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Der Mythenstein von Ash'Caron wird Aemogard genannt.

Die Schriftrunen in den narbigen Steinen sind uralt und kaum zu erkennen. Moos wuchert in den Spalten und Ritzen.

Gelingt es dem Wanderer, den äußersten Rand von Ash'Caron trotz der gefährlichen Gewächse und des giftigen Lebens zu erreichen, mag er vielleicht die Worte lesen können.

Beherrscht er die alte Sprache, wird er auch zu deuten vermögen, was vor unendlich langer Zeit geschrieben wurde.

Er wird daran denken, wie hungrige Sklaven die Meißel schwangen und die Warnung an die Fremden in den Steinblock gruben.

Die Worte der ernsthaften Warnung sind:

ERSTARRE IN FURCHT, FREMDER!

DU ABER, DER DU DIE KOCHENDEN SÄULEN DER SPRINGENDEN QUELLEN ÜBERLEBT HAST, WERDE GEWAHR, DASS DER DÄMON DICH WEITERTREIBT DURCH DAS LAND. WISSE, DASS SICH AUCH DIE NATUR VERÄNDERT UND WAHNSINNIG WIRD. NUR DERJENIGE, DER STARK UND EIN GROSSER KRIEGER IST, SOLL SICH ZITTERND DER STADT DER GIGANTEN NÄHERN. DIEJENIGEN, DIE UNWANDELBAREN GEISTES SIND, DIEJENIGEN, DIE DURCH NICHTS MEHR ZU SCHRECKEN SIND, VERMÖGEN DIE STADT ZU BETRETEN. DIES IST DIE KALTE WAHRHEIT ZWISCHEN DEN GIGANTISCHEN FELSEN.

KÄMPFER DER LICHTWELT HABEN DIE STADT DER DUNKELHEIT ABGERUNGEN.

EINES FERNEN TAGES, WENN DAS UNERGRÜNDLICHE SCHICKSAL ES WILL, WIRD AUCH DAS LAND WIEDER DIE SEGNUNG DER GLÜHENDEN SONNE ERHALTEN.

WEHE ABER JENEM, DER MIT UNLAUTEREM HERZEN DAS TOR PASSIERT.

ERSTARRE IN FURCHT!

*

Die letzten Schatten der Abenddämmerung lagen über dem flachen Tal. Das Zischen und Fauchen der Springenden Quellen war hier, im Bereich der Nomadenlager, nur noch ein Geräusch im Hintergrund, ein einschläferndes und beruhigendes Rauschen, das nichts von den tödlichen Gefahren erkennen ließ, denen die Krieger Odams und die Männer um Arruf entronnen waren. Langsam versank der zerschmetterte Körper der unglücklichen Maldra im nassen schwarzen Sand, und hinter den Fontänen, die sich jetzt dunkel gefärbt hatten, lag der riesige Koloss des toten Yarls.

Zwischen den Zelten der Elejider und des anderen, weitaus kleineren Nomadenstamms brannten große Feuer. Es roch durchdringend nach Braten und Wein. Überall hing nasses Zeug, von dem Dampf aufstieg. Zwischen den Springenden Quellen bildeten sich Nebelbänke aus, die im Tal umherirrten und die Felsen jenseits der Quellen zu umhüllen begannen. Luxon-Arruf, in eine riesige weiße Zwehle gehüllt, saß am Feuer und blickte nachdenklich in die Flammen.

»Prinz Odam hat dringende Gründe, nach Osten zu ziehen. Ich bin sicher, dass er Necron als Fürsprecher bei den Valunen nicht gebraucht hat, denn jetzt müsste sich der Yarl schon im Bereich der Mauer der Alten Welt befinden.«

Arruf unterbrach seinen Freund Hrobon, der prüfend seine Stiefel betastete und merkte, dass sie noch nicht trocken waren. Das feuchte Leder roch nicht sonderlich gut.

»Du sprachst von Dämonen?«

Uinaho, der Ay, verfolgte die Unterhaltung schweigend. Auch er hatte seine Kleidung zum Trocknen ausgebreitet und umklammerte einen Weinbecher. Er teilte nicht die Verwunderung Necrons und Hrobons darüber, dass Arruf mit schwarzgefärbtem Bart und ebensolchem Haupthaar ganz anders aussah, als sie ihn in Erinnerung hatten.

»Einst wurde Odam von Guuron, dem Dämon, bedrängt. Odam glaubte sich durch die Liebe von Prinzessin Shezad von ihm befreit. Als Logghard befreit wurde, hoffte er, endgültig seinen Peiniger los zu sein. Weit gefehlt! Guuron bedrängt ihn heute mehr denn je. Darum ist Odam unterwegs, um Rat bei dem legendären Herrscher von Horien zu erbitten.«

»Von Shaer O'Ghallun?«, fragte Uinaho. »Dorthin sind auch wir unterwegs.«

Er deutete auf sich und Arruf. Arruf sah es dem Gesicht des Ays an, dass er daran dachte, seine Rechnung mit Elejid zu begleichen. Der Häuptling stand unweit des Feuers und hörte schweigend zu. Er schien nicht an Uinahos Rache zu denken.

»Kennt Odam den unsichtbaren Herrscher?«, wollte Arruf wissen.

»Nein. Jedenfalls sprach er mit mir nicht darüber. Ich sollte besser sagen, ich weiß es nicht.«

Hrobon wandte sich an den Stammesanführer und fragte ihn herausfordernd:

»Du weißt nicht, dass dieser Mann der Sohn des Shallad Rhiad ist, des Vorgängers des Hadamur?«

Völlig überrascht breitete Elejid beide Arme aus und rief verwundert:

»Woher sollte ich das wissen? Und selbst wenn er es mir erzählt hätte, würde ich es nicht glauben können.«

»Jetzt weißt du es. Für mich und viele andere besteht kein Zweifel, nicht wahr, Uinaho?«

»So ist es!«, bestätigte der Haarlose.

»Was ist dir geschehen, seit wir uns zuletzt gesehen haben, unter so wenig ersprießlichen Umständen?«, wandte sich Hrobon an Arruf.

»Es dauert einen Mond lang, wenn ich dir alles erzählen soll. Ich versuch's in kurzen Worten. Also ... Achar ist an allem schuld. Der Dämon der Rache sprach ein paar Mal mit mir, und ich bin sicher«, er warf Necron einen herausfordernden Blick zu und überlegte sich, ob er über das Duell der Augen sprechen sollte, »dass er auch mit dem Alleshändler, mit Steinmann Necron sprach.«

»Auch mit mir sprach Achar!«, gab Necron zu. »Ich habe lange nachgedacht. Achar muss diesen Meisterplan der Verschlagenheit schon auf Lazulis Burg vorbereitet haben. Dort befanden wir uns zuletzt gemeinsam, Lux... Arruf.«

»Ich fange an zu ahnen – ja, du musst recht haben, Necron«, meinte Arruf und fuhr fort, möglichst kurz zu berichten, was seit seiner »Enthauptung« geschehen war; soweit er selbst die Erinnerung daran hatte. Voller Spannung hörten Necron und Hrobon zu.

Achar, so sagten sich die zwei Männer, hatte die Falle auf Lazulis Burg aufgestellt. Dort wollte er Luxon töten, aber gleichzeitig durchschaute der Rachedämon wohl den Trick des Alleshändlers. Und da er zornig wurde, weil er sich von Menschen nicht foppen lassen wollte, schlug er unbemerkt auch Steinmann Necron in seinen Bann. Als das Dreiergespann am Hungerturm die drei Pfänder Luxons gewann, wurde von Achar die Verfügungsgewalt über Luxon-Arrufs Augen an Necron übertragen.

Dass Arruf es dennoch vermochte, auch Necrons Augen zu kontrollieren, hatte Achar wohl nicht bedenken können.

Die Gegenüberstellung hatte nichts geändert. Necron und Arruf wussten, was ihnen geschehen war, und was sie vermochten.

Nur der Tod von einem der Männer würde dem anderen die ausschließliche Verfügungsgewalt über die eigenen Augen zurückgeben. Vorübergehend herrschte zwischen ihnen Frieden; nach wie vor empfand jeder, dass der andere zu einem echten Freund und Kampfgefährten werden konnte.

»Er ist ... der Sohn des Shallad?«, fragte Elejid plötzlich, als habe er es zum ersten Mal nicht verstanden oder nicht begriffen.

»Hast du etwas in den Ohren, Horier?«, schnappte Hrobon zurück und drehte einen seiner rotgefiederten Pfeile nach dem anderen um, damit sie sich in der Nähe der Hitze nicht verbogen.

»Dann ist er zweimal der größte Krieger. Er überlebte Illanens Wahrspruch und ist der Sohn des toten Shallad. Er wird als Held an allen Lagerfeuern der Horier-Nomaden besungen werden.«

»Ein trockener Mantel und ein Stück Braten würden es auch tun, aber auch eure Lieder höre ich gern«, gab Arruf zurück und lächelte zum ersten Mal, seit er der wasserspeienden Hölle entkommen war. »Ist das dein Reitvogel Kusswind, Hrobon?«

»Er folgte mir während langer Reisen. Ab und zu ließ ich ihn in der Obhut gewissenhafter Freunde, aber seit Tagen rannte er hinter dem Yarl her, auf dem ich mich befand.«

Elejid ließ es sich nicht nehmen, Arrufs Becher mit Wein zu füllen. Arruf rieb mit einem Zipfel der Zwehle seinen Nacken trocken. Das weiße Tuch zeigte dunkle Spuren von Schmutz, aber auch von Farbe, die sich unter dem Einfluss des warmen, mit seltsamen Salzen durchsetzten Wassers gelöst hatte.

»Nun gut«, brummte Arruf und hob den Becher. »Also wirst du uns zur Mauer der Alten Welt führen, Elejid?«

»Selbstverständlich. Wir bringen neue Waffen zu Shaer O'Ghallun.«

Uinaho und Arruf wussten es bereits, weil die unglückliche Maldra es ihnen verraten hatte.

»Wann brecht ihr auf?«

»Morgen, nach Sonnenaufgang. Wir rasten nur eine Nacht hier.«

»Uinaho und ich brauchen Pferde«, sagte Arruf und hoffte, dass sein neuer Status zur Erfüllung dieses Wunsches beitragen würde. »Und Sättel. Könnt ihr uns aushelfen?«

»Wir sind glücklich, euch die stärksten und ausdauerndsten Tiere mit den weichsten Sätteln schenken zu können!«, betonte Elejid nicht ohne Feierlichkeit. Arruf grinste breit. Uinaho wurde dadurch der Wind aus dem Segel seines Zorns genommen, und die Horier versicherten sich dadurch des Wohlwollens eines Mannes, der später – vielleicht – auf Hadamurs Thron sitzen und über sie herrschen würde. Er konnte davon ausgehen, dass zumindest die Elejider Shallad Hadamur nicht sonderlich schätzten, sofern sie überhaupt eine herrschende Macht anzuerkennen gewillt waren.

»Wir danken. Unsere Waffen – ich sehe, man bringt sie gerade.«

Zwei Nomaden schleppten die trockenen Kleidungsstücke und die Waffen ans Feuer. Man hatte Uinaho und Arruf entwaffnet und ihnen Mäntel und Wämser abgenommen, bevor die Nomaden sie mit Pfeilschüssen in Illanens Springende Quellen gejagt hatten.

Die Nomaden legten Waffen und Mäntel schweigend und voller Respekt vor den Kriegern ins Gras.

»Danke«, knurrte der Ay. »Und was geschieht nun, Arruf? Ich denke, wir sollten zum Hochzeitszug zurückreiten, nach Norden.«

»Noch nicht«, sagte Arruf und stellte fest, dass seine Stiefel trocken waren, »denn in der Ruhe der Nacht habe ich mit dem Alleshändler noch einiges zu klären.«

»Muss das sein?«, fragte Necron. Hrobon starrte erstaunt und fragend auf Necron. Noch wusste er nicht, was Uinaho von Arruf wusste, dass Arruf seine Augen mit einem anderen Mann teilte und dass dieser Fremde neben ihm saß und sich am Feuer wärmte und seine Ausrüstung trocknete.

»Wir werden es nicht ändern können. Das muss ausgekämpft werden.«

»Aber nicht jetzt.«

»Nein«, antwortete Arruf scharf. »Irgendwann heute Nacht. Wenn alles ruhig ist. Ein solches Gespräch braucht Ruhe und einen Krug guten Wein.«

»Meinetwegen«, knurrte der Alleshändler. »Von mir aus. Was sein muss, soll sein.«

Sie warfen sich Blicke zu, die nur sie beide und höchstens Uinaho richtig deuten konnten.

Die Nomaden und ihre schweigenden, verschleierten Frauen bewirteten ihren Stammesfürsten und seine Gäste auf das Trefflichste. Kleine Bratenstücke, in gewürzte Brotfladen eingeschlagen, Wein, mit wohlschmeckenden Kräutern oder mit frischem Quellwasser versetzt, verschiedene Nüsse, entkernte, zerteilte Früchte, die an langen Schnüren getrocknet worden waren, gesalzene Wurzelstücke und anderes wurden herumgereicht. Langsam zog Necron seine Stiefel an. Sie waren inzwischen getrocknet. In den Scheiden seines Messergurts stand noch Wasser, als er prüfend mit dem Zeigefinger darin bohrte. Er steckte seine Messer vor sich in den warmen Sand und legte den Gurt, nachdem er ihn mehrmals mit feinem Sand abgerieben hatte, zwischen sich und die schwarzgewordenen Glutreste. Die Spannung zwischen Arruf und ihm hatte nicht abgenommen – sie stieg. Sie vertiefte sich noch. Arruf war nicht mehr allein; er hatte Uinaho und diesen selbstbewussten, klugen Hrobon, den Heymal. Unablässig in den letzten Stunden hatte er über Luxon-Arruf nachgedacht. Er hätte sein Freund werden können. Arruf schien den Handel vergessen zu haben, der ihn in die Gewalt der Valunen gebracht hatte. Aber jetzt, die Gegnerschaft, die ungewollte Möglichkeit, dass jeder über die Augen des anderen verfügen konnte, wann immer es wollte, dieser teuflische Plan des Rachedämons ... es gab nur eine einzige Möglichkeit für ihn.

Er war ein echter Steinmann; er musste so und nicht anders handeln.

*

Der Mond zeigte nur noch eine haarfeine Sichel. In der folgenden Nacht würden nur die Sterne am zweigeteilten Himmel leuchten. Arruf, Hrobon, Uinaho und der Stammeshäuptling saßen unter dem weit aufgespannten Vordach des Häuptlingzelts. Zu beiden Seiten steckte eine brennende Fackel im Sand, vor dem Zelt breitete sich der schwarze, in der Mitte rotglühende Kreis der Glut aus, der nur in der Mitte weiße Glut und winzige Flammen zeigte.

»Morgen werden wir aufbrechen und mit euch zusammen zur Mauer der Alten Welt reiten«, versicherte der Häuptling. »Als Sohn des alten Shallad und als erfahrener Krieger wirst du erkannt haben, dass ich als Anführer der Nomaden mit Fremdlingen nicht anders umgehen konnte, als ich es mit euch tat.«

Uinaho überwand sich, machte eine Geste von ausdrucksvoller, aber nicht ganz glaubwürdiger Großzügigkeit und brummte halbwegs versöhnlich:

»Alles schon vergessen, Elejid.«

»Prinz Odam ist also dein Verbündeter, Arruf?«

»So kann man es nennen«, antwortete Arruf. »Auch er hat seine Schwierigkeiten. Vielleicht kann Shaer O'Ghallun ihm helfen.«

»Er vermag viel, zweifellos. Wir werden es erfahren, wenn wir in Ash'Caron sind. Aber schon jetzt muss ich dich warnen, Arruf!«

»Wovor?«

»Vor Ash'Caron und allem, was es verkörpert. Die Stadt zwischen den Resten der Mauer ist voller seltsamer, gefährlicher und unverständlicher Wesen und Dinge. Es wird schwierig sein, bis zum Runenstein zu gelangen, der den Eingang zur Stadt kennzeichnet.«

»Das wirst du uns morgen alles genauer sagen können«, meinte Arruf und gähnte.

Von der Koppel der Pferde erscholl ein dumpfes Wiehern. Dann hörten der Stammesfürst und seine Gäste wirbelnden Hufschlag. Zuerst näherte er sich den Zelten, dann wurde er leiser, aber nicht langsamer.

Die Männer sprangen auf und griffen nach ihren Waffen. Hrobon, der Heymal, steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus. Aus der Dunkelheit tauchten zwischen dem Gestänge über der Zeltleinwand der Hals und der riesige Kopf von Kusswind auf.

*

Necron, der Alleshändler, rechnete alle seine Möglichkeiten zusammen und kam rasch zu einem Entschluss.

Seine einzige Rettung war die Flucht.

Die Flucht aus dem Lager Elejids, um zu überleben und später zu versuchen, Luxon-Arruf zu töten. Er plante seine Aktion ebenso sorgfältig, wie er seine Handelsunternehmungen durchdachte. Er aß und trank mehr, als er brauchte, um satt zu werden. Er zog sich sorgfältig an, kontrollierte seine Waffen und die Kleidung und stand schließlich, als die Feuer niedergebrannt waren, von seinem Platz auf. Langsam ging er zwischen den Zelten in die Richtung der fauchenden Fontänen, schlug einen Bogen und umkreiste das Lager. Bald darauf stand er an den Pfosten und Seilen, an denen die Pferde angebunden waren. Prüfend betrachtete er, so gut er es im Sternenlicht und im Schein der fernen Fackeln erkennen konnte, die Muskeln der Tiere. Er sah sich wachsam um. Niemand beobachtete ihn. Schnell hob er einen leichten Sattel auf und ließ ihn über den Rücken eines Pferdes gleiten. Das Tier wehrte sich nicht.

»Arruf, ich bekomme meine Augen bald wieder zurück!«, murmelte Steinmann Necron und schwang sich in den Sattel. Das Tier bäumte sich auf, gehorchte dem Zügel und dem Schenkeldruck und ging langsam und fast unhörbar über das feuchte Gras bis an einen Punkt, der weit abseits des Lagers lag. Als der Weg an dem Tal der Springenden Quellen und den Felsen vor seinen Augen frei dalag, überlegte er kurz und blickte hinüber zum Lager.

Dort herrschte Ruhe.

»Wohin?«, fragte sich Necron.

Er würde nach Westen fliehen. Dorthin ritt auch Arruf. Dort lagen Ash'Caron und die Teile der Mauer. Er musste sich selbst helfen; von niemand sonst erhielt er Unterstützung. Er grub dem Pferd die Fersen in die Flanken, gab die Zügel frei und beugte sich weit im Sattel vor. Dann wirbelten die Hufe auf, leise zuerst auf dem Gras, dann etwas lauter auf dem feuchten Sand, schließlich unüberhörbar auf der großen Fläche aus feinem Geröll. Necron fürchtete, nachdem er sich weit vom Lager entfernt hatte und das Pferd noch schneller und leichter galoppierte, nur das mächtige Orhako des Heymals.

Der Reitvogel war schneller als ein Pferd.

Den Kampf mit Hrobon hingegen fürchtete er nicht. Seine Ohren registrierten im zurückbleibenden Lager einige Unruhe, dann konzentrierte er sich auf den Weg, der vor ihm lag, und auf das Tier zwischen seinen Schenkeln.

Noch übernahm Arruf nicht die Kontrolle über seine Augen.

*

»Was hast du vor?«, fragte Arruf laut.

»Es ist Necron, der ein Pferd stahl und flüchtete«, rief Hrobon. »Ich hole ihn leicht ein und bringe ihn dir zurück!«

Kusswind blieb neben ihm stehen. Arruf schüttelte den Kopf und antwortete:

»Das ist meine Sache, Hrobon. Lass ihn fliehen. Ich muss dir später etwas sagen, das dich erstaunen wird.«

Das Orhako witterte ein aufregendes Rennen. Die Tiere und ihre Reiter standen meist in einem engen Verhältnis und Treue und gegenseitiger Zuneigung zueinander. Die Reitvögel errieten nahezu einige Gedanken ihrer Reiter, so schien es. Hrobon griff hinauf zum geschwungenen Hals des Vogels und zauste freundschaftlich die Federn.

»Keine Verfolgung?«

»Nein. Er entkommt mir nicht. Ich vermag durch seine Augen zu sehen und so zu erfahren, wo er reitet, wo er rastet.«

Ungläubig schüttelte Hrobon den Kopf. Arruf wandte sich an den Stammeshäuptling.

»Brahid«, sagte er nachdenklich, »hinter dem Yarl liefen, wenn Hrobon recht gezählt hat in der Eile, vier graue Pferde. Sie sind Eigentum von Necron. Sie zogen seinen Schrein, in dem ich bewegungslos und ohne Hoffnung lag. Lass es gut sein, Brahid.«

»Meinetwegen. Der Verlust ist ausgeglichen. Ihr wollt ihn nicht verfolgen? Soll ich meine Männer losjagen?«

Der Sohn des Shallad winkte ab.

»Nein!«, erklärte er hart. »Lasst es meine Sache sein. Füge dich, Hrobon, auch wenn du mit den Zähnen knirschst. Necron wird uns nicht entkommen können. Wir sollten uns besser ausschlafen, um morgen für alles gerüstet zu sein.«

»Einverstanden.«

Noch einmal hörten sie, rasch verhallend, den Hufschlag des Pferdes, mit dem Necron zu flüchten versuchte. Sie zogen sich in das Zelt zurück, wickelten sich in trockene Decken und schliefen dem Morgen entgegen. Nur ein paar Tagesreisen weit war Ash'Caron entfernt, das Ziel der Nomadenkarawane, das Ziel von Prinz Odam und der Ort, an dem Necron mit Arruf abermals zusammenkommen wollte.

Mythor 73: Die Alptraumritter

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