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2.2.3 Parasoziale InteraktionenParasoziale Interaktionen

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Das auf Horton/Wohl (1956; vgl. Spreckels 2014) zurückgehende Konzept der parasozialen InteraktionParasoziale Interaktionen ist für die Betrachtung von Kommunikation im Jugendalter und Jugendsprachen insbesondere im Hinblick auf kommunikatives Verhalten in Verbindung mit MedienrezeptionMedien, -rezeption, -nutzung von Bedeutung. Als parasozial werden InteraktionenInteraktion bezeichnet, „die einseitig und nicht reziprok sind“ (Spreckels 2014: 168), also z.B. dann stattfinden, wenn Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer „TV-Akteurinnen direkt ansprechen […], diese aber natürlich nicht darauf reagieren“ (ebd.). Mit Freundinnen und Freunden eine Sendung zu schauen, dabei das Geschehen auf dem Bildschirm zu kommentieren und als Anlass für sprachliche Interaktion zu nutzen, stellt ein in der Alltagswelt etabliertes Phänomen dar, wobei es sich zwar um eine „asymmetrische Interaktionsform handelt“, aber dennoch um „aktives (soziales) Handeln seitens der Rezipienten“ (Spreckels 2014: 169). In der Alltagsgestaltung Jugendlicher spielt das Fernsehen „weiterhin eine zentrale Rolle“ (mpfs 2015: 11).1 Die TV-Nutzung beträgt bei Jugendlichen an Werktagen etwa 107 Minuten (mpfs 2019: 34) und einen Fernseher gebe es bei 96 Prozent (vgl. ebd.: 52). Wobei übrigens Sitcoms und Comedy ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen (vgl. mpfs 2015: 24f.; 2019: 36). In vielen Fällen befassen sich Jugendliche beim Fernsehschauen zeitgleich mit anderem, nämlich mit ihrem Smartphone (59 %, vgl. mpfs 2015: 27) oder sie machen Hausaufgaben (knapp ein Fünftel der Befragten, vgl. mpfs 2015: 27f.), was wegen der Unteilbarkeit der AufmerksamkeitAufmerksamkeit (vgl. 3.1) wohl die Qualität mancher Hausaufgaben erklärt. Außerdem werden Sendungen als Kommunikationsauslöser genutzt und „41 Prozent sehen regelmäßig fremdsprachige Videos“ (mpfs 2019: 39).

Spreckels hat über einen Zeitraum von circa zwei Jahren Sprachdaten von fünf befreundeten fünfzehn- bzw. sechszehnjährigen Mädchen aufgezeichnet und ausgewählte Sequenzen analysiert (teilnehmende Beobachtung, Auswertung ethnographisch, gesprächsanalytisch, vgl. Spreckels 2014: 165).2 Die Daten basieren auf Audioaufnahmen von Gesprächen der Freundinnen bei unterschiedlichen Freizeitaktivitäten, darunter auch das gemeinsame Schauen von TV-Castingshows. In diesen Fällen handelt es sich bei den Gesprächsdaten um aus parasozialen InteraktionenParasoziale Interaktionen gewonnene Daten. Gemeinschaftlicher Medienkonsum führt oft zu „medial ausgelöste[n] Kommunikationsereignisse[n]“ (Spreckels 2014: 180), bei denen Prozesse der Vergemeinschaftung der Zuschauerinnen und Zuschauer vonstattengehen: „Die Analyse der parasozialen InteraktionenInteraktion hat gezeigt, dass die Mädchen den Mediendiskurs nutzen, um geteilte Werte und Normen […] zum Ausdruck zu bringen“ (Spreckels 2014: 180). Häufig werde bewertet, was auf dem Bildschirm zu sehen sei, auch Lästersequenzen seien keine Seltenheit, was auf das „Fehlen der Reziprozität“ (Spreckels 2014: 181) der Kommunikation zurückgeführt wird, wodurch die oder der Beurteilende im sicheren Raum agiert, keine Gegenrede oder sonstige Retoure des Beurteilten befürchten muss. Es wird angenommen, dass junge Menschen auf diese Weise ihre kommunikativen Fertigkeiten und insbesondere ihre Schlagfertigkeit im geschützten Feld der Mediendiskussion trainieren.

Mediendiskurse fallen, besonders bei Jugendlichen, oft humorvoll, parodistisch und ironisch aus (Spreckels 2014: 183), sie aktivieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die damit die Rolle des rezeptiven und eher passiven Publikums verlassen. Mediendiskurse werden in der Regel kooperativ gestaltet. Dabei gehe es um Spaß, Unterhaltung, außerdem um Einfallsreichtum (vgl. 3.6 zu KreativitätKreativität) und sprachliche Gewandtheit sowie zugleich darum, einander mit Kommentaren zu übertreffen, von den peers bemerkt zu werden und die Gruppenidentität zu bestätigen: „Empirische Studien zur MedienrezeptionMedien, -rezeption, -nutzung […] zeigen eindeutig, dass (jugendliche) Zuschauerinnen keine passiven Wesen sind […], weshalb Medienrezeptionsgruppen auch als Interaktionsgemeinschaften bezeichnet werden“ (Spreckels 2014: 184).

Offenbar können durch gemeinsame MedienrezeptionMedien, -rezeption, -nutzung, z.B. das Schauen eines Films oder einer Show, kommunikative InteraktionInteraktionsanlässe gegeben werden, die, je nach Zuschauerkonstellation und geltenden Regeln bei der Rezeption, starke Anreize zum Sprechen und zum Teilen von Meinungen geben können. Eine direkte Übertragung der Ergebnisse o.g. Studie zur medienbasierten parasozialen sprachlichen Interaktion, z.B. auf das Schauen eines Films im Englischunterricht, scheint zwar nicht möglich, dennoch können die herausgearbeiteten Beobachtungen Anstöße für ein Überdenken der Gestaltung mancher Rezeptionssituation, auch im schulischen Kontext, geben.3

Mit dem Blick auf InteraktionenInteraktion im Rahmen von Medienrezeptionssituationen rückt auch die Frage nach der MediennutzungMedien, -rezeption, -nutzung im Jugendalter in den Fokus. Dazu werden im Folgenden einige wichtige Befunde zusammengestellt und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Medien bei der Kommunikation.

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