Читать книгу Arbeit muss Spaß machen! - Hans Groth - Страница 5
ОглавлениеEs Kerbebäumche
Es war in den ersten Jahren meines „Wirkens“ im Schiersteiner Rathaus, als die Kerb gerettet werden musste. Immer weniger Besucher fanden sich am dritten Septemberwochenende auf dem Kerbeplatz an der Kleinaustraße unten am Hafen ein. Mittags verirrten sich noch einige Kinder mit ihren Eltern oder Großeltern zum Kinderkarussell, doch abends war es da unten dunkel, kalt, ungemütlich, gähnende Leere – einfach deprimierend! Selbst dem immer optimistischen Schiersteiner Schausteller Kurt L. fiel es schwer, seinen Autoscooter für ein mieses Dreitagekerbegeschäft am Hafen aufzubauen.
Eine neue Idee musste her, und sie wurde unter meiner Mithilfe geboren. Die Kerb wurde zurück ins „Ort“ geholt! Es wurde vier Tage „rund ums Rathaus“ gefeiert, mit allem, was zu einer echten „Dorfkerb“ dazugehört – auch viel Ärger im Vorfeld und eine zerstörte Wiese nach dem Rummel!
Da war der Bieranstich durch den damit völlig überforderten Ortsvorsteher Dieter H., dem ich es bis zum heutigen Tag nicht glaubhaft machen konnte, dass ich das 50-Liter-Fass nicht präpariert hatte. Das Schaumbad, das er mit seinem eigenartigen „Anzapfen“ produzierte, kam völlig überraschend und blieb allen Gästen in äußerst lustiger, aber auch sehr feuchter Erinnerung.
Ja und dann gab es einen Kerbebaum mit einer einmaligen, sich am Rande der Illegalität bewegenden Vorgeschichte, die man heute ruhigen Gewissens erzählen kann, weil eventuelle strafbare Handlungen längst verjährt sind.
Der Kerbebaum durfte natürlich nichts kosten, und es musste wieder einmal improvisiert werden. Den Stamm des Kerbebaumes hatten wir schnell ausgemacht. Stand im Rathaushof doch der städtische Alu-Fahnenmast! Dieser wurde kurzerhand mit einem rot-weißen Kunststoffabsperrband, das wir von einem uns befreundeten Amt geschenkt bekamen, stammaufwärts umwickelt! Der durch die Beflaggungsordnung geschützte amtliche Fahnenmast war als solcher kaum noch zu erkennen.
Mit dem Kranz, der dann am jetzt amtlichen Kerbebaumstamm hochgezogen werden sollte, hatten wir ein ernstes Problem. Wollten wir uns doch eines ausgedienten Trauerkranzes vom Komposthaufen unseres Friedhofes bedienen. Doch unser Friedhofswärter konnte einfach nicht liefern! Offenbar wollten alle Schiersteiner die erste Kerb rund ums Rathaus erleben! Keiner war in den vergangenen beiden Wochen gestorben und folglich konnte auch kein Trauerkranz auf dem Komposthaufen des Friedhofes landen.
Guter Rat war also teuer! Extra einen Kranz kaufen? Der hätte uns in dieser Größe bestimmt 70 oder gar 80 Mark gekostet und diese Summe wollten wir einfach nicht investieren.
Sodann beschlossen Hubert F. – seines Zeichens Hausmeister des Rathauses – und ich, zu einer kleinen Dienstfahrt einen Kilometer über die westliche Ortsgrenze hinaus zu starten. Eine halbe Stunde später waren wir im Rathaus zurück. Im Gepäck einen noch äußerst gut erhaltenen und besonders großen, fest und breit gebundenen Trauerkranz, den noch die „LetzterGruß-Schleife“ von „Deinen alten Seefahrern“ schmückte.
Ein wirklich schöner Kranz, der es in der Tat verdiente hatte, vor seinem endgültigen Vermodern noch einmal aus luftiger Höhe ein buntes Kerbetreiben erleben zu dürfen. Wir hatten unsere Freude!
Hubert F. band die aus einer extra für diese Aktion aussortierten Hessenfahne zurechtgeschnittenen roten und weißen Stoffbänder an den Kranz sowie die an langen Schnüren hängenden, in Huberts Werkstatt aus Sperrholzausgesägten und mit grüner Ölfarbe angemalten Weinflaschenimitate an das runde Grün.
Da zu den roten und weißen Stoffbändern und zum Wein auch noch „Worscht und Weck“ gehörten, hatten wir sechs Ring Fleischwurst gekauft. Fünf für den Kerbebaum, einen für uns, denn: Wer schafft, braucht Kraft! Um die übergroßen Wasserwecke mussten wir uns keine Gedanken machen. Diese lieferte uns kostenlos das Schiersteiner Backhaus, das heute mit Storch Karlchen für seine Produkte Werbung macht.
Ein wunderschöner Kerbebaum, den man getrost zum Baum des Jahres hätte wählen können. Alle, ja wirklich alle, die sich im Rathaushof zur Eröffnung der ersten Kerb rund ums Rathaus eingefunden hatten, freuten sich über das gute Stück oder hatten für ihn ein Schmunzeln übrig. Doch besonders Stolz waren natürlich Hubert F. und ich, die Macher des jetzt in der Höhe leicht schaukelnden Gebindes!
Doch die Freude sollte nicht lange dauern!
Unmittelbar nach dem „Hissen“ des Prachtstücks am umfunktionierten amtlichen städtischen Fahnenmast prasselte ein kurzer, aber äußerst heftiger Regenschauer über Schierstein, auf die Kerbebesucher und somit auch auf die Kerb und unseren Kerbebaum.
Die Wasserwecken wurden dick und dicker und mussten sich irgendwann der enormen Wassereinwirkung geschlagen geben. Wasserweck für Wasserweck stürzte in die Tiefe und verteilte sich nach einem lauten „Platsch“ beim Aufprall in alle Himmelsrichtungen!
Einen wasserweckgeschädigten Kerbebesucher musste ich zur Wiedergutmachung auf ein Gläschen Wein einladen! Ich tat es gern, denn wir hatten einen Riesenspaß!