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Der rote Pirat
ОглавлениеDas kleine Nilpferd kam aus
dem Wasser und schob die Taucherbrille
auf die Stirn.
Da hörte es am Himmel
ein Brummen und Dröhnen.
Das kleine Nilpferd hob den Kopf.
Ein altes, klappriges Flugzeug
war zu sehen, hoch in den Lüften.
Am Steuer des Flugzeugs
saß eine verwegene Gestalt
mit einem leuchtend roten Helm.
„Der rote Pirat!“,
rief das kleine Nilpferd aufgeregt.
„Jetzt halt doch endlich still“,
sagte seine Mutter.
„Ich will dich trocken reiben.“
Und schon war das kleine Nilpferd
bis über die Ohren
in ein großes Badetuch eingewickelt,
so dass es nichts mehr sehen konnte.
„Der rote Pirat!“, rief das kleine Nilpferd
unter dem Badetuch hervor.
„Der rote Pirat!“
„Stillhalten, hab ich gesagt“,
brummte seine Mutter und ließ nicht los.
Als das kleine Nilpferd endlich
trocken gerieben war,
hielt es verzweifelt Ausschau.
Aber das Flugzeug war verschwunden.
„Der rote Pirat!
Habt ihr ihn nicht gesehen?“,
fragte das kleine Nilpferd seine Eltern.
Sein Vater gähnte
und nahm die Sonnenbrille ab.
„Mein Junge“, sagte er,
„du liest zu viele Comics.“
„Aber – habt ihr das Flugzeug
nicht gehört?“,
fragte das kleine Nilpferd.
„Ich hab nur das Meer rauschen gehört“,
sagte sein Vater.
Am Abend saß das kleine Nilpferd
unter seiner Lieblingspalme
und blätterte in seinen Büchern
und Comic-Heften.
Das kleine Nilpferd hatte
alle Abenteuerhefte gesammelt,
die über den roten Piraten
geschrieben worden waren.
„Der rote Pirat in der Wüste“,
„Der rote Pirat im Schnee“,
„Der rote Pirat im Urwald“,
„Der rote Pirat im Eis“ –
das kleine Nilpferd kannte
alle seine Geschichten.
Es verglich die Bilder.
Der rote Pirat war unverkennbar –
sein altes Flugzeug, der rote Helm.
Es gab keinen Zweifel.
Das kleine Nilpferd hatte
den roten Piraten gesehen,
den mutigsten Abenteurer aller Zeiten.
Zwei Tage später,
in der Nilpferdschule,
mussten die Schüler
einen Aufsatz schreiben:
„Was ich einmal werden möchte“.
Das kleine Nilpferd blickte
gedankenverloren ins Weite.
Der rote Pirat
in seinem alten, klapprigen Flugzeug
flog über die Lichtung.
Der rote Pirat winkte.
Das kleine Nilpferd winkte zurück.
„Na und du?“, fragte die Lehrerin
das kleine Nilpferd.
„Du schreibst ja gar nichts.
Was willst du denn werden?“
sagte das kleine Nilpferd feierlich.
Von nun an gab es für das kleine Nilpferd
nur noch ein Ziel:
Es musste reiten, fechten, tauchen, springen,
laufen können wie der rote Pirat.
Es musste lernen,
wie man ein Lagerfeuer macht
und wie man blitzschnell
einen Baum hinaufklettert.
Es musste mit einem Satz
über jedes Hindernis springen können.
Es musste sich so gut tarnen können,
dass es von niemandem
erkannt werden konnte,
nicht einmal von den besten Freunden.
Es musste sich nötigenfalls sogar
unsichtbar machen könnnen.
Das war besonders schwierig.
Das kleine Nilpferd übte und übte.
Sobald es aus der Schule kam,
saß es unter seiner Lieblingspalme,
um sich neue, wilde Abenteuer
auszudenken.
Seine Geschwister,
die drei ganz kleinen Nilpferde,
mussten mitspielen.
Sie wurden vom kleinen Nilpferd
ins Wasser geworfen
und vom roten Piraten gerettet.
Sie wurden auf den höchsten Baum
gesetzt und vom roten Piraten
heruntergeholt.
Sie wurden gefesselt
und dann vom roten Piraten
tollkühn befreit.
Die drei ganz kleinen Nilpferde
wunderten sich über ihren Bruder.