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EINLEITUNG
ОглавлениеBevor wir zur eigentlichen Einleitung dieses Buches kommen, möchten wir uns bei den vielen Tausenden Lesern unseres Sachbildbandes „Tore zur Unterwelt“ bedanken, dass sie sich sowohl für dieses außergewöhnliche Thema als auch für unsere Forschungen interessiert haben. Sie sorgten dafür, dass das Buch nach nur drei Wochen nach seinem Erscheinen in den vordersten Rängen (zweiter und dritter Platz) der Bestsellerlisten präsent war. Wir waren vom internationalen medialen Echo auf unser Buch sehr überrascht, denn wir hatten ja nur ein eng begrenztes lokales Gebiet der Steiermark mit seinen archäologisch interessanten Steinsetzungen und unterirdischen Anlagen behandelt und dabei erstmals aufgezeigt, welches Potenzial die weitere Erforschung und Bearbeitung dieser in Vergessenheit geratenen Objekte vielleicht haben könnte. Die archäologischen Fundstätten waren ja seit Jahrtausenden vorhanden, aber der Fachwelt nicht bekannt, sieht man von einigen wenigen Einzelpersonen ab. Wir erhielten in der Folge viele Rückmeldungen aus der Schweiz, Türkei, Russland, Rumänien, Bosnien, Deutschland, Italien, Frankreich, England, Schottland, Irland und den USA, wo es ähnliche Kulturdenkmale gibt und deren Ursprung ebenso ungeklärt ist wie von jenen, die wir in unserem Buch aufgezeigt haben. Viele in- und ausländische Rundfunk- und Fernsehanstalten berichteten über unsere Forschungen und das Thema des Buches wurde gleich viermal verfilmt. Wir waren überrascht von den vielen Hunderten positiven Rückmeldungen (Briefe, E-Mails, Anrufe usw.), die uns neue Informationen lieferten und zu diesem Zeitpunkt unbekannte unterirdische Objekte beschrieben, die wir dann in der Folge auch untersuchten. Viele interessante Anregungen, was unsere Forschungen betraf, haben wir ebenfalls von Kollegen und vielen bis dahin uns unbekannten Personen erhalten. Erfreut waren wir auch von den über 500 positiv verfassten Rezensionen des Buches. Natürlich gab es auch, wie nicht anders zu erwarten war, tendenziös verleumderische Kritiken von Einzelpersonen, die, obwohl sie nie zuvor in der Steiermark Forschungen durchgeführt hatten und die Gebiete bzw. Objekte auch persönlich nicht kannten, unsere Arbeit sofort verurteilten.
Wir stützen unsere heutigen Erkenntnisse und Auswertungen auf ein Wissen, das wir in unserer jahrzehntelangen Praxis bei Forschungs- und Ausgrabungstätigkeit im In- und Ausland erworben haben, und lassen auch die weltweit vorliegenden neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse aktuell einfließen. Damit ist jenes Wissen gemeint, das uns heute global nicht nur im Internet (?), sondern vor allem in publizierter Form vorliegt und auf dem wir systematisch aufbauen konnten. Meist hat man früher neue Forschungsergebnisse so interpretiert, dass man sie an die bestehenden Theorien angepasst hat. Im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen darf es keine wie auch immer ausgeformten Einschränkungen geben, denn dann würde die Forschung stagnieren und man würde auch zu keinen neuen Resultaten gelangen. Sehen wir uns einmal das letzte Jahrhundert an: Hätte man ständig Neuforschungen egal in welche Richtung blockiert, gäbe es heute keine technischen Wirtschaftszweige, keine Pharma-, keine Auto- oder Elektroindustrie, keine Flugzeuge, keine Handys und vieles andere mehr. Die meisten Grundlagen von bedeutenden Entdeckungen, egal in welchem Bereich der Wissenschaft auch immer, entsprangen dem Zufall und vor allem der offenen bzw. freien Denkweise der Forscher bzw. Wissenschaftler und daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern. Uns geht es bei unseren Forschungen ausschließlich um den geschichtlichen Hintergrund und hier vor allem um die Wurzeln bzw. den Beginn der kulturellen Leistungen der Menschen in unserer Heimat und um die Frage, wer wann und zu welchem Zweck die unterirdischen Anlagen, dazu zählen auch die Erdställe, das erste Mal aus dem Gestein bzw. Untergrund gehauen hat. Dies lässt sich natürlich nicht in einem kurzem Zeitraum klären, aber es besteht die Möglichkeit, wie in einem Puzzle auffällige Einzelteile herauszusuchen, zu prüfen und richtig aneinanderzufügen, um letztendlich irgendwann in Zukunft ein klares Gesamtbild zu bekommen.
Seit dem Erscheinen des ersten Buches waren wir in den letzten fünf Jahren jede Woche oft mehrmals im Gelände unterwegs, um unsere Kenntnisse von unserer Heimat und der Vergangenheit zu erweitern. Wir wurden nicht enttäuscht. Es gelang uns in weit über 1.000 Arbeitstagen und Forschungseinsätzen in der Oststeiermark, viele Hundert neue archäologische Fundplätze wiederzuentdecken. Durch unsere Feldforschung kennen wir heute mehr als 750 unterirdische Anlagen und über 400 Menhire und Lochsteine allein im oststeirischen Raum (Forschungsstand 2014). Vor allem mit der Unterstützung von Hunderten einheimischen Grundstücksbesitzern, Forstleuten, Jägern, Wanderern, interessierten Einzelpersonen, vielen aufgeschlossenen Mitarbeitern, Studenten, Kollegen, Universitätsprofessoren und Experten aus spezifischen Universitätsinstituten gelang es uns, einen kleinen Anteil an unserer steirisch-österreichischen und somit der mitteleuropäischen Vor- und Frühgeschichte weiter zu erhellen und unsere vorerst vermuteten Annahmen aus dem Sachbildband „Tore zur Unterwelt“ teilweise zu bestätigen. Die Ergebnisse übertrafen alles, was wir uns erwartet hatten. Jedoch sind noch viele Fragen, die wir uns damals stellten, unbeantwortet geblieben und es sind wieder eine große Menge neuer Fragen aufgetaucht. Aber dies war nicht anders zu erwarten, denn unserer Meinung nach gibt es hier noch viel mehr zu erforschen und zu entdecken, als allgemein angenommen. Wir bringen mit dieser Dokumentation, symbolisch gesehen, nur die Spitze eines überaus hohen Eisberges an die Öffentlichkeit, der Rest liegt im wahrsten Sinne des Wortes derzeit noch unberührt und geschützt tief unter der Erde! Natürlich galt es für uns auch, die eine oder andere zeitliche und finanzielle Hürde zu überwinden, aber die Forschungsergebnisse nahmen kontinuierlich zu und die zigtausenden Daten ergaben letztendlich ein derzeit vorläufiges Geschichtsbild, das für die steirische Vor- und Frühgeschichte eine völlig neue Grundbasis aufzeigt und jetzt von uns, unserem Team und bekannten steirischen und ausländischen Wissenschaftlern weiterführend im Detail untersucht wird.
Das Spannende an der Forschung ist, dass wir im Rahmen unserer Untersuchungen durch die Informationen von Einheimischen ständig auf neue unterirdische Anlagen stoßen, deren Zugänge aber in den meisten Fällen durch die Natur oder durch den Menschen selbst wieder verschlossen wurden. Besonders interessant war für uns im Herbst des Jahres 2012 die Wiederentdeckung von prähistorischen unterirdischen Siedlungsspuren auf insgesamt 10 Berghängen rund um Vorau, die bis zu diesem Zeitpunkt der Bevölkerung und auch der heimischen Wissenschaft unbekannt waren. Mittels TCN-Datierung belegt, sind vermutlich vor über 10.000 Jahren an den Berghängen mit großem Aufwand Schutzräume von Menschen der Nacheiszeit errichtet worden. Es könnte sich hier, wie bereits im Buch „Tore zur Unterwelt“ angekündigt, um eine megalithische Kultur handeln, die im mitteleuropäischen Raum in den nacheiszeitlichen Epochen vor rund 10.400 bis etwa 14.000 Jahren vor heute vielleicht angesiedelt und präsent war. Speziell in diesem Fall bekamen wir gezielte Informationen von der einheimischen Bevölkerung, die uns letztlich zu den richtigen Erkenntnissen verhalfen. Gewundert haben wir uns schon seit Jahren, dass es, bis auf wenige Ausnahmen, wie Terrassen, Einebnungen an Berghängen usw., keine Hinweise auf prähistorische Siedlungsplätze gab. Wir kannten nur die Streufunde aus jungsteinzeitlichen Epochen, die von der Bevölkerung hin und wieder gemacht wurden. Umso überraschter waren wir, als wir erkennen mussten, dass wir diese Plätze ständig vor unseren Augen hatten, wir sie hundertfach wahrgenommen und auch manchmal fotografiert hatten, aber die Wahrheit einfach nicht erkennen konnten, weil diese wohlbehütet tief unter der Erde lag. Vermutet hatten wir unterirdische Siedlungen schon länger, wir haben dies ja in unserem ersten Bildband im Text angedeutet und die relativ große Anzahl an künstlichen unterirdischen Anlagen lieferte ja schon Hinweise auf diese Möglichkeit, aber wir mussten, wie man so schön sagt, erst mit der Nase darauf gestoßen werden, um die Tatsachen auch zu erkennen.
Gerade in der wissenschaftlichen Feldforschung sind es oft der Zufall und die Erfahrung des Sachbearbeiters, welche eine große Rolle spielen. Meist sind es nur Kleinigkeiten, die die Aufmerksamkeit des Forschers erregen und ihn auf eine neue Spur führen. Wir hatten das Glück, dass wir in den letzten 40 Jahren in Mittelamerika, Europa, Asien und Afrika weit über 4.000 künstliche unterirdische Anlagen, wie beispielsweise Bergwerke, Grabkammern, Tempelkomplexe und Gänge aus allen Kulturepochen, untersuchen und studieren konnten, um uns auf diese Weise genug Erfahrungswerte anzueignen, was die frühe jahrtausendealte Bearbeitung von Felsgestein und dessen Erscheinungsbild betraf. Dadurch waren wir auch sofort in der Lage, die unterschiedlichen Bearbeitungsoder Werkzeugspuren, die wir an den Wänden in den Kammern und Gängen der unterirdischen Anlagen bei Vorau fanden, erstmals vorsichtig zu deuten. Das Interessante daran war, dass die ältesten Werkzeugspuren offensichtlich diejenigen waren, die sich durch eine sehr hohe Präzision in der Arbeitsweise und – art auszeichneten. Das Problem für uns war aber die zeitliche Zuteilung, die wir bis jetzt nur mit „Unbekannte Zeitstellung“ umschreiben konnten. Wir wussten zwar, dass diese Spuren aus dem prähistorischen Zeitraum stammten, weil andernorts Tausende solcher unterirdischen Objekte, durch Funde belegt, manchmal ein Mindestalter von über 7.000 Jahren aufwiesen und auf die gleiche oder ähnliche Art gefertigt worden waren. Wir konnten aber damals, vor rund 5 Jahren, unsere unterirdischen Anlagen nicht eindeutig einer Zeitepoche zuweisen sondern nur Vermutungen zum Alter äußern, in unserem Fall war es die Bronze- und Jungsteinzeit. Dies scheint nun überholt zu sein und wir können, durch Datierungen belegt, vorläufig ältere Richtwerte für einzelne Objekte angeben.
Und was uns persönlich am meisten freut, ist, dass wir durch unsere Arbeit und dieses Buch unserer Heimat und auch der Wissenschaft einen möglicherweise sehr weit zurückreichenden Geschichtsabschnitt von Mitteleuropa übergeben können, den es allerdings noch im Detail aufzuarbeiten und zu erforschen gilt. Wir möchten auf alle Fälle durch die zahlreichen Informationen, die wir von der Bevölkerung und speziell im letzten Jahr von kirchlicher Seite her bekommen haben, die schier unglaubliche Unterwelt der Nordost- und Oststeiermark weiter erforschen und mit neuen Datierungsserien das vorläufig ermittelte Alter stützen oder bei Bedarf korrigieren.
Mag. Dr. phil. Heinrich Kusch und Ingrid Kusch
September 2014