Читать книгу Mayerling - Heike Rogg - Страница 4
Symbolik des Todes
Оглавление132 Jahre ist es her, dass Kronprinz Rudolf von Österreich zuerst seine Geliebte Mary Vetsera und dann sich selbst im Jagdschloss Mayerling erschossen haben soll. So die offizielle Version des österreichischen Hofes, die bis heute Gültigkeit hat. Hatte man zuerst einmal versucht, als Todesursache Herzschlag oder Schlaganfall zu konstatieren, kam man aufgrund vieler Gerüchte davon ab und verkündete Selbstmord. Zunächst ohne die Verwicklung mit Mary Vetsera. Ihr Tod wurde in Österreich erst nach dem 1. Weltkrieg bekannt.
Doch die Absonderlichkeiten häuften sich bis in die heutige Zeit. Die Version des Selbstmordes war die denkbar ungünstigste, da man der Kirche glaubhaft versichern musste, dass dieser unter einem plötzlichem auftretendem Wahnsinns des Kronprinzen geschehen war, wollte man ein kirchliches Begräbnis für diesen erhalten. Doch selbst seine Schwester Marie Valerie glaubte nie so recht an diese Version. So schrieb sie am 14. März 1889 in ihrem Tagebuch: »Übrigens ist auch sein am Tag vor seinem Tod an Mama in Mayerling geschriebener Brief vollkommen klar und voll Liebe und Dankbarkeit gegen sie ... Aber je mehr ich über die verschiedenen Äußerungen nachdenke, desto mehr bin ich gerade durch den grellen Widerspruch derselben untereinander überzeugt, dass der uns bekannte Grund seines Todes weit davon entfernt war, der einzige zu sein... Sehr merkwürdig ist es, dass Papa wieder sagt, es könne kein anderer Grund sein als der bekannte. Glaubt er es wirklich oder will er sichs einreden? – Mama schwankt zwischen seiner und meiner Ansicht.«[1]
Am 25. Mai desselben Jahres schreibt sie:
»Papa sagt, er höre von allen Seiten, dass hier fast niemand an der Art von Rudolfs Ende glauben wolle, dass die meisten Mord oder doch gezwungenen Selbstmord glauben ... Papa sagt ganz richtig, es sei unbegreiflich, wie die Leute glauben können, dass man das Ärgste erfindet ... Franz[ii] glaubt auch nicht direkt an Mord – das wäre ja nicht möglich –. Wohl aber ist seine feste Überzeugung, dass noch ein Geheimnis um die Sache ist und dass Rudolf untereiner Depression gehandelt habe. Das glaube ich auch. Aber Papa scheint diesen Gedanken gar nicht aufkommen zu lassen.«[iii]
Warum will der Kaiser diesen Gedanken nicht aufkommen lassen? Auch eine Depression ist ein psychischer Ausnahmezustand, welcher den plötzlichen Wahnsinn, den die Ärzte aufgrund der Verwachsungen im Hirn des Kronprinzen gefunden haben wollen, erklären könnte. Dann stellt sich die nächste Frage: Warum glaubt Franz, der Bräutigam Marie Valeries, nicht direkt an Mord? Glaubt er indirekt daran? Was für ein Geheimnis gibt es, an das man im innersten Familienkreis in diesem Zusammenhang denkt?
Jahre später, am 30. Januar 1896 schreibt Marie Valerie erneut in ihr Tagebuch: »Ob wohl einmal der Tag kommen wird, der uns oder unseren Kindern das Dunkel lichtet? Über Rudolfs Tod?«[iv]
Wenn sogar die Schwester nicht recht an die offizielle Version glaubt und meint selbst, der Vater würde sich nur etwas einreden, um die Situation ertragbar zu halten, was ist dann die Wahrheit.
[1] Martha und Horst Schad (Hrsg.), Marie Valerie-Das Tagebuch der Lieblingstochter von Kaiserin Elisabeth
von Österreich, München, 1998, S. 196
[ii] Franz Salvator, Marie Valeries Bräutigam und späterer Ehemann
[iii] ebda. S. 198
[iv] ebda. S. 287