Schutt lag umher, und sämtliche Häuser sahen aus, als hätten ihre Bewohner sich nur auf einen längeren Urlaub begeben.

Natürlich hatte es militärische Maßnahmen gegeben, als die Seuche ausbrach, doch konzentrierten sich diese vornehmlich auf das Landesinnere. Explosionen und Zerstörung hatten Häuser niedergerissen und im Kampf gegen die Zombies auch viele Möglichkeiten, sich zu verbarrikadieren, vernichtet.

Die Landesgrenzen hingegen waren schnell gesichert worden, damit das Virus sich nicht hinüberschlich und die ganze Welt bald nur noch in die Zukunft torkelte, statt voranzuschreiten. Die benachbarten Nationen hatten ein erstaunliches Engagement entwickelt, als es darum ging, die eigene nationale Sicherheit zu schützen, und Deutschland hatte es nicht gewagt, mögliche Unterstützung durch einen kleinen Querschläger im Eifer des Gefechts zu gefährden. Doch Unterstützung war nie gekommen; stattdessen hatten die anderen Länder sich offenbar zurückgelehnt und das Spektakel begutachtet. Viel zu lange war Deutschland davon ausgegangen, dass man die Lage wieder unter Kontrolle bekommen würde. Es war keine Katastrophe; es war bloß so etwas wie die Vogelgrippe, und solange man sich regelmäßig die Hände wusch und ausschließlich in die Armbeuge nieste, würde alles bald wieder vorbei sein. Nun, schnell vorbei gewesen war es tatsächlich.

Die meisten Leute waren so sehr überrascht worden, dass sie es nicht einmal geschafft hatten, die kopflose Flucht in irgendeine Richtung anzutreten.

Sams eigene Eltern waren losgefahren, um die Einkäufe fürs anstehende Wochenende zu erledigen, und einfach nicht mehr nach Hause gekommen. Oft fragte er sich, ob er nach ihnen hätte suchen sollen, doch ihm war ebenso klar, dass nicht seine Feigheit die Schuld daran trug, dass er sie verloren hatte. In dem plötzlich ausartenden Chaos hätte er sie so oder so nicht wiedergefunden. Dass er nicht ebenfalls zerfleischt worden war, während er seiner Mutter dabei half, die Einkäufe zu tragen, verdankte er einzig und allein der Tatsache, dass er auch freitags gerne ausschlief.

Wortlos schritten sie um die Autos herum, die verlassen auf der Straße standen. Nikkis Schritte hallten lauter auf dem Asphalt wider als seine eigenen, doch sie sprach kein Wort. Eigentlich sprach sie nie, wenn sie an diesen Autos vorbeikamen. Er vermutete etwas dahinter, eine Trauer, die sich nicht in Worte fassen ließ. Aber genau aus diesem Grund hatte es keinen Sinn zu fragen, und vielleicht fürchtete er sich auch ein wenig vor der Antwort. Die Geschichten, die man sich heute erzählte, hatten für gewöhnlich kein glückliches Ende.

Von Wracks konnte man nach nur zwei Jahren noch nicht sprechen, aber dennoch strahlten die liegengebliebenen Autos Tod aus. Ironischerweise waren es die Toten, die weiterlebten, und die Gegenstände, die starben, weil niemand sie mehr benutzte.

Diese Fahrzeuge hier waren von denen zurückgelassen worden, die versucht hatten, sich bis zur holländischen Grenze durchzuschlagen, und dabei gescheitert waren. Einige hatten es bis zur Grenze geschafft; im Lager gab es einige von ihnen. Doch genützt hatte es niemandem. Soweit Sam wusste, war nie jemand durchgekommen, nicht einmal am Anfang. Nicht einmal Politiker oder Promis hatten es in ihren Privatflugzeugen hinausgeschafft, nach allem, was man im Internet so las. Im Internet las man aber natürlich so einiges.

Vor ihnen kam allmählich der hohe Wall in Sicht, der das gesamte Lager zum Landesinneren hin abgrenzte.

Auch auf der anderen Seite gab es Zäune, doch die waren viel niedriger, durchlässig fast und eher ein Symbol als eine tatsächliche Abwehr.

Sie lebten so nah an der Grenze, dass sie sich beinahe an den nächsten Stützpunkt schmiegten. Die Fläche dort wurde von der niederländischen Armee und Mitgliedern der NATO freigehalten, die sicherstellten, dass die Untoten nicht zu nahe an ihre eigenen Linien gelangten.

Das verschaffte ihnen als Zufluchtsort den großen Vorteil, nur eine Seite sichern zu müssen, und die Möglichkeit, von Zombies eingekesselt zu werden, schied für sie dankenswerterweise fast gänzlich aus.

Obwohl sie sich von den Soldaten keine direkte Hilfe versprechen konnten, profitierten sie doch indirekt von ihrer Anwesenheit, und es war ihnen gelungen, sich eine sichere Zone zu schaffen, wie man sie in Deutschland wohl nur noch selten antraf.

Sam hatte die Gegend hier nie verlassen, aber manchmal kämpften sich einzelne Überlebende zu ihnen durch; geschundene Gruppen von nie mehr als drei Mann, die in der irrigen Hoffnung aufgebrochen waren, man würde die Grenze für sie – und nur für sie – öffnen. Jeder glaubte daran, die eine Ausnahme zu sein, die es aus dieser Hölle hier herausschaffen würde.

Die Berichte, die die Neuankömmlinge mit sich brachten, waren fürchterlich.

Nahrungsmittel und Medikamente stellten hin und wieder ein Problem dar, aber alles in allem hatten sie die Lage gut im Griff, und auch der Komfort konnte sich für eine Zombie-Apokalypse wohl sehen lassen. Manchmal vermisste Sam allerdings frisches Obst aus sonnigeren Gefilden, den Eintopf seiner Mutter und natürlich das Pay-TV-Programm.

»Hey, Felix, mach das Tor auf, wir sind’s«, rief Nikki neben ihm zu der Mauer aus Holz empor, die sie in der Anfangszeit eilig zusammengezimmert und nach und nach weiter verstärkt hatten.

Ein junger Mann mit äußerst dichtem Bart lehnte sich vor, um sie über die Brüstung hinweg näher in Augenschein nehmen zu können. Wahrscheinlich behinderte die dicke Brille seine Sicht, doch offenbar war er trotzdem nicht gewillt, sie abzunehmen. Sein Leben verdankte er vermutlich einzig der Tatsache, dass selbst Zombies nicht den Drang verspürten, ihn zu verspeisen. Felix war Veganer.

»Yo, Nikki, Sam, wusste gar nicht, dass ihr heute draußen unterwegs wart. Wartet, ich lass euch rein.«

Sein Kopf verschwand, als er die Leiter hinunterstieg, um ihnen zu öffnen.

Felix war einer der wenigen anderen jüngeren Menschen, die es in ihr Lager geschafft hatten. Zwar lag die Aachener Universität ganz in der Nähe, doch die meisten Studierenden wohnten in der Stadt und hatten es nicht geschafft, der Invasion zu entkommen. Außerdem studierten viele dort Maschinenbau, und die Zombies waren unter den restlichen leblosen Gestalten viel zu spät bemerkt worden.

Sam hatte doppelt Glück gehabt: freitags keine Vorlesungen, und das Haus seiner Eltern lag äußerst praktisch in Uni-Nähe, sodass es sich nicht gelohnt hatte, sich eine eigene Wohnung in Aachen zu nehmen. Hätte er nicht eine so starke Aversion gegen die Möglichkeit eines Nebenjobs gehabt, wäre er bestimmt als Zwischenmahlzeit geendet.

Das Tor schwang auf und offenbarte den Blick auf eine Nachbarschaft, die genauso aussah wie die, die sie gerade durchschritten hatten. Die Häuser wirkten allerdings weniger verlassen, die Autos waren nicht einfach auf der Straße stehengelassen worden, sondern parkten ordentlich in den Auffahrten. In den Vorgärten wurde Gemüse angebaut.

Sam war praktisch seit der Gründung dieser Kommune hier. Nachdem die Sichtungen von Zombies aus dem Fenster im ersten Stock immer seltener wurden und die Konserven seiner Eltern allmählich zur Neige gingen, hatte er das Haus verlassen und war kaum zwei Straßenzüge später auf eine Gruppe Überlebender gestoßen. Sie hatten den Plan gehabt, einen Bereich nahe der Grenze zu sichern und sich dort einzurichten, bis alles vorbei wäre. Das war vor knapp zwei Jahren gewesen; die Bretterverkleidungen der Umzäunung waren stabiler geworden und die Tomatenpflanzen waren der Sonne entgegengewachsen. Und sie waren immer noch hier.

Das Haus, in dem Sam seine gesamte Kindheit verbracht hatte, stand nicht weit entfernt, und manchmal machte er sich zu Fuß auf den Weg, um seinen Kleiderschrank aufzustocken oder die alten Fotoalben durchzublättern. In letzter Zeit ging er jedoch immer seltener; er hatte gelernt, dass es nichts änderte.

»Wie ist es draußen so?«, wollte Felix wissen und sah Sam dabei kaum an.

Er war es gewohnt – und eigentlich war es ihm auch ganz recht –, dass die Menschen normalerweise Nikki ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkten.

»Ruhig. Zombies hin und wieder«, antwortete sie und zuckte gelangweilt mit den Schultern.

Viel mehr gab es eigentlich auch nicht zu sagen. Die Welt gehörte nun den Toten, und das hatte sie sehr still gemacht. Keine Geräusche mehr von der Autobahn, keine Radios, die durch offene Fenster nach draußen plärrten, keine Gespräche, keine Unterhaltungen und kein Gelächter mehr; nur noch Hunger.

»Ich war schon lange nicht mehr draußen«, bemerkte Felix und strich sich nachdenklich durch den Bart. »Früher schon, aber seit alle damit angefangen haben, ist es einfach nicht mehr dasselbe.«

»Sicher«, sagte Nikki trocken und nickte zur Leiter hinüber, die aussah wie billig im Baumarkt erworben. Vermutlich hatte sie vor der Apokalypse ein trauriges Dasein in irgendeiner Garage gefristet und war erst jetzt ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt worden. Nun bildete sie den einzigen Aufstieg zu der Brüstung, die die gesamte Vorderseite ihres Lagers umspannte.

»Sollte da oben nicht jemand Wache halten?«

»Ja, klar, schon«, erwiderte Felix lapidar. »Ist aber doch eh nie was los da draußen.«

Er trug ein kurzärmeliges Hemd, das trotz der heraufziehenden Wärme bis oben hin zugeknöpft war. Bald würde der Sommer erneut die Straßen erobern, und die Hitze würde den Asphalt zum Glühen und die toten Körper zum Verwesen bringen. Sam erinnerte sich noch an das letzte Jahr. Der Gestank war unerträglich geworden, und die Fliegen hatten das vergiftete Fleisch umschwirrt wie an einem warmen Grillabend.

Erst als Sam von Nikki am Arm gepackt und in Richtung der Häuser fortgezogen wurde, kletterte die Wache auf ihren Posten zurück. Vielleicht hätte Sam beunruhigt sein sollen, aber im Laufe dieser zwei Jahre war die ständige Furcht allmählich abgeklungen. Was zu Beginn noch schrille Panik in ihnen ausgelöst hatte, war bald schon zur Routine geworden, gemischt mit der Trauer um das, was einmal gewesen war.

»Ist der Typ eigentlich zu fassen?«, fragte Nikki mit einem genervten Schnauben.

Die meisten Menschen schienen ihr auf die Nerven zu gehen – ob tot oder lebendig.

»Du musst das verstehen«, warf Sam beschwichtigend ein. »Für ihn ging die Welt unter, als der letzte Starbucks schloss.«

Nikki brach in klirrendes Gelächter aus. Ihr Lachen war hoch und vielleicht ein klein wenig unangenehm wie zerbrechendes Glas. Und es war vermutlich der einzige Grund, warum sie sich überhaupt mit Sam abgab. Mit Sicherheit hätte sie coolere und auch nützlichere Freunde finden können, aber nach all dieser Zeit war er der Einzige, der sie noch zum Lachen brachte.

Nebeneinander schritten sie auf eines der Gemeinschaftshäuser zu. Obwohl sie fleißig Solarzellen von Häuserdächern montiert und an Generatoren herumgewerkelt hatten, reichte der selbst produzierte Strom nicht annähernd aus, um die gesamte Nachbarschaft zu versorgen. Ein paar leidenschaftliche Heimtechniker und ein pensionierter Elektriker hatten es jedoch geschafft, drei der Häuser an ein Stromnetzwerk anzuschließen, das diese auf dem Stand der Technik hielt. Der Strom wurde sorgfältig eingeteilt für Kühlmittel, gekochte Lebensmittel und einen gelegentlichen Wäschedurchlauf. Hin und wieder auch für das Aufladen eines einzelnen Handys, obwohl das hier niemand gerne sah.

Die Gemeinschaftshäuser standen allen offen und wurden nicht als Privatwohnungen der Überlebenden genutzt. Das größte von ihnen war mit hellem Klinker verputzt worden und hatte schon vor ihren Umbaumaßnahmen Solarzellen auf dem Dach gehabt.

Auf dem Weg zur grauen Haustür kamen sie an einem zerbeulten Van vorbei, der in der Auffahrt stand. Der Lack mochte einmal weiß gewesen sein, doch nun war er verschmiert mit Blut und Zombie. Die getrockneten Körperflüssigkeiten hatten ein unangenehmes Braun angenommen und bildeten ein makabres Logo der Moderne auf der Seite des Wagens. Sam hatte das Fahrzeug noch nie hier gesehen; daran hätte er sich mit Bestimmtheit erinnert. Der Van sah aus wie der Albtraum eines jeden Autos mit einer TÜV-Plakette. Er fragte sich, ob neue Flüchtlinge zu ihnen gestoßen waren.

Wie immer regte sich bei dem Gedanken der leise, verräterische Funken Hoffnung in seinem Innern, aber nach zwei Jahren hatte er gelernt, ihn geübt sofort wieder zu ersticken. Niemand, den er kannte, hatte jemals einen solchen Van gefahren.

Er stieß die Haustür auf und ließ Nikki den Vortritt. Im Eingangsbereich verteilt lagen diverse Gartengeräte – darunter eine ziemlich zerbeulte Heckenschere – und ein Schwert, das Sams Wissen nach früher bloß auf Mittelaltermärkten zum Einsatz gekommen war.

Inzwischen gehörte es zum guten Ton, seine Waffen abzulegen, wenn man ein Haus betrat, zumindest in geschützten Zonen. Die Schuhe konnte man anbehalten; so konnte man wenigstens schnell wegrennen, wenn man schon unbewaffnet war. Streitigkeiten um Nahrungsmittel und Werkzeuge hatten dazu geführt, dass es dieser kleinen Gesten des guten Willens bedurfte, um den Frieden dauerhaft zu wahren.

Sam lehnte seinen Spaten an die Wand des Flurs und betrat das Wohnzimmer. Die Couch und sogar der nutzlos gewordene Fernseher standen noch an Ort und Stelle, nur die gerahmten Familienfotos hatte inzwischen jemand beiseitegeschafft. Sam erinnert sich vage an eine brünette Frau, die auf allen Bildern lächelte, und an ein junges Mädchen mit einer Zahnlücke. Er war froh, dass die Fotos fort waren.

»Hast du das Handy?«, wollte Nikki nach einem kurzen Gruß in den Raum wissen.

Vier andere Personen hielten sich derzeit im Zimmer auf; die Gemeinschaftshäuser waren so etwas wie der soziale Treffpunkt für die Lebenden. Hier hielt man das Kaffeekränzchen ab, auch wenn Kaffee mittlerweile knapp geworden war.

Zwei Frauen unterhielten sich am Fenster, ein Mann blätterte in einer Zeitschrift, die schon seit zwei Jahren nicht mehr aktuell war, und ein weiterer schraubte an irgendetwas herum, dem Sam keine nähere Beachtung schenkte.

Im Lager hatten sie sich zu einer Zweckgemeinschaft zusammengefunden, aber engen Kontakt hatte er nur zu Nikki geknüpft. Man brauchte irgendjemanden, vermutete er.

Er zog das Handy aus der Hosentasche, in der er es verstaut hatte, und ging zu der kleinen Anrichte direkt neben einer der Steckdosen, wo er das Ladekabel aufbewahrte. Er schloss das Smartphone ans Stromnetzwerk an. Schon nach ein paar Sekunden vibrierte es sanft in seiner Hand und der Bildschirm leuchtete auf. Der Hintergrund war in neutralem Blau gehalten. Es wäre ihm falsch vorgekommen, ein Foto aus glücklicheren Zeiten zu verwenden, wenn es inzwischen nur noch Untote zu fotografieren gab.

Er kniete auf dem Boden, und neben ihm hatte Nikki sich in einem eleganten Schneidersitz niedergelassen. Sie wirkte ruhig und gelassen, aber er konnte die leichte Anspannung in ihren Schultern sehen. Selbst in der Sicherheit des Lagers war ihr Körper in ständiger Bereitschaft, augenblicklich die Flucht anzutreten. Sam selbst konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal richtig locker gewesen war. Eine ausgiebige Massage stand bei ihm auf Platz zwei seiner derzeitigen Wunschliste.

Gemeinsam beobachteten sie, wie sein Daumen den Code eingab und das Netzwerk auswählte. Natürlich war alles um sie her nach und nach zusammengebrochen, das Internet genauso wie das Fernsehen und Radio. Doch so nah an der Grenze drang ein schwaches Signal zu ihnen durch, übermittelt von ihren unerbittlichen Bewachern auf der anderen Seite, die den ganzen Tag im Netz surfen und mit Freunden chatten konnten, die alle noch lebten.

Natürlich war der Zugang verschlüsselt, aber selbst ohne technische Ausrüstung war es ein Leichtes für Sam gewesen, sich in das Netzwerk zu hacken. Für irgendwas musste ein Informatikstudium ja schließlich gut sein, auch wenn die IT-Branche in Deutschland sich derzeit eher totlief.

»Wir sind drin«, verkündete er, als sein Handy ihm mitteilte, dass er nun Internetzugang hatte.

»Verschwendet ihr Gören schon wieder unseren Strom?«, rief der Mann mit der Zeitschrift zu ihnen hinüber.

Kurz sah Sam von seinem Handy auf und verdrehte die Augen.

Der Mann hieß Gerhard. Er war seit ungefähr hundert Jahren Rentner und hatte die Zombies nur überlebt, weil er sich sehr gut auf den Dritten Weltkrieg vorbereitet hatte. Er wohnte nur zwei Häuser weiter und las derzeit entweder einen Artikel über das britische Königshaus oder Diättipps für Frauen über vierzig.

»Wir verschwenden ihn nicht«, stellte er klar und loggte sich in seinen Social Media Account ein.

Er klickte auf das kleine Zeichen, das ihm anbot, ein Bild hochzuladen.

Eilig scrollte er durch die Fotos, die Nikki heute von ihm geschossen hatte.

Während sie ihm über die Schulter blickte, wählte er eines, auf dem er den Spaten sehr dramatisch erhoben hielt; ein weiteres, auf dem die Gedärme des Untoten eindrucksvoll zur Geltung kamen; und ein letztes mit der Großaufnahme des verwesten Gesichts seines Angreifers.

Er fand, die Bilder hatten Stil und sahen aus wie aus einem ordentlichen, nicht ganz so billig produzierten Horrorfilm.

Jedes einzelne versah er mit #ZombieZoneGermany. Es war der Hashtag, der sie berühmt gemacht hatte. Seines Wissens nach postete niemand sonst Bilder, die tatsächlich echt waren. Nikki und Sam hatten nicht bloß eine Menge eingeschworener Fans, sondern auch eine beträchtliche Zahl Laufkundschaft von Neugierigen. Sie waren jetzt jemand; sie existierten. Sie lebten noch, und die Welt sah ihnen dabei zu.

»Wir leisten hier einen wichtigen Dienst an der Menschheit«, erklärte Sam beleidigt. »Es ist wichtig, die Leute aufzuklären. Es ist wichtig, dass wir mit der Außenwelt in Kontakt treten.«

Er sagte das für Gerhard, aber wahrscheinlich auch für sich selbst. Es war wichtig, eine Aufgabe zu haben. Es war wichtig, zu glauben, dass es einen Unterschied machte, ob man lebte oder starb. Denn wenn man einmal aufhörte, an diesen Unterschied zu glauben, war es vom Gehen zum Schlurfen nur noch ein kleiner Schritt.

Gerhard schnaubte abfällig.

»Warum tut ihr euch nicht mit dem neuen Spinner hier zusammen, dann könnt ihr euch alle drei im Dienst an der Menschheit fressen lassen.«

Erst jetzt sah Sam genauer zu dem Mann hinüber, der immer noch an irgendetwas zu basteln schien. Tatsächlich hatte er ihn hier noch nie zuvor gesehen; vermutlich gehörte er zu dem einstmals weißen Van draußen vor der Tür.

Er war ungefähr Mitte vierzig, hatte kurzes, dunkles Haar und eine kräftige Statur. Seine Kleidung sah aus, als wäre sie einmal sehr teuer gewesen und hätte dann aufgegeben. Alles an ihm schrie »Führungsebene«, von den Bartstoppeln am Kinn einmal abgesehen, die eine Rasur dringend ratsam erscheinen ließen.

Aber es war nicht der Mann selbst, der dafür sorgte, dass Sams Augen sich plötzlich weiteten. Beinahe benommen vor Andacht stand er auf und trat zu dem Neuankömmling hinüber.

In seiner Arbeit versunken versuchte der gerade, ein Stativ zu reparieren, das nur noch über zwei von drei Beinen verfügte. Offenbar hatte man eines amputieren müssen.

Daneben auf dem Boden lag eine wunderschöne, schwarze Fernsehkamera, die nicht den geringsten Kratzer aufwies. Auf den hellen Dielen schien sie beinahe zu glänzen.

»Was ... was machen Sie da?«, wollte Sam wissen.

Er wendete den Blick erst von der Kamera, als der Mann zu ihm aufsah und lächelte. Um seine Augenwinkel herum zeigten sich bereits viele Fältchen, und seine Stimme war ausgeglichen und tief.

»Nachrichten«, sagte er gelassen. »Ich mache Nachrichten, mein Junge.«

Zombie Zone Germany: Auf Sendung

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