Читать книгу Tagebuch aus der Okkupationszeit der britischen Kanalinseln - Hans Max Freiherr von Aufseß - Страница 5
Geleitwort
ОглавлениеIm Laufe der Recherche zu meinem Buch ›Jewels and Jackboots‹ (›Hitlers Inselwahn‹) über die deutsche Besetzung der britischen Kanalinseln stieß ich auf die englische Übersetzung eines Tagebuches des Barons von Aufseß – Besatzungsoffizier und Leiter der Zivilverwaltung der Inseln –, das die letzten Monate des Krieges von August 1944 bis Mai 1945 beleuchtet. Das Tagebuch vermittelt uns das Bild eines Mannes mit großer Energie und Leidenschaft, dessen größtes Glück darin bestand, auf seinem prächtigen Pferd, ›Satan‹, an der Brandung entlang über die weiten Strände der Inseln zu reiten – und, was ihm sicher noch mehr gefallen haben dürfte, seine Zeit in Begleitung der Ladys zu verbringen. Er war ein gebildeter Mann mit einem gewissen Verständnis für die Unbill, die die Inselbewohner zu ertragen hatten; er half ihnen – jedenfalls sofern sie keine Juden oder Zwangsarbeiter waren – im Rahmen seiner Möglichkeiten und versuchte, die schlimmsten Widrigkeiten, die mit der Besetzung der Inseln über sie hereinbrachen, von ihnen fernzuhalten. Er kümmerte sich um die Inselbewohner durchaus mit Anteilnahme, aber immer wieder auch aus einer Position des Besatzers. Viele Bewohner der Inseln hatten Grund, dieser sehr ambivalenten und gerade deshalb interessanten Persönlichkeit zu danken, andere hingegen sahen auch seine kritische Rolle als Teil eines Militärregimes, das mit in Lagern kasernierten Zwangsarbeitern auf den Inseln Betonbunker des Atlantikwalls bauen ließ. Immer wieder war Aufseß ein gescheiter und einsichtsvoller Kommentator des Krieges, seine Gedanken sind zum Verständnis des Kriegsverlaufs von unschätzbarem Wert. Dennoch lässt sich nicht behaupten, dass er den Krieg und den Nationalsozialismus auf Grundlage einer eindeutig humanistischen Gesinnung abgelehnt hätte.
Das Team, das an der deutschen Übersetzung von ›Jewels and Jackboots‹ arbeitete, war einer Meinung, dass die Original-Tagebücher aufgespürt werden mussten, um Baron Aufseß authentisch und präzise zitieren zu können. Seine liebenswürdige Enkeltochter, Freifrau Cornelia von Aufseß, besaß ein Manuskript des Tagebuches und gewährte uns gerne Einblick. Mehr noch, sie wies uns auf weitere Manuskripte hin, die im Fränkische-Schweiz-Museum in Tüchersfeld archiviert sind. Wir machten uns an die Übertragung der Handschrift und nach einem langwierigen, mühevollen Prozess, für den ich dem Lektor Bernd Henninger und dem Herausgeber Prof. Arand sehr danke, liegt nun diese Gesamtfassung als Buch vor.
Diese Tagebücher einer größeren Leserschaft zugänglich zu machen, war ausgesprochen wichtig, stellen sie doch einen wertvollen und aufschlussreichen Beitrag zur Forschung dar und rücken zudem eine Persönlichkeit wieder ins Licht der Öffentlichkeit, die mit der Geschichte der sechs Jahre andauernden Okkupation eng verbunden war.
John Nettles