Читать книгу Seppis Tagebuch - Ciao Kakao!: Ein Comic-Roman Band 9 - Hans-Peter Schneider - Страница 10
Samstag – Immer noch zu früh, aber etwas später
ОглавлениеJe heller langsam der Tag wurde, desto wacher sind auch Papa und ich geworden. Opa ist echt voll souverän durchgefahren und hat gut gelaunt gepfiffen. Die Fahrt war unglaublich entspannt, kaum Verkehr, echt angenehm. Da hat das frühe Aufstehen also wenigstens einen Nutzen gehabt. Aber natürlich hat mein Papa sich da voll selbst gelobt.
Wir sind dann tatsächlich problemlos von Deutschland nach Österreich gefahren und waren dann auch schon am Brenner, also direkt vor der italienischen Grenze. Als wir gerade auf der berühmten Europabrücke waren, ist etwas passiert, mit dem wir nicht gerechnet haben.
Kaum haben wir und der Mädels-Bus am Rastplatz angehalten, ist Papa aus dem Auto gesprungen und zur Toilette gesprintet. Ganz ernsthaft: So schnell habe ich meinen Vater noch nie laufen gesehen. Ich bin mir sicher, dass er selbst als Kind beim Hundertmeterlauf in der Schule sich noch nie so schnell bewegt hat. Der ist geschossen wie der Blitz, wie Flash Gordon, wie eine Rakete.
Dicht hinter ihm sind dann alle, ALLE Mädels gerannt. Auch Oma! Seit ich sie kenne – und das ist schon ziemlich lang – habe ich Oma auch noch nie so rasen gesehen.
Opa und ich sind chillig zunächst mal im Auto sitzen geblieben. Wir haben ja schließlich keine so Kommunions- und Mädchenblasen wie die anderen 5. Perfekt konnten wir vom Auto aus den Eingang zu der Kloanlage sehen. Ich sag‘s euch, das war echt grandios!
Von Opas und meiner Position aus hat das echt genial ausgeschaut, wie die Mädels locker durch das Drehkreuz durch sind und Papa immer verzweifelter an der Stange gezerrt hat. Schon peinlich! Zum Glück wusste niemand, dass das mein Vater ist!
Trotzdem muss ich tatsächlich zugeben, mir hat Papa da schon ein bisschen leid getan. Aber nur ein bisschen.
Dem Opa hat er nicht leid getan. Der hat seinen Sohn, also meinen Vater, nur ausgelacht. Das muss wahre Vater-Sohn-Liebe sein!
So hat sich also mein Vater doch noch aufs Klo durchgedrückt. Anscheinend hatten die da keine Überwachungskameras, weil sonst hätten sie ihn eigentlich schon festnehmen müssen.
Was passiert eigentlich mit jemandem, der beim Nichtbezahlen der 70 Cent beim Klogehen erwischt wird?!? Wird der dann angezeigt und vor Gericht gestellt?!? Wie so ein richtiger Krimineller?!?
Was wäre das für ein Erlebnis? Mein Papa als richtig cooler und harter und gefährlicher Verbrecher im Gefängnis. Da könnte ich deutlich mehr in der Schule damit angeben als mit seinem normalen Job.
Vor wem hat man denn wohl auf dem Pausenhof mehr Respekt: Vor Seppi, dem Sohn eines Beamten? Oder vor Seppi, dem Sohn eines Gangsters? Keine Frage, oder?!? Wahrscheinlich würde Papa da sogar noch einiges im Gefängnis lernen. Schließlich putzt er daheim nie, das muss immer Mama machen. Aber mit einem Hardcore-Gefängnis-Putz-Training wäre er dann danach voll ausgebildet, um auch bei uns daheim mehr mitzuhelfen. Und im Gefängnis wäre es dann ungefähr so:
Naja, wenn ich es mir recht überlege, so cool ist es für Papa sicherlich nicht im Gefängnis. Dann muss ich halt auf den Respekt am Pausenhof verzichten!
Da hoffe ich einfach mal, dass ihn wirklich keiner gesehen hat, als er sich durch den Kindereingang gedrückt hat.
Es sind dann auch schon die 4 Mädels gackernd wieder aus der Rastanlage herausgekommen. Oh Mann, ich hoffe so, dass hier keiner checkt, dass die mit mir verwandt sind!
Jetzt war für uns zwei Männer im Auto auch die Zeit, vorm Weiterfahren dann doch noch aufs Klo zu gehen. Schließlich hatten wir uns jetzt genug über Papa amüsiert und auch genug von den gackernden 4 Frauen gesehen.
Jetzt war es an der Zeit, dass Opa und ich das Klogehen so machen, wie es echte Männer machen – das hat zumindest mein Opa so zu mir gesagt.
Oh, wie war das schön! Mehr Freiheit geht nicht. Ich fühlte mich so leicht! So grenzenlos! So glücklich!
Endlich befreit von den Ketten meiner Mama, die mich immer zwingt, mich daheim am Klo hinzusetzen!
Endlich konnte ich mich frei entfalten!
Und wieder einmal war es mein Opa, der mir meinen Horizont so erweitert hat. Ist ja auch kein Wunder, der war sein Leben lang in der ganzen Welt unterwegs und hat unendlich viel erlebt!
Ich bin so unglaublich dankbar, dass ich mit meinem Opa ein wirklich männliches Vorbild haben kann. Sonst hätte ich nur Papa, und von dem kann man sich ja meistens nicht so viel abschauen. Außer wie man sich durch die Kinder-Kloeingänge drückt, natürlich!
Ich hoffe, dass ich, wenn ich mal so alt bin wie mein Opa, auch so weise sein kann. Dann bringe ich meinen Enkeln auch ganz viele ganz wichtige Tipps fürs Leben bei.
Gerade als ich glaubte, dass ich mich nicht noch freier und noch glücklicher fühlen könnte, hörte ich plötzlich aus scheinbar unglaublich weiter Ferne eine mir wohlbekannte Stimme rufen.
Echt schade, dass Mama uns diesen Augenblick der absoluten Freiheit so zerstört hat. Sie hat halt einfach kein Gefühl dafür, was wir Männer wirklich brauchen, hat Opa gesagt. Und ich glaube, da hat er recht.