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Der Rettungssanitäter 2013
Оглавление6.9.13
noch in der Klinik wurde mit meinen Mitpatienten ein Stammtisch an jedem ersten Donnerstag im Monat vereinbart.
Gestern war der erste Stammtisch. Alle Mitpatienten waren da. Ich saß neben dem Rettungssanitäter. Er ist ein großer Mann mit schiefen Zähnen und einem Schmerbauch. Er ist Anfang vierzig. Ich finde ihn hässlich, aber er zieht mich seltsam an. Ich sitze gerne neben ihm und spüre seine Nähe wie eine Wohltat.
Er zog begierig die Aufmerksamkeit aller anderen auf sich. Er erzählte zotige Witze, aber ich glaube unter seinen plumpen Witzen und seiner Angeberei eine sensible Seele zu spüren.
Ich habe in diesem Monat Geburtstag und ich lud die ganze Runde zu meinem Geburtstag ein.
28.9.13
Ich bereitete meinen Geburtstag mit viel Aufwand vor. Ich backte zwei Kuchen und kochte ein raffiniertes Chili con Carne, mit Rindfleisch und Kichererbsen. ich war schon zwei Tage vor meinem Geburtstag sehr aufgeregt. Ich hoffte sehr, dass der Rettungssanitäter kommt. Er kommt als erster und hilft mir noch den Tisch zu decken. Er macht das mit Sorgfalt. Ich bin sehr glücklich.
Meine Kochkünste werden von allen gelobt. Sie greifen alle kräftig zu. Die zwei Kuchen werden restlos aufgegessen. Der Rettungssanitäter unterhält die ganze Gesellschaft mit drastischen, lustigen Geschichten. Ich habe den Eindruck, dass bis auf eine Wienerin, die aber schon lange in München lebt, amüsieren sich alle. Die Wienerin verabschiedet sich als erste. An der Tür wispert sie mir zu „Ich kann das Gequatsche von diesem Ekel nicht mehr ertragen. Fall ja nicht auf ihn herein.“
Der Rettungssanitäter geht als Letzter. Er hilft mir spülen und wir sitzen dann noch in der Küche und unterhalten uns. Er erzählt mir aus seinem Leben. Er hat zwei Kinder und ist geschieden. Er ist einige Zeit, aus Enttäuschung über seine gescheiterte Ehe, drogenabhängig gewesen. Er erzählt auch eine gruselige Geschichte aus seiner Kindheit. Er ist von seiner Mutter missbraucht worden.
Er geht ohne mich zu berühren. Ich hätte es ihm erlaubt. Seine Hässlichkeit nehme ich nicht mehr war. Ich schreibe seine Zurückhaltung seinem Feingefühl zu. Wir verabreden uns für den nächsten Tag in einem städtischen Schwimmbad.
30.9.13
Ich probierte stundenlang meine 3 Badeanzüge an und entschied mich dann für den, bei dem mein kleiner Busen noch am besten zur Geltung kommt.
Im Wasserbecken tobt Franz mächtig herum. Er krault und springt vom 3 Meter Brett. Ich sitze am Beckenrand. Er kommt nach jeder Aktion zu mir und holt sich ein Lächeln ab. Er strahlt dann wie ein kleiner Junge.
Als er mich nach Hause bringt und vor meiner Einfahrt anhält, sage ich nur: „Komm mit.“
Ich sperre die Wohnungstür auf und gehe schnurstracks in mein Schlafzimmer. Er folgt mir. Er zieht mich gierig aus. Seine Hände sind überall an meinem Körper. Währen er sich auszieht, lege ich mich auf das Bett. Als er an das Bett tritt, schaut sein Pimmel etwas komisch unter seinem Bauch hervor. Ich muss an mich halten, um nicht laut loszulachen. Er öffnet ohne ein Vorspiel meine Beine und legt sich schwer auf mich. Zuerst merke ich gar nicht, dass er in mich eingedrungen ist. Aber bald bekomme ich einen ersten Orgasmus, dann noch einen. Als er seinen Samen in mich schleuderte hatte ich schon eine ganze Serie von Orgasmen. Es stört mich nicht, dass er noch lange schwer auf mir liegen bleibt. Ich genieße es von seinem Gewicht niedergedrückt zu werden, es gibt mir Sicherheit und Geborgenheit.
Als ich in der Nacht aufwache bin ich allein. Er hat sich davongestohlen. Ich habe so tief geschlafen, wie schon lange nicht mehr, und hatte ihn nicht gehört. War er gegangen, weil er erwartet wurde? Weil er mit einer Frau zusammenlebt und nicht erst am Morgen heimkommen darf? Ich schob den Gedanken von mir. Nein das war es nicht. Ich war schon einmal mit einem Mann befreundet gewesen, der es eine ganze Nacht nicht in meinem Bett aushielt. Er war psychisch krank gewesen, wie mein neuer Freund. Ich bin ganz sicher es ist seine psychische Erkrankung, die ihn weggetrieben hat und nicht eine Beziehung zu einer anderen Frau.
31.9.13.
Als er am nächsten Tag anruft, bin ich nicht misstrauisch, sondern voller Verständnis für seinen frühen Abgang. Der Liebhaber der mich entjungfert hatte, war in der ersten Nacht auch nicht die ganze Nacht geblieben. Später allerdings schon.
Er schlägt für unsere nächste Liebesnacht einen neutralen Ort vor. Nicht mein Bett und nicht sein Bett, sondern die Ferienwohnung seiner Mutter in den Alpen.
Ich willige ein. Wir sind beide arbeitslos und können frei über unsere Zeit verfügen.
3.10.13 Am Nachmittag
Wir sind jetzt am Achensee. Die Ferienwohnung ist abscheulich eingerichtet mit gruseligen Möbeln aus der Wirtschaftswunderzeit, aber es gibt ein gemütliches Bett mit einem Fell als Überwurf. Es ist heute ein sonniger Spätsommer. Wir machten einen Spaziergang und saßen lange in der milden Sonne.
Franz schläft jetzt und ich schreibe Tagebuch.
Die Nächte und auch die Tage sind erfüllt von seinen stürmischen Liebesattacken.
Sein Liebeswerben ist zunehmend gröber geworden, das beeinträchtigt aber meine Lust nicht. Ich weiß jetzt, dass ich in der Liebe zupackende Männer mag, sie dürfen auch ein wenig grob sein.
Max, der Vorgänger von Franz als Liebhaber, ist ein großer Kuschler. Für ihn war nicht das Eindringen in meinen Körper das Wichtigste, sondern das Berühren meines Körpers. Max ist auch schon ein alter Mann. Ich bin seine Geliebte geworden, weil ich neu in München und vereinsamt war und auch weil mir seine Begeisterung für mein Wesen und meinen Körper guttat. Zu erwähnen sei auch, dass wir in der Liebe zu den Büchern und zur Malerei übereinstimmen.
Franz liebt Opern. Er ist ein begeisterter Fan von Wagner. Er brachte zahllose CDs von Wagner mit und spielt sie ständig. Ich habe keine Beziehung zur Musik von Wagner. Sie scheint mir schwülstig und weihevoll. Ich ertrage sie aber, um nicht unangenehm aufzufallen. Was mich eher interessiert sind die grausamen Geschichten, die in den Opern erzählt werden.
Franz kann diese Geschichten aus dem Stand erzählen. Mich amüsieren diese Irren Geschichten von Männern die sich selbst entmannen, um ihre Begierde nach den Frauen loszuwerden oder der unglücklichen Kundry, die nur erlöst werden kann durch einen Mann der ihrem Liebeswerben widersteht. Mir scheinen diese Geschichten verklemmt und irre.
Franz findet nichts Irres oder Verklemmtes an den Geschichten. Sie betören ihn. In der Musik findet er eine Zauberwelt, in der er sich selbst großartig findet. Er ist Parzival und er ist Lohengrin. Gerne singt er „Mein Vater Parzival trägt seine Krone, Sein Ritter ich – bin Lohengrin genannt.“ Mehr Text und Gesang kann er gottseidank nicht.
Er singt diesen Text bei allen möglichen Gelegenheiten. Im Bad, beim Spazierengehen, in der Küche.
Zum Gesang stellt er sich immer in Position. Ein Bein einen Schritt vorgestellt. Den Kopf etwas erhoben, die Brust herausgereckt. Er mag es, wenn ich ihn dabei bewundernd anschaue.
Als ich einmal um eine Wagner Pause bitte, schnauzt er mich grob an, mit der Bemerkung ich wäre wohl unmusikalisch und solle doch in das Schlafzimmer gehen, dort würde ich keinen Wagner hören.
Ich bin entsetzt über diese Grobheit und ziehe mich in das Schlafzimmer zurück.
Er ließ sich Zeit, nach einer Stunde kommt er in das Schlafzimmer. Ich drehe mich um und stelle mich schlafen. Er legt sich zu mir und kitzelt mich solange bis ich laut auflache und mich in seine Arme schmiege.
6.10.13 Im Zug nach München
Aus heiterem Himmel wurde unser Idyll beendet. Franz hatte sich am Nachmittag in das Schlafzimmer zurückgezogen, um ein wenig zu schlafen. Ich wusch mir die Haare und werkelte etwas im Bad. Es war schon später Nachmittag, als ich in das Schlafzimmer ging, um ihn aufzuwecken. Ich berührte leicht seine Beine und säuselte: „Mein Schatz, aufwachen, ist schon spät.“
Er schreckte hoch, starrte mich böse an und schrie mich an. „Kannst du nicht leise sein. Du siehst doch, dass ich schlafe. Ich fahr dich jetzt zu Bahn. Ich bin es leid, dass du hier bist.“
Ich blieb vor Entsetzen mit offenem Mund stehen. Er sprang aus dem Bett zog sich an und blaffte mich an: „Zieh dich an, ich bring Dich zur Bahn in Tegernsee.“ Ich dachte immer noch, das ist ein Scherz, und er nimmt mich gleich lachend in die Arme. Es war kein Scherz. Ich packte meine Sachen und er fuhr mich in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit nach Tegernsee. Unterwegs versuchte ich mit ihm zu reden. Ich sagte: „Was ist los mit dir, woher kommt dieser Hass. Halte an und lass uns reden.“ Er hörte nicht auf mich. Er bedrängte Autos, die vor uns fuhren und er überholte in unübersichtlichen Kurven. Am Bahnhof Tegernsee ließ er mir nicht die Zeit meine Tür zu öffnen, sondern öffnete sie, in dem er sich über mich beugte. Ich hatte meine Tasche auf dem Schoß. Er schmiss mich aus seinem Auto. Als ich draußen war schloss er die Tür, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
Ich stand wie vom Schlag gerührt vor dem Tegernseer Bahnhof.
Vor einer Stunde war ich eine Frau gewesen, die endlich den Mann gefunden hat, nachdem sie sich immer sehnte. Jetzt bin ich eine Frau, die genau von diesem Mann auf die Straße gesetzt worden war.