Читать книгу Das Tor der sieben Sünden - Hans Günter Hess - Страница 3

Wie alles begann

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Die Mauer, sie verlief von Ost nach West, war Rest einer ehemaligen Klosterumfriedung und etwa zweihundert Meter lang. Grobe, unbehauene Steine bildeten das Gefüge, dessen verbindender Fugenmörtel schon lange verwittert, jetzt Staub und Erde ein gutes Lager ermöglichte. Zwischen dem üppigen Moos auf den Steinen bildete es einen guten Nährboden für allerlei niederes Gestrüpp, das auch auf beiden Seiten der Mauer zu einem breiten, undurchdringlichen Dickicht empor wucherte.

Das östliche Ende der steinernen Wand lag am Wald. Zig Jahre herangewachsen und gereift, vorwiegend aus Eichen und Buchen bestehend, verwaltet vom Königlichen Oberforstmeister Guy Bresson, ein wallonisches Urgestein. Sein Haus stand allerdings am entgegen gesetzten Ende, etwas abseits der alten Klosterkirche und war einst zum Teil aus den Bruchsteinen der ehemaligen nord-südlichen Einfriedung errichtet worden. Es gehörte zu den ältesten auf der nördlichen Seite und hatte schon vielen Forstmeistern vor ihm als Wohnung und Verwaltungssitz gedient. Die grauen und nur grob behauenen Quader im Gemäuer verliehen ihm einen düsteren, abschreckenden Charakter. Nur der Hirschkopf mit seinem Sechzehnender Geweih deutete darauf hin, dass es sich um ein Forsthaus und kein Spukschloss handelte.

In einer Linie mit der Mauer platzierte sich dort auch die Klosterkirche, das einzige Gebäude, das nach dem großen Brand der Abtei unversehrt blieb. Man hielt es wohl für ein Zeichen Gottes, dass es trotz vieler Jahre der Brache noch nutzbar war. Außer der kleinen Pforte für den Patre gab es zudem zwei andere Türen. Die eine lag auf der nördlichen, also auf der ehemaligen Innenseite des Klosters. Sie führte direkt in den Altarraum und hatte keine Verbindung nach oben, wurde offiziell behauptet. Allerdings befand sich versteckt in der Apsis eine steile Stiege, die hinauf führte. Diese benutzte nur der Messner, wenn er den Blasebalg der Orgel trat oder die einzige Glocke im Turm läutete. Über sie gelangte man aber auch durch eine geheime Tür zur Empore, aber das wussten nur Eingeweihte. Der schmucklose Rang diente dem gemeinen Volk, das über eine Außentreppe durch die südliche Tür das Kircheninnere betreten durfte und von dort genügend Abstand zu denen hatte, die unten vor dem Altar Platz nahmen. Die da saßen verstanden sich als die vermeintlich ehrbaren Bürger der kleinen Ortschaft. Sie hockten jetzt auf den Bänken der Nonnen des ehemaligen Klosters, um zu zeigen, dass sie sich für besonders fromm und frei von jeder Sünde hielten. Jedenfalls sollte das jedermann glauben.

Bis auf die besagte Mauer waren alle anderen steinigen Überreste der Klosterruine dem Errichten neuer Häuser zum Opfer gefallen. Dieses Baumaterial lag quasi vor der Haustür und kostete nichts.

Mit dem Verlegen einer Verkehrs- und Handelsstraße zur nächsten Stadt nahe der Maas, wurden überdies zu gleichen Zeit Abenteurer, Spekulanten und Leute mit geschäftlichen Interessen in das einst abgelegene, verlassene Nest gespült. Die Einen hofften auf große Gewinne, die die beginnende Bauwut versprach, andere suchten die Ruhe der Natur.

Es waren aber auch welche darunter, die einfach ein Stück Land oder eine Arbeit suchten, um ihre Familien zu ernähren; die hatten es am schwersten. Und die, die sich nahmen was sie brauchten, ohne dafür zu zahlen oder auch nur einen Finger krumm zu machen, die gab es auch.

Zu denen gehörten auf der nördlichen Seite der Spekulant und Betrüger Eduard Wiertz und auf der südlichen der Abenteurer, Tagedieb und Taugenichts Sarly, abgeleitet von Saligot, was soviel wie Dreckskerl hieß. Aber das war er im eigentlichen Sinne des Wortes nicht, er war eher ein Saubermann, was seine Körperhygiene anging. Und das kam so:

Als er sich als einer der Ersten im Ort ansiedelte, brauchte er eine Bleibe. Eine alte, halb verfallene Gerberhütte am Bach bot sich dabei als ideale Wohnstätte an. Sie hatte nur einen Raum, in dem es noch immer nach den Gebereiabfällen stank, und einen Dachboden mit einer Luke. Dort richtete er auf Stroh seine Schlafstätte ein. Zwischen Haus und Bach stand ein riesiger Bottich. Das Holz der Spundwände, bereits im oberen Teil verfault, aber unterhalb durch das Regenwasser, das sich knietief angesammelt hatte, war noch ganz intakt. Die brackige Brühe hatte er abgelassen, danach den Boden und die Innenseite von Algen und Schmutz befreit und schließlich frisches klares Bachwasser eingefüllt.

Jeden Morgen, wenn er verschlafen und nackt aus seinem Strohlager kroch, sprang er beherzt in das kalte Nass und wusch sich von oben bis unten ab. Meist kletterte er nach dem Bad wieder hoch zur Luke, setzte sich Beine baumelnd auf den Schwellbalken und ließ sich singend vom Wind oder der Sonne, je nachdem was zur Verfügung stand, trocknen. Sein Gesang hörte sich nicht besonders wohlklingend an, zumal seine Lieder meist obszöne Texte besaßen. Aber er kannte keine anderen und die hätten ihm auch nicht gefallen. Unten, vor der Tür seiner Kate, lag sein Hund Clochard, eine struppige ungepflegte Promenadenmischung aus Drahthaar-Terrier und Wolfshund. Er war Sarlys einziger richtiger Freund und ein Streuner wie er. Wenn sein Herr sang, heulte er zur Begleitung und dann klang es erst recht frivol schaurig. Der jaulende Singsang des ungleichen Duos wurde meist von den Leuten südlich der Mauer lachend beklatscht, nur auf der nördlichen Seite schloss man demonstrativ Fenster und Türen und holte die Kinder ins Haus. Man schleuderte dem Sänger Drohungen hinüber, die er meist mit frechen Bemerkungen oder hämischem Lachen abtat. Er war schließlich ein freier Mann.

Ein Stück dem Bach hinunter stand eine weitere Kate. Einst diente sie der Kunst des Seifensiedens. In ihren Mauern steckte noch das Aroma der Laugen und Duftstoffe, die man zur Seifenherstellung benutzt hatte. Dieser Geruch wirkte anziehend und abstoßend zugleich, genau wie das junge Mädchen, das sich dort eingerichtet hatte, nämlich die Hure Madeleine.

Im Gegensatz zu Sarly putzte sie ihr Haus heraus und schmückte es mit rankenden Blumen. Die Männer, die sie aufsuchten, sollten sich schließlich bei ihr wohlfühlen, das lockerte nämlich deren Geldbörse und füllte ihre eigene. Genau wie er wusch sie sich täglich mit frischem Bachwasser. Da sie aber keinen Zuber besaß, stieg sie einfach in den Wasserlauf, hob den Rock und bespritzte ausgiebig die Körperpartien, die auf Männer so anziehend wirkten und mit denen sie ihr Geld verdiente. Manchmal begab sie sich aber so, wie Gott sie erschaffen hatte ins Wasser, reinigte ihren ganzen Körper und das Haar mit feiner Seife. Die spendierte ihr immer ein Freier. Wenn er des Nachts bei ihr erschien, roch er erst an ihr, ob sie denn auch sauber sei. So war es auch heute.

Sarly hatte seinen Hochsitz verlassen und stand jetzt in alte Lumpen gehüllt vor Clochard, seinem Hund.

„Wir müssen uns etwas zum Fressen besorgen, Köter! Wir wollen den Tag nicht hungrig bleiben.“

Das Tier verstand jedes Wort seines Herrn. Es wusste jetzt, was es tun musste. Während Sarly dem Bachlauf folgte, steuerte sein Hund auf die Mauer zu. Der Weg dorthin war kaum erkennbar. Nur das niedergetretene Gras ließ vermuten, dass er hin und wieder benutzt wurde. Durch das enge Gestrüpp führte er zu einer bestimmten Stelle an der Mauer. Es handelte sich um den Ort, wo einst eine Pforte des Klosters nach draußen führte. Kunstvoll mit behauenen Steinen in das Mauerwerk eingefügt, hing noch immer das verrostete eisernes Tor in den Angeln. Welchem Zweck es gedient haben mochte, wusste niemand mehr. Längst ließ sich das kleine Portal nicht mehr schließen, so dass man es ungehindert passieren konnte. Jetzt nutzte man diese einzige direkte Verbindung zwischen beiden Seiten für persönliche Interessen, die lieber verborgenen bleiben sollten.

Clochard gelangt auf diese Weise zur Nordseite, um in den Abfällen der ehrbaren Leute nach Fressbarem zu suchen. Meist traf er noch auf andere Kostgänger, die wie er den verführerischen Gerüchen der Essensreste nicht widerstanden. Es waren Mäuse, Ratten und, was selten genug vorkam, ein feister Kater. Letzterem ging er lieber aus dem Weg. Heute glänzte er durch Abwesenheit, aber Clochard fand auch keine satt machende Portion, die von irgendeinem Tisch kam. Schon wollte er seine zweite Nahrungsquelle aufsuchen, nämlich die Knochenhalde des Fleischhauers, als eine fettleibige Ratte seinen Weg kreuzte. In ihrer Behäbigkeit war sie ihm unterlegen. Ein Schnapp, ein kurzer Schrei und dann ein Knirschen. Er hatte ihr das Rückgrat gebrochen. Während sie noch zappelte, begann er sie bereits zu verschlingen, er ließ nichts übrig, nicht einmal die Spur eines Fellstückchens. Das Quieken hatte alle anderen Schmarotzer vertrieben, es lohnte also nicht, auf weitere Beute zu hoffen. Clochard leckte sein Maul und verschwand. Am Zaun der Villa des Großhändlers und Besitzers des gleichnamigen Handelshauses, Simon Dubois, des bedeutendsten der Stadt, ließ er sich nieder und lauerte.

Maître Dubois hatte durch den Handel mit elsässischen Weinen, Tabak, Kakao, Kaffee und Gewürzen aus Übersee ein stattliches Vermögen angehäuft. Klein von Gestalt, rundlich und zudem kahlköpfig, entsprach das Äußere aber nicht seinem Geltungsdrang. Diese Unvollkommenheit quälte ihn. Deshalb hatte er sich eine junge hübsche Frau aus einfachen Verhältnissen genommen, um den Makel ausgleichen. Sie war mehr den Verlockungen seines Reichtums erlegen als seiner Männlichkeit. Jetzt langweilte sie sich in der großzügig ausgestatteten Villa, denn ihr Gatte befand sich meist auf Geschäftsreisen, zumindest behauptete er das. Zu ihrem Geburtstag hatte er ihr einen Königpudel geschenkt, den sie nun wie ein Kind hätschelte und versuchte, mit ihm die Langeweile zu vertreiben. Sie hätte auch lesen können, Bücher gab es in Hülle und Fülle, aber es gab ein Problem, sie konnte es nicht, sie hatte es nie richtig gelernt. Also blieben ihr zum Zeitvertreib nur der Pudel und das mehrmalige Wechseln von Kleidern nach der Morgentoilette. Alles Andere besorgte eine mürrische Hausangestellte, die sich für wenige Francs abplagen musste, denn Dubois war auch ein Pfennigfuchser und Geizkragen.

Er hatte die Villa hier bauen lassen, um seine Frau vor den gierigen Blicken der Männerwelt und den sonstigen Verführungen der Stadt zu schützen. Aber das war nicht der einzige Grund. Die anderen verheimlichte er. Sein Körper wurde nämlich Stück für Stück von einer unheilbaren Krankheit zerfressen. Er glaubte, dass die frische Landluft den körperlichen Verfall aufhalten könne. Hinzu kam sein zwiespältiger, mieser Charakter, dem er Genüge tun musste. Dahinter steckte die grobschlächtige Witwe des Bauern Buffet. Sie hieß Henriette und führte ein spartanisches Leben mit einer Kuh, zwei Ziegen, einem Schwein, zwei Dutzend Hühnern und einem Obstgarten. Über sie und die Verruchtheit Dubois’ wird später noch zu berichten sein.

Offiziell verbreitete er die Mär, er und seine Frau liebten die ländliche Idylle. Deshalb habe er seinerzeit vom Spekulanten ein großes Grundstück erworben, direkt gegenüber von Sarlys schäbiger Kate, aber eben auf der anderen Seite der Mauer. Dort hatte er auch die prächtige Villa mit einer großzügigen Terrasse auf der Südseite errichten lassen. Die bestand aus Abbruchsteinen der östlichen Mauer, was ihr den Eindruck eines Bollwerkes oder einer uneinnehmbaren Bastion verlieh. Madame Dubois lag dort oft im Liegestuhl und nahm ein Sonnenbad. Dabei konnte sie direkt auf die Luke von Sarlys Schlafgemach blicken, was sie auch ausgiebig tat.

Clochard interessierte das alles nicht. Sein einziges Sinnen und Trachten galt der Pudeldame Fifi, die er durch mehrmaliges Urinieren am Zaun anzulocken versuchte. Er war in sie verknallt. Obwohl er schon mit allen Hündinnen auf der Südseite für Nachwuchs gesorgt hatte, galt jetzt seine ganze Aufmerksamkeit nur noch ihr. Fifi aber lag desinteressiert neben ihrer Herrin und langweilte sich wie diese. Sie hatte sich ihr Hundeleben auch anders vorgestellt, nur wie, davon besaß sie keinen Schimmer. Der Geruch von Clochards Pisse kam ihr sehr gelegen. Sie hob die Nase, um zu erforschen, woher er wehte. Als kluge Hundedame fiel es ihr nicht schwer, beim späteren Rundgang durch den Garten die markierte Stelle ausfindig zu machen. Sie roch lange sehr intensiv an den Zaunlatten und wollte ihrer Herrin nicht folgen. Erst als ihr Strafe drohte, ließ sie von der Markierung ab und ging weiter. Ihr Verehrer hatte sich indessen verdrückt. Er suchte noch einen Bissen Fressbares, die Ratte hatte seinen Hunger nur ungenügend gestillt. Ein ausgerücktes Huhn aus Madame Buffets Garten fegte ängstlich gackernd durch die Dornenhecken am Bach. Es lief genau auf Clochard zu, der aufmerksam die Umgebung ausspähte. Diesmal brauchte er nur sein Maul aufzureißen und zu zuschnappen. Kreischend und flatternd ergab sich das Federvieh schließlich seinem Schicksal, es wurde Clochards zweite Mahlzeit. Als er den Platz seines Festschmauses räumte, hinterließen nur noch die herum liegenden Federn eine Ahnung von dem Hühnerdrama. Madame Buffet schob später den arglistigen Mord einem Fuchs in die Schuhe, so dass Clochard mit einem blauen Auge davon kam. Der verkroch sich irgendwo und verschlief den Rest des Tages.

Auch sein Herr, der Rumtreiber Sarly, erschien befriedigt wieder auf der Bildfläche. Er streckte sich unweit seines Hundes ins Gras und ließ sich von der Abendsonne bescheinen. Die Flasche Roten, die er von Madeleine bekommen hatte, würde er jetzt in aller Ruhe trinken und sich danach zum Schlafen begeben. Sein Tagewerk sah nichts mehr vor, was ihn hätte abhalten können. Bis auf eine Kleinigkeit. Aber das hatte noch Zeit, dazu musste es erst dunkler werden. Er nahm einen weiteren Schluck aus der Pulle, dann ließ er sich den Tag nochmals durch den Kopf gehen.

Zunächst war er am Morgen Bach abwärts gegangen. Er hatte ein Ziel, den Mühlenteich, in dem der Müller der „Roten Mühle“ fette Karpfen züchtete. Natürlich gab es auch wilde Enten in Massen, aber die waren schwerer zu fangen. Bevor er den Teich erreichte, musste er am Hurenhaus, so hatten die Leute Madeleines Kate getauft, vorbei. Die stand nackend im Bach und wusch sich mit Seife. Sarly kannte das, er war ihr schon öfter so begegnet.

„Na, Madeleine, kommt heute Nacht wieder der Schnüffler zu dir?“,

begrüßte er sie freundlich.

„Du hast es erraten, Sarly. Aber sag, was hast du vor?“

„Ich will den Müller um einen fetten Happen erleichtern. Wenn du willst, dann können wir ihn nachher zusammen auffuttern, du musst ihn aber kochen.“

„Ja, das können wir.“

Sie nickte ihm zu und Sarly strebte weiter seinem Ziel entgegen. Jetzt aber mehr schleichend, denn er wollte nicht gesehen werden. Im Uferschilf des Teiches suchte er seinen Käscher, ein grobes Weidengeflecht. Damit ließen sich die trägen Karpfen am besten fangen. Zunächst kontrollierte er die Schlingen, die er zum Fang von Enten installiert hatte, aber sie waren leer. An einer schilffreien Stelle schob er den Käscher ins Wasser. Abends grasten die Karpfen oft im seichten Wasser. Diesen Umstand nutzte er. Schwamm ein Fisch über dem Fänger, schleuderte er ihn geschickt an Land. Dort konnte er nicht mehr entkommen. Auf diese Weise hatte er den Müller schon öfter um seine Früchte betrogen, aber das störte ihn nicht. Lauernd stand er jetzt wieder am Ufer und beobachtete den Uferrand. Er hatte Zeit. Sein Blick streifte zwischendurch die ferne Mühle. Sie hatte einen rostroten Anstrich, den der Müller alle zwei Jahre erneuerte. Die Farbe galt als ihr Markenzeichen. Damit hob sie sich von den anderen in tristem Grau gehaltenen Häusern ab. Der Müller köderte so seine Kunden.

Ein kapitaler Karpfen näherte sich plötzlich dem Käscher. Sarlys fixierte gespannt jede seiner Bewegungen. Sollte er diesen Fisch kriegen, hatte er ausgesorgt für heute, ja es würde noch für Madeleine ein fetter Bissen abfallen. Jetzt schwamm er zur Hälfte über der Falle. Sarly hob sie blitzschnell von hinten an, jetzt konnte ihm seine Mahlzeit nicht mehr entkommen. Mit einem Schwung schleuderte er das zappelnde Tier aus seinem Lebenselement, betäubte es mit dem Messerknauf, bevor er es abstach. Er ließ diese Lebewesen nie qualvoll sterben, er tötete sie auch nur, um den Hunger zu stillen. Diesmal hatte einen stattlichen Vierpfünder erwischt. Jetzt musste er sich beeilen. Bevor er den Fänger versteckte, schickte er der Mühle einen schadenfrohen Blick zu und verschwand für alle unsichtbar aus der Umgebung des Teiches. Erst kurz vor dem Hurenhaus tauchte er auf. Die Inhaberin fegte gerade ihren einzigen Raum. Er lachte.

„Madeleine, ich habe dem Müller einen fetten Karpfen abgeschwatzt, wenn du ihn zurechtmachst, haben wir einen satten Fraß.“

Sie besah sich den Fisch und nickte. Sarly kniff ihr dabei in den Hintern und scherzte:

„Wenn ich gefressen habe, dann nehme ich dich zum Nachtisch, du riechst heute so gut.“

Zwinkernd verschwand sie im Haus. Während sie Töpfe klappernd am Herd wirtschaftete, saß er draußen am Bach und sang Schmählieder auf den Klerus, der sich überall und ständig über die Verderbtheit der Menschen beklagte. Sarly lachte verächtlich, wenn er eine Strophe beendete.

„Ja, ja die Pfaffen“,

rief er dann,

„diese Kerle, die tun so, als ob sie nicht sündigen würden. Dabei saufen, fressen und huren sie wie alle anderen.“

Und wieder lachte er lauthals. Madeleine garte indessen den Karpfen in einem mit Zwiebeln, Salz und Lorbeer gewürzten Sud.

„Komm rein zum Mampfen, Sarly!“,

schrie sie nach draußen. Selbst breitbeinig auf einem der zwei Schemel sitzend, zerlegte sie bereits den Fisch. Auch eine Flasche Roten und ein Kanten Backwerk stellte sie noch dazu. Sarly begann schmatzend das wohlschmeckende Fleisch zu verschlingen, ab und zu biss er ins Brot und nahm einen Schluck aus der Bouteille. Madeleine tat ihm gleich. Gläser und Besteck aufzutischen lohnte nicht, das, was sie besaß, nutzte sie nur für ihre vornehmen Kunden. Der halbe Karpfen lag noch unberührt im Topf, da griff Sarly schon nach ihrem nackten Schenkel:

„Hör jetzt auf mit dem Fressen, Madeleine, jetzt will ich es dir erst mal besorgen.“

Sie schob seine Hand weg.

„Los, erst waschen wir mal unsere Pfoten, mit den Fischhänden lass ich dich nicht ran!“

Für diesen Zweck hielt sie immer eine Schüssel Wasser bereit. Sie ließ Sarly den Vortritt. Ungeduldig streifte er sein zerlumptes Hemd ab und spülte sich schnaufend und prustend die fischigen Reste von Mund und Händen. Dann überließ er Madeleine den Waschplatz. Während sie frisches Wasser eingoss, fixierte er sie schon lüstern von hinten. Kaum das sie fertig war, riss er ihr auch schon Rock und Mieder vom Leib und begann sie zu begrabschen. Bei ihren Kunden verweigerte sie allerdings solche brünstigen Attacken. Er genoss diese Ausnahme, ja sie bot ihm sogar durch aufreizende Gesten alles an, woran er und sie Freude hatten. Sarly entfaltete sich dabei zu einem genüsslichen Verführer. Als er gar seinen Mund zu Hilfe nahm, drückte sie seinen Kopf dorthin, wo sie die meisten Wonnen spürte. Das kurze Spiel trieb Beide zur Hochform, bevor er sie ziemlich unsanft auf ihre Pritsche presste und bestieg. Heißblütig empfing sie ihn als wilden ausdauernden Liebhaber und revanchierte sich dafür mit allen Tricks der Liebeskunst. Dadurch noch mehr anstachelt, hetzte er sie so auf den Gipfel der Lust. Sie begann wie ein gefangenes Spanferkel zu quieken und zu schreien, dass man glauben mochte, sie würde abgemurkst. Aber schon kurze Zeit später konnte man ihr hämisches und ordinäres Lachen wieder hören. Sie verriet ungeniert Sarly die missglückten Liebespraktiken ihrer Freier und überschüttete sie mit Hohn. Er geriet dabei so in Fahrt, dass ihre Sinneslüste erneut entfachten. Als sie schließlich ermattet von einander abließen, kündigte sich bereits die Nacht an.

Madeleine verspürte an diesem Tag mindestens vier Orgasmen. Dieses Wort für das Hochgefühl der Liebewonnen gab es in ihrer Sprache nicht, wie auch in der von Sarly. Ihr Ausdrucksvermögen basierte auf einfacher Ebene, war direkt, meist derb und mitunter obszön. Eine solche Vokabel kannten nur die gebildeten Leute auf der Nordseite der Mauer. Sie benutzten sie aber nicht, denn das Gefühl, das sich damit verband, blieb ihrem Stand verborgen. Es galt schon als unschicklich, das Wort überhaupt zu erwähnen. Sich dieses Erlebnis gar zu gönnen, käme einem Tabubruch gleich. Man hielt es für eine Sünde. Aber auch andere, denen es fremd war, empfanden solcher Art von Liebeslust anstößig. Zu ihnen gehörte der Holzfäller Flaubert, doch dazu später mehr.

Madeleine gönnte sich allerdings von Zeit zu Zeit dieses Vergnügen, und Sarly galt als derjenige, der ihre Wünsche verstand und erfüllte. Sie waren deswegen kein Liebespaar, denn sie mochten viel zu sehr ihre Freiheit und Unabhängigkeit.

„Du brauchst heute nicht zu zahlen, Sarly, du hast mir einen guten Happen besorgt, dafür habe ich dich belohnt. Du bekommst sogar extra eine Flasche Roten, davon habe ich reichlich.“

Sie verdrückten noch zusammen den Rest ihrer Mahlzeit, danach drängte ihn Madeleine zu gehen. Der Schnüffler wollte kommen, da musste sie sich ausreichend vorbereiten. Dass sie von Bezahlung redete, lag an der Gewohnheit. Sarly bezahlte nie, wovon auch, und das wusste sie. Sie erteilte ihm noch einen Auftrag, bevor er sich aufmachte.

Jetzt, wo er auf seinem Heubett lag, streichelte ihn eine innere Harmonie. Er war satt, hatte sich mit Madeleine vergnügt und war frei, zu nichts verpflichtet. Begleitet von einem Schluck Roten schlief er ein. Am Morgen richtete er den Blick auf das nördliche Fenster über der Terrasse. Es musste wohl Madame Dubois’ Schlaf- oder Ankleidezimmer sein, das dahinter lag. Sie tauchte meist um diese Zeit auf, öffnete beide Flügel und wenn die Vorhänge zurückgezogen waren, sah er sie in dem Raum umherwandeln. Manchmal schlüpfte sie in ein anderes Kleid. Dabei bemerkte er, wie sie sich nach dem Umziehen im Spiegel betrachtete. Mitunter rannte sie auch in Unterwäsche herum. Ein Anblick, den Sarly besonders liebte. Seit einigen Wochen fühlte er eine leise Sehnsucht, die sich immer dann einstellte, wenn er sie erblickte. Jetzt rüttelte sie plötzlich an seinem Gewissen und trübte seine Gedanken. Dass er noch vor ein paar Stunden bei Madeleine gewesen war, empfand er für einen Augenblick als Betrug an ihr, aber wie gesagt, nur einen Augenblick. Sofort machten sich andere Gedanken breit, die Lüsternheit und Gier nach ihrem schönen Körper entfachten. Doch mit dem Schließen der Vorhänge verblasste diese Vision. Sarly beschloss, sich ins Stroh zu legen und noch eine Weile zu schlafen. Vorher verschloss er die Luke.

Clochard blieb in seiner Sehnsucht beständiger. Er liebte Fifi, wenn auch nur in Gedanken. Falls er nicht gerade unter großem Hunger litt, belauerte er sie am Zaun. Um ihr nahe zu sein, schlich er stets durch das Tor in der Mauer. Dazu musste er nur ein paar Meter laufen und wurde obendrein von niemandem entdeckt, der ihn hätte verjagen können. Morgen, so seine Absicht, würde er wieder die angepisste Stelle aufsuchen. Vielleicht hatte Fifi seinen Lockduft geschnuppert und ihrerseits durch Anpinkeln der Stelle ein Zeichen gesetzt, dass er willkommen sei. Noch pennte er voller Hoffnung vor Sarlys Hütte. Dort gab es ja auch eine Aufgabe, er musste ihn bewachen und warnen, wenn Gefahr drohte.

Lautes Knattern durchschnitt die Morgenluft. Pelziger Gestank und Rauch zogen von der Nordseite in Sarlys Schlaflager. Maître Dubois startete mal wieder zu einer Geschäftsreise. Er besaß seit kurzem eine Petroleumdroschke, auf die er sehr stolz schien, denn so ein Wunderding besaß nur er. Oft lenkte er selber, doch heute beschäftigte er einen Chauffeur. Der musste den Motor ankurbeln, aber der bockte und ging mehrmals aus. Maître Dubois stand aufgeputzt in Knickerbockern aus englischem Tuch und feinen Lederstiefeln breitbeinig hinter dem Gefährt und schimpfte mit der Hausangestellten, die Koffer und andere Gepäckstücke herbeischaffen musste. Dann verjagte er sie, und der Wagenlenker wurde beauftragt, alles hinten auf dem Gepäckträger mit Lederriemen zu verzurren. Dubois stieg ein, als das Vehikel endlich ratternd die Umgebung mit einer stinkenden Wolke vernebelte. Seine Kabine ließ er selbstgefällig vom Fahrer schließen, der selber schutzlos gegen Wind und Wetter vorn hinter dem Steuer Platz nahm, nur durch eine Ledermütze und Brille vor dem Ärgsten bewahrt. Ihn dirigierte der Maitre hochnäsig von hinten mit dem Gehstock. Auf ein bestimmtes Zeichen musste der Mann auf einen riesigen Ball drücken, um dem Signalhorn einen grässlichen Ton zu entlocken, der sogar das Schnaufen des Motors in den Schatten stellte. So tat er aller Welt, aber insbesondere Madame Dubois, kund, dass er startbereit sei. Sie musste ihm dann einen Abschiedsgruß zuwinken, was sie mit großer Freude inszenierte, denn jetzt konnte sie endlich ihren geheimen Wünschen ungehindert nachgehen.

Auf diesen Augenblick hatte auch Sarly gewartet. Angewidert vom Gestank der Abgase, öffnete er erst jetzt die Luke, steckte seine Nase heraus und erfreute sich an der frischen Morgenluft. Er hatte noch keine Lust auf sein Bad. Etwas Schöneres, Lustvolles stand ihm bevor und das wollte er genießen. Madame Dubois, sie hieß Charlotte mit Vornamen, stand nach der Verabschiedung ihres Gatten noch immer an dem weit geöffneten Fenster, nur im übergezogenen Morgenrock. Ihr Name war ihm nicht entgangen. Gönnerisch versprach ihr meist der verreisende Ehemann:

„Charlotte, mein Liebes, wenn ich zurückkomme, erhältst du ein wunderschönes Geschenk, du wirst dich sehr freuen.“

Einmal brachte er Fifi mit. Ob sie sich darüber gefreut hatte, wusste Sarly nicht. Aber wahrscheinlich liebte sie den Hund, denn sie behandelte ihn wie ein verzogenes Kind.

Er blickte weiter gespannt auf das Fenster. Sie ging jetzt hin und her und legte sich Kleider zurecht. Dann verschwand sie und kam in Unterwäsche zurück. Er hätte sie zwar lieber ohne gesehen, aber dieser Genuss blieb ihm bisher versagt, also begnügte er sich mit diesem Anblick. So sah sie fast noch verführerischer aus. In seiner Fantasie entwickelte sich eine Vorstellung, wie es denn wäre, sie so zu nehmen. Aber der Wunschtraum bekam einen Dämpfer, sie streifte ihr erstes Kleid über. Das passierte dreimal nacheinander, dann schloss sich der Bühnenvorhang und die Ursache seines Hirngespinstes entfloh. Trotzdem erregte ihn diese kleine Schau so sehr, dass nur ein kaltes Bad sein erhitztes Gemüt bremsen konnte. Er sprang ins Wasser, wusch prustend und schnaufend seinen nackten Körper mit Madeleins Seife. Ein Geschenk. Ihr billiges Parfüm roch selbst nach dem Trocknen noch ziemlich aufdringlich. Ähnliche Düfte wehten oft genug, wenn der Wind günstig stand, auch von der Nordseite herüber. Sarly deutete dies als ein Markenzeichen der vornehmen Damenwelt. So verfiel er in den Wahn, Charlotte nicht wie ein stinkender Uhu gegenüber zu treten, falls er ihr mal begegnen oder vor ihr stehen sollte. Wie immer setzte er sich nach dem Bad unbekleidet in die Luke und sang. Heute wählte er Lieder, mit weniger ordinären Texten und verbot Clochard zu jaulen. Ständig das geschlossene Fenster im Auge, hoffte er, der Vorhang würde sich einen Spalt weit öffnen, aber er hoffte vergebens. Enttäuscht verließ er seinen Hochsitz, zog sich an und machte sich davon. Er hatte allerlei Besorgungen zu erledigen, in erster Linie für Madeleine, die nirgendwo in der Ortschaft etwas bekam, selbst wenn sie den doppelten Preis geboten hätte. Sie galt unter den Einheimischen als die ärgste Sünderin, die niemand brauchte, die man lieber krepieren ließ als etwas mit ihr zu teilen. Dass sie noch da war, dafür gab es einen ganz anderen Grund, nämlich einen, der ihr das Recht zusprach, in ihrer Kate zu leben und auch dort ihre Dienste anzubieten. Wie es einst dazu kam, wird an anderer Stelle berichtet.

Zunächst stapfte Sarly zum Bäcker. In seinem Laden gab es auch andere Dinge, die man auf dem Lande brauchte. Die Leute wichen zurück, als Sarly eintrat. Wie immer rümpften sie ihre Nasen und tuschelten. Er steuerte unbeeindruckt den Ladentisch an, hinter dem sich eine alte, misstrauische und zahnlose Alte verbarrikadiert hatte und verlangte drei Baguettes, ein halbes Pfund Butter, eine Kanne Öl, einen Sack Zwiebeln und ein Dutzend Talglichter. Das Weib musterte ihn argwöhnisch und zögerte. Sarlys strapazierte Geduld geriet in Wallung.

„Willst du mir nichts geben, du alter zahnloser Drachen?“,

fuhr er sie erbost an.

„Du Lumpenkerl, dir schreibe ich nichts an, du bekommst nicht ein Jota, wenn du nicht zahlen kannst“,

erwiderte sie genauso giftig.

„Du kriegst dein Geld, du habgieriges Mondkalb“,

und er zeigte ihr mehrere Fünf-Franc-Scheine. Das faltige Bäckersfraugesicht spannte sich plötzlich und wechselte von Misstrauen zu Habgier, als sie die Geldscheine sah.

„Hat dir wohl die Hure zugesteckt?“,

fragte sie jetzt mit einer Spur von Freundlichkeit, denn Geld klingelte nicht so oft in ihrer Kasse.

„Kann dir egal sein, Alte, gib mir, was ich verlange und sage deinen Preis.“

Beflissen holte sie jetzt das Gewünschte und schätzte dabei heimlich Sarlys Barschaft heimlich ab, denn sie wusste, dass er nicht rechnen konnte.

„Elf Francs bekomme ich von dir.“

Er spürte den Betrug und raffte instinktiv seine Einkäufe zusammen.

„Du bekommst keinen Centime, wenn du deinen lausigen Preis nicht herunter rechnest!“

Das Weib stutzte. Woher wusste er, dass sie zweieinhalb Francs aufgeschlagen hatte? Da er ihr keine Wahl ließ, denn Sarly wollte schon gehen, begann sie zu keifen:

„He, ihr Leute, der Dreckskerl will nicht bezahlen, helft mir doch!“

Niemand rührte sich, denn die Bäckersfrau hatte schon alle betrogen, und mit Sarly wollte sich niemand anlegen. Der blieb kurz vor der Tür stehen.

„He, Alte, wenn du den richtigen Preis nennst, kriegst du Geld, sonst bekommst du gar nichts!“

Nur widerwillig ging sie auf sein Angebot ein. Triumphierend verließ er den Laden. Er wusste, sie würde versuchen, ihn erneut zu betrügen. Aber er brauchte sie nicht unbedingt, denn er kannte genügend Tricks, sich woanders zu versorgen, auch ohne Geld.

Fröhlich steuerte er die Schlachterei des Fleischhauers an. Im Hinterhof lag ein Haufen Knochen und andere stinkende Abfälle, mit denen er Clochard eine Freude machen konnte. Eine dralle Vierzigerin brachte gerade frische Schlachtreste, als er auftauchte. Die Frau des Fleischhauers erwies sich weniger abweisend.

„Hast du einen guten Happen für meinen Hund, Marie?“

„Nimm dir Knochen von dem Haufen, da hat dein Hund was zum Beißen.“

„Heute bist du aber knauserig, Marie, Schönste aller Schönen.“

Diese seltene Schmeichelei hörten die meisten Frauen gern und machten sie gefügig. Auch Marie bildete keine Ausnahme.

„Warte!“,

befahl sie und verschwand. Kurze Zeit später tauchte sie wieder mit einem Eimer auf. Sie stellte sich kokettierend vor ihn hin.

„Na, wie ist es? Gefalle ich dir?“

Er kniff sie in den Hintern.

„Wenn du überall so griffig bist, könntest du mir schon gefallen.“

In diesem Moment schrie ihr Mann:

„Marie, wo bleibst du?“

Hastig schob sie ihm den Eimer zu und zischte:

„Bring ihn morgen wieder!“

Dann rannte sie weg. Sarly hatte, was er wollte. Voll bepackt machte er sich auf, um bei Madeleine ihren Teil abzuliefern.

Sie empfing ihn lachend.

„Na, hast du was bekommen, du Tagedieb?“

Stolz präsentierte er seine Ausbeute. Die Schweineleber teilte er mit ihr, sie gab ihm dafür ein Baguette und eine Handvoll Zwiebeln.

„War der Schnüffler bei dir?“,

erkundigte er sich, mehr, um etwas zu reden. Neugierde war ihm zuwider.

„Ja, er war da. Und denke mal, was er gemacht hat?“

Sarly blieb seiner Devise treu, nicht zu fragen. Er zuckte nur mit den Schultern. Madeleine würde reden, auch ohne seine Neugier.

Er habe, so begann sie, überall an ihr geschnüffelt, sogar unter ihren Rock hätte er seine Nase gesteckt. Danach sei er wütend geworden. Es wäre nicht sein Parfüm, habe er behauptet. Sie hätte ihn aber vom Gegenteil überzeugen können, denn auf der Seife stand ja ganz groß sein Firmenname. Zwar beleidigt hätte er seinen Irrtum eingestanden, aber immer noch darauf bestanden, ein Fremdgeruch wäre in seiner Duftmischung. Sie hätte den Fisch als Grund ins Feld geführt, aber der Schnüffler bestritt ihre Version. Er habe ihr vorgeworfen, ein anderer Mann hätte sie flach gelegt, denn sie würde nach seinem Schweiß stinken. Jetzt sei aber sie ihrerseits zornig geworden. Ihm könne es egal sein, schließlich wären Männer ihr Geschäft, und sie wollte ihn fortschicken, so ihre Antwort. Da wurde er sanft. Er wünschte, dass sie sich ausziehen sollte. Danach rieb er sie am ganzen Körper mit einem neuen Duftstoff ein. Er war so beseelt, dass er ganz vergaß sie zu nehmen. Als er ging, warf er ihr zwanzig Franc auf die Pritsche und das Fläschchen Duftöl dazu.

„Wenn ich wieder komme, meine kleine Hure, dann möchte ich, dass du so duftest wie eben“,

rief er ihr zum Abschied zu. Sarly wusste nun, dass zukünftig, wenn der Schnüffler kommen wollte, ihn Madeleine keinen Platz mehr auf der Pritsche einräumen würde. Sie war viel zu viel Geschäftsfrau, um sich einen solch fetten Fang wie den Schnüffler entgehen zu lassen.

„Nun, Madeleine, jetzt weiß ich, was ich zu tun habe. Wenn es ein gutes Geschäft wird, lasse ich dich an diesem Tag in Ruhe, aber du musst mir etwas abgeben. Schließlich muss ich auch leben.“

Er sagte das so selbstverständlich, dass man glauben konnte, sie wäre ihm verpflichtet. Sie nahm es hin. Irgendwie stimmt es sogar. Er besorgte ihr ja täglich etwas zu essen.

Sarly warf die halbe Leber zurück in den Eimer und trollte sich. Madeleine hätte zwar selber von der Fleischhauerfrau etwas bekommen, aber die musste auf ihre Kundschaft Rücksicht nehmen. Das gestand sie ihm einmal, als er ihren Busen berührte. Von einem fremden Mann betatscht zu werden, fand sie sehr aufregend. Sie könnte sich auch mehr vorstellen, ließ sie durchblicken, aber ihr misstrauischer Mann wäre allgegenwärtig und ließe sie kaum aus den Augen. Ihr Geschäft hatten sie erst vor zwei Jahren eröffnet und es lief gut, wenn man die Regeln einhielt. So war es üblich, ja fast unumstößlich, dass man die feinen Fleischwaren, die Schinken sowie Filets von Schwein und Rind an die Nordseite der Mauer lieferte. Die von dort brauchten also nichts zu holen. Betram, ein vierschrötiger Fleischergeselle, fuhr mit seinem Handkarren die Häuser ab und übergab die Bestellungen. Das machte er zweimal wöchentlich. Meist nahmen ihm irgendwelche Bedienstete die Ware ab, manchmal aber auch die Herrschaft persönlich. Dazu gehörte die Gattin des Oberbezirksrichters.

Soviel hatte Sarly herausgefunden:

Die Knochen, den Speck, die Innereien und die billige Grützwurst blieben der Südseite vorbehalten. Die, die es sich leisten konnten, gingen dann in den Laden, der von der pausbäckigen Tochter des Inhabers geführt wurde. Drinnen roch es unangenehm, denn die blutigen Kaldaunen lagen meist mehrere Tage, der Wärme und den Fliegen ausgesetzt, herum und verbreiteten einen übel riechenden Gestank.

An all des dachte Sarly, als er sich auf den Weg zu seiner Kate machte. Clochard empfing ihn mit Gebell. Seine Spürnase hatte ihn nicht betrogen. Heute würde er reichlich zu fressen bekommen, danach verfügte er über einen ganzen Tag Zeit für Fifi.

Sarly untersuchte zunächst den Inhalt des Eimers. Die Leber war frisch, die konnte er roh zum Baguette verputzen. Dann entdeckte er eine Grützwurst, sie hing wohl eben noch im Rauch und roch verführerisch. Er baumelte sie an die Decke, denn die hielt sich einige Tage. Der Rest des Eimers bestand aus einem Gemisch von Abfällen und Knochen. Clochard bekam die Hälfte, das Andere ließ er für den nächsten Tag zurück. Wenn er später noch einige Äpfel und Kartoffeln stehlen würde, überlegte er, hatte er für die nächsten Tage genug zum Sattwerden. Dann blieb auch Zeit für andere Dinge.

Im Winter, wenn es hier nichts zum Beißen gab, verzog er sich meist in die Stadt, dort hatte er reichlich, aber es war auch gefährlicher wegen der zahlreichen Konkurrenten. Aber noch dauerte es bis dahin, und die fetten Tage standen erst bevor.

Jetzt tat er das, was er immer machte, wenn er über eine unverhoffte Gabe aus dem Schlachthaus verfügte. Er würzte die Leber mit Salz, schälte zwei Zwiebeln und verschlang alles zusammen mit dem Baguette. Den Roten hatte er bereits gesoffen, deshalb trank er Bachwasser. Satt und träge stieg er danach in sein Schlaflager. Den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt, richtete er jetzt den Blick zur Terrasse von Charlottes Haus. Bei der Sonnenwärme hoffte er, sie würde sich in ihren Liegestuhl begeben. Sein Wunschtraum erfüllte sich nicht. Statt ihr entdeckte er ein Kind des Holzfällers Flaubert. Davon gab es bereits neune. Es war eins von den Mädchen und mochte etwa zehn Jahre alt sein. In ihrer ärmlichen Kleidung streifte sie am Gestrüpp der Mauer entlang. In ihrem Arm hielt sie einen Gegenstand. Kurz vor dem Tor blieb sie stehen, schaute ängstlich nach allen Seiten, um gleich in geduckter Haltung durch selbiges zu schlüpfen. Nach einigen Sekunden geriet sie auf der anderen Seite wieder ins Blickfeld. Erneut inspizierte sie ihre Umgebung und rief etwas. Dann wartete und wartete sie, aber es passierte nichts. Besonders eine Richtung schien sie zu interessieren, in die sie auch ständig schaute. Aber sie wurde wohl enttäuscht und verließ deshalb die Stelle. Kurz vor dem Tor machte sie erneut kehrt und rannte zurück. So ging das einige Male, bis sie schließlich aufgab.

Sarly fühlte Mitleid und wollte ihr helfen, aber die Trägheit nach dem reichlichen Mahl hielt ihn zurück. Das Mädchen trabte gerade übellaunig und mit verheultem Gesicht in der Nähe seiner Kate vorüber. Sie schleuderte wütend etwas hin und her, das sich beim näher kommen als Lumpenpuppe erwies. Wer weiß, was sie auf der Nordseite damit wollte, überlegte Sarly. Es zählte als Sünde, wenn die Kinder der vornehmen Leute mit Kindern der südlich gelegenen sprachen oder gar spielten. In den Augen der Ehrbaren galten sie als verlogen, schmutzig, habgierig und ungebildet. Sich mit ihnen einzulassen oder gar anzufreunden wäre einer unverzeihlichen Leichtfertigkeit gleichgekommen und hätte einen Eklat ausgelöst.

Dabei entsprach die Familie des Holzfällers Flaubert allen anderem als diesem Klischee. Ihr einziger Makel lag wohl in der Armut. Der Vater stand beim Königlichen Oberforstmeister Bresson in Diensten. Sein Sohn Fabien half ihm seit fünf Jahren im Wald. Zu einem stattlichen jungen Burschen herangereift, gehörte er mit seinen zwanzig Jahren zu dem Ältesten der neun Kinder. Madame Flaubert trug bereits das zehnte unter ihrem Herzen. Die Familie führte ein redliches Leben. Die Mutter besorgte das Haus und bestellte mit den größeren Kindern einen kleinen Gemüsegarten. Zwei Ziegen komplettierten das bescheidene Dasein. Sonntags erschien die gesamte Familie regelmäßig auf der Kirchenempore, betete und sang inbrünstig die frommen Lieder. Die Worte des Patre empfanden sie als Erbauung und die Einteilung der Menschen nach dem Prinzip des Geldbesitzes als gottgegeben. Es störte sie nicht, dass sie oben auf dem Rang und die Reichen unten im Altarraum saßen.

Fabien plagten seit einiger Zeit ganz andere Gedanken. Er hockte etwas abseits und konnte so unten im Altarraum ein Mädchen beobachten, das er mit verklärten Augen verfolgte. Nur einmal kreuzten sich kurz ihre Blicke, doch das lag Wochen zurück. Sie hatte gelächelt. Von diesem Zeitpunkt an konnte er an nichts anderes denken. Gotteslob, der Gesang, die Predigt, alles war ihm egal, seine Aufmerksamkeit galt nur ihr, der Göttlichen. Sie, die züchtig neben ihrer Mutter saß, einen weißen Sommerhut trug, der von einem blauen Band unterm Hals gehalten wurde, sie verkörperte das Wesen, das ihn interessierte.

Nach dem Kirchgang rügte ihn sein Vater. Ihm waren die schmachtenden Blicke des Sohnes nicht entgangen. Es zieme sich nicht und sei eine Sünde für einen Jungen in seinem Alter, nach Mädchen zu schauen, warf er ihm vor, noch dazu, wenn es sich um eine vornehme Dame handele. Fabien, der ehrlich und gottesfürchtig aufwuchs, widersprach nicht, denn so stand es ja auch in den zehn Geboten, die in aller Strenge von seiner Familie eingehalten wurden. Und doch spürte er eine leichte Auflehnung. Warum sollte er in seinem Alter kein Mädchen lieben? Und wo stand, dass ein junger Holzfäller keins von der Nordseite lieben durfte? Manchmal las er in der Bibel, das einzige Buch im Hause Flaubert, aber nirgends fand er eine Geschichte, die ihm das verbot. Menschen, die eine solche Liebe als Sünde bezeichneten, kamen dort nicht vor, jedenfalls nicht in den Geschichten, die er kannte. Überhaupt spürte er seit geraumer Zeit ein Verlangen, das sich immer dann einstellte, wenn er an das Mädchen dachte. Aber niemand, weder sein Vater noch seine Mutter, hatten ihm auf seine Fragen eine Antwort gegeben. Sie ließen ihn mit seinem Problem allein. Selbst wenn er eine bekommen hätte, seine Nöte wären geblieben. Über einen Beischlaf wusste er so gut wie nichts, den übten seine Eltern nur zum Zwecke der Fortpflanzung aus, was an der Zahl der Kinder gemessen, nicht allzu oft vorkam. Also blieb Fabien nichts anderes übrig, als in seiner misslichen Lage nach einer anderen Lösung zu suchen.

Das Mädchen, das er verehrte, hieß Vivien Richelieu und war die Tochter des Oberbezirksrichters Bernard Richelieu und seiner Gattin Rosalie. Letztere stammte aus einflussreichem Hause und hatte ihren Mann mit Hilfe ihrer Familie in dieses Amt lanciert. Vom Wesen herrisch und selbstsüchtig, duldete sie in ihrem Hause keinen Widerspruch. Als Absolventin einer höheren Mädchenschule beherrschte sie auch das Klavierspiel und den Gesang, aber meist nur unvollkommen. Sie sah das anders. Diejenigen, die sie mit ihren angeblich künstlerischen Gaben beglückte, ertrugen es mehr aus Anstand als mit Genuss, denn so schlecht, wie sie Klavier spielte, so schlecht sang sie auch oft genug Sie aber merkte nichts davon. Hochmut und Einbildung vernebelten ihre Realitätswahrnehmung. Stets erwartete sie widerspruchsloses Ertragen und Beifall.

Ihre neunjährige Tochter Dorette litt darunter am schlimmsten. Sie wurde von ihr täglich mindestens zwei Stunden lang mit Klavierübungen und Vorsingen malträtiert. Schon mehrfach ergriff sie deswegen heulend die Flucht. In solchen Fällen kam ihr Gatte, der Obergerichtsrat Richelieu, zum Einsatz. Er musste der Tochter klar machen, welche Folgen der Ungehorsam nach sich ziehen konnte. Dazu las er ihr Paragraphen des Gesetzbuches vor, die sie trotzig mit verschlossenem Gesicht anhörte. Sie verstand zwar kein Wort von dem juristischen Kauderwelsch, ließ aber danach stets wieder fügsam und mit Geduld die Tortur der Mutter über sich ergehen.

Irgendwann begegneten Dorette und das gleichaltrige Mädchen des Holzfällers einander und freundeten sich an. Das lief natürlich gegen alle Regeln des Standesdünkels, dem ihre Eltern mit Fleiß huldigten. Der Verstoß der eigenen Tochter glich schon fast dem Sündenfall im Paradies, und musste von Madame Richelieu mit allen Mittel verhindert werden. Über geeignete Mittel glaubte sie zu verfügen.

Sie selbst ließ sich von jedermann mit Madame Obergerichtsrat anreden. Jene, die es wagten, den angemaßten Titel wegzulassen, rückte sie gnadenlos in die Ecke ihrer Missgunst. Dazu gehörte auch Sarly, der sie nur ein einziges Mal mit Rosalie angesprochen hatte. Sie hätte ihn gesetzlich belangt, doch leider fand ihr Gatte keinen Paragraphen, der das erlaubte. Aber sie hasste ihn deswegen aus tiefstem Herzen und sann nach Möglichkeiten, ihn aus ihrer Umgebung zu verbannen. Der lachte natürlich über die Borniertheit der Dame, ging ihr aber aus dem Weg, was ihm leicht fiel, denn er hielt sich zumeist auf der Südseite der Mauer auf.

Maître Richelieu verkörperte ein Mannsbild mit einem gefestigten Weltbild. Er teilte die Menschheit ein nach denen, die dienen und denen, die bedient werden mussten ein. Die Wenigen dazwischen überließ er seinen Amtskollegen, der sollte sich damit herum ärgern. Seine Urteile als Richter am Königlichen Bezirksgericht waren folgerichtig von diesem Weltbild geprägt. Handelte es sich um einen armen Schlucker, der sich durch seine Dienste mühselig den Lebensunterhalt verdiente, warf er ihm vor, dies nachlässig und ohne Freude getan zu haben. Er verdonnerte ihn meist zu noch mehr Pflichten für denselben kargen Lohn oder ließ ihn durch Kürzen seiner ohnehin schmalen Einkünfte bestrafen.

Die Hochgestellten, die Geld, Macht oder politischen Einfluss besaßen, die sich bedienen ließen, kamen seinen in Urteilen weit besser weg. Ihre menschlichen Fehlleistungen und ihre kriminellen Machenschaften redete er stets klein, so dass sie mit milden oder ganz ohne Strafen davon kamen.

Nur in einer Sache ging er hart gegen alle Seiten vor. Nämlich dann, wenn es sich um Majestätsbeleidigung oder Angriffe auf die königliche Familie handelte. Seine Gattin, eine entfernte Verwandte des Königshauses, hatte schließlich dafür gesorgt, dass er den Posten am Bezirksgericht begleiten durfte, auf den er sich sehr viel einbildete. Um seine Amtswürde zu präsentieren, ließ er sich nicht nur von allen grüßen, auch sein Äußeres unterwarf er diesem Anspruch. Zu den extravaganten Auffälligkeiten zählten auch sein steifer Zylinderhut und ein Stock mit silbernem Knauf. Den trug er wie eine drohende Stichwaffe, immer unter den Arm geklemmt und mit der Spitze nach vorn, mit sich herum. Den Hut zog er nur vor vornehmen Damen, bei seinen Vorgesetzten und Mitgliedern des Königshauses. Menschen, die dienten oder sonst dem gemeinen Volk zugeordnet waren, übersah er hochmütig, selbst wenn sie auf das Freundlichste grüßten.

Zu Hause dagegen mutierte er zum Pantoffelhelden. Die Bediensteten des Hauses verschwiegen aus reiner Angst das, was sie erlebten, und doch gab es Gerüchte. So wurde von verschiedenen Schlafzimmern gemunkelt, die das Ehepaar benutze. Auch ihr Liebesleben wurde hinter vorgehaltener Hand ausgetratscht. Es hieß, Richelieu dürfte die Gattin nur einmal im Monat in ihrem Schlafgemach besuchen, um sie zu besteigen. Da es keine Beweise gab, wurden die Gerüchte zunehmend ausgeschmückt, es entstanden die wildesten Geschichten. Was wirklich passierte, blieb allein das Geheimnis von Madame und Maître Richelieu. Aber auch die teilten sie nicht alle, es gab welche, die jeder für sich behielt. Davon wird noch später zu reden sein.

Vivien, die achtzehnjährige Tochter, besuchte bislang ein Lyzeum in der Bezirkshauptstadt. Zwei Jahre musste sie dort verbringen, um einen standesgemäßen Abschluss zu erwerben. Sie wohnte bis auf wenige Wochenenden und Feiertage in einem Internat. Dort teilte sie ihr Zimmer mit zwei weiteren Mädchen aus vornehmen Familien. Trotz der strengen Internatsregeln und einer noch strengeren Gouvernante wurde sie beizeiten von ihren Mitbewohnerinnen an die Laster des Lebens herangeführt. Sie lernte Tabakrauch, Likör und andere berauschende Dinge kennen, die zwar verboten, aber immer wohlfeil waren. Oft zogen sich die Mädchen gegenseitig aus, um zu erkunden, welche Freuden von ihren Körpern wahrgenommen wurden. Sie sparten dabei nicht mit Worten, die eigentlich nur Sarly, der Verachtete, benutzte. Jedes Mal, wenn sie ein neues und besonders ordinäres aufgegabelten, lachten sie in unanständigster Weise und begleiteten es mit eindeutigen obszönen Gesten. Eines der Mädchen brüstete sich mit einem reichen und älteren Freund. Unter dem Vorwand, er sei ein Verwandter des Hauses und Taufpate der Mademoiselle durfte sie mit ihm das Internat verlassen. Er ging mit ihr zur Heiligen Messe, hieß es offiziell. In Wirklichkeit fuhr er mit ihr in ein abgelegenes Sommerhaus. Sie erzählte danach, welche Freuden sie mit ihm erleben durfte. Neugierig lockten Vivien und das andere Mädchen jede Einzelheit aus ihr heraus, selbst die geringste intime Handlung musste sie ausmalend schildern. Obendrein stattete er sie ständig mit Unmengen an Geld aus. So verwunderte es nicht, dass die Beiden neidisch und auch gleichzeitig lüstern wurden. Erst als sich bei ihr eine Schwangerschaft ankündigte, kam eine gewisse Ernüchterung. Der reiche Freund schickte sie zu einer Engelsmacherin. Was danach kam, blieb im Dunkeln, das Mädchen kehrte nie wieder ins Internat zurück.

Die Gouvernante wurde nach diesem Vorfall noch strenger und unerträglicher, aber die Sehnsucht nach einem süßen Leben konnte sie nicht verbieten, die blieb den Mädchen. Vivien brachte sie nach ihrer Ausbildung mit nach Hause. Bereits die wenigen Wochen nach ihrer Heimkehr nutzte ihre vom Ehrgeiz geplagte Mutter dazu, um aus ihr eine Sängerin zu machen. Von den geheimen Wünschen der Tochter ahnte sie nichts. Solcherlei Gedanken hielt sie für absurd. Deshalb gewährte sie ihr auch mehr Luft zum Atmen, vielmehr als der jüngeren Schwester Dorette.

Durch absichtliches Falschsingen konnte Vivien ihre gestrenge Mama und Lehrerin schon recht bald überzeugen, dass sie kein Talent zur Sängerin besaß. Selbige beschränkte deshalb die Übungen auf ein Mindestmaß und gab ihr die Möglichkeit, mittels einer Staffelei draußen in der freien Natur die Kunst des Malens zu probieren. Vivien täuschte durch die bescheidene Gabe, mit Pinsel und Farbe irgendwas auf die Leinwand zu tupfen, das einer Blume ähnelte. Zudem benötigte sie für diese Kleckserei kaum Zeit. Meisten hielt sie Ausschau nach einem gleichaltrigen Jungen. Aber auf der Nordseite gab es keinen. Schließlich war es ihr egal, ob arm oder reich, gebildet oder von niederem Stande. In ihren Gedanken existierte nur ein junger Bursche, der all das mit ihr anstellte, was sie bereits theoretisch in Erfahrung gebracht hatte. Diesen jungen Mann hatte sie vor einiger Zeit in der Kirche kurz mit den Augen gestreift. Der saß artig in der Nähe seiner Familie oben auf der Empore und hieß Fabien. Dieser momentartige aber sehr intensive Blickkontakt reichte ihr, um ihn zum Objekt all ihrer Sehnsüchte und Wünsche zu machen. Sie begann ihn zu suchen.

Fabien war außer sonntags nur im Wald anzutreffen. Das Holz, das er mit seinem Vater schlug, musste nach Nutzen sortiert werden. Ihm oblag die Zuständigkeit für das Brennholz, das er nicht nur in handliche Stücke zu sägen, sondern auch an die Kundschaft auszuliefern hatte.

Viviens Suche draußen in der freien Natur brachte kein Ergebnis. Wie so oft, spielte der Zufall eine viel bessere und vor allem erfolgreiche Lösung.

Fabien musste eine Fuhre Brennholz in das Haus ihrer Eltern liefern. Schweißtriefend kam er mit dem voll beladenen Handkarren im Hinterhof an.

Vivien stand mit ihrer Staffelei im Garten und mimte eine Apfel malende Künstlerin. In Wirklichkeit suchte sie die Nähe Fabiens, den sie schon in der Ferne entdeckt hatte. Sie ließ ihn keine Sekunde während des Holzabladens aus den Augen. Vor allem sein nackter Oberkörper erregte ihre Aufmerksamkeit. Fabien erwies sich nicht nur als muskulös gebaut, er besaß auch ein hübsches Gesicht und bestach durch einfache, aber gute Manieren. Das reizte sie. Als er seinen Lohn von der Köchin entgegen nahm, wagte sie einen Vorstoß. Forsch und anmaßend trat sie ihm in den Weg und zischte:

„Ich will mich mit dir treffen.“

Ihren Wunsch trug sie so fordernd vor, dass er nur artig „Ja.“ stammelte. Zu einer anderen Erwiderung fehlten ihm die Worte. Vivien, die ins Haus eilte und ihn von dort weiter beobachtete, bemerkte jetzt, dass er weder nach Ort und Zeit fragte. Sie, die von Kindheit an das Regime ihrer Mutter ertragen musste, hatte sich folgerichtig auch deren Manieren und Umgangsformen angewöhnt. Bestimmte Vokabeln gab es deshalb in ihrer Alltagssprache nicht, dazu gehörten ‚bitte’, ‚danke’, ‚möchte’. Diese Worte mussten gegenüber dem Personal und den Leuten auf der anderen Seite der Mauer vermieden werden, so hatte es ihr die Frau Mama eingebläut. Umso besser beherrschte sie dagegen die Redewendungen ‚ich will’, ‚du musst’ oder ‚du sollst’. Jetzt, wo sie über Fabiens Antwort nachdachte, fiel ihr das erste Mal auf, warum er nur so reagieren konnte. Auch ihm war eingeschärft worden, alle Anweisungen der Herrschaften dienstbeflissen und ohne Neugier zu befolgen. So kam es, dass die Beiden auseinander gingen, ohne zu wissen, wo und wann das Treffen stattfinden sollte.

Fabiens kurze Lähmung seiner Gedanken löste sich mit dem Verlassen des Hofes. Lächelnd folgte er seinem Weg. Dass Vivien ihn ansprach, galt schon als ein Ereignis für sich, aber dass sie ihn treffen wollte, verstand er überhaupt nicht. Wenn man sie zusammen sehen würde, konnte das unabsehbare Folgen haben, sowohl für sie als auch für ihn. Also musste die Begegnung heimlich und an einem versteckten Ort stattfinden. Ihm drängte sich eine Idee auf.

Als Zwölfjähriger schlüpfte er öfter durch das Tor in der Mauer. Ihn interessierte damals die andere Seite mit ihren ganzen Veränderungen. Die Villa des Großhändlers Dubois wurde gerade gebaut. Man duldete dort niemanden von der Südseite und schon gar keine Kinder. Er hatte sich deshalb im Gestrüpp nahe der Pforte ein Versteck aus Zweigen und Moos eingerichtet. Von dort konnte er alles sehen, ohne entdeckt zu werden. Daran erinnerte er sich jetzt. Hier würde er Vivien treffen, da vermutete sie keiner und er konnte endlich mit ihr reden, ihr seine Zuneigung gestehen. Doch diese bevorstehende Begegnung erzeugte nicht nur ein euphorisches Kribbeln, es flößte ihm auch Angst ein. Was wollte sie eigentlich von ihm? Sollte er ihr einen Dienst erweisen, von dem ihre Eltern nichts wissen durften? Würde sie überhaupt seine Gefühle erwidern oder ihn auslachen?

Sein Innenleben schlug Purzelbäume. Von überschwänglicher Freude bis hin zur Furcht, dass sie ihn verachten würde, mischte sich alles, worauf er keine Antwort wusste. Schließlich ermutigte er sich selbst, ein Treffen zu arrangieren. Wenn es daneben ging, hatte er nichts verloren außer einer Illusion. Klappte es aber, dann würde er reich beschenkt. Es erhielt dann etwas, dass seltener war als ein Goldklumpen im Bachbett und fast einem Wunder Gottes glich. Seine Frömmigkeit versöhnte ihn eher mit Letzteren. Bei nächster Gelegenheit wollte er ihr den Ort und die Zeit für ein Treffen mitteilen.

Die nächste Fuhre Holz lieferte er im Pfarrhaus ab. Wie immer empfing ihn dort Berbe, die Haushälterin. Sie besorgte nicht nur Haus, Hof und Garten des Patre, sondern spielte auch die altersschwache Orgel der Kirche, die sie meist mit krächzender Stimme gesanglich begleitete. Fabien trug das Holz in einen Verschlag. Die Wärme und die Arbeit machten Durst. Berbe war gutmütig und hatte ihm schon manchen Bissen zugesteckt, deshalb bat er um einen Schluck Wasser. Sie half vielen Menschen, besonders aber den Armen, obwohl sie auf der nördlichen Seite im Pfarrhaus wohnte.

Als Fabien die letzten Scheite eingestapelt hatte, rief sie ihn in die Küche, goss sie ihm aus einem Steinkrug gesüßtes Essigwasser in ein Glas und schob ihm auch ein Stück Kuchen zu. Er schenkte ihr dafür einen dankbaren Blick. So etwas erlebte er höchst selten und schon gar nicht bei denen, die im Überfluss schwelgten. Berbe ließ ihn über seine Familie berichten. So erfuhr sie auch, dass er ein neues Geschwisterchen erwartete. Sie seufzte:

„Der liebe Gott wollte nicht, dass mir solche Freuden beschieden worden sind. Er hat mich zu den Patres geschickt, die für das Kindermachen untauglich sind.“

Letzteres verbreitete sie wohl wissend als eine Unwahrheit, die sie stets auch mit Fleiß verteidigte. Der Vorgänger von Patre Hector Sorel gehörte keinesfalls zu den Kostverächtern. Berbe hatte ihm nicht nur im Haushalt und in der Kirche, sie hatte ihm auch im Bett gedient. So lautete die Wahrheit. Und so blieb es nicht aus, dass sie irgendwann schwanger wurde. Der alte Gottesmann wollte sie zu einer Engelsmacherin schicken, doch sie hatte vorher einen Sud aus treibenden Kräutern in sich hinein gewürgt und dabei den keimenden Fötus verloren. Nicht nur der Patre lud damals schwere Sünde auf sich, auch sie fühlte große Schuld. Danach ließ sie ihn nicht mehr an sich ran. Das lag nun schon zwanzig Jahre zurück. Jetzt war sie in den Fünfzigern und noch immer gut beieinander aber unfruchtbar. Das hob ihre Lust auf ein Mannsbild. Padtre Hector, wie sie ihn nannte, verkörperte einen Mann von guter Statur und in den besten Jahren. Sie hätte ihm widerspruchslos im Bett gedient und legte zu diesem Zweck öfters geheime Zeichen und Schlingen aus. In der warmen Jahreszeit trug sie beispielsweise nie was unter ihrem langen Rock. Auch ihr Blusenausschnitt ließ in seiner Weite einen tiefen Einblick auf ihre üppigen Brüste zu. Wenn sie des Patres Wäsche wusch, trocknete oder bügelte, dann galt ihre ganze Hingabe seinen Unterhosen, die sie nicht nur mit verklärten Blicken anschaute, sondern auch zärtlich streichelte. Aber all das half nichts. Patre Hector blieb unantastbar. Er lobte zwar ihre Reinlichkeit und ihr gutes Essen, rügte sie aber für das falsche Orgelspiel oder den gruseligen Klang ihrer Stimme.

Zusammen mit Madame Richelieu, die noch lauter ihre eingebildete Sangeskunst darbot, ergab sich im Zusammenspiel mit der Orgel ein grauseliges Gemisch aus falschen Tönen und Disharmonien, das jeden Musikkenner aus der Kirche getrieben hätte. Nur dem ehrenwerten Kirchenvorstand, gebildet von Maître Richelieu, dem Großhändler Dubois und dem Königlichen Oberforstmeister Bresson, war es zu verdanken, dass solches nicht geschah. Man ertrug die schmerzende Beleidigung der Ohren geduldig im Namen Gottes. Niemand wagte es, den krächzenden Singsang zu tadeln. Diesmal hielt sich zudem der Patre zurück, denn aus den Töpfen der Reichen flossen nicht nur Spenden für seinen Kirche, sondern auch die Spezialitäten für seinen luxuriösen Lebenswandel. Selbst das gemeine Volk von der Südseite schwieg, war es doch oft auf die Gunst derer von der Nordseite angewiesen, und die stellten bekanntlich den Kirchenvorstand. Der Einzige, der wohl seinen Unmut geäußert hätte, wäre der Oberforstmeister gewesen, aber alt und schwerhörig verstand er sowieso nur etwas, wenn man laut schrie. Ihn störten weder Gesänge noch Orgel. Wenn er einen Psalm kannte, sang er ihn lauthals und genau so falsch mit. In solchen Fällen mündete erst recht alles in einer quälenden Tortur. Die Meisten waren dann froh, wenn sie die Kirche verlassen durften.

Fabien wusste nur von den misslichen Gesängen, die anderen Geheimnisse der Mamsell Berbe blieben ihm verborgen. Die Choräle, so kläglich sie sich auch anhörten, hatten für ihn seit der Entdeckung Viviens nur eine Bedeutung, er empfand sie als Botschaften, die die Engel zu dem von ihm verehrten Wesen trugen. Denn das Singen bildete bisher die einzige Brücke zwischen ihm und ihr.

In der Küche entwichen der Ofenröhre verführerische Gerüche. Fabien saß noch bei einem zweiten Glas Essigwasser und wartete auf seinen Lohn.

„Der Propst Pineau besucht uns nachher, für den wird das Festmahl angerichtet. Wenn du morgen kommst, hebe ich dir etwas auf“,

verriet sie ihm hinter vorgehaltener Hand. Er, der selten genug die Gaumenfreuden eines Bratens erlebte, versprach sein Erscheinen. Der Duft und die Aussicht auf ein Stück des Fleisches ließen ihn plötzlich alles vergessen, sogar Vivien und ihre Aufforderung, sich mit ihm zu treffen. Erst spät kehrte er nach Hause zurück und schob den Karren wie immer neben den Ziegenstall. Der Kuchen hatte seinen größten Hunger gestillt, deshalb überließ er seinen Anteil am Abendbrot den Geschwistern, die ihm freudig dankten. Vom Bett aus sah er später den Vollmond und der war Anlass für mehrere gleichzeitig ablaufende Ereignisse:

Im Haus des Patre erschien gegen Abend sein Amtsbruder und Vorgesetzter, der Propst Jean Marie Pineau. Er kam immer dann, wenn der Erdenbegleiter mit ganzer Helligkeit leuchtete.

Die Hure Madeleine traf zu gleicher Zeit an anderer Stelle Vorbereitungen für die kommende Nacht.

Fabien lag lange schlaflos auf seinem Strohsack. Der Bratenduft in seiner Nase war gewichen, es roch wieder ärmlich wie eh und je. Er marterte sein Gehirn mit der Frage, wie man am besten Vivien eine Nachricht zukommen lassen könnte.

Sarly, der bei Vollmond nie schlafen konnte, lag Ellbogen gestützt auf dem Schwellbalken der Luke und stierte in die schemenhafte Helle der Nacht. Wiederholt streifte sein Blick die Fenster von Charlottes Zimmer. Nur einmal sah er im flackernden Licht einer Kerze ihren huschenden Schatten, sonst lag das Haus im friedlichen Dunkel der Bäume. Clochard schnarchte in seiner Ecke an der Hauswand. Er, der ungekrönte Herr des Reviers brauchte keine Gegner oder Rivalen zu fürchten, die waren entweder vor ihm geflüchtet oder er hatte sie bereits gnadenlos vernichtet.

Sarly empfand Stolz, dass er ausgerechnet zu ihm gehörte, war er doch in vielen Eigenschaften so wie er. Seine Gedanken beschränkten sich aber nicht nur auf den Hund, der kam gut und gerne ohne ihn klar. Auch um sein tägliches Brot machte er sich keinen Kopf. Für den nächsten Tag hatte er genug, und wenn er mal nichts hatte, schob er Kohldampf, anders kannte er’s nicht. Seine Überlegungen wanderten weiter zu den Sternen mit der Frage, ob denn dort auch Menschen lebten, und wenn, ob sie sich genau so verhielten wie hierzulande. Fledermäuse huschten lautlos vorüber, ein Käuzchen schrie irgendwo. Er mochte diese Stimmung. Es handelte sich um die Geräusche und Bewegungen der Natur, die er liebte, denen er sich verbunden fühlte, ganz im Gegensatz zum Geknatter und Gestank von Dubois’ Petroleumkutsche. Der war, Gott sei Dank, mit diesem scheußlichen Gefährt auf Geschäftsreise. Und das fand er gut. Morgen früh würde er sich beim Baden Charlotte in seiner ganzen Mannespracht präsentieren. Sie würde ihn beobachten und bewundern, das spürte er schon länger. Aber offenbarte sie sich ihm auch? Sarly witterte förmlich, dass dieser Augenblick nicht mehr fern sein konnte.

Eine Bewegung, weit weg, in der Nähe von Madeleines Haus, fesselte plötzlich seine Aufmerksamkeit. Allerdings konnte er nicht ausmachen, was sich dort tat. Zunächst tippte er auf ein Tier, doch das lief nicht so schwerfällig, und Bären gab es in dieser Gegend nicht. Es musste ein Mensch sein. Die Hure hatte ihm nichts von einem Liebhaber erzählt. Unruhig verfolgte er das seltsame Wesen. Es verschwand, tauchte auf und irgendwann schluckte es die Nacht. Sarly packte die Angst. Sollte vielleicht einer Madeleine abgemurkst haben? Er sprang aus der Luke, steckte sein Messer in den Gürtel und schlich zu ihrer Kate. Kein Laut drang heraus. Doch sie hatte ihn längst an seinem schleichenden Gang erkannt.

„Was willst du, Sarly? Lass mich schlafen! Ich habe keine Lust, mit dir zu ranzen“,

schrie sie, als er an die Tür pochte. Er, bereits sein Messer in der Hand, stellte enttäuscht das Klopfen ein. Ihn reizte es schon lange, einmal einem Lumpen, der Madeleine des Nachts belästigte, einen Denkzettel mit der Messerspitze zu verpassen. Zunächst hockte er sich in der Nähe ins feuchte Gras und dachte nach. Um Madeleine zu beruhigen, tat er so, als ob ihn ihr Wohl nicht interessierte. Doch dann schlich er zum Fenster und raunte:

„Du kannst ruhig weiter schlafen, ich war nur bei meinen Schlingen, brauche wieder einen fetten Entenbraten. Da dachte ich, jemand wäre bei deinem Haus gewesen.“

„Scher dich zum Teufel und lass mich endlich schlafen, Sarly! Komm morgen Mittag, wenn du was von mir willst!“,

fertigte sie ihn endgültig ab. Beleidigt zog er davon. Seine Sorge um Madeleine schien tatsächlich unbegründet. Den Rest der Nacht verbrachte er sitzend neben Clochard.

Madeleine träumte indes von einem Leben als Dame, sie hatte kurz davor eine gute Summe für ihren Dienst und obendrein ein rotes Tuch aus feinster Seide erhalten.

Niemand ahnte, auch nicht Sarly, wie Madeleine in den Besitz des kostbaren Tuches gekommen war. Sie wusste sehr wohl, das Geheimnis zu hüten, entsprang ihm doch einiges, was ihren stillen Sehnsüchten Genüge tat. Das ferne Ziel, einmal eine vornehme Dame zu werden, hatte sie Sarly nie verraten, und sie würde es auch nie preisgeben. Er würde schon merken, wenn es soweit war, dann konnte er sich nicht mehr bei ihr für ein paar Happen nach Herzenslust bedienen.

Das Tor der sieben Sünden

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