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Zille-Feste.

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Der allgemeinen Beliebtheit, der Zille und seine Gestalten sich erfreuen konnten, verdankte er auch einige Anerkennungen, die nicht jedem Künstler dargebracht werden. Nicht nur in allen guten humoristischen Zeitschriften erschienen seine Blätter. Nicht nur wurden seine Bücher und Alben in vielen zehntausend Exemplaren verkauft – ja, manche Zillealben brachten es bis jetzt fast auf eine Auflage von nahezu einhunderttausend Stück. Die Popularität seiner Gestalten führte schließlich zur Einrichtung von Festen, die unter seinem Namen viele Tausende von Menschen in fröhlicher Ungebundenheit versammelten. Zuerst wurde Zille gebeten, sich an dem Karikaturistenball zu beteiligen. Groß war der Erfolg dieser Bälle, die bereits vor'm Kriege ihren Höhepunkt erreichten und die meistens in den Sälen des Admiralspalastes am Bahnhof Friedrichstraße ihren lustigen und bunten Balltrubel austoben ließen. Was Zille für diesen Ball bedeutete, möge ein Auszug aus der satirischen Festzeitung vom Karikaturistenball vom 17. Februar des Jahres 1912 erläutern:

»Der Kaiser bei Zille. Das große Interesse des höchsten Schutzherrn deutscher Kunst an modernen Karikaturen veranlasste eine Anfrage des Hofmarschallamtes bei dem Präservator deutscher Zeichenkunst Moritz Furunkel, von der ›L'Illustration Berlinoise‹, der einen Besuch bei dem mit dem Menzel-Preis ausgezeichneten Illustrator H. Zille vorschlug. Diesen Besuch hat der Kaiser vor einigen Tagen ausgeführt und wir geben nachstehend eine Schilderung unseres Hofberichterstatters Alfred Holzkopp über das historische Ereignis:

Punkt 5 Uhr rollte das Hofauto in der Mulackstraße vor das primitive Kelleratelier, in dem der Meister hauste. Der Kaiser wurde zunächst von zwölf weißgescheuerten Ehrenjungfrauen empfangen, die ihm ein Bukett überreichten. Nachdem er hierauf mit Taucherhelm und Sauerstoffapparat ausgerüstet worden war, betrat er die mit Zillescher Eleganz ausgestatteten Kellerräume und besichtigte eingehend die ausliegenden Zeichnungen. Der Kaiser bestellte nun noch einige Entwürfe zu Kadiner Kacheln, und nachdem er aus der Hand des Meister Zille noch eine echte Berliner ›Weiße mit Strippe‹ kredenzt erhalten hatte, fuhr er hochbefriedigt ins Schloß zurück.«


26. Venus im Pelz. Parodie nach dem gleichnamigen Bild von Rubens.

Aus einer Einladung zum Karikaturistenball 1925.

In der Wintertanzzeit 1924–1925 wurde dann im Großen Schauspielhaus der ›Hofball bei Zille‹ veranstaltet. Ein kleines Stück von Hans Brennert unter gleichem Namen brachte sehr hübsch und eindringlich einen Teil vom Zillemilljöh und von Zillegestalten auf die Bühne. Die Dekoration gab ein echtes Stück Alt-Berlin wieder. Die Szenenbeschreibung sei deshalb hier nach dem Entwurf von Brennert mitgeteilt:

Hof im »Gelben Anton« in Berlin O.

Rechts und links: Seitenflügel mit Eingängen zum Hintertreppenhaus.

Hintergrund: Hofseite des Vorderhauses mit Hausflur zur Straße.

Stallung. Müllkasten. Retirade.

Fenster mit Wäsche und Blumenkasten.

Über den rechten Seitenflügel sieht eine benachbarte Fabrik.

Rohgezimmertes Podium für die Musikkapelle mit altem Klavier.

Girlanden mit Lampions quer über den Hof von Flurfenster zu Flurfenster.

Bierausschank in improvisierter Bude an der einen Hofseite. (Siehe Bild Nr. 24 und 25.)

Um einen kleinen Überblick über die eigenartigen Personen des Stückes zu haben, möge auch das Personenverzeichnis folgen:

Matrosenkarl Rosenfrieda Pyjamajule Radieschen Pinselheinrich Schrammelfredy Bollenjuste Honiglene Mieter im »Gelben Anton«


27. »Milchflaschen! Ersatz für Muttermilch!« Studie vom Weihnachtsmarkt.

Nach dem Original.

Menke, Verwalter des »Gelben Anton«

Frau Menke, seine Frau.

Mieter, Mieterinnen, Kinder,

Musikkapelle, Schutzleute.

Das Stückchen schildert ein Volksfest auf einem Hof im Volksviertel, mit Musikkapelle, Männerquartett, Kinderreigen, Polonäse usw. Inhalt: Matrosenkarl ist aus Plötzensee gekommen, wo er zwei Jahre »gesessen« hat. Seine Freundin hat sich unterdessen einem andern Manne angeschlossen – Matrosenkarl ist niedergeschlagen – eine andere will ihn aufrichten – aber seine frühere Freundin verrät ihn und Matrosenkarl wird wieder abgeführt: nach Plötzensee.

Diese einfache Handlung ist mit mehreren reizenden und auch einigen echten Gesängen durchzogen, von denen hier zuerst das Auftrittslied vom Matrosenkarl mitgeteilt sei:

Zwee Jahre saß ick widder in de Plötze!

Ach detse ickse nie jesehen hättse!

Zwee Jahre Einzelhaft uf Flüjel C –

Und täglich blauen Heinrich – na nu nee!

Ihr werdet mein Jefiel ja leicht ermessen.

Ihr habt ja alle ooch darin jesessen!

O welch Jefiel voll Unbeschreiblichkeit –:

Zwee Jahre ohne holde Weiblichkeit!

Radieschen, eine Siebzehnjährige mit Kind, singt dann ein etwas wehmütiges Lied von der Singuhr von Parochial (der Parochialkirche), dessen erster Vers das Leben vieler Kinder jener alten Berliner Gegend recht anschaulich malt:

Ick habe ooch jespielt als Kind!

Der Hof war jrau und kahl,

So wie die Höfe alle sind

Um Sankt Parochial.

De Mutter, die jing abends aus –

Ick weeß et nich, wohin – –

Ick saß de Nacht alleen zu Haus,

Alleen im Stübeken.

Ick jraulte mir – de Nacht war lang,

Im Ofen jing der Sturm,

Und stindlich bloß de Singuhr sang

Vom Parochialkirchturm:


28. Nach einer Originalzeichnung.

(Mit leisem Glockenspiel im Orchester und im Ton der Singuhr)

Ȇb' immer Treu und Redlichkeit

Bis an dein kiehles Jrab,

Und weiche keenen Finger breit

Von Jottes Weje ab –!«

Das Hauptlied schildert den Hofball selbst. Der erste Vers lautet:

Wo im Osten von Berlin

Uf der Spree die Zillen zieh'n,

Wo man jroße Weißen leert

Und den jrünen Aal verzehrt –

Da – da steht een Hinterhaus,

Da – da sehn viel Meechens raus,

Mit Jeschrei von Stock zu Stock:

Uff 'n Hof is Feifohklock ...!

»Mensch, heerst du den Jrammophong

Hinten uff'n Hof?

Da is heite Reünjong –

Da is heite Schwoof!

Brauchst dir nich jroß anzuziehn,

Lacktöppe dabei –:

Heite jeht's uff Holzpantin!

Bis de Nacht um drei! –!«

Der zweite Vers gibt die Höhe des Festes:

Mutta tanzt wie wild sich warm,

Mit det Jüngste uff'n Arm!

Vater spielt im Hausflur Skat

Mit die Herrn vom Mieterrat!

Maxe rechts am Stall vahaut

Eenen wejen seine Braut!

Alles schiebt und tanzt mit Dampf –

Else hat schon Wadenkrampf!


29. Rechtfertigung. –

»und vorige Woche sollste auf der Radio-Diele die Nackttänzerin jemacht hab'n?«

»Sache! – aber gestatte Emil – immer mit dem Brautschleier!«

Nach dem Original.

Und im vierten und letzten Vers wird der Nachklang des Festes umschrieben:

Um halb viere jeht's zu Bett –

Mit de Lackschuh – mit's Korsett!

Else träumt von die Musik –

Bald ja pfeift schon die Fabrik!

Träumt vom Hofball Berlin 0. –

Träumt von ihrem Max und so:

»Knutsch mir! Heute is Ausverkoof!

Küß' ooch orntlich –! Nich so dof ...!«

Von den andern Liedern sei hier nur der letzte Vers des Liedes vom Nußbaum mitgeteilt. Das gibt recht hübsch die Stimmung dieser alten, jetzt vom Magistrat der Stadt Berlin angekauften und als Denkmal bestimmten, aus dem 16. Jahrhundert stammenden Gastwirtschaft: »Zum Nußbaum« wieder. Sie liegt in dem alten Berliner Viertel zwischen Friedrichsgracht, Gertraudenstraße und An der Fischerbrücke. (Bild Nr. 110.) Im letzten Vers des Liedes wird sie geschildert:

Im Nußbaum links vom Molkenmarcht –

Die ihr so oft eich dort verbarcht,

Jrießt mir die Prachtdestille!

Durch meine Zelle zieht een Traum –

Jrießt mir det Haus – den jrienen Baum

Und ooch den Vater Zille!

Aus den Figuren des Stückes darf man aber nicht den Schluß ziehen, als habe Zille ganz Berlin nur mit fragwürdigen Gestalten bevölkern wollen. Er sah als Künstler eben nicht nur Glanz und Sonnenschein, sondern auch die Tiefen des menschlichen Lebens. Aber deswegen ist er auch empört über die Manie, ihn zum Heiligen der Apachen machen zu wollen und als Zillegestalten nur Kaschemmenbrüder darzustellen.

Schon der Hofball bei Zille hatte vieles von diesem Unechten und gar zu Aufdringlichen gebracht. Die elegantesten Damen hatten sich zurechtgemacht als Fischerliese oder Bollenjuste. Der Name stammt nicht von einer Händlerin mit Bollen, d. h. Zwiebeln, sondern war Spitzname eines Straßenmädchens, das mit »Bollen«, mit Löchern in den Strümpfen auf den Strich im alten Scheunenviertel ging. Die Herren kamen als Apachenjüngling, als Patentlude und Saloneinbrecher. Die Haare dick mit Pomade verschmiert und 'ne kesse Sechse in die Stirn gezogen. Viele hatten sich eine künstliche Tätowierung auf Hände und Arme malen lassen. Die meisten aber glaubten, mit einem »blauen« Auge den größten Eindruck zu schinden.

Fast die gleichen Kostüme tauchen in jedem Jahr zu Hunderten auf dem Zilleball im Sportpalast auf. Manche Mädchen kommen auch in allen möglichen und unmöglichen Hosenkostümen: als Matrose, als Strolch, als Badeengel aus dem Freibad. Allerdings finden sich unter den Tausenden, die den Zilleball mit fröhlichem Karnevalulk, unverwüstlicher Tanzlust und mit derber Faschingslust erfüllen, auch recht viele wirklich gut und echt nach Zille »Angezogene«, Harfenjulen, die unbedenklich sich häßlich machen, alte Jungfern, die »über den Mann hinaus sind«, Budiker in Hemdsärmeln und blauer Schürze, alte Penner, »Damen« aus dem Scheunenviertel und aus der Parochialritze, Brüder aus dem »Nussbaum« und »Immertreu«-Leute aus der Koppenstraße, Kinder aus der Ackerstraße, vierter Hof, und noch mancherlei Volk vom Rummelplatz und Weihnachtsmarkt: Ringkämpfer, Ausschreier und die dickste Frau der Welt, Wandervögel und liebliche Zillemädchen. Sie alle sind hereingekommen mit der Polizeianmeldung, die umstehend wiedergegeben ist.

Sie alle wandern unentwegt an dem Tisch vorbei, an dem Zille mit einigen Freunden sitzt. Und dann Paukenschläge – Tusch – und alles ruft »Hoch Zille! Hoch Vater Zille!«


Und er erhebt sich und dankt mit freundlichem Lächeln und immerwährenden Verbeugungen.

Dann aber drängen sie zu Hunderten an die Balustrade und reichen ihm Postkarten, ja selbst feuchte Bierfilze, Notizblätter und auch Papierfetzen hin, die sonst zu geheimen Zwecken gebraucht werden. Unentwegt muss er unterschreiben. Immer wieder strecken sich ihre bittenden Hände hin und verlangen seinen Namenszug. Er, der schon schwach und müde auf seinem Stuhl lehnt, muss stundenlang seinen Namen malen und malen ... Immer wieder halten sie ihm


30. »Annekin, Annekin, drück doch mal, drück doch mal aufs Knöppkin!«

Studie aus einem »Ballsalon«.

Nach dem Original.

Papierwische hin. Und wenn seine Freunde die unvernünftig Bittenden abweisen wollen und schreien: »Nun ist's genug!« Dann nimmt er immer wieder seinen Bleistift und schreibt geduldig: Heinrich Zille ...

Die Kapelle spielt brausend den Rixdorfer: »Uff den Sonntag freu ick mir!« Und dann: »Im Grunewald, im Grunewald is Holzauktion«. Und: »Durch Berlin fließt immer noch die Spree!«

*

In einer Tanzpause – der große Mittelraum ist fast leer – kommt ein Mann in Arbeiterkleidung, eine emaillierte Kaffeekanne und einen Frühstückspacken in Zeitungspapier in der Hand. Aufatmend lässt er sich auf den Rand des Podiums nieder, wickelt das Päckchen aus – nimmt eine Stulle und isst – und nimmt einen Schluck aus der Kaffeekanne: ganz wie ein Straßen- oder Bauarbeiter, der seine Frühstückspause macht.

Einige Herumstehende aber durchschauen, dass er auch nur ein Ballbesucher ist, der seine Frühstückspause mimt. Im Nu haben sie sein Päckchen geplündert – einer bricht dem andern ein Stück von dem Butterbrot ab – die Kanne wandert von Mund zu Mund: eine große vergnügte Menge umgibt den frühstückenden Arbeiter, mit dem auch sie gemeinsame Sache machen.

Alle die Besucher des Zilleballes machen gemeinsame Sache, sind einig in dem Willen und in dem Bewusstsein, sich harmonisch und auf dem Boden eines gemütvollen, lustigen und verständigen Berlinertums zu unterhalten und ein ungezwungenes Fest zu genießen. Wer glaubt, das Berlinertum müsse sich hier roh und ordinär äußern, der irrt im Wesentlichen. Hier offenbart sich der Berliner als durchaus gar nicht übelnehmerisch, als Liebhaber eines freudigen familiären Humors, als vielleicht nicht immer hoffähig aber »hof«-lustig. Ab und zu ist er auch mal derb. An der Rutschbahn freut er sich juchzend über das, was Mädchen sonst nicht zeigen, aber was sie hier nicht verstecken. Wer auf den Treppen hübschen Mädchen begegnet oder an dem sie vorbeigehen, während er mit fideler Gesellschaft am Tisch sitzt, beweist ihnen eine handgreifliche Huldigung, indem er sie auf den Teil des Rückens klatscht, wo er »anfängt schön zu werden«.

Der Begleiter des schönen Mädchens rächt sich sofort, indem er bei der Frau dessen, der zuerst »klatschte«, den Klatsch wiederholt oder auch nur drohend-gutmütig sagt:

»Det mach man in Zukunft bloß bei deiner Ollen! Sonst fühlt sich die zurückgesetzt!«

Und damit ist alles ausgeglichen. Der Krach, wegen dessen der Berliner so verschrien ist, wird vergeblich auf solchen Festen gesucht. Die Weltstadt hat längst den Berliner, und besonders die mittleren Schichten, die den Zilleball bevölkern, zur Toleranz und Nachsicht erzogen. Eine gemeinsame Fröhlichkeit überbrückt alles.

Und Frauen, denen man ansieht, dass sie keine handgreiflichen Späße verstehen, werden nicht angetastet. Der Berliner hat dafür einen feinen Geruch. Er fragt wohl eine einzelne Herumschweifende:

»Na, Kleene – suchste mir oder mich?«

»Nee, meinen Bruder suche ich!«

»Wird ein schöner Bruder sein!« meint er lächelnd. »Soll ich suchen helfen?«

Wenn sie aber ihn merken lässt, dass sie allein bleiben will, biegt er abseits – fragt vielleicht eine andere »Zillejöhre«.

»Biste schon vergeben?«


31. Berlinerin in der Knospe.

Studie aus den neunziger Jahren.

Nach dem bunten Original zum 1. Mal veröffentlicht.

Und ist dann froh, wenn sie ihm nach einem prüfenden Blick mit zum Tisch seiner »Klique« folgt und ärgert sich höchstens, dass sie zuwenig Wein trinkt, die Hand aufs Glas hält, wenn er zugießen will, sich heimlich Essen bestellt und es selbst bezahlt – – wie das jetzt die Berlinerinnen machen, die »sich nicht verpflichten wollen« – und die schließlich auch meistens allein nach Hause gehen – und unterwegs in der Untergrund- oder in der Stadtbahn dann auf die echten Zillefamilien stoßen, die von ihren Vereinsfesten nach Hause kommen: mit gewonnenen Aluminiumkochtöpfen und anderen Töpfen für nächtliche Zwecke, mit Porzellankannen, Würsten, Kaffeemühlen und anderen nützlichen Gegenständen, die ihr ganzes Glück auszumachen scheinen ...

Zille aber lässt um diese Zeit im Ballsaal müde den Bleistift sinken:

»Nu jeht's nicht mehr!«

Die meisten, die ihn quälen, enteilen zum Tanz. Eine dichte Welle von Tanzpaaren, bunt durcheinander, wirbelt um die Musikantenbühne herum. Und Zille, der schon die Freude am Fest verloren zu haben schien, sieht nochmals freudig hinein in diesen Trubel. Als aber wieder der Bettel um Autogramme anfängt, schüttelt er den Kopf:


32. »Bedaure – alles besetzt!«

Stimmungsbild aus der Nachbarschaft des Zilleballes.

Nach dem Original.

»Nee – nu ist's genug...!« Und leise sagt er zu seinem Nachbar: »Wenn ich für jedes Autogramm 'ne Mark kriegen würde, hätte ich vielleicht mehr, als wie ich so dafür kriege, dass se mit meinem Namen krebsen gehen ...«

Man will ihm das nicht glauben. Neidische meinen, er werde reich durch den Zilleball. Aber er bekommt vielleicht für alle die wochenlangen Scherereien und Belästigungen – schon monatelang vorher quälen sie ihn um Freikarten, und muss er Ratschläge für die Ausstattung und Propaganda erteilen – nun, er wird höchstens einen Monatslohn eines Angestellten bekommen.

»Ja, von die Arbeit wird man nich reich! Bloß, wenn man den Profit zieht von der Arbeit anderer ...«

Und dann wollen noch Unzählige von ihm hören, ob sie »echt« sind, ob er sie für wirkliche Zillekinder halte.

Väterlich gibt er manchem ein gutes Wort und sieht manch Mädchen freundlich an. Schließlich muss er noch die Prämiierung der besten Zilletypen überwachen oder gutheißen. Und nur ab und zu einen Schluck aus der Pulle. Aber nicht aus 'ne Sektpulle oder aus der Kognakflasche. Nein, schon seit einem Jahr begnügt er sich mit Fachinger Wasser oder einem andern Brunnen und kühlt seinen heißen Körper, der zu glühen scheint im Lärm des Balles, in der lauten Jazzmusik, dem Gesang und Gekreisch und Gejohle und dem Gedudel mehrerer Leierkasten der Fröhlichen und im heißen Dunst, der von den Tausenden von Tanzenden aufsteigt.

Das letztemal kostete er vom Kognak beim Sommerfest im Lunapark, wo er auch als Preisrichter seines Amtes waltete. »Feine französische Marke! Aber ich nahm nur ein paar Tropfen auf die Zunge – das brannte im ganzen Körper wie Feuer! Das war richtiges Feuer!«

Und abermals beginnt das Betteln um Autogramme und das Quälen um Begutachtung. Da gelingt es ihm, dessen Augen rot umrandet sind von der Anstrengung und Übermüdung, durch einen Seitenausgang hinaus zu kommen. Er zieht seinen alten verwetterten Hut in die faltige Stirn und lässt sich müden Ganges zum wartenden Auto geleiten.

Im Wagen atmet er wieder auf – und hat einen neuen Einfall:

»Also das Bild, wo die Masken alle nachts in ein Hotel wollen, und wo der Ober aus dem Fenster ruft: »Alles besetzt!« – das paßt doch auch auf den Zilleball! ... Da, sehen Sie mal, wie die Pärchen – seid umschlungen Millionen! – dahinziehen!«

Und ein fröhliches Lächeln umspielt seine väterlichen Augen.

Oft regt sich Zille über die unzureichenden Darbietungen und Einrichtungen beim Zilleball 1929 auf:

»Das sollte ein Volksfest sein! Ein richtiges Volksfest! Sie machen aber eine Schampagnerpropaganda draus. –

Ein Laubenfest sollte es diesmal werden. Was machen sie?

Eine Ruine von einer Bude setzen sie in die Mitte vom Saal. Verschiedene Gäste machten sich darüber lustig und kletterten rauf. Ringsum die Reste von früheren Dekorationen. Nichts Neues gemalt. Keine Musik im Saal. Bloß auf der Galerie. Ein Haufen Leierkasten in dem unteren Umgang. Kein Ton von der Ballmusik war unten im Saal richtig zu verstehen. Kein Paar konnte darnach tanzen.

Na, es ging auch nicht: der Tanzboden war ganz rau – nicht mal gewachst!

*

Und die Tische, wo ich zwischen saß, nannten sie Zilletische.

Alle tranken Champagner.

Mich aber ließen sie stundenlang auf meinen Brunnen warten.

Wasser? Daran ist doch nichts zu verdienen ...

Der Schampagner wurde sicher auf den ›Zilletisch‹ verrechnet.

Ich habe keinen Tropfen getrunken.

Ja – von den paar Pfennigen, die man bekommt, da hat man bloß den Grünspan ...«

*

»Beim Rundgang sah ich alle die Leierkastenmänner. Na, die armen Luders werden ja genug Geld von den Tanzenden bekommen haben.

Bei einem saß ein Affe auf dem Kasten. Der musste immer grüßen, wenn der Mann an der Kette zupfte.

Der Affe sah erstaunt in die Menschenmassen, in den Dunst und den Trubel – mit ganz überwissenden Augen. Der dachte gewiss:

›Is det 'ne Afferei!‹«

Das Zillebuch

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