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VORGEPLÄNKEL

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Dann ging es los: am 14.5. bis 20. 5. 02 – nur sieben Tage, ich musste es erst einmal ausprobieren.

Es war lange her, in meiner Jugendzeit in Stendal hatte ich mich immer sonntags und sommers auf das Fahrrad geschwungen: Ich fuhr oftmals teils mit dem Brüdern (auf dem Kindersattel), unter anderem in ein wunderschönes Städtchen voller Sehenswürdigkeiten, nach Tangermünde.

Später fuhr ich kreuz und quer – ohne die Brüder – frühmorgens bis spät abends – durch die Altmark und die angrenzenden Gebiete beispielsweise nach Magdeburg oder Brandenburg.

Übrigens hatte ich nach der Schule in der 9. und 10. Klasse einen Minijob im Seifen- und Kunstgewerbegeschäft gehabt, und zwar mit dem Fahrrad die Kunden zu beliefern.

Leider hat es nur zwei oder drei Jahre mit der Fahrradkutscherei gedauert, denn ich hatte einfach keinen Bock mehr.

Zusätzlich war ich in meiner Lehre in Premnitz (zwischen Rathenow und Brandenburg) – ich habe einen neuen Abschnitt meines Lebens, eine Weggabelung gemacht, es war wahrscheinlich nicht so gut, in die stinkige Chemie einzutauchen.

Wie gesagt, ich musste mich langsam an das Fahrrad gewöhnen; die 27-jährige Pause musste ich überbrücken, ich war dem Fahrradfahren fast entwöhnt.

Damals wollte ich von Leipzig gerne auf den Nebenstraßen fahren, es ist aber fast immer zeitaufwendig, man fährt länger, und vor allem die mühsame Sucherei nach dem Weg war anstrengend.

Über die Dörfer fuhr ich nach Bitterfeld. Unterwegs war ich in der Nähe von Zschortau gewesen.

Damals – im Jahre 1997 bei meiner Fußreise nach Stendal – war ich im Wald in der Nähe von Zschortau.

Plötzlich waren da eine Menge Polizisten, die Herren in Grün mit Kugelsicherungswesten, mit Maschinengewehren und mit großen Hunden, wie Blitze waren die da. Von zwei Kriminalpolizisten (in Zivil) wurde ich verhaftet.

Es stellte sich heraus, dass man mich für einen gefährlichen Kriminellen, Herrn Zurwehme, hielt.

Ich fuhr auf dem nicht fertigen Weg längs des brandneuen, sehr großen Sees in der Nähe von Bitterfeld.

Übrigens habe ich in Bitterfeld meine dreijährige Absolventenzeit verbracht, nach meinem Studium in Magdeburg.

Im CKB (Chemiekombinat Bitterfeld), dem wahrscheinlich größten Chemiemuseum in der Welt, und unter nicht gerade gesunden, richtig unmöglichen Arbeitsbedingungen habe ich gekleecht, gearbeitet.

Gegen die schrecklichen Rußpartikel in den Augen musste man etwas tun, beispielsweise die Augen schließen, aber man kann gar nicht immer die Augen zu machen, blubs, die vielen Stückchen Kohle flogen in der Luft, und garantiert in die Augen.

Ich musste für ein halbes Jahr, wie auch die vielen Absolventen, im Schichtbetrieb und in einem dunklen, hässlichen und maroden Salzbetrieb praktisch arbeiten, es gab einen beträchtlichen Facharbeitermangel.

Ein junger Arbeiter in der Nachtschicht füllte einen großen Kessel, es dauerte eine halbe Stunde. Der Lohnarbeiter bückte sich in den Bottich, seine Hände führte er innerhalb des Bottichs hinein, er konnte schlafen, bis die heiße Brühe die Hände berührte, also für eine halbe Stunde.

Zwischen Bitterfeld und Wolfen gab es eine Gemeinde Greppin, mittendrin im Gelände des Chemiekombinates, die armen Leute taten mir leid.

Längs der Mulde und der Elbe war ich über Dessau und Magdeburg gefahren.

In meiner Bezirkshauptstadt Magdeburg habe ich beim dreijährigen Studium die schönsten Jahre erlebt.

Dann radelte ich über Jerichow nach Tangermünde, allerdings habe ich nur die Stadt aus der Ferne gesehen, denn der Weg führte entlang der anderen Seite des Elbstromes.

Kurze Zeit später war ich bei Arneburg, allerdings gegenüber dem großen Fluss.

Kein Tag länger als nötig war ich in Bitterfeld, und ich musste eine neue Arbeit finden, in der Baustelle des KKW (Kernkraftwerk) wurde ich fündig für vier Monate, eben bei Arneburg.

Elbaufwärts findet sich der Ort Havelberg, eine relativ hübsche Stadt.

Ich muss die Zeiten rückwärts drehen, in der DDR war es nicht so übel, relativ, aber die Bausubstanz war richtig schlecht. Die Spuren von 40 Jahren kann man nicht vergessen, und für die blühenden Landschaften muss man sich ein bisschen gedulden.

Dann fuhr ich nach Wittenberge und manchmal auf schlechten Wegen.

Vor Lauenburg verließ ich den Elbstrom, es ging auf einmal in die Höhe, ich hatte niemals gedacht, dass ich in so eine hohe Landschaft geraten war.

Ich fuhr nach Lübeck. In dem von Wasser umgebenen Altstadtoval sind zahlreiche bedeutende Baudenkmäler der norddeutschen Backsteingotik erhalten bzw. wiederaufgebaut.

Von Travemünde stach ich in See, mit einer große Fähre nach Trelleborg in Schweden (2. Land), und dann brach ich mit dem Rad nach Malmö auf.

Über die berühmte Brücke möchte ich von Malmö nach Kopenhagen (1. Hauptstadt – 3. Land) radeln – aber auf der Brücke war absolutes Fahrradverbot, und ich habe nicht einmal die Brücke gesehen, denn es war Nacht.

Am frühen Pfingstmontag hatte ich mir zum ersten Mal eine Panne in einem Dorf eingefangen, und ich hatte die Fahrradwerkzeuge vergessen.

Nicht lange und ein großer Däne mit einem voluminösen Hund kam (er hat mich auf Deutsch angeredet), er sagte, er habe keine Probleme mit der Fahrradreparatur, und er hat mich zum Frühstück eingeladen.

Über Seeland – Falster – Lolland bin ich gefahren, und ich habe immer wieder kleine Fähren benutzt.

Als ich mit einer größeren Fähre in Deutschland auf Fehmarn angekommen bin, bin ich zum Festland endlich auf einer Brücke über die Ostsee gefahren – na ja, viele Autos gab es, vielleicht zu viele, ich kam mir vor, als ob ich jeden Moment überfahren würde.

Dann bin ich fast allein auf der Landstraße geradelt, ich wusste nicht, wo ich war, aber es war kein Problem, irgendwie kam ich doch ans Ziel.

In Lübeck war ich am Ende der Fahrradtour. Nach Leipzig bin ich mit einem Zug gerollt.

Als ich nach Hause gekommen war, bin ich – laut meiner Frau – zu früh angerückt. »Aha, es wird das nächste Mal etwas länger dauern.«


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Mit dem Fahrrad und Aphasie durch Europa. Band 1

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