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ОглавлениеLola im Königlichen Hoftheater
Auf Befehl des Königs: Lola tanzt im Hoftheater
Lolas Audienz bei Ludwig I. war erfolgreich: Noch am 8. Oktober erging die schriftliche Anweisung des Königs an August Freiherr von Frays (1790–1863), den Intendanten des Königlichen Hoftheaters, sich mit Lola Montez über die Gage und die Art der Auftritte zu einigen. Der König empfahl, sie in den Zwischenaufzügen spanische Tänze in spanischer Tracht tanzen zu lassen. Nachdem bisher in München nicht viel über die »spanische Tänzerin« bekannt war, hatte sich Frays bei Kollegen und Künstlern natürlich erkundigt, mit wem er es hier zu tun hatte und den König vorgewarnt, dass sie schon mal »öffentlich Anstoß erregt hätte« und aus Berlin ausgewiesen worden wäre, weil sie einem Offizier ein Champagnerglas an den Kopf geworfen und danach einen Polizisten mit ihrer Reitpeitsche misshandelt hätte. Der König schrieb die Handgreiflichkeiten eben dem Temperament der Spanierin zu und gab Anweisung für ihren ersten Auftritt: »Genehmige, dass Lola Montez nächsten Samstag im Zwischenakt tanzt gegen der Hälfte der Netto-Einnnahme. Das weitere will ich dann beschließen. Noch heute ihr die Antwort eröffnen mit der Bemerkung, dass ich mich darauf freue sie tanzen zu sehen.« Am Samstag den 10. Oktober stand der Schwank »Der verschwundene Prinz« von Johann von Ploetz (1786–1856) auf dem Programm. Der Drucker des Theaterzettels war in Gedanken scheinbar schon bei der »Demoiselle Lola Montez aus Madrid« und merkte gar nicht, dass er in der Titelzeile ein paar Buchstaben durcheinanderbrachte und schrieb: »Der Verschwunschene Prinz«. Lolas Auftritt wurde besonders hervorgehoben: »In den beiden Zwischenakten tanzt Demoiselle Lola Montez aus Madrid spanische Tänze«.
Märchenfee Lola in der Brienner Straße
Luise von Kobell (1827–1901), die Tochter des Mundartdichters und Mineralogen Franz von Kobell hatte von ihrer Mutter eine Eintrittskarte für die Vorstellung bekommen: »Ich ging also Samstag den 10. Oktober ins Hoftheater. Weil ich viel zu frühe in die Loge kam, las ich erwartungsvoll den Zettel: ›Der verwunschene Prinz. Schwank in 3 Akten von J.v.Plötz. In den beiden Zwischenakten tanzt Demoiselle Lola Montez aus Madrid spanische Nationaltänze.‹ Dann sah ich voll Ungeduld den Vorgang an, lauschte dem ersten Akte des Lustspiels, nun fiel der Vorhang. Jetzt erhob er sich, da erschien meine Fee von gestern, Lola Montez. Im Parterre klatschte und zischte man; das Letztere »wegen verschiedener Gerüchte«, erklärte meine Nachbarin, »denn Lola Montez soll eine Missionärin der englischen Freimaurer sein, eine Feindin der Jesuiten – eine Coquette, die schon Liebesabenteuer in allen Weltteilen erlebt hat, nach den Berichten der Zeitungen«. Lola Montez stellte sich in die Mitte der Bühne, nicht in Trikots mit dem üblichen kurzen Ballettröcklein, sondern in spanischer Tracht, mit Seide und Spitzen angetan, da und dort schimmerte ein Diamant. Sie blitzte mit ihren wunderbaren blauen Augen, und verbeugte sich wie eine Grazie vor dem Könige, der in seiner Loge saß. Dann tanzte sie Nationaltänze, wobei sie sich in den Hüften wiegte, und bald diese, bald jene Haltung einnahm, voll unerreichter Schönheit. So lange sie tanzte fesselte sie alle Zuschauer; die Blicke hafteten an ihren geschmeidigen Körperwendungen, an ihrer Mimik, die oft von der glühendsten Leidenschaft in die anmutigste Schalkhaftigkeit überging, erst als sie aufhörte sich rhythmisch zu bewegen, war der Bann gebrochen, und ›der Spektakel ging wieder los‹, wie mein Onkel trocken bemerkte. Aber ich ging ganz verzückt nach Hause.«
Auch der Drucker des Theaterzettels hatte nur noch Augen für die sexy Lola und machte aus dem »verwunschenen« einen »verschwunschenen« Prinz.
»Eine spanische Tänzerin so schlecht, wie es keine zweite gibt«
Weniger verzückt waren dagegen die Münchner Zeitungen, so schrieb der »Bayerische Volksfreund«: » Der uns gebotene sogenannte Fandango aber näherte sich nur in ein paar frivolen, um nicht zu sagen indezenten Figuren oder Berührungen dem wirklichen Fandango und konnte keinen großen Eindruck auf uns machen. Beifall und Missfallen kämpften gegeneinander, ohne dass sich der Sieg entschieden auf eine Seite geneigt hätte«. In Kollegenkreisen dagegen war sie ganz durchgefallen, wie der Tänzer Michael Laroche schrieb: »Lola Montez, eine spanische Tänzerin so schlecht, wie es keine zweite gibt, betrat unsere Bühne zweimal und wurde ausgezischt und gerufen. Sie trat von der Bühne ab, um im Privatleben eine Rolle zu spielen, von der ganz Bayern spricht.«
Drei Tage nach ihrer Audienz bei König Ludwig I. in der Residenz (links) hüpfte Lola »wie ein Känguru« über die Bühne des Königlichen Hoftheaters Die heutige Maximilianstraße rechts neben der Oper wurde erst nach Ludwigs Abdankung von seinem Sohn König Max II. angelegt.
Nach Lolas Kängurusprüngen versagten die Claqueure
Am 14. Oktober 1846 trat Lola zum zweiten und letzten Mal im Hoftheater auf. Sie tanzte nach dem Lustspiel »Der Weiberfeind von Venedig« die Cachucha und im Zwischenakt des Schwanks »Müller und Miller« den Fandango. Für den Fall, dass es nicht genügend Applaus geben könnte, hatte sie vorsichtshalber eine Gruppe von Studenten als Claqueure organisiert, unter denen auch Leo von Klenzes Sohn Hippolyt war. Vater Leo von Klenze notierte: »Die Tänzerin hatte einige junge Leute, welche sie aus Paris kannte, aufgefordert, ihr bei ihrem ersten Auftreten eine Ovation zu bereiten, zu klatschen, Herauszurufen und Kränze zu werfen. Diese hatten die Mission angenommen und 8–10 ihrer Freunde – alles ehrenhafte junge Leute aus den ersten Familien – so wie auch meinen Sohn aufgefordert, dazu mitzuwirken, welches auch angenommen wurde, indem man beschloss, sie nach der Vorstellung zu einem Souper einzuladen. Die Vorstellung fand statt; die jungen Ritter taten, was sie, ohne den Anstand zu verletzen, konnten; aber das Publikum entschied gegen sie, und bei den wahrhaft kängeruartigen Sprüngen der Schönen hatten namentlich die, welche übernommen hatten, die erbetenen Kränze zu werfen, nicht den Mut, dieses gegenüber der Ungunst des ganzen Publikums ins Werk zu setzen. Das Einzige, was bei diesem ersten Tanzversuche auffiel, waren die lasziven Hurenblicke, welche die Tänzerin ununterbrochen und mit der größten Affektation auf den König warf, welcher in der unteren Loge des Proszeniums saß. Es war dieses das erste Zeichen dessen, was geschehen war; aber ich glaubte daraus gleich voraussagen zu können, was noch alles geschehen würde. Als die jungen Protektoren der iberischen Terpsichore sich nun nach der Vorstellung zum Abendessen versammelt und die Mlle. Montez davon unterrichtet hatten, ließ sie ihnen sagen: Da sie ihr so schlecht gedient hätten, wolle sie nichts mehr mit ihnen zu tun haben und auch nicht mit ihnen zu Abend essen. Die jungen Leute gaben sich also das Wort, jeden weiteren Verkehr mit der sogenannten Andalusierin abzubrechen und mit Niemand über diese ganze Angelegenheit zu sprechen.«
Lola tanzt sich in die Bayerische Geschichte: Nur zwei Auftritte und der König lag ihr zu Füßen – Lithographie von Wilhelm Strack, 1847
Tänzerinnen-Karriere beendet und König Ludwig I. erobert
Mit ihren zwei Auftritten war Lolas Tänzerinnen-Karriere in München beendet: Als Künstlerin bei den Kritikern durchgefallen, vom Publikum mit großem Argwohn begafft, aber dafür hatte sich der König von Bayern hoffnungslos in sie verknallt. In Lolas Memoiren liest sich das so: »Die Hindernisse, welche mir entgegentraten, die Art und Weise ihrer Beseitigung durch die Güte des Königs waren dem Publikum schnell bekannt geworden. War das eine Veranlassung, mir mit einer Kälte zu begegnen, die ich allerdings nicht erwartet hatte? Ist es, dass man eine Ausländerin, eine Fremde wollte fühlen lassen, dass sie vor den Augen des Königs Gnade gefunden hatte? Trotzdem trat ich zum zweiten Male auf, aber ich wurde immer mit derselben Kälte empfangen, obwohl es schon an Stimmen nicht fehlte, die mich gegen geheime Intrige und Verleumdung in Schutz nahmen. Ich konnte mir die Gunst des Publikums nicht erwerben, aber es gab doch Einen in Baiern, welcher mich mit Wohlwollen überschüttete, und dieser Eine galt mir mehr als das Publikum. Nach dem zweiten Male trat ich nicht wieder auf, aber bald wusste es ganz Baiern, dass ich unter dem persönlichen Schutz des Königs stand.«