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13. von Helen Carter

Die alte Frau saß Ivy gegenüber und hielt sich an ihrem Blindenstock fest, während ihre toten Augen hinter den verdunkelten Brillengläsern hin und her wanderten. Ihr silbergraues Haar war praktisch kurz geschnitten und Hose und Bluse einfarbig.

An all dem erkannte Ivy, dass Mrs Boyd sich selbst versorgte und, da sie blind war, diverse Tricks anwandte, um allein zurechtzukommen.

»Es kann doch nicht sein, dass ich jetzt jedes Jahr nachweisen muss, dass ich immer noch nicht wieder sehen kann. Ahnt in dieser Regierung irgendjemand, welchen Aufwand das für einen behinderten Menschen bedeutet? Und in dem Brief hier ...«, sie beugte sich weit nach vorn, tastete mit den Handballen nach einer freien Stelle und legte das Schreiben dort ab. »Lesen Sie das mal durch ... Diese Leute formulieren, als hätten sie es mit Gangstern zu tun.«

Ivy kannte den Brief und fand ihn ebenfalls beleidigend, aber sie war hilflos bei so etwas.

»Mrs Boyd, bei Ihnen wird sich sicherlich keine Veränderung mehr ergeben. Aber bei vielen anderen schon, und da will man halt verhindern, dass jemand ungerechtfertigt Leistungen bezieht. Das kommt ja auch den anderen zu Gute.« Ihr Magen schien sich drehen zu wollen, als sie sich plötzlich wie eine Politikerin reden hörte. »Die Gesundheitskassen sind nun mal leider leer ...«

Letzteres stimmte. Was allerdings weniger die Schuld der Bürger war, als vielmehr die der Politiker, die falsch mit dem Geld haushalteten.

Jetzt richtete sich die alte Dame so entschlossen auf, als sehe sie den Feind in seiner ganzen Niedertracht. »Ja? Dann will ich Ihnen mal was sagen ... Was die leeren Kassen angeht, so haben Sie absolut recht. Aber wie sollen die auch gefüllt sein, wenn unser eigener Premierminister sein Vermögen in Briefkastenfirmen versteckt? Ich mag alt sein, aber ich bin nicht töricht.« Sie klopfte mit ihrem Blindenstock kurz auf den Boden. »Gut. Wir ändern nichts an der Schlechtigkeit der Menschen. Was ich aber wissen möchte ... Was habe ich wann laut diesem Brief zu tun?«

Ivy las ihn noch einmal durch und erklärte ihr sodann, was als nächstes an der Reihe sei. Es aufzuschreiben hatte keinen Sinn, aber sie wusste, dass die alte Dame ein hervorragendes Gedächtnis besaß.

»Hören Sie zu, Mrs Boyd ... Warum machen wir es nicht so, dass Sie einfach für Juli einen Termin bei meiner Sprechstundenhilfe Jenny machen, Sie dann herkommen und wir Ihnen beim Ausfüllen helfen?«

»Ich hatte nicht zu fragen gewagt«, sagte die alte Dame und strahlte über das ganze Gesicht, wobei sie sogar etwas rot wurde.

***

Als Ivy am Abend mit Montague auf dessen Veranda saß, erzählte sie ihm von dem Vorfall.

»Menschen sind nun mal egomanisch und bescheuert«, sagte er ruhig und blickte dabei versonnen in sein Weinglas.

Zu der Weisheit war Ivy allerdings auch schon gekommen. Aber was erzählte sie das auch einem Mann, der zu den potentiellen Kunden für Briefkastenfirmen gehörte ...

Es wurde langsam dunkel und der Duft der Rosen hüllte sie ein. Bald würden mit dem Sonnenuntergang die Blüten der Daturas die Rosen noch übertrumpfen.

»Was sind eigentlich deine nächsten Pläne, jetzt, nachdem Jeff die Tour hinter sich hat? Willst du auch, dass er in die USA mit seiner Band geht, so wie Ashes damals?«, wechselte Ivy das Thema.

Montague schaute lange schweigend in sein Glas. »Nein. Die USA sind keine Option. Dazu ist er nicht mehr jung genug. Außerdem macht er nicht mehr genügend Skandale.« Er sah Ivy an und lachte über das ganze Gesicht.

Sie erinnerte sich nur zu gut an jene Fotos, bei denen er sich betrunken mit einer jungen Frau vergnügt hatte. Fotos, die nicht nur realistisch gewesen waren, sondern die Realität abgebildet hatten. Noch jetzt konnte sie die Gedanken daran kaum ertragen. Ein brennender Schmerz erfüllte ihre Brust und drohte, ihr Herz zu zerquetschen.

»Alles okay bei dir? Bist wohl doch noch nicht drüberhinweg, wie?« Er beugte sich vor und ergriff Ivys Hand. »Ich würde niemals so etwas mit ihm machen. Niemals.«

Für einen Moment wusste sie nicht, wie sie es ihm erklären sollte. »Weißt du ... Es sind ja noch gar nicht mal die Fotos gewesen. Das war alles relativ schnell vergessen und begraben. Aber was dahinter stand ... der Verrat, das Hintergangenwerden ... All das hat am Ende zu unserer endgültigen Trennung geführt. Und so etwas will ich nie wieder erleben müssen.«

»Das kann ich absolut verstehen. Musst du auch nicht. Ich bin eine andere Sorte Manager. Ich habe es nicht nötig, meine Künstler besoffen zu machen oder unter Drogen zu setzen. Außerdem ist es vollkommen idiotisch, einen Skandal künstlich heraufzubeschwören. Das merken die Leute ganz schnell und dann hast du dir selbst ins Knie geschossen.«

Und in diesem Moment, da Clive das sagte, tauchten in ihrer Erinnerung ein paar der besonders geilen Fotos auf. Jeff, wie er dastand, das Mädchen vor ihm kniend und er seinen harten Ständer zwischen ihre Lippen schiebend. Noch immer sah sie den Glanz seines Haares, das er auf der der Kamera zugewandten Seite auf den Rücken geschoben hatte.

Als sie spürte, wie ihr Körper auf diese Erinnerung reagierte, schämte Ivy sich gerade so, als hätte Clive ihre Gedanken lesen können. Wie konnte ein solcher Verrat einen auch noch heiß machen? Und dass Jeff noch heute eine solche Wirkung auf sie haben sollte, konnte sie sich selbst nicht erklären.

Sie fing Montagues Blick auf. Er wirkte düster. Nur einen Schritt vom Zorn entfernt. Ob er vielleicht wirklich gemerkt hatte, was in ihr vorging? Konnte dieser Blick Eifersucht bedeuten? Er saß noch immer nach vorn gebeugt, hatte seine Arme auf die Beine gelegt und betrachtete sein Glas.

»Was empfindest du für Jeff?«, wollte er wissen.

Ivy atmete tief durch und hoffte, eine Antwort zu finden. »Ehrlich gesagt ... nichts. Oder zumindest nicht viel.«

Die Bäume und Büsche wurden indirekt mit bunten Lampen beleuchtet, die jetzt nach und nach angingen.

»Du weißt ja, dass er eine Freundin hat ...«, sagte er.

»Gwen, das Mädchen von der Party, ja.«

Montague nickte nachdenklich. »An der Sache bin ich schuld. Ich habe sie engagiert, dass sie ihm auf der Bühne das Hemd runterreißen sollte. Ich wollte nicht, dass das ein echter Fan macht. Das hätte schnell ausufern können. Tja ... und so kamen die beiden zusammen.«

Ivy tastete mit jedem Wort ihre Gefühle ab. Sie waren der Indikator für das, was übrig geblieben war. Wenn sie tief in sich reinhorchte, dann fühlte sie eine brennende Eifersucht, die ihr Übelkeit verursachte. Aber das wollte und konnte sie auf keinen Fall an die Oberfläche lassen, geschweige denn zulassen, dass Clive es erfuhr.

»Gwen ist interessant«, sagte Ivy so gelassen wie möglich. »Jemanden wie sie trifft man nicht alle Tage. Ich habe mich auf der Party mit ihr unterhalten und sie schien mir eine sehr nüchterne, realistische Frau zu sein. Genau das, was Jeff braucht.«

Nachdenklich nickend erhob er sich und begann, auf und ab zu gehen. »Es hängt alles davon ab, wie sie drauf ist. Ich fürchte, Jeff ist labiler, als wir alle denken und das macht aus Gwen den Rettungsschirm.«

»Aber ist das nicht etwas, das nur die beiden angeht?« Ivy musste ihren Kopf stark verdrehen, denn Clive hatte sich inzwischen hinter sie gestellt und massierte ihren Nacken.

»Leider nicht. Jeff muss psychisch und physisch funktionieren. Davon hängt ungeheuer viel ab. Wenn er an die falsche Frau gerät, hat das katastrophale Folgen.«

Ivy genoss den entschlossenen Druck seiner Hände, doch gleichzeitig empfand sie, dass dieser ein wenig zu fest war. Gerade so, als würde diese Kraft von anderen Gedanken gelenkt.

»Ich wünschte, es wäre wirklich so«, murmelte er so leise, dass Ivy ihn kaum verstehen konnte.

Für einen Moment kam es ihr in den Sinn, dass er vielleicht tiefer greifende Gefühle für sie, Ivy, haben könnte. Dass das, was ihn zu ihr zog, mehr war als Sex. Doch dann verwarf sie den Gedanken als zu absurd. Vielleicht fand er sie sympathisch, weil sie jemand war, mit dem man sich gut unterhalten konnte. Aber mit Sicherheit nicht mehr, denn ihr fehlte die weltläufige Eleganz, die solche Männer an ihren Begleiterinnen schätzten. Sie war auch keine jener Ärztinnen aus Belgravia, die ein Vermögen mit der Heilung von Patienten machten, denen eigentlich gar nichts fehlte. Und genau das war es auch, was sie verunsicherte, wenn es um Clive ging.

»Und was hast du mit Jeff vor, wenn du nicht die USA als Ziel ansetzt?«

»Er soll sich auf Europa beschränken. Alles andere hat keinen Sinn. So kann Jeff umgehend zurückkommen, wenn es ihm bei einer Tour nicht gutgehen sollte.«

»Das ist ein guter Plan.«

»Aber hier, Ivy, hier werde ich ihn zum größten Hecht im Karpfenteich machen. Das schwöre ich dir. Nächsten Monat wird er ins Studio gehen. Er hat praktisch alle Songs fertig. Übrigens auch ein Ergebnis der Europa-Tournee. Und wenn das Album nur halb so gut wird, wie es jetzt aussieht, dann haben wir einen absoluten ›Homerun‹ vor uns. Jeder einzelne Song ist ein absoluter Kracher.«

Ivy konnte nicht fassen, wie ihr Liebhaber sich förmlich in Rage redete. Es war ehrliche Begeisterung, die ihn beherrschte.

»Du schmunzelst?«

Ivy machte eine abwehrende Handbewegung.

»Du wirst nicht mehr schmunzeln, wenn du die Lieder hörst. Wenn Jeff im Studio ist, kommst du mal mit und dann wirst du wissen, was ich meine. Er ist so was von ›on top‹, das kannst du dir gar nicht vorstellen.« Er schenkte sich und ihr noch einen Drink ein und redete weiter. »Du hast ihn gesehen ... Hat er erschöpft auf dich gewirkt? Hat er sich irgendwie grenzwertig verhalten? Nein. Er ist ganz normal. Es geht ihm blendend. Genau das will ich haben. Ashes war damit überfordert, allein schon, weil er noch die Band handeln musste. Ich habe es Gott sei Dank so eingerichtet, dass es keine Band gibt, nur Begleitmusiker und wenn da einer stresst, fliegt er raus. Alles für den Star.«

Wie oft hatte sie sich in der Zwischenzeit gefragt, welches die wahren Gründe für das Scheitern ihrer Beziehung gewesen sein mochten und sie hatte keine Antworten gefunden, außer denen an der Oberfläche. Jetzt erst ahnte sie, dass sie eine echte Chance gehabt hätten, wenn Clive damals schon die Fäden in Händen gehalten hätte. Tiefe Wehmut überfiel sie. Sehnsucht danach, die Zeit zurückdrehen zu können.

So schnell sie nur konnte, schob sie alle Bilder beiseite, die die glücklichen Erinnerungen zu ihr zurückbrachten. Es war vorbei, das durfte sie nicht vergessen. Es half niemandem, wenn man versuchte, Dinge zurückzuholen, die lange begraben waren.

»Vermisst du ihn?«, drang Clives Stimme plötzlich in ihre Gedanken.

Für einen Moment musste sie sich erst sammeln, um dann zu antworten. »Ehrlich gesagt, manchmal ja. Aber das ist selten und wird immer seltener. Es ist nicht einfach, solch ein Leben zu führen, wie wir es getan haben. Und ich wollte es einfach nicht noch einmal. Auch wenn Jeff ein wunderbarer Mann sein konnte – wenn ihm nicht gerade Drogen oder Alkohol in den Weg geraten sind.«

»Oder Sex«, fügte Clive mit einer solchen Ruhe an, dass man hätte meinen können, er hätte nichts weiter getan, als eine Aufzählung von Farben zu vervollständigen. Stattdessen hatte er in ein Wespennest gestochen.

»Er hat mich nie betrogen, solange wir zusammen waren.« Sie hörte in ihrer Stimme eine hochmütige Schärfe. So hatte sie nicht sprechen wollen.

»Entschuldige. Ich wollte dich nicht verletzten.« Er beugte sich über sie und küsste sie sanft auf die Lippen. Wie wunderbar sein Aftershave duftete, so herb und frisch. »Ich wünschte, du würdest so über mich sprechen, wenn ...« Noch einmal suchten seine Augen die ihren und dann richtete er sich wieder auf, wandte sich ab und blickte in den Abendhimmel.

Es war schwer, die Augen von seinem Rücken abzuwenden. Diesem wundervollen Dreieck mit den breiten Schultern und durchtrainierten Armen. Seine Hemden saßen stets einwandfrei. Sie ließen die Bewegungen seines Körpers nur erahnen und wirkten dadurch nie aufgesetzt, angeberisch oder vulgär. Er war ein Mann, der mit größter Selbstverständlichkeit mit seinem perfekten Aussehen umging. Und wieder fragte sie sich, was er von ihr wollte. Wenn Ivy einen schlechten Tag hatte, sagte sie sich, dass Clive ihr wie ein Mann schien, der am Losstand die freie Auswahl gewonnen hatte und den Trostpreis mitnahm. Es konnte nicht funktionieren. Nie und nimmer.

»Ivy ... Weißt du was?« Er sprach in Richtung des Firmaments.

»Nein ...«

»Manchmal frage ich mich, was du in Wirklichkeit von mir denkst.«

»Was meinst du damit, was ich in Wirklichkeit von dir denke? Wir gehen miteinander ins Bett und führen Unterhaltungen. Was deine berufliche Seite angeht, kann ich kein kompetentes Urteil fällen. Aber was ich sehe und höre, gefällt mir.«

Sie hörte sein unterdrücktes Lachen. »Du klingst wie eine Politikerin vor einem Untersuchungsausschuss.«

»Mag sein. Aber das ist, was ich denke. Viel mehr weiß ich ja nicht von dir.« Die ganze Unterhaltung nahm in ihren Augen eine zu schwierige Wendung.

»Was musst du noch von mir wissen? Du kannst mich alles fragen und ich beantworte dir jede Frage.«

»Ich finde, das Ganze klingt eher, als wolltest du einen Kredit beantragen ...«

Mit jedem Atemzug, jedem Wort, fühlte sie sich unwohler in ihrer Haut. Es kam ihr so vor, als wollte er irgendetwas von ihr hören und sie hatte keinen blassen Schimmer, um was es ihm ging. Erst die Fragen nach Jeff, dann die Nebelfragen, die er jetzt stellte. Am liebsten wäre sie aufgestanden und nach Hause gefahren.

»Ich hatte gehofft ... dass du mehr für mich empfindest. Du bist die erste Frau, bei der ich überhaupt keine Idee habe, wie sie mich sieht.«

Jetzt gab es keinen Rückzugsort mehr. Keine noch so winzige Höhle, in der sie sich hätte verstecken können. Also holte sie tief Luft. »Warum soll ich jetzt dein Ego befriedigen, indem ich dir all deine Vorzüge aufzähle und dich dann praktisch dazu zwinge, meine Nachteile zu listen. Du siehst toll aus. Bist intelligent. Erfolgreich in deinem Beruf und und und ...« Ivy stand auf, zog ihren Blazer gegen die abendliche Kälte über und nahm ihre Tasche.

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