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Kapitel 2 - Eine neue Wohnung

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Bevor ich nun mein weiteres Leben im Schatten des 2. Weltkrieges schildere, will ich kurz meinen Geburtsort Osnabrück beschreiben.

Früher führte eine Fernhandelsstraße an einer Furt über die Hase, dort trieben auch die Bauern ihre Ochsen über den Fluss. Später wurde an dieser Stelle eine Brücke errichtet. So soll der Name aus den niederdeutschen Wörtern "Ossen" (Ochse) und "Brügge" (Brücke) entstanden sein.

780 wurde die Stadt von Karl dem Großen als Bischofssitz gegründet. 1575 wurde Osnabrück von der Pest heimgesucht und etwa 75 Prozent der Bevölkerung fielen dieser Krankheit zum Opfer. 1648 wurde dann in den Rathäusern der Stadt Osnabrück und Münster der Westfälische Friede geschlossen, an den noch heute alljährlich am 25. Oktober das sogenannte Steckenpferd-Reiten erinnert. Nach vielen Katastrophen wie Hungersnöten, Feuersbrünsten und Kriegen wuchs mit der Industrialisierung die Einwohnerzahl bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts auf mehr als 50.000, heute sind es über 160.000. Von den alten Stadtbefestigungen säumen heute den Stadtring noch 7 Türme, zwei Mauern und eine Wallanlage.

Der Dom, viele Kirchen und Fachwerkhäuser mit wunderbaren Giebeln zieren die Stadt und geben ihr eine besondere Note.

Ringsherum ist Osnabrück von Wäldern und Bergen (den Ausläufern des Wiehengebirges und Teutoburger Waldes) umgeben.

1935 zogen unsere Eltern in den Stadtteil Schinkel. Dort hatte Hitler damals Häuser für kinderreiche Familien bauen lassen. Wir wohnten mit vier anderen Familien in einem Haus. Hinter unserem Hause besaßen wir einen großen Garten mit einer Gartenlaube. Die hatte Papa sofort gebaut, nachdem er das Grundstück gepachtet hatte.

Unsere Wohnung bestand aus einer Wohnküche, zwei Schlafzimmern und einem Bad sowie einer Speisekammer. Im Bad gab es aber nur eine Toilette, später hat mein Bruder Hans-Gerd, der Installateur und Klempner lernte, das Bad mit einer Dusche und einer großen Wanne aus Blech versehen, darauf waren unsere Eltern sehr stolz.

Während des Umzug zur Thomasburgstraße sollten Hannelore und Hans-Gerd auf Ingrid und mich aufpassen. Aber in einem unbeobachteten Moment machte ich mich selbständig. Eilig trugen mich meine Füße vom Elternhause fort, immer weiter und weiter. Erst war ich neugierig, doch als ich die Häuser nicht mehr kannte wurde mir langsam bange. Ich wusste nicht mehr, wo ich war und wie ich wieder nach Hause kommen sollte. Ich wurde immer erschöpfter und rief ängstlich nach der Mutti, bis ich zu weinen begann. Erst nach drei Stunden fanden mich meine Eltern weinend auf den Armen eines netten Herren und waren froh, ihren "Reißaus" wieder zu haben. Als ich einige Jahre später noch einmal verschwunden war, fanden mich meine Eltern in einem Gartenhäuschen wieder, in das ich vor Angst hineingelaufen war.

Mit uns im Haus an der Thomasburgstraße wohnte ein Sattler mit seiner Familie. Er hatte seine Werkstatt in dem langen Flur, der zur Toilette führte, dort sahen wir ihm oft bei der Arbeit zu. Er reparierte auch Schuhe, fertigte Gürtel an und Taschen.

Unsere Flurnachbarn waren Langemeyers und in dieser Familie fand ich meine beste Freundin Waltraud. Sie war im selben Alter wie ich und wir wurden unzertrennlich. Wir nannten sie Waltraud Nr. 1, denn zu unserem Kleeblatt gehörte noch ein Mädchen namens Waltraud, die wir folglich Waltraud 2 nannten. Wir alle besuchten später gemeinsam den gleichen Kindergarten.

Im Keller des Mehrfamilienhaus gab es eine Waschküche*, die reihum benutzt werden durfte. Wenn unsere Waschwoche war, stand Mutti den ganzen Tag dort. In einem großen Waschkessel kochte sie die Weißwäsche. Dabei musste Mutti die Wäsche im Bottich die ganze Zeit umrühren. Es entstand auch viel Wasserdampf und die Luft in der Waschküche war feucht und stickig. Nach 1-2 Stunden holte sie die Wäsche mit einem Schlegel oder Bleuel (langer Holzlöffel) heraus und spülte sie mehrere Male im kalten klaren Wasser. Wir Mädchen wuschen in kleinen Wannen stundenlang Socken und Strümpfe.

*Das Aufheizen des Kessels mit dem Waschwasser dauerte sehr lange und so brauchte man den ganzen Tag für die Wäsche. Die Bezeichnung Waschküche kommt wohl daher, dass der wichtigste Teil dort ein gemauerter Ofen mit eingemauerter Wanne war. Im Ofen wurde mit Holz oder Kohle ein Feuer gemacht, dass den Waschkessel erhitzte. Außerdem benötigte man mehrere Zinkwannen zum Ausspülen der mit Soda oder Schmierseife gekochten Wäsche. Im Boden der Waschküche befand sich ein Wasserablauf.

Damit uns die Zeit nicht zu lang wurde, sangen wir zusammen mit Mutti Volkslieder. Bei gutem Wetter kam die Wäsche draußen auf der sogenannten Bleiche auf die Leine, bei schlechtem wurde sie auf dem Dachboden aufgehängt.

Gruselig war für uns der Keller und schickte Mutti uns einmal dort hinunter, sangen wir laut, bis sich der Riegel der Kellertür wieder hinter uns ins Schloss schob. Wir lugten immer angstvoll in jede Ecke hinein. Wenn alles still blieb, huschten wir schnell vorbei. Mutti hat aber nie von der Angst erfahren, die wir im Keller verspürten.

Manchmal nahm mich mein großer Bruder mit in den Keller, dann hatte ich keine Angst dort. Mutti hatte Mäuse gesehen und die wollten wir fangen, wie er sagte. Mit einem Stock versuchte ich, ein Mäuschen zu erhaschen, aber die kleinen Nager waren viel zu schnell.

Auf dem Dachboden dagegen tummelten wir uns gerne, denn er war hell und es gab viele wunderbare Verstecke. Einmal, als mein Bruder etwas recht Böses angerichtet hatte, versteckte er sich auf dem Boden, und unser Papa suchte ihn bis tief in die Nacht hinein. Er hatte ihm längst verziehen, aber Hans-Gerd kam nicht aus seinem Versteck, und wir Kleinen verfolgten ängstlich jeden Schritt, den unser Papa auf dem Dachboden tat. Wir hatten immer sehr viel Respekt vor unserem Vater und auch ein bisschen Angst. Vater brauchte nur auf seine am Küchenschrank hängende Lederpeitsche zeigen, da waren wir sofort die allerliebsten Kinder.

Alle paar Wochen kam ein Wagen von "Doktor Oetker", die damals schon Pudding und Nährmittel herstellten, in unsere Straße. Dann wurde, wohl aus Werbezwecken, kostenlos Pudding verteilt. Wir Kinder drängelten uns um den Wagen. Jedes Kind bekam einen kleine Pappschüssel mit Vanillepudding, das war eine tolle Sache – der Pudding schmeckte wundervoll, und wer wollte bekam auch einen Nachschlag.

Wenn Mutti in die Stadt musste, um Besorgungen zu machen, hatte Hans-Gerd auf seine kleinen Geschwister aufzupassen. Einmal wollte ich ihm nicht gehorchen. Kurzer Hand nahm er mich und hängte mich mit meinem Kleidchen an einen Garderobenhaken, es machte „ratsch“ und ich landete auf dem Fußboden. Weh getan habe ich mir dabei nicht, aber das Kleidchen war natürlich zerrissen. Schnell zog er es mir aus und legte es im Kleiderschrank in die hinterste Ecke. Als Mutti später das kaputte Kleid entdeckte habe ich ihn nicht verraten.

Bomben, Bickbeeren, Besatzung

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