Читать книгу 10 Tage Vietnam - Helga Henschel - Страница 4
ОглавлениеTag - Ho-Chi-Minh-City
Saigon ist die wirtschaftliche Metropole Vietnams: eine boomende Stadt, viele Menschen und scheinbar noch mehr Motorräder, ein Verkehrsgewusel ohnegleichen. Sieben Millionen Einwohner und drei Millionen registrierte Mofas sind gezählt. Doch die Zahlen überholen sich täglich. Alle Mofafahrer tragen einen Helm. Ist wohl Gesetz, denn sonst würden die meist jugendlichen Fahrer kaum einen Helm aufsetzen. Wegen des Smogs tragen viele Frauen einen Mundschutz, mal einen weißen, aber oft bunte. Die meisten Frauen stülpen sich einen Sonnenhut auf, unter dem Helm. Die Sonne sticht und sie wollen wohl nicht zu braun werden im Gegensatz zu Europäern. Manche telefonieren während des Fahrens. Autos gibt es nur wenige und wenn dann einen großen Wagen. Autos und Mofas japanischer Marken prägen das Straßenbild.
In den Straßen ist im Februar noch der Weihnachtsschmuck dekoriert. Bald ist das chinesische Neujahrsfest - das Tet-Fest. Geschäfte bereiten sich darauf vor und schmücken ihre Schaufenster und Fassaden. Deshalb sind an jeder Straßenecke Blumenstände zu sehen. Die Familie kommt zum Fest. Frische und blühende Pflanzen gehören unbedingt in die Wohnungen. Die zum Teil großen Pflanzen werden selbstverständlich wagemutig auf dem Mofa transportiert.
Sehenswürdigkeiten in Saigon sind im Zentrum und zu Fuß gut zu erkunden. Sind die Füße lahm, fahren überall Motorradtaxis herum, die für wenig Geld zu weiter entfernten Sehenswürdigkeiten transportieren.
In der Innenstadt fallen etliche renovierte, französische Gebäude auf. Die Franzosen hinterließen nicht nur das, sondern auch ihren Lebensstil, wie zum Beispiel das Baguette oder die vielen Cafés. Die Kolonialbauten sind gut erhalten und sehen gepflegt aus. Heute nutzen Botschaften, teure Geschäfte, Firmen oder Sternehotels die Häuser. Die Amerikaner hinterließen ihren Dollar. Mit Dollar lässt sich ebenso gut bezahlen wie mit dem Dong (VND), der vietnamesischen Währung.
Palast der Wiedervereinigung
Der Palast der Wiedervereinigung, auch Einheits- oder Kulturpalast genannt, ist heute ein nüchterner, sozialistisch anmutender Bau in einem weitläufigen Park. An seiner Stelle stand früher ein schöner Bau des französischen Gouverneurs. Später residierte dort der südvietnamesische Präsident. Mit ihm war das Militär nicht einverstanden. Zwei Piloten der Luftwaffe bombardierten kurzerhand den Palast und zerstörten ihn weitgehend. Mit amerikanischer Unterstützung baute man den Palast zwar wieder auf, doch der verhasste Präsident erlag dennoch einem Attentat, bevor er in seine neue Residenz einziehen konnte. Dafür bezog sein Nachfolger die Räume. Der allerdings musste 1975 vom Dach seines Palastes mit dem Hubschrauber vor den Kommunisten fliehen. Eile war nötig, denn die Nordvietnamesen überrollten mit Panzern die Palasttore. Hier endete am 30. April 1975 der Vietnam-Krieg. Die rote Flagge mit dem gelben Stern wurde vormittags auf dem Dach gehisst. Ein denkwürdiger Moment nach den unzähligen Opfern in dem Krieg, der das ganze Land verwüstete.
Geschichte hautnah
Der Palast der Wiedervereinigung ist heute zu besichtigen, außer es finden gerade Konferenzen statt oder Staatsgäste sind in Saigon zu Besuch. Im Innern erstrecken sich lange Korridore und Säle im Stil der 60er Jahre. In den 95 Räumen auf sechs Etagen verteilt sind Möbel, Lackarbeiten und Kunstschätze zu besichtigen. Zwei Etagen liegen unterirdisch. Die gleichen einem Hochsicherheitstrakt und dienten als militärische Zentrale.
Der Palast der Wiedervereinigung ist sehr interessant und eine Besichtigung vermittelt praktische, politische Bildung. Keiner möchte an diesen schrecklichen Krieg und die nachfolgende „Umerziehung“ des Volkes mehr denken, doch das gehört zur Geschichte des Landes. Hätte sich Vietnam nicht geöffnet, könnten keine Touristen das Land bereisen. Der große und dominierende Nachbar China hat es vorgemacht und es profitieren beide davon. Zur Erinnerung an den grausigen Vietnam-Krieg mit Millionen von Toten und die Einheit von Nord- und Südvietnam stehen immer noch Panzer gut sichtbar im Garten.
Notre Dame Basilika
Die christliche Notre Dame Basilika bauten die Franzosen. Damals hatte die Basilika die höchsten Türme in der Stadt. Heute wirkt die Kirche sehr groß und irgendwie fehl am Platze mit ihren vermeintlich roten Backsteinen. Doch die Backsteine entpuppen sich bei näherer Betrachtung als rote Fliesen aus Marseille, die die Schiffe aufwendig ins Land transportierten. Die Buntglasfenster stammten aus Chartres. Sie waren im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört und dort durch herkömmliches Glas ersetzt worden. Die recycelten Fenster bekam die Kirche Notre Dame in Saigon. Der Aufwand für diese Kirche mutet unvorstellbar und nicht gerade preisgünstig an. Doch die Franzosen in einem fremden, heißen Land brauchten wohl etwas aus ihrer Heimat.
Am Sonntag ist Messe
Es ist ein Sonntag im Februar, in der Kirche findet gerade eine katholische Messe statt. Katholiken haben zwar keinerlei Bedeutung mehr in Vietnam, aber trotzdem ist die Messe gut besucht. Der Pastor steht vorne am Altar und singt vor, dann gibt er die Einsätze für die Gemeinde - ungewöhnlich. Nur sonntags ist der Glockenturm geöffnet und er kann bestiegen werden. Oben angekommen belohnt die imposante Aussicht über die Dächer der Stadt. Vor der Kirche steht eine Marien-Statue, die extra aus Rom her transportiert wurde. Sie sollte Vietnam zum ersehnten Frieden verhelfen. Das ist ihr spät, aber dennoch gelungen.
Sonntags vor der Kirche
Der Verkehr flutet wie immer in den Straßen. Viele Menschen putzten sich heraus und genießen den freien Tag. Auf der Straße steht ein Brautpaar und lässt sich in aller Ruhe mit der Kathedrale im Hintergrund fotografieren. Die Braut trägt stolz ihr weißes Kleid. Der christliche Brauch des weißen Brautkleides ist auf der ganzen Welt beliebt. Natürlich fotografiert nicht nur die Profifotografin, sondern die beobachtenden Touristen ebenso.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist eine Sportgruppe unterwegs. Die Jugendlichen bekamen wahrscheinlich den Sonntagsauftrag, die Touristen anzusprechen. Sie können etwas Englisch und wir verstehen uns. Es soll etwas in Vietnamesisch von einem Zettel vorgelesen werden. Was das wohl heißen mag? Doch wir lesen vor, die Schüler verneigen sich kurz als Dank. Der Sinn der Übung war nicht auszumachen. Warum auch, eine schöne und ungezwungene Begegnung. Alle hatten ihren Spaß.
Hauptpostamt
Das Saigoner Hauptpostamt liegt gegenüber der Notre Dame Basilika. Nur kurz über die Straße geht es zum Gebäude aus dem 19. Jahrhundert von Gustave Eiffel gebaut. Kaum ist man in der Halle, drängt sich die Vorstellung von Frauen in rauschenden Kleidern und Männern in steifen Anzügen aus dem vorigen Jahrhundert auf. Am Eingang fällt sofort der schöne Fußboden mit Fliesen in den Blick. Hölzerne Telefonkabinen sind rechts untergebracht. Uhren zeigen die Uhrzeit aus Weltstädten wie London, Moskau, Tokyo, Beijing, Seoul, Pretoria oder Paris an. Das Hauptpostamt verströmt den Charme des vorletzten Jahrhunderts. Ein großes Bild des Staatsgründers Ho-Chi-Minh dominiert die rückwärtige Wand. Mit seinem freundlichen Blick schaut er auf das Treiben der Einheimischen und der neugierigen Touristen. Zwei alte Männer sitzen ungestört vom Trubel auf einer Bank und unterhalten sich. Die Kunst des Nebeneinanders von Hektik und gleichzeitiger Entspannung und tiefer Ruhe ist hier deutlich zu spüren.
Im Saigoner Hauptpostamt ist es voll. Touristen fotografieren und schauen sich in den seitlich gelegenen Souvenirshops um. In der Mitte hat ein Verkaufstresen seinen Platz. Dort sind auch Postkarten und Briefmarken für die ersten Karten nach Hause zu bekommen. Den notwendigen Kleber gibt es an den Türen.
Es lohnt, etwas in oder vor der Post zu verweilen. Plötzlich sammelten sich Frauen in traditionellen Kleidern – Hosen mit langen, geschlitzten Oberteilen – direkt vor der Post. Sie halten Werbeprospekte in ihren Händen und werden von einem Fotografen aufgenommen. Auf dem Bürgersteig schauen Einheimische wie Touristen interessiert zu. Die bunten Kleider und schwarzen Haare flattern im Wind, ein ungemein farbenprächtiges Bild.
Binh-Tay-Markt
Der Bus bringt uns zum Binh-Tay-Markt. Das ist einer unter mehreren Märkten in der Stadt. Übersetzt der „Große Markt“ hält er, was der Name verspricht. Ein chinesischer Kaufmann überdachte vor langer Zeit einige Stände und machte den Markt zu einem Handelszentrum. Der Aufbau und der Uhrenturm in der Mitte sind für Besucher im Gewimmel kaum zu erspähen. Als Tourist ist man abgelenkt von den wirklich fantastischen Ständen und dem überwältigenden Angebot. Standbetreiber mögen die nur fotografierenden Urlauber scheinbar gar nicht gern. Sie wollen vor ihren Auslagen lieber zahlungskräftige Kunden sehen, die nicht im Wege stehen. Dennoch bietet ein Besuch des Marktes einen sehr guten Einblick in die Essgewohnheiten der Vietnamesen.
Seepferdchen im Angebot
Der Binh-Tay-Markt besticht mit seiner Vielfältigkeit. Hier gibt es nahezu alles zu kaufen – Haushaltswaren wie bunte Plastiktischdecken, kandierte Lotuskerne, Nüsse, getürmte Geschenkpackungen, getrocknete Därme, Reisnudeln oder golden schimmerndes Tempelgeld. Im Buddha-Tempel ist es Brauch, Papiergeld zu verbrennen, welches vorher gekauft wurde. Es schimmert bunt in knalligen Farben. Goldfarben gehört bei Geld unbedingt dazu.
Auffallend sind die besonders vielen meist getrockneten Meeresfrüchte und Säcke voller Gewürze. Sogar getrocknete Seepferdchen in Plastikbeuteln sind zu sehen. Manche Erzeugnisse machen einen sehr gewöhnungsbedürftigen Eindruck. Vieles lässt sich an den Essständen für Besucher und Standbetreiber gleich ausprobieren.
Auf der Webseite www.chobinhtay.gov.vn des Marktes sind Preise angegeben für die wichtigsten Nahrungsmittel. Darin steht weißer Reis mit null vietnamesischen Dong. Ob der Reis wirklich umsonst ist, war nicht festzustellen. Ob es sich bei diesen Preisen um Festpreise handelt, bleibt auch ungeklärt. Da Vietnam von einem kommunistischen Regime regiert wird, könnten diese Festlegungen durchaus infrage kommen. Festpreise ermöglichen auch armen Menschen, sich ausreichend Lebensmittel zu kaufen.
Thien Hau Pagode
Die „Frauenpagode“ ist äußerst sehenswert. Sie ist der Meeresgöttin Thien Hau, die Schutzpatronin der Seeleute, geweiht. Die Auszeichnung „Gemahlin des Himmels“ erhielt die Pagode sogar vom Kaiser höchstpersönlich verliehen. Diese Ehrungen erstaunen sehr, denn Frauen genießen sonst in der chinesischen Kultur nur mäßige Anerkennung und Wertschätzung. Aber als Göttin ragt diese Frauengestalt heraus, ähnlich der Maria im Christentum.
Der Tempel ist relativ jung. Kantonesische Kaufleute ließen ihn im 18. Jahrhundert erbauen und zeugen damit von den reichen, chinesischen Händlern. Prachtvolle Holzschnitzereien und Keramikarbeiten sind überall zu sehen. In jeder Ecke steht etwas Kostbares. Am Dach gibt es ungewöhnliche Keramikverzierungen zu bewundern.
Töpfe voller qualmender Räucherstäbchen
Im Innern stehen Weihrauchtöpfe in allen Größen und die darin steckenden Räucherstäbchen qualmen vor sich hin. Von der Decke hängen Weihrauchspiralen mit roten Zetteln, vielleicht mit einer Bitte oder der Name des Spenders. In diesen Tempel kommen viele Hongkong-Chinesen und spenden Weihrauch-Stäbchen oder Spiralen. Die Säulen sind mit chinesischen Schriftzeichen bemalt. Hinten im Tempel ist die Meeresgöttin, gleich dreimal hintereinander, und schaut auf das Treiben in ihrem Haus herab. Ihr stehen zwei Helferinnen, die Himmelsmütter, zur Seite. Schon wieder Frauen, aber am Eingang stehen zwei mächtige Wächter der Götterwelt und präsentieren die männliche Dominanz.
Drachentanz
Bei unserem Besuch fand gerade der Drachentanz statt. In leuchtendem Gelb gekleidete Akteure trommelten und flöteten. Dazu stülpten sich jeweils zwei Tänzer ein buntes Drachenkostüm über. Sie tanzten vor den begeisterten Zuschauern am Eingang der Pagode und liefen dann hinein. Bei der Vorführung war es völlig gleich, ob es sich um eine Touristenbelustigung handelte oder nicht. War auch nicht festzustellen, denn viele Menschen schauten zu. Verständlich, denn es sah sehr farbenprächtig aus. Wann sieht man schon mal einen Drachentanz? Vielleicht findet der Drachentanz jeden Sonntag statt oder nur um Neujahr?