Читать книгу Die Elegien des Properz - Hans Peter Syndikus - Страница 14

1. Elegie

Оглавление

In der ersten Elegie stellt Properz sein Thema vor. Das erste Wort Cynthia sagt es schon: Cynthia nennt er die Geliebte, die, wie er immer wieder versichert, der Mittelpunkt seines Lebens und seiner Dichtung ist. Das führt er in der ersten Partie des Gedichtes, in Vers 1–8, näher aus. Cynthia habe ihn, der vorher keine solche Leidenschaft kannte, mit ihren schönen Augen verzaubert. Diese Liebe habe ihn nun ganz überwältigt. So habe er, wie man das von manchem Verliebten in der Komödie kannte, keinen Sinn mehr für eine eheliche Verbindung, wie sie in Rom für einen vornehmen jungen Mann üblich war.1 Überhaupt widerspricht der Zustand in dem sich Properz hier schildert und der schon ein ganzes Jahr dauere, allem, was sich in Rom der Tradition nach für einen jungen Mann seiner Gesellschaftsschicht gehörte, der sich ernsthaft auf ein öffentliches Leben vorbereiten sollte.2 Im Gegensatz dazu schildert sich Properz in den Banden einer übermächtigen Leidenschaft. Es ist aber keineswegs so, daß Properz den in Rom traditionellen Lebensweg ablehnt, weil eine solche Laufbahn seinem persönlichen Glück im Wege stünde. Seine Liebesvorstellung ist hintergründiger. Er betont von Anfang an, daß ihn diese Leidenschaft keineswegs glücklich mache. Wie hier schildert Properz auch sonst kaum einmal ein ungetrübtes Liebesglück, wie das Catull in seinen ersten Lesbiagedichten getan hatte. Das miserum me von Vers 1 wird durch adversos deos in Vers 8 unterstrichen. In der 6. Elegie, Vers 25–30, wird Properz dann sehr grundsätzlich sagen, daß sein Unglück ihm von seinem Schicksal auferlegt sei und daß er durch seine Liebesleidenschaft noch zugrundegehen werde. Offenbar ist für ihn das Ziel einer innigen, dauernden Vereinigung mit der Geliebten nicht erreichbar. So wird schon in dieser programmatischen 1. Elegie offenkundig, daß Properzens Thema mehr Liebesleid als Liebesglück ist.3 Amor wird wie hier oft als bedrängende, Unglück und Verzweiflung stiftende Gottheit empfunden.4

Dieser Beginn von Properzens erster Elegiensammlung ist sichtlich als Hinführung zu seiner Art von Liebesdichtung geschrieben. Wie Catull in anderer Weise in seinen Gedichten 2–11 die Geschichte seiner Liebe vor Augen stellt, charakterisiert hier Properz sein Ausgeliefertsein an Cynthia, das ihn glücklich-unglücklich macht, als das entscheidende Motiv seiner Dichtung. Völlig anders hatte der junge Horaz seine Liebesverfallenheit geschildert. In der 11. Epode erinnert die Heftigkeit und Unvernunft (furere) der Leidenschaft durchaus an die des Properz. Aber der Gegenstand wechselt fortwährend. In der Vergangenheit glühte er für eine Inachia, in der Gegenwart für einen schönen Knaben, und er weiß genau, wenn diese Verzauberung zu Ende ist, wird ein anderes Mädchen oder ein anderer Knabe an seine Stelle treten.5

Die Art, wie in Vers 1–8 der Seelenzustand des Verliebten geschildert wird, nimmt im einzelnen durchaus Züge auf, wie hellenistische Epigramme einen sinnlos Verliebten schildern.6 Wie Properz kannte auch Meleagros in einem berühmten Epigramm die Liebe noch nicht7 und wurde von schönen Augen verzaubert,8 und auch er weiß von gebrochenem, hochmütigem Stolz.9 Und wie bei Properz Amor das Haupt des Unterworfenen niederdrückt, tut das in Vers 4 des Epigramms der Liebling; aber auch Eros erscheint in einem anderen Meleagrosepigramm in dieser Rolle.10 Gleich ist in der Anthologie auch bei der Charakterisierung der Liebesleidenschaft, daß sie dem Liebenden den Verstand raubt,11 bzw. daß er nichts mehr von vernünftigen Gedanken wissen will.12 Aber in den Liebesepigrammen der Anthologie wird die leidenschaftliche Verwirrung nicht so ernst genommen wie hier, ja oft wird sie von einem überlegenen Standpunkt aus ironisiert. So wird in Vers 5 des Meleagrosepigramms, das Properz zum Ausgangspunkt seiner Elegie gewählt hat, durch den lächelnden Hinweis auf Zeus, dem die Liebe ja auch so zugesetzt hat, die eigene Verliebtheit leichtgenommen. Solch leidenschaftliche Ekstasen erscheinen dann als eine Art wiederkehrende Krankheit, die nicht nur Menschen, sondern auch Götter befällt.13

Für Properz dagegen ist die Liebe eine das ganze Leben bestimmende Macht. Anders als in der griechischen Anthologie ist die Geliebte einzigartig, wird als nicht austauschbare Person geliebt.14 Schon für die Dauer der Verbindung gibt es in der griechischen Anthologie wenig Vergleichbares (Vers 7 toto anno). Und der Ernst der Bindung wird dadurch deutlich, daß der Liebende die Leiden, die diese Liebe mit sich bringt, willig erträgt. Man sieht hier eine Auffassung der Liebe, die vor Properz schon Catull und der erste15 römische Elegiker Gallus zeigten. Schon Catull und Gallus nahmen den Schmerz, den ihnen Treulosigkeiten und Kälte der Geliebten bereiteten, hin und nannten sie in Verkehrung der in Rom üblichen gesellschaftlichen Grundauffassung des Verhältnisses der Geschlechter ihre Herrin.16 Die Elegiker weiten das aus. Tibull fühlt sich in der Elegie 1,1,55–60 als Gefangener in den Fesseln seiner Geliebten und trotz der Härten dieses Zustandes möchte er, daß es bis zu seinem Tod so bleibt. Im Dienste seiner ‚Herrin‘ will er gern Sklavendienste verrichten: 2,3,5–8. 79f. So sieht er sein Leben als ein servitium unter einer domina an; auf die angestammte Freiheit muß er verzichten: 2,4,1–4. In gleicher Weise nennt Properz die Geliebte domina: 1,1,21; 1,3,17; 1,4,2; 1,7,6; 1,17,15 etc., sein Verhältnis bezeichnet auch er als servitium. Wenn zu Beginn der ersten Elegie Gott Amor den Fuß auf seinen Nacken setzt und ihn zu Boden drückt, zeigt das bereits die Knechtschaft, in der er leben muß. In 1,18,25f. versicherrt er ausdrücklich, daß er stets untertänig (timidus) die Befehle seiner übermütigen Geliebten (superbae) hingenommen und keine Klage zu äußern gewagt habe. In 1,5,19 nennt er sein Verhältnis ein grave servitium, ja sogar, wenn er in 1,4,4 und 2,20,20 mit Befriedigung auf sein Verhältnis blickt, nennt er es servitium, wenn auch assuetum sevitium oder servitium mite. In 1,12,18–20 weiß er, daß es gewiß Erleichterung schüfe, wenn er wie andere Unglückliche einmal eine andere Geliebte suchte (translato servitio); aber das kann er nicht, er ist dieser einen Frau verfallen: Cynthia war seine erste Liebe, und sie wird seine Liebe bis zum Ende bleiben. So akzeptiert er in 3,11,1–4 die Schmach eines solchen Verhältnisses und in 2,13,36 bezeichnet er sich in einer fiktiven Grabschrift als unius ... servus amoris. Schließlich bittet er in 3,17,41 Bacchus, ihn von dieser Knechtschaft (servitium) frei zu machen und in 3,25,3 blickt er auf die Jahre seiner Liebe mit den Worten tibi potui servire zurück.17 J.-P. Boucher18 hebt den Begriff der Treue in Properzens Beschreibung seiner Liebesbeziehung hervor. Das ist sicher richtig gesehen, aber es ist hinzuzufügen, daß die Wahl einer einzigen Geliebten und die unverbrüchliche Ergebenheit ihr gegenüber nicht als freie Entscheidung charakterisiert wird: Es ist sein Schicksal, das er auf sich nehmen muß: 1,6,30: fata; 1,12,19: fas est; 2,1,78: fatum; 2,13,36: fatum; 1,1,8: cogor; 1,7,8: cogor.19

Unvermittelt folgt in Vers 9–16 ein Mythenexempel als Gegenbild zum eigenen Unglück. Es ist das erste Mythenbeispiel von vielen in Properzens Werk. In der früheren Literatur wurden sie oft als gelehrtes Beiwerk bezeichnet. Das führt in die Irre. Wie die römische Wandmalerei gut zeigen kann, war Properzens Umwelt von mythologischen Vorstellungen erfüllt. Wie etwa in der Zeit der Renaissance liebte man es, von diesen poetischen Gestalten, die man aus der Dichtung kannte, umgeben zu sein. So zog Properz immer wieder die griechischen Sagengestalten heran, um durch sie seine Welt zu überhöhen und zu deuten.20 Wenn er hier die Milanionsage heranzog, ist es, wie wenn er sich an dem Beispiel eines glücklicheren Liebhabers aufrichten möchte. Er wählt eine Sagenfassung, in der ein treuer Liebhaber, den keine Gefahren und Schmerzen beirren konnten, schließlich die Erfüllung seiner Liebe fand.21 Um der spröden Jägerin Atalante nahe zu sein, durchstreifte Milanion Arkadiens Gebirge, scheute sich nicht, den dort hausenden wilden Tieren zu begegnen und ertrug die Wunde, die ihm der Kentaur Hylaios im Kampf zufügte.22 Das Mythenbeispiel paßt nicht ganz zu den Verhältnissen in Properzens Leben, eher die wahnsinnige Liebe Milanions (amens gegenüber nullo consilio und furor), weniger die Atalante der Sage, die ihre Jungfräulichkeit bewahren und darum von der Liebe nichts wissen wollte. Aber auf eine solche Übereinstimmung scheint es dem Dichter nicht anzukommen. Entscheidend ist, daß der Sagengestalt durch treues Ausharren die Liebe der Umworbenen schließlich doch zuteil wird. Glimmt hier für einen Augenblick ein Funke Hoffnung auf?

Doch in dem wieder unvermittelt anschließenden Distichon Vers 17f. ist die Hoffnung auf Liebeserfüllung wie ein Traum zerstoben: Ihm ist der Liebesgott nicht gnädig, für sich weiß er keinen Weg, der ihn zum ersehnten Ziel führen könnte.23 Auch die Sprache wird gegenüber der reichen Entfaltung im Mythenbeispiel knapp und hart. In dem Attribut des Gottes und in der Verneinung alles Wünschenswerten drückt sich Ernüchterung, ja Hoffnungslosigkeit aus.

Von dem Wort artis in Vers 17 ausgehend, entfalten sich die Motive der Verse 19–24 und 25–30. Wenn Amor keinen Weg aufzeigt, das Ziel zu erreichen, sinnt der Dichter auf anderes. Er spricht zuerst Zauberinnen an, denen er die Kraft, den Mond herabzuziehen,24 und die Kenntnis geheimer Zauberkünste zuschreibt. Er fleht sie an, durch ihren Zauber die Kälte der Geliebten in heiße Liebesglut zu verwandeln.25 Dann wendet er sich an seine vernünftigen Freunde, die ihn auf den Weg der Normalität zurückrufen wollen,26 und ist bereit, jedes Mittel zu versuchen, wenn es ihm nur Heilung bringt, ja wenn er seiner Empörung über die Behandlung seiner ‚Herrin‘ nur Luft machen kann. In der Elegie 3,24,9, in der sich Properz von seiner Liebesverstrickung befreit glaubt, denkt er an unsere Stelle zurück. Er bekennt, daß ihm in seiner Verblendung weder Zauberinnen noch wohlmeinende Freunde helfen konnten. Aber schon in unserem Gedicht erscheinen die Mittel, auf die er sinnt, wenig hilfreich. Wenn Properz in Vers 24f. sagt, falls die Zauberinnen den harten Sinn der Geliebten umstimmen können, traut er ihnen auch zu, daß sie durch ihre Zaubersprüche die Bahn von Sternen und den Lauf von Flüssen umlenken können, so erscheint in dieser Gleichsetzung die Umstimmung der Geliebten als schier unmögliche Aufgabe. Das zeigt sehr gut, daß er im Grunde nicht an die Wirksamkeit solcher Zaubermittel glaubt. Und den Freunden sagt er von Beginn an, daß sie ihn spät, also wohl zu spät, zurückzurufen versuchen. Und auch hier sind die Mittel, an die er denkt, verzweifelt: Mit schmerzlichen Operationen und Reisen an die Grenzen der Erde ist seiner Krankheit schwerlich beizukommen.27 Die seelische Verwirrung, in der sich der Dichter hier sieht, wird auch durch die Widersprüchlichkeit der beiden Mittel deutlich: Von dem Liebeszauber hätte er eine Liebeserfüllung gewünscht, von den Freunden eine Befreiung von allen Verführungen der Liebe.28 Gemeinsam bei diesen konträren Wünschen ist nur, daß die gegenwärtige Lage unerträglich ist.

Die letzte Versgruppe des Gedichtes29 setzt Vers 31 wieder sehr unvermittelt mit einer erneuten Ansprache ein. Die Aufforderung vos remanete folgt antithetisch auf die Vorstellung einer Reise mit Freunden in fernste Länder. Angesprochen werden nun Menschen, denen der Liebesgott gewogener ist als ihm, vielleicht sogar die, die ihr Glück bei einer casta puella gefunden habe, wovon er selbst in Vers 5 nichts wissen wollte.30 Gegenüber seiner verzweifelten persönlichen Lage erscheint hier eine Möglichkeit menschlichen Liebesglücks, die nur leider ihm verschlossen ist. Er ruft den Menschen, denen der Liebesgott ein solches Glück gewährt, zu, daran festzuhalten. Sie sollten ja nicht den Weg einschlagen, auf den ihn sein Verhängnis geführt hat. Eindrucksvoll zeichnet der Dichter hier sein Liebesschicksal: Er sehnt sich nach Liebesglück, aber nicht Seligkeit, sondern bittere, einsame Nächte,31 Jammer und Schmerzen sind sein Los. Man fragt vielleicht, wie man einen solchen Lebensweg wählen kann; aber gegenüber dem sehr im Äußeren verhafteten römischen Leben wird hier doch eine Seelenwelt aufgetan, die die Antike so noch nicht kannte.

In der unruhigen Motivfolge und in den wechselnden Anreden unterscheidet sich die erste Elegie sehr von den übrigen des 1. Buches.32 Sonst sind die Elegien des 1. Buches motivlich viel einheitlicher: Ein Ansprechpartner und eine Gedichtsituation stehen im Mittelpunkt. Hier aber könnte es zu Beginn scheinen, als ob der Dichter die Gedanken über das eigene Ich wie ein moderner Schriftsteller vor einem allgemeinen Publikum ausbreite. Dann wird aber in Vers 9 ein Tullus angesprochen. Dieser Tullus taucht im 1. Buch noch mehrmals auf. Besonders in 6,2 erfahren wir, daß er Properz aufgefordert hatte, mit ihm in eine östliche Provinz zu gehen. Er ist offensichtlich ein vornehmer junger Mann, der Properz eingeladen hatte, sich an einem Unternehmen zu beteiligen, wie es jungen Leuten aus dem Ritterstand angemessen war.33 Von hier aus könnte es also scheinen, daß das ganze Gedicht als Freundesgespräch stilisiert ist. Dann aber kommen in den Versen 19, 25 und 31 mit at vos, aut vos, vos Anreden an andere Personen, an Zauberinnen, an wohlmeinende Freunde und dann an glückliche Liebende, die gewarnt werden, einen Lebensweg wie den seinen zu wählen. Tullus ist also nicht Ansprechpartner im ganzen Gedicht, die Anrede an ihn ist eher eine freundschaftliche Widmung des Buches.

In diesem Gedicht sind die wechselnden Anreden keine wirklichen Anreden, sondern stilistische Mittel einer lebhaften Vergegenwärtigung. In der Darstellungsweise erinnert dieses Eingangsgedicht eher an Kompositionen des 2. Buches. Etwa in der Elegie 2,8 folgen aufeinander die Anrede an einen ungenannten Freund, dann ein eher monologisches Sprechen, hierauf leidenschaftliche Apostrophen an Cynthia, dann an das eigene Ich und wieder an Cynthia. Hierauf schließt das Gedicht mit einem wieder eher monologischen Erinnern an vergleichbare Mythenschicksale. Der Schluß liegt nahe, daß die Entstehungszeit der Eingangselegie schon in die Nähe der folgenden Kompositionen zu rücken ist, daß es also zur Abrundung als letztes Gedicht des 1. Buches geschrieben ist.34

Die Elegien des Properz

Подняться наверх