Читать книгу Hurengespräche - Heinrich Zille - Страница 6

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Olga:

Pauline, Kutscherklara sagt dein Liebster ist dein Bruder, na weeßte – nu jeh mir eener mit den Finger aus den Mund! Wie biste denn da druff jekomm'?

Pauline:

Un wenn schon! Det schad ja nischt, det wird ja wieder abjewischt! Warum soll ick mir mit nen faulen Luden rumbaljen un' um de Neese ferzeln lassen! Orje war mir schon als Junge jut, wir fing'n schon kleen an det Pißzeig zusamm zustecken. Det is' ja richtig, hätt'n wir nich so dreckig jewohnt un' wär'n nicht so arm jewesen, dann war woll manches anders jeworden.

Na, wenn ick noch so dran denke. Amalienstraße in's Scheinviertel.

Den janzen Tag war'n wir allene, die Oll'n jingen arbeeten, ick kochte den Fraß un' hatte die Kleen uff n Halse.

Die lieben Kleen – ieberhaupt die drei letzten – na! Heia hatte die englische Krankheit, kakte in die Dielenlöcher un schmiertes Willi'n, der dämlich war, in's Jesichte.

Willi rutschte uff den Dielen rum un' riß sich Splitter in Arsch. Weil ick nich nach Schule kam mußte Mutter det in Barum absitzen un' die Lehrer verdreschten mir den M'arsche. Ach Jott ja, die Lehrer! Die hab'n mir immer anjeklaut, ick war aber ooch schon een strammes Balj mit Ditten un' dicke Beene un hatte det ooch schon mit de Banane raus.

Der erste der mir vorgekneppt hat war een oller dreckijer Hausierer, der uff uns'en Korridor wohnte. Der hat sich rinjeschlichen un' mir uff Mutter'ns Stoßlade überjebogen.

Er hat mir jeschunden un' volljeklirt, die olle dreckije Hottepese, Orje hat an de Türe jehaun un' jebrüllt, aba nachher hatt'n sich Vater mit de Axt vorjenomm, da jab's Stob. Vater kam uff een Jahr nach die Plötze, den Hausierer konnt'n se nischt der hatte en Jagdschein.

Der Olle saß un Mutter jing Lumpen sortier'n, oben in die Mühlenstraße, in die Stampe un' brachte Lause mit. Brachte sie sich mal heimlich een Wonneproppen mit, dann sollt'n wir Jroßen uff die Straße, hab'n uns aber an de Türe jeschlichen un' durch kleene Löcher zugekiekt. Orje schlief mit ihr uff die Erde in nen ol-len Bettkasten, nu hat er ihr mal nachts an's Jeschwür jeklaut, dafor mußte er zu die Kleen un ick in den Kasten.

Die Kleen hab'n ihn anjepisst un da lag er lieber in Vaters Bett bei die bucklije Hofsänger'n, an die wir det Bette vermiet hatten. Die hatt'n anjelernt. Er hatte schon Haare dran und bei's ablausen fand ick Filzlause drinn, die war'n von die Bergrätin, die hat nu Mutter rausjeschmissen.

Er war een strammer Bengel un' een juter Junge, un' brachte mir jleich bei wat er bei die Astowitzen jelernt hatte. Wie uns Mutter mal nachts bei faßte gabs keen Meck Meck, wir wußten zu ville von ihr.

Wie er in die Lehre außerhalb kam, bin ick nach meine Insejnung ooch abjehau'n. Bios um von die Arbeet un' die dreckigen Jöhr'n wejzukomm, die ooch jarnich mal von mein Vater warn, die Oll'n hab'n sich det jenug vorgeschmissen un' sich verhaun. Da hab ick mir nu mein Jeschäft uffjemacht. Meine Eltern habe ick nich wieder jeseh'n, Mutter is' tod, det weeß ick.

Aber nu! Vorigtes Jahr war's, ick sitze in Brühkeller bei die rote Lena, det kommt een strammer Mensch an mein Tisch, ick nehm unter die Lupe, et war keen Stammjast – wat soll ick sagen – Orje!

Ich erkannt'n an sein rötet Mal uff die Jesichtsbacke, ick habe ooch een aba ick sitze druff. Mutter hatte sich, wie se mit mir jing, ooch mal erschrocken, aber nich in's jesichte jefaßt. War det een Wiedersehn nach so ville Jahre, die Freide!

Linchen sagt er, det wird schon Tag, ick habe een Knallbonbon in die Hosen der lauert uff dir, die fünf Jrosch'n kannste dir ooch verdien, komm!

Vier Tage lang hab' ick keen Mann die Türe uff jemacht, so hab'n wir det Wiederseh'n jefeiert!

Olga:

Kutscherklara sagt dein Vater is' vorgestern ooch bei dir jewesen, wenn der nu dein Bruder erkannt hätte, det sin' nu beede Schwager.

Sie kennt ihn schon von früher, er liegt in Schlafstelle wo se abends klettern jeht.

Pauline:

Ick weeß nich ob der Olle noch lebt, von Mutter, dat weeß ick, die is tod. Ick hab' ihn 15 Jahre nich mehr jesehn un' wem ooch nich mehr kenn.

Janz so andersch war's mir ooch, als ob ick mir mit dem Mann nich soll inlaßen – na – wenn er's war – scheiß – hinten kam er noch hoch!

Rosa:

Det is' nich blos bei arme Leute so, det kommt in die feinsten Familien vor.

Dein Bruder Orje wird deine Mutter von nen janz anderen Mann hab'n, drum is' er so scharf uff dir. Wenn ooch dein Vater sollte dein Vater sin, du kennst'n nich, er kennt dir nich! Det kann doch Keener verlang'n det man jeden Stubb'n mang die Arbeet frag'n soll: Sind Sie vielleicht mein Papa?

Meine Mutter hat mir noch uff s Sterbebette jesagt det ick von mein Vater bin und er hat mir uff n Jewissen.

Er hat sitzen müssen wejen mir und weiß Gott, ich will auf der Stelle erblinden, wenn ich Schuld war. Ich war zwölf Jahr, da hat er mir schon beklaut und habe zugesehn wenn er nacht's bäuchelte.

Wie Mutter krank wurde und se hat lange gelegen, brauchte sie ihr Bett alleene und ick mußte bein Vater schlafen, da hat er mir jleich nen verpaßt. Mutter is' in Urban gestorb'n, sie hat alles jewußt, aber nischt verraten. Durchs Kind ist's raus jekomm, wie se mir in die Schariteh entbunden haben, ins' Milchfieber hab icks ausjequatscht.

In Moabit, uff s Jericht, hab'n se den Oll'n ausjelacht wie er jebrüllt hat: Daß ist mein irdisches Recht, ich kann die Frucht, die ich gesäet habe, auch genießen!

Vor een Jahr hat er sich erst er-seeft, nacht' s von die Brücke wo ick nach zwölwe immer stehe. An det eiserne Jeländer hat er mitjearbeet, er war Kunstschmied.

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