Читать книгу Die Hexe von Großrudestedt - Hans Heinrich - Страница 3
ОглавлениеDie gerettete Ehre
Ich, Tochter eines landsässigen Ritters, lebte bis zu dieser Nacht in der verfallenden Burg des Vaters. Kalte, nasse Mauern. Ein schwarzer Bergfried. Tiefe Gräben ringsum, in denen Ratten wohnten und der Unrat faulte. In den hinteren Graben warf der Bruder die Kadaver der zwei Verräter den Ratten vor. Und drunten wuchs der Baum, an dem der Knecht sein Leben endigte.
Zweiunddreißig lange Jahre verschwieg ich meinem Herrn und König, was mir in der Nacht vor der Hochzeit geschah.
Ich lebte unversehrt und unbescholten bis zu dieser Nacht, spielte und tanzte mit den Mägden, sang die Lieder der Troubadours, pflegte meine Haare, meine Haut, meinen Körper.
Auf die Wämse des Bruders stickte ich allerlei Geranke – diese Kunst war der Mutter abgeschaut. Mit dem Vater durchjagte ich die Wälder. Das erlegte Wild zerwirkte ich kunstvoll dem Brauch gemäß – wie einst der treulose Tristan.
Viel las ich über die Helden aus Xanten und Burgund und die blutigen Kämpfe im Land des edlen Etzel. Ich trauerte mit Kriemhild um den erschlagenen Siegfried. Ich jubelte, als sie dem heimtückischen Hagen den Kopf abschlug. Es gefiel mir, wenn die Ritter hinauszogen in die Welt, um Ehre zu erringen. Das Unglück der Dido machte mich zornig. Warum legte sie sich wegen des treulosen Eneas eine Schlinge um den Hals und sprang in den Tod? Die Mutter fragte ich, warum die schöne Lavinia glühte und fror, wenn sie an den Trojaner dachte oder ihn vom Fenster ihres Erkers aus sah. »Weißt du«, fragte ich, »wer diese Minne ist?«
Die Mutter legte das Eneasbuch auf den Schoß und las, was ich so oft gelesen hatte: »Seit Anbeginn herrscht die Minne über den Erdkreis und herrschen wird sie bis zum Jüngsten Tag. Widerstehen kann ihr niemand, weil sie niemand hört und niemand sieht.«
Der Vater sagte: »Knie nieder und bete, wenn die Not groß ist! Wenn die Verzweiflung dein Herz sprengen will, prüft dich dein Herr und dein Gott. Bete zu ihm, flehe ihn an, schreie, fluche, aber vertrau ihm und ergib dich nicht voreilig dem Tod! Dann blickt dein Herr auf dich mit Wohlgefallen und du wirst über alle Widersacher siegen.«
Nach dem Tod des lieben Vaters nahm mich der Bruder in Obhut. Eines Tages brachte er eine Botschaft, die mich erschreckte und doch froh machte: Er habe mich dem jungen König des Reichs versprochen und werde bald die Hochzeit rüsten!
Am Tag vor der Vermählung ritt er mit allen Knechten und den Mägden an den Königshof, die Hochzeit zu rüsten.
Was mir danach an Leids geschah, das wissen nur die Toten dieser Nacht. Sie schreckten und quälten mich all die Jahre und gönnten mir keinen traumlosen Schlaf. Ruhig wurde mein Herz, wenn der königliche Herr mich zu sich nahm, wenn er seine milden Hände über meine Augen deckte, wenn er mir zusprach und sagte: »Du Liebe, komm zu dir! Kein blutender Ritter liegt in der Kemenate. Keine Magd verkommt in den Flammen. Die Zisternen in allen Höfen sind mit schweren Brettern abgedeckt, niemand kann in die Tiefe stürzen!«
An einem lichten Morgen sang ich zum ersten Mal seit zweiunddreißig Jahren ein Tagelied. Zur Abendstunde fragte mein königlicher Herr, ob es in seiner Kraft stehe, mich von meinen Nachtgespenstern zu erlösen.
»Mein lieber, gnädiger Herr«, sagte ich, »es steht in Eurer Kraft, ich bitte um einen Richtspruch. Der aber soll lauten: Königin dieses Reichs, ich verbanne dich von Tisch und Bett. Ich gebiete dir, deine Schuld im Büßerkleid öffentlich allen kundzutun. Ich verurteile dich schändliche Mörderin zum ehrlosen Tod durch das Feuer.«
»Du sollst deinen Richtspruch haben«, sagte mein König. »Zuerst will ich dich anhören.« Und ich gab endlich preis, was ich dem Bruder nicht preisgegeben hatte und nicht dem Beichtvater.
»Es geschah, mein lieber Herr, in der Nacht vor unserer Vermählung. Der Bruder war mit allen Knechten und Mägden an den königlichen Hof gezogen. Ich war allein in meinem Schlafgemach.
Der Pförtner saß im Torturm, der alte Wächter wachte in seinem Stübchen oben auf dem Bergfried. Ich zwang mir Gehänge ins Ohr, steckte Perlen ins Haar, schlüpfte in die weißen Brautschuhe, schritt, als ginge es zum Altar, hin zum Erker, fiel auf die Knie und betete, ging zurück zur Truhe, zur Tür, zum Erker. Ich sah den Tag in den Zinnen verbluten. Tief unter mir lag der schwarze Spiegel der Zisterne. Ich legte das Nachtkleid aufs Bett und ertastete das gestickte Blumengerank von den Schultern bis hinunter zu den Knien. ›Dich wird morgen‹, sagte ich und glitt mit der Hand über den Saum, ›morgen wird dich die Hand des Mannes heben. Es wird der König sein, den zu lieben mir von Gott und dem Bruder aufgetragen ist. Ergeben will ich mich in Furcht und Hoffnung, in Trauer und Freude.‹
Ich legte den hoffärtigen Schmuck ab, kniete nieder, sprach das Nachtgebet und fand meine Ruhe in dem Lied, das ich oft mit den Mägden gesungen hatte: Got sende sî zesamenedie gelieb wellen gerne sîn!
Da pocht es an die Tür. Eines Mannes Stimme hör ich, des Pförtners Stimme. Er bitte um Vergebung, es sei der junge König vor dem Tor und er begehre Einlass. Er habe Wichtigkeiten mit der Braut noch diese Nacht.
›Der König?‹, frag ich den Pförtner. ›Ist nicht der Bruder bei ihm, das Hochzeitsfest zu rüsten?‹
›Es ist der junge König. Er begehrt Einlass. Er hat Wichtigkeiten mit der Braut.‹
›Warte‹, sag ich dem Pförtner, ›wart!‹
Wichtigkeiten noch diese Nacht? Ist nicht Geduld die Tugend der Verlobten? Will er meine Tugend prüfen? Misstraut er dem Bruder? Ziemt Misstrauen einem König? Geziemt es mir, den Einschlupf ihm zu öffnen? Kann er begehren, was ihn ehrlos macht? Darf ich das Gastrecht weigern? Ihm weigern, der morgen mein Gemahl wird? Drängt ihn die holde Minne zur Geliebten? Weist Gott nicht allen Liebenden den Weg?
Ich sag dem Pförtner, der ungeduldig an der Tür kratzt: ›Lass ihn ein. Du aber steh mir bei, solang der Herr in meinem Zimmer weilt.‹
›Das will ich‹, sagt der draußen, geht und kommt nach kurzer Weile und pocht: ›Der König gebietet, ihn einzulassen!‹
Ich lass ihn ein. Er stößt die Tür auf, greift, auf der Schwelle noch, den Pförtner, drückt ihn hinaus, wirft die Türe zu und schiebt den Riegel vor.
›Soll uns‹, sagt er, greift meine Hände, zieht mich zum Bett, ›soll dieser Hund die erste, süße Stunde trüben? Es ist mein Leib entbrannt. Ich schwöre, was ich sage. Du bist mir Gut und Böse, Tag und Nacht, Mond und Sonne, die Türe und das Tor. Der da am Holz hängt, der bezeugt die Wahrheit. Mond und Sonne, Tür und Tor, seit der Bruder mir den schönen Körper pries. Seit dieser Stunde bin ich krank, das ist geschworen, und Heilung find ich nur durch ihn, mit ihm, in ihm. Wie einst der kranke Tristan Heilung fand und wie die Magd den edlen Ritter Heinrich mit ihrem Herzblut heilte, so fordere ich Heilung zu dieser Stunde. Es wächst daraus viel Nutzen jetzt und ewig. Das ist bei Gott geschworen.‹
›Mein König‹, sag ich, ›wir werden Lust und Freude haben ohne Ende. Es ist eine kurze Weile bis zum Silberstreif des Morgens. Helios wird seine Pferde blutig peitschen. Ihr aber zügelt Eures Leibes Ungeduld. Schont Euch und mich und meines Bruders Ehre.‹
›Hast‹, sagt er und zerrt an meinem Gürtel, ›hast eine flinke Zunge in deinem roten Mäulchen. Aber du redest in den Wind. Ich weiß es, was dein Leib begehrt. Die Tugend sitzt dir auf der Zunge. Nun füge dich, ich zwing dich.‹
So redet er. Ich will zur Türe, er fasst mich, zerrt mich zum Bett.
Ich fleh, mir sei nicht wohl.
›Nein, Gräfin, Ihr seid wohl. Zieht Eure Kleider ab. Enthüllt in Demut und Gehorsam, was dem König übereignet ist. Der König fordert Königsrecht. Gewährt Ihr’s nicht, verliert Ihr Leib und Leben noch zu dieser Stund.‹
Dies also ist der junge König! Ohne Tugend, ohne Mäßigung! So einem überliefert mich der Bruder! Ich fleh um einen Cherub, den wilden Eber zu zerschmettern, aber der Himmel lässt den Mann gewähren, und quält den unversehrten Körper, der, lieber Herr, nur Euch bestimmt war.
Ja. So geschehen in dieser Nacht. Von meinem Gott verlassen. Und neben mir der blutige Eber, roh gesättigt, die Augen halb im Schlaf, und hör ihn in das Kissen reden: ›Du, Hund‹, hör ich, ›du Hund von einem Knecht, du hast mich angestiftet. Ein Schmaltier war sie. Jungfräulich war sie, ohne Gier. Wird aber nichts dem König melden. Auch du nicht, Hund von einem Knecht, wirst nichts dem König melden und sie nicht zwingen, dass sie dein Schweigen lohne Jahr um Jahr. Ich lohne dich. Mit einem Strick um deinen Hals belohn ich dich. Das ist geschworen. Hund, verfluchter Hund.‹
Also der König nicht! Geschändet wie Lukrezia! Und wie Lukrezia will ich sterben! Ich lös mich aus den Fängen des wilden Tiers, geh in die Kammer, hol das Jagdbesteck des Vaters, umfang das Eisen wie einen süßen Freund – und höre meinen Engel:
›Dein Tod gilt nichts, die Schande wird ihn überleben. Schone den Bruder und den jungen König! Doch keine fremde Zunge schone!‹
Keine fremde Zunge soll ich schonen? Den wilden Eber nicht? Den Pförtner nicht? Und wo find ich den Knecht?
›Mach fort!‹, hör ich den Engel sagen. ›Verräter sind dem Halsgericht verfallen. Zerhauen werden ihre Körper in vier Teile. Sei du barmherzig, nutz den Schlaf!‹
Ich bin barmherzig unbarmherzig. Bin nicht Lukrezia, bin Judith, und, lieber Herr. Ich haue, steche, reiße in das wilde Fleisch, das zuckt und aufschreit, sich wirft und streckt. Ich fleh zu Gott, erflehe Kraft, dass mir die Hände nicht, die Arme nicht erstarren, hau den Hals ihm durch und will mich aus dem Fenster stürzen.
Da hör ich wieder meines Engels Stimme: ›Schaff den Kadaver fort! Das tote Fleisch ist eine Zunge.‹
Ich bin bereit, ich will gehorchen, doch der Kadaver liegt wie Lehm.
Ich ruf den Pförtner. Der schaut, ich sage: ›Schau nicht. Schaff den Kadaver fort.‹
›Der junge König von der Braut gemordet!‹
›Ist nicht der junge König, dem du das Tor geöffnet hast!‹
›Der König nicht? Aber die Braut geschändet!‹
›Schaff den Kadaver fort! Ich will dir Gutes tun. Ich geb dir Gold und Land.‹
›Kein Gold! Kein Land! Den schaff ich fort, wenn sie mir Gutes tut mit ihrem Leib.‹
›Fürchte die Rache deines Königs‹, sag ich.
›Die Schlange hat, sag ich dem König, den Ritter eingelassen. Sie hat ihn auf ihr Bett gezwungen. Danach verlangte sie nach mir. Ich aber widerstand der Schlange. Dies werde ich beschwören.‹
Er zerrt mich fort in seine Kammer und auf sein Lager. In seine Kammer zerrt er mich und ich erduld zum zweiten Mal des Mannes Spott.
Danach, mein lieber Herr, schleift er den toten Ritter zur Zisterne, will den Verräter in die Tiefe schleudern. Ich aber, ›langsam‹, sag ich, ›weck uns den Wächter nicht‹.
›Den Aufpasser‹, sagt er, ›den weck ich nicht, weil du mir nochmals Gutes tust in meiner Kammer‹, und krallt sich in das tote Fleisch, beugt sich hinunter, krümmt sich, halb schon gezogen von der Last.
Ich, hinter ihm, bereit, auch diese Zunge nicht zu schonen, lös seine Füße, stemm und stoß, stoß ihn hinunter in den schwarzen Schlund. Den Kopf des Ritters werf ich hinterher und will dem Wasser mich vermählen. Da dröhnt des Vaters Stimme mir im Ohr: Lass ab! Lass ab!
Ich lasse ab, knie vor dem Rand des Brunnens. Ich kann nicht beten, kann Gott nicht danken für diesen Tag, hör schon die Amsel, die den Morgen weckt, und geh und schaff den blutigen Unrat aus der Welt.
Unschuldig ist das Bett am Morgen, das Kleid befreit vom Schmutz der Nacht. Der Tag sieht mich bereit. Ich knie, bis ich sie lärmen höre vor dem Tor. Der alte Wächter öffnet, der Pförtner ist nicht aufzustöbern.
Die Magd tritt ein. Sie rühmt den Tag, preist meine, preist des jungen Königs Schönheit, küsst mich und kleidet mich zur Fahrt.
Der Bruder kommt, mit sich zwei Rappen führend. Er sei verspätet wegen eines Knechts, der sagt, er sei befohlen, auf seinen Herrn zu warten, der habe Wichtigkeiten bei dem schönen Fräulein auf der Burg. ›Nichts weiter, liebe Schwester, nur ein Pferdedieb, der trübt uns nicht das hohe Fest. Doch fort, der König erwartet seine Braut!‹
›Nein‹, sag ich, ›tränke zuerst die Rappen, die du führst. Aus der Zisterne tränk sie! Ich werde dich bei meinem Herrn entschuldigen.‹
Der Bruder tut mir den Willen, kehrt zur Burg zurück und kommt, Ihr wisst es, lieber Herr, nach der Vermählung angesprengt. Er bitte um Vergebung, er sei verspätet, der Pförtner habe seinen Dienst verlassen.
Zur Nacht der Bruder, schon im Sattel, nimmt meine Hand: ›Das Schandmaul ist gehenkt. Die zwei aus der Zisterne sind den Ratten vorgelegt. Gott aber steh dir bei die erste Nacht!‹, und lässt dem Hengst die Zügel.
Die Magd, die liebste, neben mir sieht meine Tränen. Wir gehn in die Kapelle und knien nieder. Dem blutigen Erlöser sag ich ins gesenkte Angesicht: ›Sie ist die Liebste mir. Ich taufe sie und mich unter dem Kreuz. Ich bin Isolde, sie ist Brangäne. Die Treue legte sich dem König Marke an die Seite in der ersten Nacht! Sei du in dieser Nacht Brangäne! Leg du dem König dich zur Seite, ergib dich seinem ersten Ansturm. Frag nicht. Sag Ja im Angesicht des Herrn, der dich und mich erlöst hat.‹
Die Magd erschrickt, sagt ›Nein, nein, nein‹.
›Hab keine Angst‹, sag ich, ›der Herr ist schwer vom Wein. Ich steh dir bei. Ich schenk dir Gold und reiche Kleidung.‹
Drauf sie: ›Ich tu’s um meiner Treue willen.‹
Wir gehn ins königliche Schlafgemach. Ich befehl die Diener weg und zieh der Bebenden mein Nachtkleid über. Ich zwing die keusche Unversehrte auf das Bett und warte auf den Zorn des Himmels. Jedoch der Himmel schweigt. Ihr kommt. Ich führ Euch an das Bett, trage die Lichter in die Kammer, entkleide Euch. Ihr legt Euch nieder, umfangt alsbald die Jungfrau, küsst sie und sie küsst Euch. Ihr unterscheidet die Magd nicht von der Braut. Ich steh und knie zu Füßen und hör Euch Liebe schwören, höre sie widerschwören. Ich fleh den Himmel an, mich zu zermalmen und flehe, er möge das Gekose enden – und er endet das Gekose.
Die Körper fallen auseinander.
Ich danke, knie, warte, bis mein königlicher Herr entschlummert, berühr die Decke, zupf das Nachtkleid, drück die Schulter, kneif die Haut. ›Komm‹, sag ich, ›deine Zeit ist um.‹
Doch die Magd zuckt weg.
›Ich bleib bei meinem König. Wir haben uns geschworen. Scher dich! Ich kenn dich nicht‹, und schlägt nach meiner Hand.
›Du kennst mich nicht‹, sag ich. ›Nun denn, so kenn mich nicht bis dich Posaunen wecken!‹
Ich warte, bis der Schlaf sie überkommt, und bitte, weil kein Engel hilft, den Teufel, ja, Herr, den bitt ich, mir zu raten. Teuflische Bosheit rät er mir.
Ich geh, entkleide mich, hole die Lichter, liebkose sie und lege zweimal zu Häupten, zweimal zu Füßen Feuer an das königliche Bett.
Das qualmt im Nu und loht und prasselt.
Ich reiße meinen königlichen Herrn und zerr ihn aus dem Schlaf und aus dem Bett und schrei, der Magd Gschrei zu überschrein – und rett uns in die Kammer. Den Riegel schieb ich vor, die Magd verbrennt. Dies alles nun gesagt und also bitt ich meinem königlichen Herrn um meinen Tod.«
»Um deinen Tod?«, sagt er. »Den hast du tausendfach erlitten. Du hast gebetet, hast gefleht, dein Gott hat die vernichtet, die dich vernichten wollten. Sein Urteil ist gesprochen: Er blickt auf dich mit Wohlgefallen. Das will dein König auch.«
So sprach mein Herr, nahm mich in seine Arme, küsste mich. Er aber mied von Tag an die Kapelle, verbot den Kniefall, ging im grauen Büßerkleid.
»Hintreten«, dies sagte er in seiner letzten Stunde, »will ich vor den, der tausend Namen hat. Erfragen will ich, warum er meine Braut so schlug. Erfragen, ob diese Lebensmühsal, ob alles Elend seiner Schöpfung allein die Frucht der einen Sünde sei, der Sünde einer Frau, die nichts begehrte, bloß auf Erkenntnis sann. Ist auf Erkenntnis sinnen gar so wüst gesündigt?«
So fragte er zuletzt und kehrte heim zu dem, der tausend Namen hat. Ich aber bitte diesen rätselhaften Gott, dass er ihm gnädig sei.
Gnädig der Magd auch, die bloß aus Liebe fehlte.
Und gnädig mir, wenn ich vor seinem Richtstuhl steh.
Und gnädig denen, die in Not und Finsternis gefehlt an meinem Leib. Gnädig dem einen, der mich so grob versehrte, und dem andern, der seiner gottgeschenkten Lust nicht widerstehen wollte.