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II.

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Meine Schmutzwäsche sammle ich in einem taillierten Flechtkorb, wie ihn Schlangenbeschwörer verwenden, um ihre gelehrigen Tiere darin aufzubewahren. Die den Schlangen eigene, gespenstische Physiognomie erlaubt es diesen Tieren, in sich zusammengerollt auf jenen Zeitpunkt zu warten, an dem sie von einer betörenden Melodie herausgelockt werden. Bis es so weit ist, vertreiben sie sich die Zeit mit ihrer Verdauung. Ihre Körperhaltung hat etwas von einem Kabel oder einem Lasso, die für den unverzüglichen Einsatz bereitliegen.

Solange mein Schmutzwäschekorb nicht bis über die Hälfte gefüllt ist, passt mein gesamter Körper in seinen Bauch. Ich stelle mich auf die Wäschestücke am Boden des Korbes und gehe ganz langsam in die Hocke. Den geflochtenen Deckel halte ich mit beiden Händen über meinem Kopf wie ein orientalischer Kellner sein Tablett und verschließe damit vorübergehend meine Anwesenheit in meiner Wohnung wie zwischen Anführungszeichen, die etwas, das man eigentlich gar nicht sagen will, nur gedämpft ausgesprochen wirken lassen. In dem Korb setze ich mich behutsam auf die unter mir versammelte Wäsche, die mich an die abgetragene Haut eines Pythons erinnert. Knie und Arme halte ich angewinkelt und lege die Hände auf meine Schultern. In dieser Position verharren Astronauten in ihren Raumkapseln. Bei meinem ersten Aufenthalt im Wäschekorb schwebte mir eine embryonale Körperhaltung vor, aber das ist zu gefährlich. Der Korb könnte umkippen und über den Boden der menschenleeren Wohnung rollen. Embryonal hingebettet liefe ich außerdem Gefahr, in eine Art ewigen Tiefschlaf zu verfallen, mein Ziel jedoch liegt darin, es in die meditative Warteschleife der Schlangen zu schaffen, in der diese die Geduld aufbringen, die Melodie ihres Meisters zu erwarten. Während ich in einer von einem Gewirr schwacher Lichtstrahlen durchlöcherten Finsternis des Korbes sitze, fällt mir ein, dass ich meinen Radiowecker hätte programmieren sollen. Beispielweise könnte ich mich begleitet von einem Stück klassischer Musik aus dem Schmutzwäschekorb erheben. Stilvoll wäre es auch, mit einem Gongschlag zur vollen Stunde aufzustehen wie ein Kuckuck, den ein Mechanismus aus seinem Kuckuckshäuschen holt, oder wie ein Toter, der von den Kirchenglocken in seiner Urne geweckt wird. Jedes Mal vergesse ich diesbezügliche Vorkehrungen. Das liegt daran, dass es mir zunächst ausschließlich um einen Zustand des Abwartens und der Geduld geht. Alles andere erscheint nebensächlich. Sobald mir wieder einmal bewusst wird, wie schwer es ist, in einen solchen Zustand zu gelangen, meine ich zu begreifen, dass sich ein mit der Außenwelt verbundener Schlusspunkt versöhnlich anfühlen würde. Als würde mir die Welt da draußen zurufen, dass es ohne mich einsam und trostlos sei. Tatsächlich aber kommt nicht einmal jemand vorbei, um mich mit schmutziger Wäsche zu überhäufen. Eines Tages habe ich so lange gewartet, bis der Refrain von I Don’t Know How to Love Him in Form eines Klingeltons aus dem Stiegenhaus zu mir in den Schmutzwäschekorb drang. Ein anderes Mal fiel mir nichts Besseres ein, als das Geräusch einer Kreissäge, das von der Straße oder aus einem benachbarten Gebäude herüberkam, gelten zu lassen. Am häufigsten hat mich eine Ambulanz mit ihrer Sirene aus meinem selbst gewählten Refugium geholt.

Der Schmetterlingstrieb

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