Читать книгу Vernehmungen - Heiko Artkämper - Страница 9
1.1.1Fehlerquellen bei der Wahrnehmung
Оглавление12Bei der Wahrnehmung bedarf es zunächst eines Auslöseanreizes, der überhaupt dazu führt, dass (irgend-)etwas wahrgenommen wird. Hier sind zunächst insbesondere die biologischen Möglichkeiten unserer Sinnesorgane zu berücksichtigen, die einer Wahrnehmungsmöglichkeit natürliche Grenzen setzen. Hierzu zählen neben sensorischen, physikalischen und sozialen Wahrnehmungsbedingungen insbesondere die Wahrnehmungsdauer, die vorhandene Aufmerksamkeit und der Wahrnehmungskontext.6
Beispiel:
13Wird ein Zeuge mit einer Waffe bedroht oder gar angegriffen, fokussiert sich seine Wahrnehmung auf die (Mündung der) Waffe. Er wird selten in der Lage sein, eine brauchbare Personenbeschreibung abzugeben oder ein vernünftiges Phantombild erstellen zu lassen.
Aber selbst eine taugliche Beschreibung der Waffe (Pistole/Revolver/Farbe/Lauflänge) wird häufig nicht möglich sein, da sich die Wahrnehmung auf das abstrakte Bedrohungspotenzial verengt hat.
14Darüber hinaus ist die Wahrnehmung bzw. sind die etwa 60 %, die wir von einem tatsächlichen Geschehen aufnehmen, höchst individuell und selektiv.7 Auch wenn es schwerfällt, muss man sich vor Augen führen, dass niemand etwas wahrgenommen haben muss.
Beispiel:
15Ein Polizeibeamter, der zu einem Verstorbenen kommt, achtet auf völlig andere Dinge – Hinweise auf ein Fremdverschulden/Tatgeschehen/Opfer/Tatwerkzeug/Täter – als etwa die trauernden Hinterbliebenen oder der später eintreffende Bestatter.
16Bereits bei der Wahrnehmung wird die Information selektiert, interpretiert und nach gewissen Schemata aufgenommen. Der Leser sollte versuchen, sich auf den nachfolgenden Text einzulassen und ihn zu lesen:
Beispiel:
17Kroretke Rehctshreibnug ist üerbflsüsig. Uensr Gihren tcikt adnres; Wesinsachsltefr heban fstegllestet, wroan das liget. Ncah irehr Stidue ist es eagl, in wlehcer Reiehnfogle Bchusteban in Woeretrn vomrokomen. Es ist nur withcig, dsas der ertse und lettze Bchusatbe an der ricthgien Stlele snid. Der Rset knan tatol falcsh sein und knan onhe Porbelme gleesen wreden.
18Entscheidend für die flüssige Aufnahme der Information ist nur, dass sämtliche Buchstaben eines Wortes vorhanden sind und der erste und der letzte Buchstabe „stimmen“; den Rest macht das Gehirn selbst. Bei einer Einteilung beispielsweise in Buchstabengruppen funktioniert dies selbst dann kaum, wenn „an sich“ eine korrekte Rechtschreibung verwendet wird:
Beispiel:
19Korre kteRe chtsc hreib ungistüb erflü ssig. Un serGe hirnt ickta nders. Wisse nscha ftler haben festge stell t, wora ndasl iegt.N achih rerStu dieis teseg al, inw elche rReih enfolg eBuch stabe ninWo erter nvork ommen. Esist nurw ichti g, wasd erers teund letzt eBuch stabe ander richti genSt elles ind.D erRest kannt otalf alsch seinu ndkan nohne Probl emeg elese nwerd en.
20Die Information wird aufgenommen, sofern die Buchstaben eines Wortes vollständig vorhanden und zutreffend gruppiert sind und der erste und der letzte Buchstabe an der richtigen Stelle stehen; den Rest (er)schafft unser Gehirn. Die Interpretation, die hier deutlich wird, ist eine Leistung des Gehirns und nicht steuerbar. Informationsaufnahme und Interpretation gehen daher unbewusst Hand in Hand.