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III
ОглавлениеCäcilia öffnete die Thür des Hauses und trat hinein. Das untere Zimmer war leer. Die kalte Einsamkeit des Gemaches machte auf das Gemüth des Mädchens noch immer einen tiefen Eindruck, so sehr sie dieselbe auch gewohnt sein mußte. Mit langsamen Blicken maß sie die düsteren Wände und die grauen Spinneweben, die auf ihnen hingen. Unmuth und Mitleiden zeigten sich auf ihrem Gesichte, und eine Weile blieb sie voll Gedanken mitten im Zimmer stehen. Gewiß machte sie im Geiste den Vergleich zwischen dem himmlischen Tone von Lebensmuth und liebevoller Genügsamkeit, der in der Hütte der armen Wittwe herrschte, und der dumpfen Todesstille des Gemachs, in der sie sich jetzt befand. Bald darauf setzte sie sich an den Heerd, in die Ecke des Kamins, und sah mit unstetem Blicke in die Asche. Einige Worte, die ihr halb im Traume entschlüpften, bewiesen, daß sie die Mittheilung der Wittwe noch immer im Sinne hatte.
Als sie einige Minuten da gesessen, ließ sich hinter ihr durch eine halb offenstehende Thür eines Nebenzimmers ein männlicher Tritt hören. Sobald die eintretende Person das Mädchen bemerkte, zeigte sich ein eigenthümlicher Ausdruck auf ihrem Gesichte; die grauen Augen glänzten vor Freude unter den dichten Brauen und verriethen eine gewisse Tücke, während der große Mund, zu einem dummen Spottgelächter verzogen, den Triumph der Lüsternheit andeutete.
Er zog sich schnell zurück und kam kurz darauf mit drei Torfstücken und einem Bündel Reisholz unter dem Arme wieder. Jetzt war sein Gesicht so freundlich und gutherzig, als seine abstoßenden Züge es zuließen.
»Guten Tag, Cäcilia,« sprach er mit Theilnahme. »Es ist draußen recht kalt, nicht wahr? Thut Euere Füße aus der Asche, ich will für uns ein gutes Feuer anmachen.«
Das Mädchen sah ihn erstaunt an. Dieser Ton war ihr unbekannt, dieser freundliche Ausdruck bei Thys ungewohnt. Doch, da ihr die Erzählung der Wittwe noch im Gedächtniß schwebte, war sie zweifelhaft, wie diese schnelle Umänderung auszulegen wäre.
Thys warf den Torf schnell in den Heerd und legte absichtlich das Feuer so an, daß es sich fast ganz nach Cäcilia’s Seite richtete.
»Was habt Ihr vor, Thys?« frug diese. »Warum legt Ihr das Holz vor den Kamin?«
»Es geschieht, auf daß Ihr Euch um so besser wärmt, Cäcilia,« antwortete der Andere und richtete den Blasbalg unter das Holz, so daß die Flamme hell aufloderte.
»Ja,« sprach er weiter, »so ist es Recht. Nicht für mich; doch was Euch erfreut, macht auch mir Vergnügen, selbst wenn ich sonst Nichts dabei gewinne.«
»Nun, nun, Thys, ich begreife Euch nicht recht, Ihr wollt wohl scherzen. Oder seid Ihr etwa ein anderer Mensch geworden!«
»Cäcilia,« seufzte Thys und blickte ihr schmeichelnd in die Augen, »Ihr haßt mich, aber Ihr kennt mich nicht recht.«
»Hassen? Pfui, welch abscheuliches Wort! Ihr macht mir Angst, Thys, das ist wahr; warum seid Ihr aber auch beständig so verstimmt und fahrt mich oft so barsch an? Man muß mit mir zuvorkommend und freundlich umgehen; sonst verletzt man unwillkührlich mein Gemüth.«
»Ihr werdet mir kaum Glauben schenken, Cäcilia; doch das ist eben mein Charakter und war es immer so.«
»Wirklich?« unterbrach das ungläubige Mädchen.
»Ach, Cäcilia,« seufzte er, »es thut mir leid, daß Ihr mich fast zwingt, Euch alle Falten meines Herzens zu enthüllen. Ich liebe den Onkel über die Maßen; mein einziger Lebenszweck besteht darin, die letzten Jahre meines Wohlthäters zu versüßen und nach meinen Kräften jeden Kummer von ihm abzuwenden. Ihr, ein schlichtes Mädchen, begreift nicht recht, daß man sich kleine Fehler erlaubt, um ein gutes Ziel zu erreichen. Doch ist das der Grundsatz, der mich in meiner Handlungsweise lenkt. Onkel Jan ist geizig; sein Geld ist ihm lieber, als seine Seele. Ich will ihn nicht beschuldigen; diese Schwachheit kommt von einem vorgerückten Alter. Ihn in dieser Leidenschaft bekämpfen zu wollen, das hieße sein Leben vergällen, eine Tage verkürzen. Was habe ich also aus Liebe zu ihm gethan? Mit ihm den Geizhals gespielt, mich mit knapper, schlechter Kost begnügt, Frost ausgestanden und mich in diesem Loche vergraben. Ja, ja, Cäcilia, das Herz blutete mir beim Anblick eines Armen, und doch jagte ich ihn zur Thüre hinaus; ich sehnte mich nach dem Umgang mit Freunden, und doch ließ ich meine schönsten Jahre in dieser Abgeschiedenheit verrinnen; ich liebte Euch um Euerer Tugend und Einfalt willen, meine Seele dürstete nach Euerer Zuneigung, und doch begegnete ich Euch mit Rauhheit und Ungestüm. Wozu dieß Alles? Ihr müßt es jetzt wissen, Cäcilia; es geschah, um dem Onkel zu gefallen und ihm in seinem peinlichen Alter als Tröster beizustehen!«
Der eindringliche Ton dieser Rede gewann das Mädchen; sie blickte auf Thys mit neuer Verwunderung.
»Oh! ich habe viel gelitten!« fuhr dieser schmerzlich fort. »Sich fortwährend verstellen, nie im wahren Lichte erscheinen, ist ein schweres Opfer! Obendrein wird man verhaßt, und muß es ruhig mit ansehen, daß man als ein Wesen verschrieen wird, dem Herz und Seele fehlen!«
Hier deckte er sich die Augen mit den Händen zu – doch durch die Finger guckte er nach dem Gesichte des gerührten Mädchens.
»Armer Thys,« sprach diese, »warum habt Ihr nicht früher gesprochen? Ihr hättet mich davor bewahrt, ein ungerechtes Urtheil über Euch zu fällen!«
»Und jetzt, da Ihr mich kennt,« erwiederte Thys mit flehender Stimme, »werdet Ihr in Euerem Hasse gegen mich verharren?«
»Gehaßt habe ich Euch niemals,« lautete die Antwort, »und Euere jetzige Freundlichkeit kann ich nur mit Vergnügen sehen. Wir leben hier zusammen, als ob Ihr mein Bruder wärt; nun, so will ich Euch wie einen Bruder lieben und schätzen.«
»Ihr werdet also vor mir keine Angst mehr haben?«
»Warum denn, da ich jetzt weiß, daß Euch das Herz auf dem rechten Flecke sitzt?«
Eine Pause folgte diesen Worten. Thys schien in Gedanken verloren und sah mit zerstreuten Augen um sich.
Plötzlich richtete er sich auf und sprach mit erkünstelter Gleichgültigkeit:
»Cäcilia, ich muß Euch noch eine Eröffnung machen, die Euch vielleicht befremden wird; doch macht Euch keinen Kummer; für den Augenblick ist noch nichts beschlossen.«