Der Untertan

Der Untertan
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Diederich Heßling ist obrigkeitsgläubig, Mitläufer und Konformist. Im Kern ist er ein unsicherer junger Mann, später Student, Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung, Stammtischagitator, Fabrikbesitzer, Kontrahent des Proletariats, Beherrscher der Familie, lokalpolitischer Intrigant und Verehrer des deutschen Kaisers Wilhelm II. – ein Tyrann gegen Schwächere, andererseits Untertan, der sich freudig unterordnet – und der radikalen Nationalisten.

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Heinrich Mann. Der Untertan

Inhalt

I

II

III

IV

V

VI

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Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt. Ungern verließ er im Winter die warme Stube, im Sommer den engen Garten, der nach den Lumpen der Papierfabrik roch und über dessen Goldregen- und Fliederbäumen das hölzerne Fachwerk der alten Häuser stand. Wenn Diederich vom Märchenbuch, dem geliebten Märchenbuch, aufsah, erschrak er manchmal sehr. Neben ihm auf der Bank hatte ganz deutlich eine Kröte gesessen, halb so groß wie er selbst! Oder an der Mauer dort drüben stak bis zum Bauch in der Erde ein Gnom und schielte her!

Fürchterlicher als Gnom und Kröte war der Vater, und obendrein sollte man ihn lieben. Diederich liebte ihn. Wenn er genascht oder gelogen hatte, drückte er sich so lange schmatzend und scheu wedelnd am Schreibpult umher, bis Herr Heßling etwas merkte und den Stock von der Wand nahm. Jede nicht herausgekommene Untat mischte in Diederichs Ergebenheit und Vertrauen einen Zweifel. Als der Vater einmal mit seinem invaliden Bein die Treppe herunterfiel, klatschte der Sohn wie toll in die Hände – worauf er weglief.

.....

Und so imposant sie angefangen hatte, hierüber kam sie nicht hinweg. Diederich nannte sie im stillen eine dumme Gans. Die ganze Gesellschaft paßte ihm nicht. Von feindseliger Schwermut erfüllt, sah er darein, bis die letzten Verwandten aufgebrochen waren. Agnes und ihr Vater hatten sie hinausbegleitet. Herr Göppel kehrte zurück, erstaunt, den jungen Mann allein noch im Zimmer zu finden. Er schwieg forschend, einmal faßte er in die Tasche. Als Diederich unvermittelt, ohne um Geld gebeten zu haben, Abschied nahm, bekundete Göppel große Herzlichkeit. „Meine Tochter werd’ ich von Ihnen [pg 21]grüßen“, sagte er sogar, und an der Tür, nachdem er ein wenig überlegt hatte: „Kommen Sie doch nächsten Sonntag wieder!“

Diederich war fest entschlossen, das Haus nicht mehr zu betreten. Dennoch ließ er tags darauf alles stehen und liegen, um sich durch die Stadt bis zu einem Geschäft zu fragen, wo er für Agnes das Konzertbillett kaufen konnte. Vorher mußte er auf den Zetteln, die dort hingen, den Namen des Virtuosen herausfinden, den Agnes erwähnt hatte. War es der? Hatte er so geklungen? Diederich entschloß sich. Als er dann erfuhr, es koste vier Mark fünfzig, riß er vor Schrecken die Augen weit auf. So viel Geld, um einen zu sehen, der Musik machte! Wenn man nur einfach wieder fortgekonnt hätte! Als er bezahlt hatte und draußen war, entrüstete er sich zunächst über den Schwindel. Dann bedachte er, daß es für Agnes geschehen sei, und ward von sich selbst erschüttert. Immer weicher und glücklicher ging er durch das Gewühl. Es war das erste Geld, das er für einen anderen Menschen ausgegeben hatte.

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