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Оглавление2 Weshalb die Lesefähigkeit verkümmert
Nicht klagen, feststellen, dann überlegen: Was kann ich korrigieren?
Es muss ohne Anstrengung gehen
Ich hoffe, ich habe deinen Appetit mit diesem Einstieg anregen können.
Unsere Konsumgesellschaft (verzeihe mir diese Pauschalisierung, ich habe sie in Ich konsumiere, also bin ich? erläutert) suggeriert eine falsche Vorstellung: Spaß muss kosten- und mühelos erreichbar sein.
Erlaube mir einen Vergleich. In der Pädagogik fällt man zuweilen der gleichen Täuschung anheim. Man denkt, dass die Methode oder das Medium die Anstrengung reduzieren oder gar eliminieren könne. Natürlich, Wörter und Sätze lassen sich mit dem Zufallsgenerator eines Computerprogramms „spielerisch“ aneignen. Es bleibt jedoch: Der Zeitaufwand, die Wiederholung, das Eintippen.
Nehmen wir vor unser inneres Auge ein Kind, das sich vorgenommen hat, auf zwei Rädern fahren zu lernen. Es hüpft, versucht, kippt, stoppt, fährt weiter, balanciert. Genau so geht es mit dem Lesen. Die Gewohnheit der Aufmerksamkeit bildet den Kern dieser Fähigkeit. Freude entsteht oft gerade aus großer Anstrengung und purem Fleiß.
Aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung mit dem Lesen kann ich bestätigen: Es ist oft mit anstrengenden und frustrierenden Denkprozessen verbunden.
Die Dominanz des bewegten Bildes
Das bewegte Bild dominiert. Kurze Clips, jederzeit zugänglich, erheischen unsere Aufmerksamkeit. Wir tragen den Ablenker Nr. 1 in unseren Taschen herum (auch dazu habe ich mich in Smartphone – Alltag aus christlicher Weltsicht, Band 1).
Wer macht sich die Mühe und liest ein ganzes Buch? Für 200 bis 300 Seiten benötige ich nicht 30 Sekunden, sondern vielleicht 10 Stunden. Dann doch lieber durch den Twitter-Feed zappen? Ich behaupte: Selbstbeherrschung ist eine verlorene Tugend. Ich brauchte Jahre, um mir die Gewohnheit des Durchbeißens durch ein Buch anzueignen. Und ich muss mich täglich in Übung halten, um diese Gewohnheit beizubehalten.
Gott mit dem ganzen Verstand lieben
Jetzt weiten wir unsere Perspektive. Diese Abhandlung ist unter der Voraussetzung eines „offenen Universums“ geschrieben. Ich gehe von einem persönlich-unendlichen Gott aus. Das heißt: Er ist Person und sucht die Beziehung zu mir als Mensch. Und er ist gleichzeitig unendlich erhaben.
Unser Denken ist kein Selbstzweck, sondern Mittel, um Gott und Menschen zu lieben. Gott mit dem Verstand zu lieben bedeutet, die Fülle des von Gott geschenkten Reichtums wahrzunehmen und auszudrücken. Eine wichtige Art um zu denken geschieht durch Lesen. Wer liest, muss denken.
Ich bringe mein Erstaunen über die Schrift, Sprache und Speichermedien mit in diese Überlegung. Es hat Gott gefallen, nicht nur seine Offenbarung durch Laute, Worte und Schrift zu bewerkstelligen. Wir Menschen verfügen über die Fähigkeit unsere Erfahrungen, unser Wissen und unsere Entdeckungen schriftlich festzuhalten und auf diese Weise einander mitzuteilen.
Manchmal treffe ich unter Christen eine verkappte Denk- und Lesefeindlichkeit an. Diese lässt jedoch außer Acht, dass uns Schrift und Lesen zu Gottes Schöpfungsdesign gehört. Nicht die Fähigkeit an sich ist verkehrt, sondern unser Umgang damit. Dieser kann grundsätzlich in zwei Richtungen ausschlagen: In Stolz (wir erreichen mehr als andere) oder in Verzweiflung (wir erreichen weniger als andere, lassen es darum ganz).
Daten oder Informationen?
Lasst uns also besser den Teil eines Buches lesen als zusammenhangslos eine Meldung und Teile eines Artikels zu überfliegen. Dazu nehmen wir Anstrengung in Kauf, weil wir wissen, dass es sich lohnen wird. Manche Seiten lese ich zwei- oder dreimal. Gerade bevor ich diese Zeilen schrieb, habe ich mir am Buch „Eine kurze Geschichte der Digitalisierung“ (Penguin, 2018) beinahe die Zähne ausgebissen. Es geht darum, Zusammenhänge zu erkennen. Dann möchte ich immer wieder den Abgleich zur biblischen Weltsicht vornehmen können. Ich begnüge mich nicht mit zusammenhangslosen Daten. Ich möchte keinen einfachen Zeitvertrieb. Mein Tag ist ein von Gott geschenkter Tag. Meine Tätigkeit ist intentional – das heißt mit Absicht und mit Inhalt gefüllt.