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DER VERRÄTER

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Edda, diejenige, die sooo stolz auf ihren, man muss der Wahrheit halber sagen, sehr attraktiven Mann war, hatte Schiffbruch erlitten. Dieser Mann war Herta immer schon ein wenig zu schön gewesen. Man kennt den Spruch von der schönen Frau, die ein Mann nie allein haben kann. Warum sollte er nicht auch auf schöne Männer zutreffen?

Edda war noch heute mit ihren über sechzig Jahren eine Frau, die sich sehen lassen konnte mit ihren roten (wenn auch gefärbten Haaren). Er mit seinen grauen Schläfen wie es sich für einen fast Siebzigjährigen gehört und sie, waren ein tolles Paar, das immer noch Aufsehen erregte.

Sie lebten wie die Turteltauben, wie Edda selbst immer wieder freudig und dankbar erwähnte. Kinder waren ihnen leider nicht geschenkt worden, dafür aber „Purzel“, ein mittlerweile zehn Jahre alter Dackel mit treuen Augen und den typischen krummen Beinchen.

Ihr Krummbein liebten sie mindestens so, wie Rudolf seine Katzen, wenn nicht noch mehr, falls eine Steigerung überhaupt möglich war.

Der Kleine musste gleich in die Pulle-Wanne, wenn er verschmutzt und müde mit seinem Herrchen angetrabt kam. Es verging kaum ein Tag, an dem Heinz nicht mit seinem besten Freund bei Wind und Wetter lange Spaziergänge durch die angrenzenden Wälder durchführte. Edda war in den letzten Jahren ein wenig bequem geworden und froh, dass Heinz endlich pensioniert, sich dem Tier vollends widmen konnte. Sie verlangte, in die Jahre gekommen, nach nichts anderem, als nach ihrem meist opulenten Essen ein ausgedehntes Schläfchen machen zu können, während der Hund just, wie verabredet, zu jaulen begann, um sein Geschäft zu erledigen. Früher drehte sie zwangsläufig mit dem Tier ihre Runden und meist kam ihre beste Freundin Charlotte, schon lange Witwe, gern mit. Auch sonst verstanden sich die beiden Frauen prächtig. Schade, dass Heinz sie nicht leiden konnte. Sie wunderte sich oft darüber, weil er ansonsten ein sehr humaner und liebenswürdiger Mensch war und überall beliebt. Wirklich schade!

„Wie schön, dass Heinz pensioniert ist,“ dachte sie glücklich und schickte sich an, ihr Mittagsschläfchen zu halten.

„Ach, du meine Güte, schon vier Uhr?“ Zeit zum Kaffeetrinken.

Sie schaute im ganzen Haus nach. Heinz und Purzel waren immer noch nicht zurück.

Draußen war es bitterkalt. Sie hatte vorsorglich ihrem Liebling ein Mäntelchen übergestülpt und ihrem Heinz seinen dicksten Wintermantel herausgehängt.

Es wurde Fünf, es würde Sechs. Es war schon längst dunkel. Immer noch war keine Nasenspitze, weder vom Hund noch vom Herrchen, zu sehen.

Langsam sorgte Edda sich um ihre beiden Lieblinge. Es fror draußen Stein und Bein.

„Na, endlich!“.

„Wir sind wieder daha“ hörte sie die stets fröhliche Stimme ihres Mannes.

Sie bot ihm ihre Schokoladenseite und er küsste ihr andächtig, wie immer, die Wange. Schnell setzte sie die Kaffeemaschine in Gang.

„Sicher bist du total durchfroren, mein Lieber“, ich mach uns einen kräftigen Kaffee und der Kleine kommt gleich in die Pulle-Wanne.

Heinz brummte etwas, was sie nicht verstand und setzte sich mit seiner Zeitung in seinen Lieblingssessel.

Sie tätschelte ihrem Purzel die Flanken, die aufgebläht schienen. Das Tier sprang jaulend auf.

„Ist was mit dem Hund?“ fragte Edda ihren Mann.

„Was soll schon mit ihm sein?“ Heinz blickte von seiner Zeitung auf.

„Welch schöne braune Augen er hat“, dachte Edda voller Entzücken. Sie war verliebt, wie am ersten Tag. Das Schicksal hatte es gut gemeint. Ein lieber, und vor allem, treuer Mann! Man hörte ja so viel in letzter Zeit über Ehebruch. Mit einem schönen Haus, Zeit und Geld zum Reisen, hätte sie sich gewünscht, die Jahre mögen stehen bleiben. In dem Alter müssten sie beide bleiben dürfen. Ihr Glücksgefühl überwältigte sie fast. Womit nur hatte sie das verdient? Sie bezog wie immer, ihren Purzel mit ein, streichelte noch einmal dankbar über seine Lenden, worauf das Tier einen Satz machte und sich in sein Körbchen verzog.

„Mit dem armen kleinen Kerl ist doch was nicht in Ordnung!“ stellte Edda besorgt fest und ihr war auf einmal ganz weh ums Herz.

Aus der Kehle des armen kleinen Kerls lösten sich Würgelaute. Er öffnete und schloss sein armes Mäulchen und endlich kam etwas zum Vorschein, was Edda als Erdnüsse identifizierte.

Sie fing an zu frieren. Diese Dickmacher waren das Letzte, was sie ihrem Tier erlaubt hätte.

Sie hatten nur ein einziges Mal einen echten Streit in den nunmehr vierzig Ehejahren gehabt.

Es ging um Erdnüsse. Sie wollte nicht, dass das Tier welche bekam. Sie waren ungeeignet und weder für Mensch noch Tier ihrer Meinung nach, empfehlenswert.

Sie war hartnäckig geblieben. Ihr kam so`n Zeug nicht ins Haus und Heinz hatte sich gefügt.

„Daher wehte also der Wind! Bei Charlotte quoll die Schale mit Erdnüssen nahezu über und wieso ihr Heinz mit dem armen Tier bei Wind und Wetter immer länger unterwegs war, wunderte sie nun überhaupt nicht mehr. Ihr fiel es wie Schuppen von den Augen. Einmal hatte sie in einer Anwandlung von Einsamkeit, weil gerade ihr Heinz und auch der Purzel sich anschickten, das Haus zu verlassen, ihre beste Freundin angerufen.

„Nein, Edda, ich fühle mich nicht gut, danke für die gute Besserung. Ich kann wirklich nicht kommen.“ In dem Augenblick hatte Edda gehört, wie es bei Charlotte schellte.

Die Wehleidigkeit war aus Charlottes Stimme gewichen. Sie wirkte auf einmal beschwingt, als sie sagte: „Wer kann das denn noch sein?“ Dieses Luder!

Sie stellte ihren Mann zur Rede, der gar nicht erst den Versuch machte ihr zu verklickern, er wäre zufällig bei Charlotte vorbeigekommen. Er sagte überhaupt nichts mehr und sie hörte ihn im Nebenzimmer seine Koffer packen.

Wie er so dastand in Hut und Mantel, gab es Edda einen Stich. Sie war völlig bewegungsunfähig.

Purzel ging es wieder besser, er schnüffelte an den Hosenbeinen seines Herrchens. Heinz schob das Tier ziemlich brutal von sich. Bevor er die Tür von außen schloss, schoss er einen letzten Pfeil auf seine Frau ab, die ihm schon längst mit ihrem Getue zum Hals heraus hing.

„Deinen Verräter kannst du behalten!“ sagte er. „Charlotte mag nämlich keine Hunde!“

„Wieder einmal eine Scheidung,“ musste Herta feststellen. „Wer hätte das gedacht?“ Völlig überrascht war sie allerdings nicht. Sie hatte es ja schon immer gewusst:

„Der Mann ist einfach zu schön!“

Der Debütant im Ruhestand

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