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Meine erste Begegnung mit Granero

Es war letztes Jahr, im Restaurant „Bilbaíno“.

Wir, zwei Literaten, aßen dort um die Mittagszeit - Juan Ferragut, der Autor von “Erinnerungen eines Legionärs“ und ich.

Die Jalousien vor den halb geöffneten großen Fenstern schufen im Speisesaal ein angenehm sanftes Dämmerlicht … Draußen sandte die Frühlingssonne golden glänzende Strahlen über die Straße …

Mit uns speiste ein Publikum von unauffälliger Eleganz und korrekten Umgangsformen, das bei seiner Unterhaltung diskrete Lautstärke wahrte.

Hin und wieder ertönte ein silberhelles Lachen wie klirrendes Glas, was die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Zum ersten Mal in diesen Frühlingstagen zeigten sich die Frauen in Garderoben aus heller Seide…..

Von einem Tisch nahe dem unseren erhob sich ein elegant in Dunkelblau gekleideter junger Mann und begrüßte Ferragut, der seinerseits aufstand, um ihm herzhaft die Hand zu schütteln.

Meiner Gewohnheit gemäß, alles zu beobachten, was sich um mich herum ereignet, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den Unbekannten, der sich, etwas entfernt, mit meinem Freund unterhielt….

Er war ein Typ von angenehmem Auftreten: groß, schlank und grazil, mit heller Haut und dem offenherzigen Lächeln eines jungen Menschen; glänzendes Haar, hell schimmernd, linksseitig gescheitelt und zarte feingliedrige Hände, gut gepflegt wie die einer feinen Dame …. Er sprach mit sanfter, etwas nervös-erregter Stimme, gelegentlich verzog er dabei die Lippen wie bei einem Tic.

Ich weiß nicht, wieso, aber der makellos wirkende blasse Unbekannte kam mir vor wie ein Medizinstudent.

Für einen Augenblick trafen sich unsere Blicke; und da wendete der junge Mann sich mit liebenswürdigem Lächeln an mich und sagte laut: „Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Caballero Audaz!“ „In Ordnung“, antwortete ich mit ehrlicher Sympathie. „Reden Sie nur: und wenn es mir möglich ist ….“

Nun kam er näher und, ohne sein jungenhaftes Lächeln aufzugeben, äußerte er, etwas schüchtern und beinahe ängstlich, die Bitte: „Ich gehöre zu ihren Lesern und besitze alle ihre Bücher… Wenn es ihnen keine Umstände bereitet, würde ich sie ihnen schicken, damit sie sie mir mit einer Widmung versehen“ …. -

„Aber ja, junger Mann!“ entgegnete ich im Gefühl der freudigen Dankbarkeit, die wir empfinden, wenn wir in unserem Gegenüber einen Befürworter unserer Arbeit oder Kunst zu erkennen meinen! „Ich freue mich!“

Wir redeten kurz über meine Romane … La bien pagada (Die Hochbezahlte) hatte er im Morgengrauen gelesen…. La sin ventura (Die Unglückliche) gefiel ihm am meisten … Ihn zogen diese Geschichten vom Leben in Sünde an.

Plötzlich zögerte ich. Wer war dieser junge Bursche? Seiner Konversation fehlte es an Ausgewogenheit – möglicherweise das Ergebnis einer bedenkenlosen, mondänen Lebensführung – mit seinem bartlosen Gesicht und seinen melancholisch und unschuldig blickenden Augen…. Doch bald gab ich meine Zweifel auf. Meinen kleinen Notizblock zückend, sagte ich zu ihm: - „Morgen können Sie mir die Bücher nach Hause schicken. Falls Sie nicht alle besitzen, wäre es ein Vergnügen für mich, sie aus dem Fundus meiner Werke zu vervollständigen.

Sagen Sie mir bitte Ihren Namen!“ -

Jetzt intervenierte Ferragut und er stellte mir den jungen Mann vor. „Aber kennen Sie ihn denn nicht?“ - fragte er mich verwundert. - „Das ist Manuel Granero, der berühmte Stierkämpfer, der Torero de Moda“. Wir gaben uns die Hand…..

Ich empfinde große Sympathie für solche Menschen, die ihr Leben beherzt zum Einsatz bringen.


Lisa Zirner, Paris 2005

„Setzen Sie sich“, lud ich ihn ein.

Dann stellte ich ihm die beiden jungen Damen vor, die sich in unserer Begleitung befanden.

Granero trank mir liebenswürdig zu.

„Ich weiß, dass sie ein guter Freund des armen Joselito waren“ – bei Erwähnung des Namens von diesem wunderbaren, tapferen und überaus sympathischen Künstler trübten sich seine Augen voller Traurigkeit – „und ich wünschte mir, dass sie auch der meine würden.“

„Hombre, ich bin dabei, mit Begeisterung! So soll es sein!“

Andere Freunde gesellten sich zu uns, unter ihnen Manolo Domingo, der mit seinem sonnengegerbten, sympathischen Gesicht und dem stattlich-sportlichen Auftreten die Aura eines andalusischen Stierkämpfers hatte… Wir tranken in geselliger Runde nach dem Essen einige Gläser Champagner.

Gemäß meiner Obsession, Seelen zu erforschen, fragte ich Granero: - „Sind

sie zufrieden in ihrem Beruf?“ -

„Ja“, antwortete er mit Nachdruck, „Torero zu sein war immer mein Ideal“….

„Und das süß tönende Klagen ihrer Geige? Ist es dem nicht gelungen, diesen Drang zum Stierkämpferleben zu mildern?“

„Oh! Nein!“ entgegnete Granero. - „Die Geige ist für mich wie eine liebevolle Freundin, die zu Hause auf mich wartet und mich mit sehnsüchtigem Gesang empfängt“ ….

Und – um dieses Bild auszuschmücken, fuhr er fort: „Tatsächlich! Wenn ich die Geige zur Hand nehme, umfasse ich sie um die Taille, als wäre sie eine Frau; sie reagiert mit ihren Klängen, die zärtlich meine Wangen streicheln….

Dagegen – ein Nachmittag des Triumphs in Madrid!“ ……


Lisa Zirner, Paris 2005

Mit höchstem Entzücken erinnerte er sich einer dieser zurückliegenden Nachmittage.

„Wäre ich nicht Torero, würde ich gerne Schriftsteller sein wie Sie!“ -

„Unser Beruf ist weniger gefährlich“, warf Ferragut ein.

„Schon, aber das ist nicht alles,“ meinte Granero.

„Da haben sie Recht“, stimmte ich zu. „Die Kunst nimmt uns immer unser Leben.“ …

Sie leben mit der Aussicht auf die schöne Gefahr, dass Sie eines Tages, an einem sonnigen, triumphalen Nachmittag, von einem Stier getötet werden. Wie wunderbar ist es, so zu sterben! Wir dagegen, die Schriftsteller… Bestenfalls besteht unsere Zukunft darin, dass wir unsere Kräfte aufzehren, indem wir Tag für Tag Tatsachen, Gedanken und Gefühle, unser Blut und unser Herz geben.., um später dann zu sterben, bis aufs Mark erkrankt, erschöpft vom Schaffen, vom Denken, vom Lieben, auf der ständigen Suche nach neuen Facetten der Kunst…“

Ich schaute zu den zwei hübschen Freundinnen, die voller Verständnis ihre Blicke von uns abgewendet hatten….

Wir tranken Champagner.

Ich stieß auf Granero an, auf seine Triumphe, sein Leben, seine Jugend und auf seinen Ruhm.

Das war meine erste Begegnung mit Granero.


Martina Kügler, Frankfurt 1985

Granero

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