Читать книгу Eugénie oder Die Bürgerzeit - Heinrich Mann - Страница 5
Zweites Kapitel
ОглавлениеGabriele, die anhielt, weil die anderen schon still waren, unterdrückte einen Schrei. Dort stand der Schwarze über seinem Stock – die Kleidung schwarz, das Haar von schwarzer Glätte und zwischen schwarzen Backenbärten dies gelbgefärbte, teuflische Gesicht! Gleich darauf sah sie, daß es nur der Nachbar war.
»Herr Pidohn!« rief sie. »Wen stellen Sie vor?«
Der Mann nahm dies als Einladung, er öffnete die Pforte und trat ein. »Da bin ich«, verkündete er dumpf, noch in der Rolle der Schreckensgestalt.
»Komödiant!« sagte Gabriele, – worauf er lachte. Seine schwarzen Brauen trennten sich, sie schnellten an den Rändern der Stirn spitz hinauf.
»Ich fuhr spazieren ... Pidohn ist mein Name«, sagte er zu den Offizieren, denn Emmy Nissen kannte er.
»Immer fahren Sie spazieren«, hielt Gabriele ihm vor. »Hu! was Sie für einen Wagen haben.«
Eine zu große Karosse, über hohen Rädern schwankend, zog mit Ächzen auf der Straße vorüber im Trauerschritt der Pferde, die schwarz wie der Kutscher waren.
»Obwohl er nur einfach vom Lohnkutscher Pagels ist«, ergänzte Gabriele.
Emmy Nissen bemerkte:
»Natürlich sind alle Herren der Stadt um diese Tageszeit in den Kontoren. Darum ist es ausnahmsweise«, dies betont, »doch herrlich durch die Wälder zu fahren, vielleicht bis ans Meer.«
»Ich bin die Ausnahme«, verkündete Herr Pidohn. Er konnte schalkhaft die weißen Zähne zeigen. Nur der kühne Blick mußte düster weiter glänzen. Da er grade auf Leutnant von Kühn traf, fühlte Leutnant von Kühn sich verpflichtet, zu sagen, daß Spazierenfahren das Ideal sei: so unwiderstehlich wirkte der Blick.
Leutnant von Kessel, den kein Blick getroffen hatte, meinte spöttisch, unter Bäumen sei gut träumen.
»Denken!« berichtigte jener. »Spekulieren!« sagte er, schon hatte Kessel bescheiden den Atem angehalten. Der Mann aber stand nicht mehr über dem Stock, er hatte Körper und Kopf zurückgeworfen, er sprach von oben.
»Konsul West inzwischen sitzt auf seinem Schemel an der Spitze eines langen Pultes, wo noch sechs andere sitzen, und schreibt. Auf dem Exerzierplatz hingegen üben sich Leute wie Sie«, sagte er zu den beiden Offizieren, die einander ansahen, warum in aller Welt sie dies nur ruhig hinnähmen.
»Sie alle haben keine Zeit, ihr Feld ist der Augenblick. Meines –« er wuchs noch, »die Ferne.« Er wuchs. »Das Grenzenlose.«
»Weil Sie an der Börse spielen?« fragte Emmy Nissen nur wenig eingeschüchtert.
Seine Brauen verschränkten sich. »Der Spekulant kann stürzen«, entschied er. »Der Spekulant kennt die Gefahr, ihn bedrohen die Zukunft und der, dem die Zukunft gehört.«
»Wer ist das?« fragte Gabriele unschuldig.
»Sind Sie nicht Christin?« fragte Pidohn selbst ... Er wartete ihr Erstaunen ab. »Denken Sie an die heiligen Frauen, – die alle Sünderinnen waren«, sagte er anzüglich, sah aber fort. »Sie wurden groß durch das Unglück.«
Mit ungewöhnlich schöner, ernster Stimme fragte er:
»Riefen Sie das Unglück noch nie herbei?«
Da Gabriele heftig den Kopf schüttelte:
»Verleugnen Sie es nicht! Das Unglück ist mitten im strahlendsten Glück unsere heimliche Lockung. Wir wissen von ihm nicht, schon ist es unser merkwürdigster Besitz.«
Da alle ihn nur betrachteten, ward ihm wohl bewußt, daß er abweiche, ja, sich dadurch wieder einmal schade. Denn unvermittelt ward er ein Mensch wie andere, ein Börsenbesucher voll Leutseligkeit und mit gefärbtem Haar.
»Womit nicht gesagt sein soll, daß wir es schon satt hätten, zu gewinnen. Nie im Leben!«
Er lachte geräuschvoll. Zu den Offizieren besonders sagte er:
»Sieger wie wir! Wann könnte es uns fehlen!«
Sie wußten auch diesmal nicht, wie sich verhalten. Ermunternd rief Pidohn noch:
»Stürzen wir uns in neue Schlachten!«
Grade hier erblickte er Konsul West, den noch niemand kommen sah.
Er nahte mit wiegenden, schnellen Schritten, in hellen Beinkleidern, dunklem Rock, und über einem Arm lag sein Mäntelchen, mit dem seidenen Futter nach außen. Er hielt den steifen, grauen Hut in der Hand. Aus dem Hause lief ein Dienstmädchen und nahm ihm beides ab. Er begrüßte die Gesellschaft mit Würde und Leichtigkeit. Seine Frau küßte er auf die Wange, dann hob er seinen Jungen zu sich auf. Der Fünfjährige mußte berichten, womit er den Tag verbracht habe. Er wurde gefragt, wer in der Stadt drinnen, rechts und links von ihrem Stadthause und die ganze Straße entlang ihre Nachbarn seien.
»Und hier draußen, junger Freund, im Sommer?« fragte seinerseits Herr Pidohn.
Es fiel auf, daß er sich vordrängte. Der Konsul begegnete ihm gemessen, mit schwer erkennbarem Spott. Nur Gabriele verstand den Ausdruck ihres Mannes genau. Pidohn war eine Persönlichkeit, die noch geschont werden mußte, im Grunde achtbar war er nicht.
Beiseite sagte sie dem Mädchen: »Decken Sie den Tisch für fünf Personen. Unser Nachbar kann nicht bleiben.«
Inzwischen gelang es diesem, den Konsul von den übrigen abzutrennen. Sogleich teilten die beiden jungen Offiziere einander ihre Zweifel mit. War es von der Ehre geboten, jenen Herrn wegen seiner auffallenden Äußerungen zur Rede zu stellen? Fräulein Nissen, die es hören konnte, deutete eifrig und stumm auf ihre Stirn, aber sie wollten ihr nicht glauben. Erst Frau Konsul West, die zurückkehrte, brachte durch ihre lustige Nachahmung des Sonderlings die Herren zum Lachen. Sie rückte wichtig den Kopf umher; bei ihr freilich war es mehr ein Vögelchen, das getrunken hat, als der großartige Mann. Gleichviel, sie lachten gern und blickten von ihr zu ihm. Dort drüben entfaltete Pidohn sich vor dem Konsul.
Er fing klein an, befangen sogar – versuchte, sein Gegenüber am Knopf zu fassen, was aber der Konsul geschickt vereitelte. Gabriele lachte lauter, ihr Gatte verständigte sich mit ihr von fern durch die Augen. Er hatte blaue, sehr klare Augen, sie blickten selbstbewußt und heiter. Das runde Gesicht zeigte noch Jugendblässe. Die dunkelblonden Haare schlugen über der Stirn eine Welle, an den Schläfen stießen sie in zwei dichten Büscheln nach vorn. Sein Schnurrbart endete in lang ausgezogene Spitzen.
Er konnte auf seinem niedrigen, umgelegten Kragen den Kopf ein wenig schräg tragen, so wirkte er vollends romantisch. Das hatte, als sie ihn kennen lernte, auch Gabriele gewonnen, sie selbst nach vielen anderen. Seine Erfolge hatten ihm bei ihr nur genützt, besonders aber, wie er sie trug, seine Selbstverständlichkeit, sein Takt. Sie sah in ihm den schönsten Mann, ohne je zu vergleichen, und das Unangemessene Glück, obwohl sie kein schlechteres in Betracht zog. Auch der liebliche Tag um sie her war da, und sie atmete ihn einfach.
Wie liebenswürdig und in der Form wie sicher blieb Konsul West bis jetzt gegenüber den Zumutungen des Spekulanten. Er schien mehr oder weniger besorgt um ihn, vielleicht auch um die von jenem verletzten Konventionen. So verhielt sich ein wohlgeratener, vom sicheren Geschick getragener Mann zu einer verdächtigen Existenz, die gegen das hergebrachte Wahrscheinliche ging.
Es trat deutlich hervor, sogar für die beiden Leutnants. Emmy Nissen erinnerte unter dem Eindruck an dunkle Hintergründe, die Herrn Pidohn nachgesagt wurden. Er sollte in abgelegenen Teilen der Stadt unter falschem Namen bekannt sein, ja, nicht einmal mehr die äußere Maske des ehrbaren Kaufmanns wahrte er dort. Die Echtheit seiner dicken, schwarzen Backenbärte ward aus solchen Gründen angefochten.
Die Gruppe der Beobachter versenkte sich in ihr spannendes Gespräch. Wie aber, als sie wieder hinsahen? Das Bild der beiden war verändert, es veränderte sich noch vor aller Augen. Der eine wuchs jetzt, er wollte wieder so hoch wachsen, wie in seinen anmaßendsten Augenblicken. Der andere ward im Gegenteil kleiner. ›Nein!‹ fühlte Gabriele, ›nicht kleiner. Aber er sieht nicht mehr her, er hält die Hand am Schnurrbart, senkt den Kopf, und Pidohn hat ihn, wo er will. Jürgen ist in Versuchung.‹
Sie fühlte dies ohne Worte. Ihr kam Angst, sie wußte nicht woher. Was jener dort redete, verstand sie nicht; statt dessen hörte sie, deutlich wie vorhin, seine verschönte, ernste Stimme sagen:
›Denken Sie an die heiligen Frauen, die alle Sünderinnen waren! Sie wurden groß durch das Unglück.‹
Es klang ihr abscheulich. Sie empörte sich, weil sie es noch einmal ertragen sollte. Daher ging sie hin und stellte sich an die Seite ihres Mannes.
»Herr Pidohn!« befahl Gabriele. »Mein Mann spricht mit mir niemals von Geschäften. Was aber Sie ihm jetzt sagen, will ich wissen.«
Vergebens versuchte Konsul West, sie zu besänftigen.
»Sie sagen ihm sicher abscheuliche Dinge!« rief sie zornig und melodisch. »Auch zu mir haben Sie etwas gesprochen, das ich noch jetzt höre und will es doch nicht. Sie sind ein Mann, der nicht hierher gehört. Ich hasse Sie!«
Dies waren nun Worte, die niemand mehr begriff. Man stand betreten. »Aber Gabriele!« murmelte der Konsul. Der Angegriffene selbst schrumpfte sofort zu seinen gewöhnlichen Maßen zusammen, ward eine Person wie jede andere und sagte:
»Das tut mir leid, Frau Konsul. Das tut mir innig leid. Gehaßt werden, das will ich nicht ...«
Er verbeugte sich, ging, wiederholte aber noch den ganzen Gartenweg entlang:
»Das war nicht meine Absicht, gehaßt zu werden. Bei Gott, das nicht.«
Alle sahen ihm nach, – wobei sie zum erstenmal bemerkten, daß es dunkel ward. Schon lange dämmerte es, die lange nordische Dämmerung. Aber selbst der Schatten blieb durchsichtig.
Der Abgehende hatte die Pforte erreicht, da mußte er in seinem Schmerz an noch jemand vorbei. Jemand stand dahinter.
Man erkannte ihn an seinem hohen Schlapphut und dem gefalteten Plaid über der Schulter. Jeder hätte ihn erkannt.
»Professor von Heines«, raunte Konsul West seiner Frau zu.
»O Gott!« rief sie gedämpft. »Will er denn zu uns?«
Sie grüßten ihn wohl auf der Straße; die ganze Stadt grüßte in dem alten Dichter ihren eigenen Ruhm. Aber er verkehrte bei ihnen nicht. Auf einmal stand er draußen, ja, wartete, daß sie ihn hereinholten. Hier half Emmy, dank ihren Beziehungen zur Kunstwelt.
»Herr Professor«, begann sie mit tiefem Knicks. Schon war auch der Konsul angelangt und erbat weltmännisch die große Ehre. Heines trat ein.
»Ich war auf einem Abendgang begriffen«, erklärte er, »als gewisse Beschwerden des Alters mich nötigten, zu rasten. Eine glückliche Fügung erlaubt, daß es geschehen darf im Licht der schönsten Jugend.«
»Ah!« machte der Konsul aus wahrer Bewunderung. Die Konsulin sah mit groß geöffneten Augen, ob ehrfürchtig oder befremdet, in die des Dichters, – bis er sich über ihre Hände beugte.
Er kam aus Ländern, wo man Damen die Hände küßte! Dort hatte er sein Leben verbracht, nur sein Alter gehörte der entlegenen Heimatstadt. Sie blieb im Grunde mit ihm unvertraut, sie hätte vergebens erraten wollen, welche Abenteuer, welcher Glanz oder unbekannte Schmerz fern hinter ihm verdämmerten. Seine Haltung drückte aus, daß er viel erfahren habe, aber stolz und keusch davon schweige. Sie drückte Abstand aus. Sein Gedicht und Geschick, das alle in Liedern lasen oder sangen, samt seiner Rolle als Herold der sich einenden Nation, alles erlebte er öffentlich und für ein Volk, nur war es keins in Atemnähe, es war ein innen angeschautes. Vor dem Leben hielt er zurück.
In den schönen Augen dieser Dame aber hatte er die Spur von Tränen erblickt, vergossen um jenen abgehenden Mann, der gleichfalls weinte. Der Mann war vom Unglück gezeichnet, die Dame schön und jung. Nur der Dichter sah und verband, was anderen ohne Sinn blieb.
Er dachte sich diesen Garten voll besonnten Jugendglückes, erst mit der Dämmerung schlich das Unglück sich ein, griff an und fand Entgegenkommen. Der alte Dichter wußte: Unglück wie Laster zogen an, sie lockten ungesund. Man ward wohl heftig, wie vorhin die junge Konsulin, im Grunde aber war man versucht. Das hatte gute Weile, noch gehst du, schöne Dame, und trägst den Kopf hoch. Für den Wissenden bist du dennoch gefährdet.
Alle erstiegen die Terrasse, wo Windlichter brannten. Der Dichter ergriff das eine, er näherte es dem schönen Gesicht.
»Ich schrieb noch kürzlich in ein südliches Land«, sprach er sorgfältig, »auch unter unserem Himmel wüchsen Helden und göttliche Frauen, er sei gefährlich wie irgendeiner.«
»Danke, Herr Professor, danke«, erwiderten einstimmig die Leutnants, denn mit Recht bezogen sie dies auch auf sich. Sie nahmen die Absätze zusammen. In allem lag, daß sie ihre Pflichten gegen den Dichter kannten, wie er gegen sie die seinen. Unterdrückt lag auch noch Spott darin – zugleich mit Unsicherheit. Der Dichter warf den Kopf, sein weißer Knebelbart ward stolz gehoben, der Blick bekam Pathos.
Der Konsul wünschte dem berühmten Gast seinen Sohn zu zeigen. Der Mutter fiel das Kind erst jetzt wieder ein. »Wo ist er? Jürgen!« Wieder begann das große Suchen. Der Junge war noch immer nicht zu Bett, keins der Mädchen kannte sein Versteck. Im Garten? Er fürchtete das Dunkel. Dennoch ward er dort zuletzt entdeckt, auch diesmal fand Leutnant von Kessel das Kind. Es lag auf dem Rasen, mit dem Gesicht im Hyazinthenbeet. Die Pflanzen dufteten nächtlich stark. Reglos lag es und atmete nur.
»Sofort hierher!« rief der Konsul drohend. Als Jürgen aber kam, ward ihm vom Vater die Backe nur gestrichen, wie im Spiel. Der Vater lachte dabei wohlwollend. Ungeduldig war nachgerade die Mutter.
»Ich kenne dich, du willst, daß ich mich ängstige!«
Sie übergab das Kind dem Mädchen, damit es nur wegkomme.
Einzig der alte Dichter hielt es an der Hand noch zurück. Er sah ihm streng in die Augen, dies Kind gefiel ihm nicht.
»So lagest du und berauschtest dich?« fragte er – ließ das Kind aber los, bevor es antworten konnte; es verschwand gedemütigt.
Konsul West und seine Gattin luden eindringlich zum Abendessen, dennoch überlegte der Dichter, ob hier seines Bleibens sei. Das Kind war sinnlichem Überschwang zugeneigt, der Verderbnis vielleicht bestimmt. Ihm drohte für die Zukunft ein Weg: ach! seine schöne Mutter betrat ihn schon. Verdächtige Gäste klopften hier an. Warum näherten frische junge Krieger sich den wankenden Mauern dieses Hauses? Tragisch war das Los des tätigen Mannes, der es errichtet hatte mit eigener Kraft, und dies Ende eines ganzen tüchtigen Bürgerstammes! Der Dichter war voll Eifer und Reinheit für die Dauer des Bürgertums, aller seiner Stämme. Er tat auch hier seine Pflicht. ›Dies Haus sei von den Göttern preisgegeben. Gleichviel, ich bleibe.‹
Außerdem drängte sein altes Leiden ihn, noch zu verweilen. Er nannte es nicht, erklärte nur: »Ich holte es mir auf meinen Sängerfahrten«, und bat, sich für kurze Zeit zurückziehen zu dürfen.
»Heines ist sonderbar«, sagte alsbald die Konsulin.
Der Konsul lächelte. »Ihn wandeln menschliche Gefühle an.«
Hierüber verzogen beide Damen das Gesicht, es war gewagt. Der Konsul konnte gewagt sein. Die Offiziere erlaubten sich nicht, zu lachen.
Gabriele hatte nur sagen wollen, daß Heines trotz allem sich wichtiger nehme, als sie je geglaubt hätte. Freilich versicherte grade ihre unüberwindliche Befangenheit sie, daß er recht habe. Er wäre, für sich allein genommen, lächerlich gewesen, mit Glatze, Kopfrücken, erhabenem Blick. Aber hinter ihm gab es Welten,– er hatte sie gekannt, und sie verlor man nicht. Gabriele wußte es. Vor ihrem Innern erschienen zwei mit Standbildern gekrönte alte Säulen an einem besonnten, breiten Fluß.
»Ich würde dich bitten, jetzt nicht zu träumen«, – der Konsul zog nur die eine seiner blonden Brauen hinan.
Der Tisch war vorzubereiten. Während auch sie selbst dabei half, unterrichtete Fräulein Emmy Nissen doch die drei Herren über Eigenheiten des Ehrengastes. Sie war ihm in anderen Häusern begegnet; so weit entfernt die Ehrenplätze dort von dem ihren lagen, sie hatte sich umgesehen. Professor von Heines aß dies und jenes nicht, er trank vor allem keinen weißen Wein. »Sehr vernünftig«, bemerkte der Konsul.
»So nennst du ihn nicht mehr lange«, verhieß seine Kusine ihm. Hierauf erwähnte sie noch auffallendere Eigenheiten Heines'.
Der alte Dichter war empfindlich über jedes gewohnte Maß. Sie bat ihren Vetter dringend, seine Neigung für Gewagtes ganz zu unterdrücken.
»Vor allem aber darfst du nie bezweifeln, daß alles, was er aus seinem Leben erzählt, auch wahr ist.«
»Du glaubst doch nicht, daß er lügt?« fragte Gabriele, die geschlossene Hand an ihrer schmalen Wange.
Emmy zuckte die Achseln.
»Er dichtet, – und versteht mich alle wohl! Nichts anderes steht in der Welt für ihn obenan, einzig das Dichten.«
Die Konsulin verzog den Mund. Aber der Konsul sagte:
»Der Ansicht kann man sein.«