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Conchitas Eltern in Essen

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Die beiden älteren Fahrgäste aus Mexiko waren nicht zu übersehen, Senor Gutierrez zog zwei Trolleys hinter sich her und Senora Gutierrez hatte etwas Handgepäck. Camilla, Werner und ich liefen auf sie zu, stellten uns vor und hießen die beiden herzlich in Essen willkommen, wir gaben ihnen die Hand und kondolierten ihnen zum Tod ihrer Tochter. Sie sahen uns mit leeren Augen an, freuten sich aber, dass wir sie abholten. Werner und ich kümmerten uns um die Koffer und Camilla fragte gleich, ob sie eine angenehme Zugfahrt gehabt hätten. Conchitas Eltern antworteten, dass sie in Mexiko nie mit dem Zug führen, sie würden immer fliegen, wenn sie weitere Strecken zurücklegen müssten, aber dieser Zug wäre unglaublich komfortabel und schnell gewesen.

„Haben Sie Lust, mit uns Kaffee trinken zu gehen?“, ließ ich die beiden über Camilla fragen und sie hatten beide große Lust dazu. Werner und ich brachten das Gepäck ins Parkhaus zum Auto und wir liefen anschließend ein Stück die Kettwiger Straße hinunter, bis wir zum „Cafe del Sol“ kamen und uns davorsetzten. Es war warm und man konnte es gut draußen aushalten, die beiden Alten, Camilla und ich gingen hinein und suchten für jeden ein Stück Kuchen aus, wir bekamen einen Zettel mit einer Nummer und liefen wieder hinaus, Senora Gutierrez wunderte sich über diesen Brauch. Werner hatte draußen auf uns gewartet und unseren Tisch freigehalten. Wir bestellten alle Kaffee, und mit dem Kaffee wurde uns auch der ausgesuchte Kuchen gebracht, den Senora Gutierrez ausgezeichnet fand. Camilla fragte die beiden Alten, wie lange sie schon in Amsterdam gewesen wären und sie antworteten, dass sie vor zwei Tagen dort gelandet wären. Ich nahm mein Handy und rief Lupita an, ich sagte ihr, dass wir mit Conchitas Eltern im „Cafe del Sol“ säßen und in einer Stunde alle bei ihr erscheinen wollten, die Eltern wollten schließlich sehen, wo ihre Tochter gelebt hatte. Wir liefen nach dem Kaffeetrinken zum Bahnhofsparkhaus, stiegen in meinen Wagen und fuhren zum Viehofer Platz. Wir parkten wieder am City Hotel und liefen über die Fußgängerampel bis zum „Cafe Nord“.

Ich schellte und Lupita öffnete die Wohnungstür, als sie Conchitas Eltern sah, fielen sie sich gegenseitig in die Arme und begannen zu weinen, wir ließen sie, denn das war ein Bedürfnis, das befriedigt werden musste, Camilla, Werner und ich sahen uns an und hätten beinahe mitgeweint. Schließlich gingen wir in die Küche und Lupita bot allen ein Wasser an, das wir gerne nahmen, bevor Lupita Conchitas Eltern in das Zimmer ihrer ehemaligen Freundin führte. Senor Gutierrez betrachtete die Fotos an der Wand und verharrte vor dem einen oder anderen Bild, auf dem er seine Tochter sehen konnte, wie sie fröhlich und ausgelassen war, er zückte sein Taschentuch und rieb sich die Augen. Senora Gutierrez saß auf dem Schreibtischstuhl ihrer Tochter und kam ins Sinnieren, sie blickte starr aus dem Fenster. Ich sagte ihr:

„Wir haben Conchitas Unterlagen auf dem Präsidium, wir wollen sie Ihnen überlassen, wenn wir sie komplett ausgewertet haben.“ Senor Gutierrez fragte Lupita:

„Seit wann ist Conchita denn in Amsterdam gewesen?“ und Lupita antwortete, dass sie vor vier Monaten abgereist wäre. Ich sagte den beiden Alten dass ich für sie im Mövenpick Hotel Essen ein Doppelzimmer reservieren wollte und rief gleich dort an. Das Hotel war der alte Handelshof mit dem Schriftzug „Essen die Einkaufsstadt“ auf dem Dach, ich wollte Conchitas Eltern gleich dorthin bringen, damit sie sich frisch machen konnten.

Wir verabschiedeten uns von Lupita und sagten ihr:

„Komm doch mit zum Baldeneysee, wenn wir am nächsten Tag dorthin fahren.“ Wir fuhren zum Hotel und lieferten Senora und Senor Gutierrez dort ab, Camilla und ich liefen noch mit zur Rezeption und machten dort alles klar, wir sagten den beiden:

„Wir holen Sie in zwei Stunden wieder ab, seien sie am Abend unsere Gäste!“ Werner wartete draußen im Wagen und passte auf, dass wir nicht aufgeschrieben wurden. Natürlich kämen Camilla, Werner und seine Elke mit zu uns, Camilla schon allein deshalb, damit wir eine Dolmetscherin hatten, wenn wir uns mit den beiden Alten unterhielten. Wir fuhren für die folgenden zwei Stunden zu uns und tranken mit Gaby etwas, sie hatte ein Essen für die beiden Gäste vorbereitet, unsere Kinder hatten wir zu den Nachbarn verfrachtet, ich hatte für ausreichend Bier, Wein und Schnaps gesorgt und freute mich auf den Abend mit Conchitas Eltern. Camilla und ich holten sie um 19.30 h am Hotel ab und Camilla fragte sie, ob im Hotel alles zu ihrer Zufriedenheit wäre, sie antworteten:

„Wir sind glücklich, so umsorgt zu werden, das Hotel genügt höchsten Ansprüchen.“ Wir fuhren zu uns und ich stellte den beiden Gaby und Elke vor, sie zeigten sich angenehm berührt, meine und Werners Frau kennen zu lernen.

„Haben Sie Kinder?“, fragte Senora Gutierrez und Gaby antwortete, dass wir zwei Jungen im Alter von sechzehn und fünfzehn hätten, die aber gerade bei den Nachbarn wären. Gaby bat uns alle an den Esstisch und ich fragte, was die beiden trinken wollten, Camilla und Werner nahmen Bier, das wusste ich und Gaby und Elke nähmen Rotwein, ich sagte, dass ich Bier, Wein und Schnaps da hätte und Senor Gutierrez wollte gerne ein deutsches Bier trinken, obwohl er fand, dass auch das mexikanische Bier gut schmeckte, Senora Gutierrez nahm ein Glas Rotwein, ich hielt mich ein wenig zurück und trank im Laufe des Abends zwei Glas Bier, ich musste Conchitas Eltern ja wieder zum Hotel fahren. Gaby hatte hervorragend gekocht, es gab eine kräftige Rindfleischsuppe vorweg, anschließend einen Rinderbraten mit Rotkohl und Klößen und zum Nachtisch Tiramisu, unser Besuch zollte Gaby höchstes Lob, es schmeckte aber auch wirklich ganz ausgezeichnet. Zum Abschluss bot ich jedem einen Grappa an, Senor Gutierrez nahm einen und die Senora ließ sich, nach anfänglichem Zögern, auch ein Gläschen geben, sie nippte zunächst daran, trank das Gläschen aber anschließend ganz leer. Gegen 22.30 h machten wir Schluss und ich fuhr Camilla nach Rellinghausen zu sich nach Hause und die beiden Alten zu ihrem Hotel, Werner und Elke nahmen den Bus nach Huttrop. Ich sagte Conchitas Eltern:

„Ich will Sie am nächsten Morgen um 10.00 h abholen, wir wollen mit ihnen eine kleine Besichtigungstour unternehmen.“ Die beiden gingen still und gefasst ins Hotel, und ich fuhr wieder nach Hause, wo ich Gaby beim Aufräumen half, sie meinte:

„Die beiden sind zwei sehr nette Zeitgenossen, ich mag sie sehr und ich freue mich schon darauf, mit ihnen an den Baldeneysee zu fahren.“

Am nächsten Morgen holten Gaby und ich zuerst Elke und Werner in Huttrop ab und wir fuhren anschließend nach Rellinghausen zu Camilla, ich stellte den Wagen in das Bahnhofsparkhaus und ging mit Camilla gegenüber in das Mövenpick Hotel. Wir liefen zum Zimmer von Senora und Senor Gutierrez hoch und klopften an die Tür. Conchitas Mutter öffnete uns und wir wünschten einen guten Morgen, und die beiden Alten erwiderten den Gruß , Senora Gutierrez wollte wissen:

„Muss ich einen Mantel mitnehmen?“, aber ich winkte ab, Camilla übersetzte, dass für den ganzen Tag schönes Wetter gemeldet wäre, und es warm würde, sie sollte alle warme Kleidung im Hotel lassen.

Sie und er waren elegant gekleidet, sie trug ein auffälliges Sommerkleid und er einen hellen Anzug, sie waren beide fast ein wenig overdressed. Wir liefen langsam zum Bahnhof hinüber und trafen auf Camilla, Gaby, Elke und Werner und auch auf Lupita, die zwischenzeitlich gekommen war, ich hatte überlegt, mit der S-Bahn bis Hügel zu fahren, wir hätten ohnehin nicht alle in meinem Wagen Platz. Camilla berichtete den Alten von unserem Vorhaben und ich löste am Fahrscheinautomaten eine Gruppenkarte, die billiger war als sieben Einzelfahrscheine.

Wir liefen auf den Bahnsteig und stiegen in die bereitstehende S-Bahn. Senora und Senor Gutierrez waren sehr gespannt, was wir mit ihnen vorhätten und als die Bahn losfuhr, hingen beide am Fenster und schauten hinaus. Die Bahn hielt in Essen-Süd und in Essen-Stadtwald, danach erreichten wir Essen-Hügel und stiegen aus. Das wäre aber eine kurze Fahrt gewesen, sagten Conchitas Eltern und ich entgegnete mit Camillas Hilfe, dass wir nur ein paar Schritte zum See hinunterlaufen müssten. Camilla fragte:

„Haben Sie den Namen Alfried Krupp schon einmal gehört?“ und beide nickten und sagten:

„Die Familie Krupp kennt man doch wohl in der ganzen Welt!“

Camilla erzählte, dass die Familie Krupp oberhalb in der Villa Hügel gelebt hätte, „wenn wir später noch Zeit haben, können wir dort vorbeischauen.“ Wir liefen am Parkhaus Hügel vorbei, gingen über die Freiherr-vom-Stein-Straße und bogen zum Regattahaus ein, dort waren wir direkt am Seeufer und ich erzählte, dass der Baldeneysee zwischen 1931 und 1933 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme entstanden war, seine Errichtung stieß bei der Bevölkerung zunächst auf Argwohn, weil man das schöne Ruhrtal schwinden sah, auch die Krupps waren erst gegen die Errichtung des Stausees, als man ihnen aber zusicherte, dass sie von ihrer Villa aus einen schönen Blick auf den See haben würden, stimmten sie zu. Camilla übersetzte fleißig und Senora und Senor Gutierrez nickten und fanden sehr interessant, was sie da zu hören bekamen.

„Der See erinnert uns ein wenig an Xochimilco in Mexico City“, sagten sie, „was auch ein Ausflugsziel für die Städter ist.“ Wir liefen weiter zum Regattahaus, wo wir stehen blieben und ich darüber berichtete, dass ich als Gymnasiast in der Rudermannschaft meiner Schule gewesen wäre, mein Klassenkamerad und ich wären mit unseren Rädern durch die gesamte Stadt bis zum See gefahren. Die Alten waren begeistert von den vielen Booten, die auf dem See fuhren, wir liefen weiter am Seeufer entlang, und Senora Gutierrez gab den Schwänen etwas von den Plätzchen, die sie dabei hatte. Als ich sagte, dass Conchita einmal mit ihrem Freund am Baldeneysee gewesen wäre, fing Conchitas Mutter an zu weinen, ihr Mann nahm sie in den Arm und versuchte, sie zu trösten, war aber selbst kurz vor einem Tränenausbruch. Wir setzten uns auf die Bänke am Ufer und schwiegen eine Zeit lang, bis ich vorschlug:

„Wir können doch im „Cafe Schloss Baldeney“ Kaffee trinken und Kuchen essen gehen.“ Wir liefen also am Ufer weiter und setzten uns auf die Seeterrasse, alle gingen wir noch einmal in das Cafe und suchten uns unseren Kuchen aus, wir bekamen einen Zettel mit einer Nummer darauf, den wir der Bedienung gaben, die uns kurze Zeit später unseren Kuchen und jedem ein Kännchen Kaffee brachte, es war eine friedliche Stimmung auf der Seeterrasse. Plötzlich fing Senor Gutierrez an, Werner und mich zu bereden, doch mit nach Mexiko zu kommen und dort unsere Ermittlungen fortzuführen, wir könnten bei seiner Frau und ihm in Oaxaca wohnen, er wollte alles bezahlen und wenn uns eine Dienstreise nicht bewilligt werden würde, sollten wir Urlaub nehmen, es entstünden uns keine Kosten, unsere Frauen sollten wir auch mitnehmen.

Werner und ich schauten uns an und überlegten, so wie sich der Stand unserer Ermittlungen ausnahm, wäre es sicher nicht verkehrt, nach Mexiko zu fliegen und in Conchitas altem Bekanntenkreis herumzustöbern. Ich sagte Senor Gutierrez,:

„Werner und ich müssen zunächst auf unserer Dienststelle nachfragen, wir werden Ihnen anschließend Bescheid geben.“ Ich ließ aber anklingen, dass wir sein Angebot annähmen und auch schon vorher darüber nachgedacht hätten, und Senor Gutierrez lächelte kurz, als Camilla ihm meine Worte übersetzt hatte. Wir schlenderten nach dem Kaffeetrinken langsam am Seeufer entlang und ich teilte Conchitas Eltern mit, dass wir im Präsidium alles daran setzten, den Mörder ihrer Tochter zu erwischen, Werner und ich hätten die Aufklärung des Falles auf unsere Fahnen geschrieben. Senora Gutierrez lief schweigend hinter uns her, ich hatte es geschafft, dass wir über das Schreckliche redeten, das war natürlich für Conchitas Eltern besonders schwer, weil das Verbrechen ja noch frisch war. Wir kamen wieder am Regattahaus vorbei und liefen zum Bahnhof Hügel hoch, ließen ihn links liegen und verlängerten unseren Gang bis zur Villa Hügel, wo die beiden Alten ins Staunen gerieten, wir setzten uns vor die Villa auf Bänke im Park und ich sagte, dass die Villa lange Zeit Treffpunkt der Großen aus aller Welt gewesen wäre, die mit ihren Staatskarossen vorgefahren kamen, sogar Hitler wäre einmal dort gewesen.

Seit Berthold Beitz die Krupp-Stiftung leitete, fänden in der Villa regelmäßig sehr bedeutende Kunstausstellungen statt, die Weltgeltung hätten. Ich sagte:

„Vielleicht hat Conchita mit ihrem Freund auf der Bank gesessen, auf der wir gerade saßen“ und schaute Senora Gutierrez dabei an, sie war in sich gekehrt und wich meinem Blick aus. Senor Gutierrez aber meinte:

„Sie müssen den Fall unbedingt aufklären und nach Mexiko kommen!“ Wir liefen zum Restaurant in der Nähe des Bahnhofs Hügel und setzten uns draußen zum Mittagessen hin, Conchitas Vater lud uns alle ein und wir bestellten. Großen Hunger hatte eigentlich noch niemand und wir beschränkten uns auf einen Hauptgang, ich nahm nur einen Salatteller. Lupita war während unseres Spazierganges auffallend still geblieben, aber das musste nichts bedeuten, sie war die Freundin von Conchita gewesen und sicher noch von dem ganzen Geschehen ergriffen. Ich fragte sie:

„Bist Du schon einmal am Baldeneysee gewesen?“ und Lupita antwortete:

„Ich habe sogar schon einmal eine Ausstellung in der Villa Hügel gesehen!“ Am Nachmittag fuhren wir mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof zurück und brachten Conchitas Eltern in ihr Hotel, sie würden am nächsten Tag wieder nach Amsterdam fahren und zwei Tage später nach Mexiko zurückfliegen. Wir wollten uns alle mit ihnen noch einmal am Abend treffen und zusammen einen Zug durch die Stadt machen. Lupita lief über die Kettwiger Straße zum Viehofer Platz, ich brachte Camilla, Elke und Werner nach Hause und fuhr mit Gaby heim. Gaby meinte:

„Conchitas Eltern treten sehr würdevoll auf, sie strahlen eine Altersreife aus, ich finde sie beide sehr sympathisch. Auch wie sie mit dem Tod ihrer Tochter umgehen, zeigt ihre Altersweisheit, sie sind natürlich sehr betroffen, lassen sich aber zu keinen Gefühlsausbrüchen hinreißen.“ Gaby und ich legten uns eine Stunde hin, unsere Jungen waren zu Hause und lärmten herum, sodass an Ruhe nicht zu denken war. Unser Älterer, Philipp, hatte wirklich eine große Klappe, aber Gaby wusste mit ihm umzugehen und er respektierte sie, ich aber kam kaum noch an ihn heran, und die autoritäre Keule wollte ich auch nicht herausholen. Seine Schulleistungen hatten stark nachgelassen und die Lehrer schoben alles auf die Pubertät, was sicher nicht verkehrt war, aber wohl kaum als alleinige Erklärung für Philipps Leistungsabfall herhalten konnte, die Lehrer machten es sich da etwas zu leicht. Gaby glaubte:

„Wir müssen alle durch diese schwierige Entwicklungsphase bei Philipp, schließlich hat so ziemlich jede Familie mit ihren Kindern eine solche Phase durchzustehen gehabt und alle haben sie sie mehr oder weniger problemlos hinter sich gebracht.“ Mein jüngerer Sohn Paul war noch unauffällig in seinem Verhalten, schaute sich aber schon das eine oder andere bei seinem Bruder Philipp ab, auf jeden Fall stünde uns noch einiges bevor. Gaby stand auf und bat Philipp um Rücksichtnahme, sie wollte für einen Moment Ruhe haben und prompt drehte er seine Anlage leise und war still. Das hätte ich kaum geschafft, Philipp hätte im Gegenteil bei mir seine Anlage noch lauter gedreht und mit seiner großen Klappe noch den entsprechenden Kommentar dazu abgegeben. Wir standen nach einer Dreiviertelstunde wieder auf und machten uns frisch, bevor wir Camilla, Elke und Werner anriefen, dass wir sie abholen kämen, Camilla hatte sich bereit erklärt, uns am Abend durch die Stadt zu begleiten. Ich parkte wieder im Parkhaus am Bahnhof und wir liefen auf die andere Seite zum Mövenpick Hotel. Camilla und ich klopften wieder bei Conchitas Eltern an die Zimmertür, sie waren fertig und kamen heraus.

„Haben Sie geruht?“, fragte Camilla und Senor Gutierrez antwortete:

„Meine Frau und ich haben eine Stunde lang fest geschlafen, wir sind so müde von unserem Ausflug zum Baldeneysee gewesen, dass wir gleich ins Bett gefallen sind, jetzt sind wir aber ausgeruht und haben Hunger bekommen.“

„Dagegen werden wir gleich etwas unternehmen“, sagte ich und lief mit Camilla und den Alten nach unten, wo wir auf Gaby, Elke und Werner trafen. Wir warteten noch einen Moment auf Lupita, die kurze Zeit später aber auch eintraf und sich bei Conchitas Eltern für ihr Zuspätkommen entschuldigte, sie gab beiden zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Wir liefen in die Kettwiger Straße und setzten uns wieder vor das „Cafe del Sol“, wir bestellten Getränke und etwas zu essen, Kleinigkeiten zwar, die in ihrer Menge aber sättigten und sehr gut schmeckten Zum ersten Mal sah ich Senora Gutierrez und ihren Mann richtig lachen, vielleicht hatten sie etwas Abstand gewonnen und sich von ihrem Schmerz gelöst. Wir machten anschließend einen Gang quer durch die Stadt, liefen an C&A vorbei zum Kennedyplatz, ich sagte, dass dort früher das Amerikahaus gestanden hätte. Diagonal auf der anderen Seite liefen wir in die Limbecker Straße, es hatten sogar noch einige Geschäfte geöffnet. Senora Gutierrez blieb bei Grüterich stehen und wies ihren Mann auf ein Paar Schuhe hin, die ihr sehr gut gefielen. Sie sagte uns:

„Ich will mich beeilen!“ und verschwand mit ihrem Mann kurz im Laden, und tatsächlich kam sie nach nicht ganz zehn Minuten mit einer Schuhtüte und ihrem Mann wieder heraus. Lupita, Elke und Gaby wollten wissen, welche Schuhe sie sich gekauft hatte und sie zeigte sie ihnen im Fenster, musste aber den Schuhkarton öffnen und ihre Schuhe im Original zeigen.

Sie hatte sich ein Paar braune Pumps mit gelochten Seiten und halbhohem Absatz gekauft, die sehr edel aussahen und sicher auch eine Stange Geld gekostet hatten. Wir liefen zum Einkaufszentrum am Berliner Platz und setzten uns dort in ein Cafe, das Einkaufszentrum war bis 22.00 h geöffnet. Senor Gutierrez sagte:

„Essen ist ja eine tolle Stadt, was man gar nicht so glaubt, wenn man mit dem Zug am Hauptbahnhof ankommt, meine Frau und ich sind sehr angenehm überrascht.“ Lupita hob hervor, dass sie zussammen mit Familie Gutierrez nach Hause flöge, sie freute sich schon, ihre Heimatstadt Oaxaca wiederzusehen.„Das ist ja schön“, sagte Senora Gutierrez, „dann werden wir zusammen mit deiner Familie und uns ein großes Fest feiern!“ Wir liefen langsam wieder die Limbecker Straße hoch, überquerten den Kennedyplatz und kamen auf die Kettwiger Straße, liefen an Baedecker und „Cafe del Sol“ vorbei und erreichten kurze Zeit später das Mövenpick Hotel, wo wir die beiden Alten ablieferten, ich sagte zum Abschied:

„Werner und ich kommen Sie am nächsten Morgen um 9.30 h abholen und bringen Sie zum Zug nach Amsterdam!“ Sie verabschiedeten sich herzlich von Gaby, Elke und Lupita und sie freuten sich auf ein baldiges Wiedersehen mit ihnen in Mexiko. Lupita lief durch die Stadt nach Hause, und wir fuhren mit meinem Wagen nach Rellinghausen, Huttrop und Bergerhausen.

Am nächsten Tag gingen Camilla, Werner und ich zum Hotel und holten Senora und Senor Gutierrez ab, Werner und ich nahmen die beiden Koffer und Camilla half Conchitas Mutter bei dem Handgepäck. Auf dem Bahnsteig sagte Senor Gutierrez:

„Mir hat es in Essen sehr gefallen, Sie müssen auch wirklich nach Mexiko kommen!“ Der Zug war pünktlich und wir halfen den beiden Alten hinein, wuchteten die Koffer in den Waggon und winkten ihnen noch, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Werner und ich fuhren mit Camilla zum Präsidium und dankten ihr für ihren unermüdlichen Übersetzungseinsatz, bevor sie in ihrem Dienstzimmer verschwand. Camilla war Hauptkommissarin und eine bewährte Beamtin, sie hatte einige Jahre in Dortmund Dienst geleistet, bevor sie nach Essen versetzt worden war. Kurz nachdem wir uns in unserem Dienstzimmer eingefunden hatten, klopfte es und unser Chef trat ein, er wollte wissen, wie es mit Conchitas Eltern gewesen wäre, und ob wir in unseren Ermittlungen weitergekommen wären. Werner und ich antworteten, dass die beiden Alten sehr sympathische Menschen wären, wir allerdings in unseren Ermittlungen keine Fortschritte gemacht hätten. Die Alten hätten angeregt, dass Werner und ich nach Mexiko kommen und dort unsere Untersuchungen weiterführen sollten, sagte ich, „wir beide haben auch schon vorher darüber nachgedacht, eine solche Reise zu unternehmen, weil wir das Gefühl haben, dass unsere Recherchen in Essen und auch in Amsterdam zu Nichts führen.“ Unser Chef zog seine Stirn kraus und fragte nach:

„Wollen Sie eine Dienstreise nach Mexiko machen?“ Wir erwiderten, dass wir wüssten, dass eine solche Dienstreise nur sehr schwer genehmigt zu bekommen wäre, „Senor Gutierrez will aber alle Kosten für uns tragen!“

Der Chef sagte, dass der normale Gang der Dinge der wäre, dass der Fall an die mexikanischen Kollegen übergeben würde und die Sache in Deutschland damit erledigt wäre. Wir könnten Urlaub einreichen und, ohne dass er es offiziell wüsste, private Ermittlungen in Mexiko anstellen, er verließ unser Dienstzimmer wieder mit diesen Worten. Ich griff zum Telefon und rief Wim an:

„Hole doch bitte Senora und Senor Gutierrez in eineinhalb Stunden am Bahnhof ab!“, und ich wies darauf hin, dass Werner und ich uns mit der Absicht trügen, nach Mexiko zu fliegen und unsere Untersuchungen im ehemaligen Bekanntenkreis Conchitas fortzusetzen. Werner und ich reichten gleich einen Urlaubsantrag ein, wir dachten, dass wir mit zwei Wochen hinkämen. Wir hätten danach immer noch jeder vier Wochen Jahresurlaub, den wir als Familie irgendwo im Süden verbringen wollten. Wir hatten unseren Urlaub an den Beginn der Sommerferien gelegt, unsere Kinder waren alt genug, einmal zwei Wochen auf sich selbst aufzupassen, wir luden unsere Nachbarn ein und baten sie, für diese Zeit die Aufsicht über unsere Jungen zu übernehmen.

Es waren noch zwei Wochen bis zu unserer Abreise und Elke und Werner hatten auch ihre Nachbarn eingeschaltet, dass sie sich um ihre Jungen kümmerten. Gaby und Elke überprüften alle Papiere, zum Glück waren unsere Pässe nicht abgelaufen und hatten noch die vorgeschriebene Gültigkeitsdauer von einem halbe Jahr. Unser Philipp bekam zwei Blaue Briefe in Mathematik und in Englisch, Gaby ging zur Schule, um mit den Lehrern Rücksprache zu halten, Philipp wurde mit Ach und Krach versetzt, weil er in der Gruppe der Hauptfächer einen Ausgleich hatte, sonst wäre er sitzengeblieben. Das wäre auch nicht so tragisch gewesen, wenn Philipp nicht zu den Älteren in seiner Klasse gehört hätte. Paul hatte mit seiner Versetzung keine Probleme und auch die Söhne von Elke und Werner waren versetzt worden, ihr Ältester aber auch nur mit großen Schwierigkeiten. Ich schickte Senor Gutierrez eine E-Mail nach Mexiko, wann wir ankommen würden, Lupita hatte ursprünglich geplant, mit den Gutierrez nach Mexiko zu fliegen, sie würde nun aber uns nach Oaxaca begleiten, von daher hätten wir keine Probleme mit der Verständigung, es wäre schön, wenn uns jemand am Flughafen abholen könnte, aber darum würde sich Lupita wohl kümmern. Ich erhielt zwei Stunden später eine Antwort, dass sie sich auf uns freuten und für uns alles vorbereitet wäre, Lupitas Familie wäre informiert und wir würden ein Fest feiern.

Werner und ich fuhren noch einmal zum Viehofer Platz und besuchten Bian, Thao und Lupita, die beiden Vietnamesinnen würden auch nach Hause fliegen und freuten sich auf ihre Heimat, wie auch Lupita sich freute. Alle drei schrieben sie noch eine Semesterabschlussklausur, danach begänne für sie der Sommer. Bian, Thao und Lupita überlegten, ein Souvenir aus Essen in die Heimat mitzunehmen und sie dachten an eine Kleinausgabe der Zeche Zollverein, die mittlerweile in der ganzen Welt bekannt sein dürfte. Sie nahmen eine kleine Ausführung des Förderturms, dem Sinnbild der Kulturhaupstadt des Jahres 2010. Als unser Abreisetermin ins Haus stand, rief Wim aus Amsterdam an:

„Ich wünsche Euch für Eure Mexikofahrt alles Gute und viel Freude, denkt an mich, wenn Ihr in Acapulco in der Sonne liegt!“. Ich fuhr mit Werner noch einmal zum Viehofer Platz, um Lupita abzuholen und uns von Bian und Thao zu verabschieden, unsere Flüge gingen beide ab Frankfurt, allerdings um sechs Stunden zeitversetzt. Bian und Thao flögen nach Ho-Chi-Minh-Stadt und wir flögen nach Mexico City, Bian und Zhao würden im ehemaligen Saigon in den Zug steigen und weiterfahren, wir würde in Mexico City in ein Flugzeug steigen und nach Oaxaca fliegen. Lupita und die beiden Vietnamesinnen umarmten sich zum Abschied und wünschten sich für die folgenden zweieinhalb Monate alles Gute. Werner und ich gaben Bian und Thao die Hand und wünschten den beiden auch alles Gute und eine angenehme Reise.

Anschließend nahm Lupita ihr Gepäck und wir verließen das Haus der Wohngemeinschaft, liefen über die Fußgängerampel und bestiegen meinen Wagen, mit dem wir zunächst nach Bergerhausen fuhren. Lupita begrüßte Gaby und sah meine beiden Söhne, die große Augen machten, als die schöne Mexikanerin unser Haus betrat, sie gaben ihr die Hand und als Lupita sie fragte:

„Wie seid Ihr in der Schule?“ verkündeten beide stolz, dass sie versetzt wären. Ich rief Elke und Werner an und sagte ihnen:

„Wir holen Euch ab, haltet Euch mit Eurem Gepäck bereit!“ Als wir in Huttrop ankamen, gab es gerade eine Abschiedsszene, Elke war die einzige, die traurig war und weinte, ihre Söhne lachten und waren wahrscheinlich glücklich, einmal zwei Wochen ohne die Alten verleben zu können, genauso war der Abschied auch bei uns gelaufen. Werner schärfte seinen Söhnen ein, in der Zeit ihrer Abwesenheit bloß keine Blödsinn anzustellen und auf das zu hören, was die Nachbarn ihnen sagten. Anschließend umarmen die Eltern ihre Kinder, und Werner brachte sein Gepäck zu meinem Wagen. Als wir abfuhren, standen seine Söhne in der Haustür und winkten mit halb erhobenen Amen, es war das erste Mal, dass Elke und Werner ihre Söhne so lange Zeit allein ließen, wenn irgendetwas wäre, sollten sie Elke auf ihrem Handy anrufen.

Morde und Leben - Hans und Werner

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