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Der königliche Oberfliegenfänger

Pitsch! Patsch! Putsch!

Es war einmal ein König, der hasste nichts mehr auf der Welt als Fliegen, und weil die Fliegen das wussten, ärgerten sie ihn besonders tüchtig. Lag er im Bett und schnarchte, so surrten sie ihm auf die Nase und kitzelten ihn durch ihr Kribbeln und Krabbeln so lange, bis er niesen musste und dadurch aufwachte. Oder wenn er beim Essen saß, dann schwirrten die Fliegen auf den Speisen herum und naschten davon, so dass dem König der Appetit verging. Damit nun die Fliegenplage nicht überhandnehme, hatte er einen Diener angestellt, der ihm, so gut es ging, die Fliegen vertreiben sollte. Dieser Mann hatte den ehrwürdigen Titel „Königlicher Fliegenfänger“, und er war sich seiner Würde auch wohlbewusst.

„Ja, wenn ich, der königliche Fliegenfänger, nicht wäre“, so pflegte er es in seiner Eitelkeit jedem auf die Nase zu binden, ob er es hören wollte oder nicht, „dann wäre der König auch nicht. Denn hierzulande sind die Fliegen so frech, dass sie einen mit Haut und Haar auffressen, wenn man nicht auf der Hut ist.“

Nun, der königliche Fliegenfänger war schon auf der Hut, das musste man ihm lassen, eigentlich zu gut auf der Hut. Mit seiner Fliegenklappe schlich er dauernd dem König nach und schlug zu, wenn sich eine Fliege irgendwo in der königlichen Nähe niederließ. Den ganzen Tag klatschte die Fliegenpatsche - pitsch! auf die Nase des Königs -, patsch! mitten auf seinen Teller, dass ihm die Speisen nur so ins Gesicht spritzten - und putsch! mit voller Wucht auf seinen majestätischen Bauch. Und jedes Mal, wenn der König selbst getroffen wurde, schrie er vor Schmerz auf:

„Oah, oah, oah!“

„Verzeihung, Majestät“, entschuldigte sich der königliche Fliegenfänger dann stets und verbeugte sich dabei so tief, dass seine Nasenspitze fast den Boden berührte.

„Musst du denn immer so fest zuschlagen, Fliegenfänger?“

„Wenn ich die Fliegen nur streichle, dann sind sie nicht tot.“

„Wenn du nur nicht mal mich totschlägst“, jammerte der König, das Schlimmste fürchtend.

„Aber, Majestät, dann würde ich doch meinen Posten als königlicher Fliegenfänger verlieren.“

„Ja, ja, das leuchtet mir ein.“

“Wenn man von Fliegen verschont bleiben will“, näselte der königliche Fliegenfänger, „dann muss man eben Opfer bringen.“

„Die bringe ich ja. Ich glaube, es gibt keine Stelle mehr an meinem Körper, die nicht blau angelaufen ist.“

„Daran kann man erkennen, dass Majestät blaublütig ist“, klärte der Diener, um keine Antwort verlegen, den König auf.

„Ja, ja, das leuchtet mir ein.“

Kaum hatte der König das letzte Wort ausgesprochen, als er pitsch! einen heftigen Schlag mit der Fliegerklappe auf seinem Kopf verspürte.

„Oah, oah, oah!“, stöhnte er vor Schmerz.

„Schon wieder eine!“, rief der königliche Fliegenfänger.

„Getroffen?“, ächzte der König und rieb sich sein königliches Haupt.

„Diesmal leider nicht. Dort drüben fliegt sie.“

„Schlag zu!“

Das brauchte man dem königlichen Fliegenfänger nicht erst zweimal zu sagen. Mit einem Satz sprang er der Fliege nach und schlug patsch! so heftig zu, dass die Vase zerbrach, auf die sie gerade gelandet war. Doch getroffen hatte er die Fliege auch diesmal nicht. Sie war noch im letzten Augenblick entwischt und soeben im Anflug auf das kostbare Gemälde, das Seine Majestät bei der feierlichen Krönung zeigte, als der Fliegenfänger erneut mit der Klatsche ausholte und putsch! ein großes Loch in die Leinwand schlug.

Mitten auf den königlichen Mund

Und wieder hatte die Fliege den königlichen Fliegenfänger genarrt und war davongeschwirrt - mitten auf den Mund des Königs. Diesmal entkommst du mir nicht, dachte der Fliegenfänger, in seiner Ehre gekränkt, weil er dreimal sein Ziel verfehlt hatte, und schlug pitsch-patsch-putsch! mit aller Kraft zu.

„Oah, oah, oah“, wehklagte der König, „mein Mund, mein Mund!“

„Es ging nicht anders“, versuchte sich der königliche Fliegenfänger zu rechtfertigen. „Diesmal habe ich sie endlich erwischt, Majestät. Da liegt sie, die elende Fliege, und zappelt mit keinem Bein mehr.“

Für den König aber war das kein Trost. Die Lippen brannten ihm von dem Schlag mit der Fliegenklappe, und, sich die Hand vor dem schmerzenden Mund haltend, ächzte er lautstark weiter: „Oah, mein Mund, mein Mund! Ob noch alle Zähne drin sind?“

„Aber, mein verehrter König, wie kannst du jetzt an deine Zähne denken, wo ich gerade noch im letzten Augenblick verhindert habe, dass die Fliege in deinen königlichen Mund geflogen ist.“

„Ja, ja“, nickte der König, wenigstens halbwegs überzeugt, so schien es wenigstens, „das leuchtet mir ein.“

„Na also, Majestät.“

Doch im nächsten Augenblick dachte er schon wieder anders und stöhnte noch schmerzlicher auf. „Oah, nein, nein, es leuchtet mir nicht ein!“

„Aber, Majestät!“, rief der königliche Fliegenfänger verwundert über den Gesinnungswandel Hals über Kopf.

„Meine Lippen schwellen an, die kostbare Vase ist kaputt, und das Bild hat ein Loch!“

„Aber die Fliege ist tot“, beharrte der königliche Fliegenfänger, stolz auf seinen Jagderfolg.

„Ein hoher Preis“, seufzte der König.

„Eine Kleinigkeit. Bedenke, mein König, wenn die Fliege in deine Luftröhre geflogen wäre, dann wärst du womöglich jetzt erstickt.“

„Sie ist aber nicht hineingeflogen.“

Der Diener war beleidigt: Statt ihm dankbar zu sein, tadelte ihn der König.

„Also gut“, sagte er gekränkt, „wenn ich keine Fliegen mehr fangen soll, Majestät, dann bitte ich alleruntertänigst um meine Entlassung.“

„Nein, nein, du sollst ja Fliegen fangen, mein lieber Fliegenfänger, aber bitte schlage deswegen nicht gleich die ganze Welt entzwei.“

„Ich bin der beste Fliegenfänger im ganzen Land“, brüstete sich der Diener. „Ich habe meinen Ruf zu verteidigen.“

„Quak-quak“, machte es da plötzlich im Saal, „dann verteidige ihn.“

Der König stutzte. „Was war denn das?“

„Ein Frosch, Majestät.“

„Quak-quak“, bestätigte der Frosch und sprang mit einem gewaltigen Satz auf den Sessel neben dem Thron des Königs. „Ich bin der beste Fliegenfänger.“

„Das musst du erst noch beweisen“, meinte der Diener, der sich seiner Sache sicher war.

„Das werde ich auch“ versicherte der Frosch, „wenn du, mein König, mich lässt.“

Wie zur Abwehr hob da der König beide Arme. „Nein, nein, nur das nicht, sonst werde ich nächstens noch von zwei Seiten mit Fliegenklatschen geprügelt.“

„Quak-quak, ich brauche keine Fliegenklatsche“, erklärte der Frosch. „Ich fange die Biester alle mit meinem Maul.“

„Maulheld!“, zischte da der königliche Fliegenfänger ihm entgegen.

Der König aber war ganz Ohr. „Ist das wahr, Frosch?“

„Wir können es ja mal versuchen.“

„Ja“, nickte der König, „da drüben schwirrt gerade eine Fliege.“

„Quak-quak, pass auf, ein Sprung und schwapp! hab ich sie schon.“

Ein Frosch braucht keine Fliegenklatsche

Ja, der Frosch hatte nicht zu viel versprochen. Während der königliche Fliegenfänger immer erst warten musste, bis sich die Fliegen irgendwo hingesetzt hatten, konnte der Frosch sie sogar in der Luft schnappen. Dabei zerbrach er weder Vasen, noch brachte er dem König neue blauen Flecken bei, und dass darüber Seine Majestät heilfroh war, kann sich wohl jeder denken.

Es war aber auch ein ganze besonderer Frosch, sozusagen der Meister aller Meister im Fliegenfangen. Während die Frösche normalerweise unbeweglich auf der Lauer liegen und dann plötzlich, wenn eine Fliege oder ein anderes Insekt in der Nähe krabbelt, ihre lange Zunge blitzartig vorschnellen lassen, um die Beute mit der klebrigen Spitze zu fangen, konnte unser Frosch dabei noch hochspringen und die Plagegeister sogar im Flug erwischen.

So blieb es denn auch nicht aus, dass der königliche Fliegenfänger seines Postens enthoben wurde und der Frosch an seine Stelle trat. Der Frosch wurde sogar zum „Königlichen Oberfliegenfänger“ ernannt.

Das wurmte natürlich den bisherigen Fliegenfänger, besonders auch deswegen, weil er den Frosch von vorn und hinten zu bedienen hatte. Er war sozusagen der Leibdiener des neuen königlichen Oberfliegenfängers geworden und musste den dicken Frosch immer auf einem Seidenkissen hinter dem König hertragen und mit kühlendem Wasser besprühen, wenn es zu heiß war.

So sann der Diener darüber nach, wie er den Frosch verdrängen und seinen alten Posten wiederbekommen könne. Er hatte schon bald spitz, dass der Frosch von dem vielen Fliegenfressen dicker und dicker wurde, und um diesen Vorgang zu beschleunigen, ging er hin, fing mit der Hand Fliegen und fütterte damit heimlich den königlichen Oberfliegenfänger. Der ließ sich das gern gefallen, denn für ihn war es doch bequemer, auf dem Seidenkissen zu liegen und sich die Braten ins Maul stopfen zu lassen als selbst danach zu springen.

Bald war der Frosch so fett, dass er sich kaum noch bewegen konnte, was auch die Fliegen merkten, die nun ihm und dem König frech um die Nase schwirrten.

„Weiß der Himmel, wo all die Fliegen herkommen“, wunderte sich der König. „Früher hat es hier doch nicht so viele gegeben wie in letzter Zeit.“

„Da habe auch ich sie gefangen, Majestät“, erklärte sein Diener, der abgesetzte königliche Fliegenfänger.

„Ja, ja, und jetzt fängt der Frosch sie.“

„Wenn er sie überhaupt fängt“, fügte der Diener vielsagend hinzu.

„Was heißt das?“

„Er ist so fett geworden, dass er sich nicht mehr bewegen kann.“

„Ja, ja“, bestätigte der König, „das ist mir auch schon aufgefallen, dass er sogar nicht mehr nach den Fliegen springt.“

Bei diesen Worten witterte der Diener Morgenluft. „Als ich noch königlicher Fliegenfänger war“, begann er, die günstige Gelegenheit beim Schopf fassend, „da gab es noch nicht mal halb so viele Fliegen, und es würde wieder so sein, wenn du, mein erhabener König, mich erneut in meine alten Rechte einsetztest,“

„Hm“, brummte der König, und an den Denkerfalten auf seiner Stirn merkte man, dass er hin und her überlegte. „Warum nicht?“, sagte er schließlich.

Vor Freude machte der Diener einen Sprung in die Luft. „Danke, Majestät, danke!“, jauchzte er. „Ich hole gleich meine Fliegenklatsche - und pitsch-patsch-putsch! schlage ich die Fliegen futsch.“

„Halt, halt!“, rief da der König. „Von deiner Fliegenklatsche habe ich kein Wort gesagt.“

„Aber, Majestät!“ Der Diener stand da wie belämmert. Eben noch hatte er sich gefühlt wie im siebten Himmel und jetzt wie vor den Kopf gestoßen.

„Glaubst du, ich möchte wieder von oben bis unten blaue Flecken kriegen?“

„Aber wie soll ich denn sonst die Fliegen fangen?“, fragte der Diener.

„Mit dem Mund“, lautete die Antwort des Königs, „genau wie der Frosch.“

Na, da hättet ihr mal den Diener sehen sollen, wie er über die Tische und Stühle hopste und mit offenem Mund nach den Fliegen schnappte, ohne auch nur eine einzige zu erwischen. Als Leibdiener des Frosches hatte er doch ein bequemeres Leben geführt, und so war er heilfroh, als der Frosch bald wieder abnahm und selbst nach Fliegen schnappte. Gern verzichtete er auf seinen Posten als königlicher Fliegenfänger und diente künftig dem königlichen Oberfliegenfänger als oberfliegenfängerischer Leibdiener.

Und der König war’s zufrieden.

Der königliche Oberfliegenfänger und andere Geschichten

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