Читать книгу Die Amazonen - Hedwig Appelt - Страница 5

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Vorwort

Viele Autoren und Geschichtsschreiber der Antike berichten von den Amazonen und kaum einer zweifelt an ihrer Existenz. Für Homer, Herodot, Plutarch, Diodorus Siculus, Hippokrates, Justin und viele andere sind sie so real wie die eigenen Götter und Helden, aber viel fremder, schrecklicher, faszinierender. Nicht nur gefährliche Feinde im Krieg, sondern auch eine drohende Gefahr für den Frieden. Denn die Männer mordenden Töchter des Kriegsgottes Ares sind der lebende Beweis dafür, dass eine von Männern dominierte Gesellschaft wie die griechische auch gestürzt werden könnte. Einmal war es schon fast so weit, als die Frauen Trojas sich vom kämpferischen Mut der Amazonen anstecken ließen, ihre Handarbeiten zur Seite legten und zu den Waffen griffen, um ihre Stadt zu verteidigen. Nur mühsam konnten sie zurückgehalten werden, für dieses Mal...

Trotzdem ist aus den antiken Texten viel Sympathie für die kriegerischen Frauen herauszulesen. Die Autoren, die über sie schreiben, sind von ihnen ähnlich fasziniert wie die griechischen Helden, die mit den Königinnen der Amazonen zusammentreffen und von dieser Begegnung tief beeindruckt bleiben. Was sich bei diesen Begegnungen abspielt, in welche Konflikte „Barbarinnen“ und „kultivierte Griechen“ geraten, welche Möglichkeiten und Gefahren in dem Aufeinandertreffen zwischen zwei Welten, einer männlichen und einer weiblichen, stecken – das ist der Kern der Amazonensagen und bis heute ihr spannendster Teil.

Diese Begegnungen werden in den Quellen als individuelle Schicksale geschildert. Theseus, der seinen Freund Herakles begleitet, trifft auf Hippolyte, Achill auf Penthesilea, Alexander der Große auf Thalestris. Die Gründe und Folgen dieser Grenzüberschreitungen sind wiederum aufs Engste mit dem griechischen Sagenkreis verwoben. Ohne seinen Kontext ist das Phänomen „Amazone“ nicht zu entschlüsseln.

Deshalb ruft dieses Buch parallel zur Geschichte der Amazonen die griechischen Heldensagen in Erinnerung, wie zum Beispiel das Leben des Herakles, über dem der Fluch der Göttin Hera liegt, die ein Zusammentreffen mit den Amazonen plant, um ihn zu vernichten. Zum Glück für Herakles ist Theseus mit seinem großen diplomatischen Geschick an seiner Seite, der charmante junge König von Athen, der noch nicht ahnt, dass die Amazonen seine Stadt bald zu einem Schlachtfeld machen werden.

Darauf folgt der umfangreichste und bekannteste Teil des Amazonenstoffes, der von Achill erzählt, dem großen Helden von Troja und seinem tödlichen Irrtum über die Königin Penthesilea. Der Abgrund an Liebe und Hass, gekränktem Stolz und Missverständnissen, der sich in dieser Begegnung auftut, hat die Menschen zu jeder Zeit gefesselt. Schon in antiker Zeit wurde ein ganzes Buch darüber geschrieben, und bis heute ist Penthesilea der Inbegriff der Amazone.

Am Ende der antiken Heldensagen und dem Beginn der historischen Zeit steht das Zusammentreffen von Thalestris mit Alexander dem Großen. Ein schicksalhaftes Vorzeichen liegt über dieser Begegnung: An dem Tag, an dem Alexander geboren wird, setzt ein Wahnsinniger das größte Heiligtum der Amazonen, den Artemistempel in Ephesos, in Brand.

Die miteinander verbundenen Amazonen- und Heldensagen sind Teil eines mythischen Weltbildes, deshalb wird ihre Geschichte hier auch im Kontext des Mythos erzählt: nahe an den antiken Texten und nahe bei den Figuren. Das Buch berichtet aus der Perspektive derer, die Amazonen, Götter, Helden und Fabelwesen als Teil ihrer realen Welt betrachteten. Erst nach diesem „authentischen“ Blick auf die antiken Kriegerinnen verfolgt das Buch ihren Weg durch die Jahrhunderte bis heute.

Zwei Freiheiten erlaubt es sich dabei im Interesse der Leser: Es ordnet die verstreuten Quellentexte, die in einer mythischen Zeitlosigkeit verharren, zu einem zeitlichen Nacheinander. Denn nur in chronologischer Folge lässt sich die Spannung, Tragik und Eskalation nacherzählen, die der Amazonenstoff in sich birgt.

Die zweite Freiheit betrifft die Auswahl der Quellen. Manche Sagenkomplexe sind in mehreren Varianten überliefert. In solchen Fällen wurde ein „Hauptstrang“ ausgesucht und Abweichungen um der besseren Lesbarkeit willen ignoriert. Auch Thesen, die nur von einem einzigen antiken Autor vertreten werden, sind hier nicht wiedergegeben.

Auf diese Weise wird der überlieferte Stoff, der in vielen kleinen, verstreuten Puzzlestücken vorhanden ist, zu einer zusammenhängenden Geschichte. Das ist das Anliegen dieses Buches. Eine Geschichte, die auf antiken Quellen beruht und sie inhaltlich nicht verändert, nur literarischer vermittelt.

Ein Beispiel: In den Quellen ist einmal von einem Traum Penthesileas die Rede, der nicht weiter ausgeführt wird. Im vorliegenden Buch bekommt dieser Traum einen Inhalt, der das Geschehen erklärt und plausibler darstellt, als es die oft knappen Quellen tun.

Das Buch beginnt mit der mythischen und historischen „Geburt“ der Amazonen. Es erzählt, woher sie kommen, wo sie sich niederlassen und warum die Gründung eines Staates notwendig ist, der aus Kriegerinnen erst Amazonen macht. In einem grausamen Opfer der Weiblichkeit, das die Frauen freiwillig bringen, um sich im Gegenzug Freiheit und Selbstbestimmtheit zu sichern, gewinnen sie ihre neue Identität als Arestöchter, die zusammen mit ihrer neuen „Fernwaffe“ Pferd zum Schrecken der zivilisierten griechischen Welt werden.

Wie leben diese Amazonen? Woher kommt ihr Name? Wie sichern sie das Fortbestehen des Frauenstaates, wie lösen sie die Nachwuchsfrage? Was geschieht mit den Vätern ihrer Kinder, was tun sie, wenn ein Junge zur Welt kommt? Welche Beziehung unterhalten die Amazonen, denen man grüne Augen nachsagt, zu den Tieren? Den Eidechsen, Schlangen, aber vor allem den Pferden? Was ist das Geheimnis ihrer Unbesiegbarkeit?

Auf die Beantwortung dieser und anderer Fragen schließen sich die Erzählungen der großen Sagenkomplexe an, in denen griechische Helden und Amazonen aufeinander treffen. Jede dieser Begegnungen verläuft anders, aber immer sind es Geschichten einer unmöglichen Liebe, die den Amazonenstaat auf die Zerreißprobe stellen. Und doch ist es nicht der Hochverrat der Liebe, der ihre Vormachtstellung untergräbt. Ihr Ende kommt zeitgleich mit dem Ende des mythischen Zeitalters, das in dem Augenblick zerfällt, als Alexander der Große sich mit seinem Reiterheer aufmacht, um Geschichte zu schreiben und den Herrschaftsanspruch der Amazonen abzulösen.

Danach werden sie für sehr lange Zeit nicht mehr gesehen. Erst im Zeitalter der Renaissance, mit den Entdeckungen und Eroberungen in der Neuen Welt, tauchen die Amazonen wieder auf. Die Konquistadoren, die in Südamerika auf sie treffen, geben dem Amazonas ihren Namen. Die afrikanischen Amazonen aus Dahomey werden bis nach München reisen und zu Lieblingen der bayerischen Bevölkerung werden, während die antiken in der Kunst und Literatur lebendig bleiben.

Damit lassen sie es nicht bewenden. Heute noch spielen sie in der Werbung, im Marketing, in Mode und Unterhaltung eine große Rolle. Die Amazonen sind ein Verkaufserfolg, sonst würde man im 21. Jahrhundert nicht so oft auf ihr Image zurückgreifen. Sie scheinen etwas zu haben, was für Männer wie Frauen gleichermaßen begehrenswert ist. Was das ist, wird dieses Buch anhand einiger aktueller Beispiele erklären.

So bleibt zum Schluss nur noch eine Frage offen: Hat es die Amazonen wirklich gegeben? Was über sie bekannt ist, wurde von antiken Autoren zusammengetragen, von denen keiner sie je mit eigenen Augen gesehen hat. Die Amazonen selbst haben nichts hinterlassen. Es gibt keine Kult- oder Gebrauchsgegenstände, keine Siedlungsreste und keine Spuren. Aber es gibt die Archäologie, die auch im Unsichtbaren fündig wird. Zwei Archäologinnen haben sich vor Kurzem aufgemacht, um gezielt nach den Amazonen zu suchen. Was sie gefunden haben, steht am Schluss dieses Buches.

Die Amazonen

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