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Das Stilfser Joch
Оглавление„Das Stilfser Joch ist mit 2760 m der höchste Gebirgspass in Italien und der zweithöchste (asphaltierte) der Alpen. Die etwa 50 km lange Straße über das Stilfser Joch wurde vor allem aus militärischen Gründen 1820 – 1826 vom österreichischen Kaiserreich unter der Leitung von Carlo Donegani gebaut, um die Lombardei (die zum Kaiserreich Österreich gehörte) schnellstmöglich mit den anderen Reichsteilen zu verbinden. „Die Straße zum Stilfser Joch, über Trafoi und nach Sulden zweigt südlich von der Vintschgaustraße ab. Über die Etschbrücke, dann auf langem Damm in 3/4 St. nach Prad (900 m). Bei Prad betritt man das Trafoier Tal, am wilden Trafoier Bach aufwärts; r. das Dorf Stilfs (1311 m), an steiler Bergwand gelegen. Nunmehr über den Bach auf das l. Ufer. Vor sich erblickt man die Trafoier Schneeberge, hinter sich die imposante Pyramide der Weißkugel (3746 m). Weiter nach (1 1/2 St.) Gomagoi (1273 m) mit einem kleinen Sperrfort (Zeichnen oder Fotografieren streng verboten!). In Gomagoi zweigt von der Hauptstraße gen Osten die Fahrstraße nach Sulden ab. Die Stilfserjochstraße führt von Gomagoi in südlicher Richtung weiter; die Großartigkeit der hochalpinen Landschaft entfaltet sich mehr und mehr, nach 1 1/4 St. Trafoi (1560 m), einem nur aus wenigen Häusern bestehenden Dorfe. Vor sich erblickt man die gewaltige Felspyramide der Vorderen Madatschspitze (3101 m), hinter welcher die Mittlere und Hintere Madatschspitze, östlich neben diesen die Schneeglocke (3427 m) und weiterhin die prächtige Trafoier Eiswand sich erheben, von denen westl. die Trafoier Ferner, östl. der untere Ortler-Ferner in vielfach gebrochenen Eiskaskaden zu Tale stürzen, die beide getrennt durch den scharfen Felskamm der Nashornspitze. Links östl. vom unteren Ortler-Ferner ragen die rauhen Felswände des Ortlerstockes auf, von welchen hier nur das scharfe Eck des Sticklen Pleiß und das vergletscherte Pleißhorn (3154 m) sichtbar sind. Am Fuße der Sticklen Pleiß, an der Grenze zur Waldregion, winkt aus einer Höhe von 2212 m die Berglhütte der A.-V.-S. Hamburg (bewirtschaftet) ins Tal der Heiligen drei Brunnen herab, von wo aus sie auf bequemen Saumpfade (‚Tauscher Weg‘) in ca. 2 St. zu erreichen ist. R. westl. von den Madatschspitzen breitet sich als brüchiger Eisabhang der Madatschgletscher und darüber der wenig geneigte Eben-Ferner aus. Dicht neben der Felswand der Madatschspitze erhebt sich nur um wenige Meter über dem Eben-Ferner der Monte Livrio, überragt von der Naglerspitze (3274 m), Geisterspitze (3476 m), weiterhin von der Payer- und Tuckettspitze. Trafoi, ausgezeichnet durch seine außerordentlich windstille Lage, bietet außer einer großen Zahl von Hochtouren namentlich auch eine Menge zumeist neu angelegter Spaziergänge. Die Straße steigt in vielfachen Windungen (48 Kehren, HK), die aber Fußsteige kürzen, aufwärts und erreicht am (1 1/4 St.) Weißen Knott (1863 m, Wirtschaft) einen Felsvorsprung, auf welchem ein 1884 errichteter Mormor-Obelisk an den ersten Ortler-Ersteiger, Josef Pichler (Passeirer Josele) 1804, erinnert, den schönsten Punkt der Straße; großartiges Gletscher-Panorama. Madatschferner, Trafoier und Unterer Ortlerferner, Nashornspitze, die beiden Eiskögel, Thurwieserspitze, Trafoier Eiswand, Schneeglocke usw.; in der Tiefe das Kirchlein mit den Heiligen drei Brunnen. 10 Min. weiter bezeichnet eine Marmortafel jene Stelle, an welcher Madelaine Tourville von ihrem Gatten in die Tiefe gestoßen wurde. Nach 1/4 St. die 1848 von italienischen Freischärlern zerstörte Cantoniera del Bosco, gegenüber der herrliche Madatschgletscher. In weiteren 3/4 St. erreicht man Franzenshöhe (2188 m, Posthotel), von hier aus erblickt man den höchsten Gipfel des Ortler. Die Straße erreicht bei fortwährender Steigung in ca. 2 St. das Stilfser Joch (2760 m), ital. Giogo dello Stevio, unweit davon das frühere Posthaus, jetzt Hotel Ferdinandshöhe; auf der Ferdinandshöhe unweit von der Grenze ist 1899 ein Denkmal zur Erinnerung an das 50jähr. Regierungs-Jubiläum des österr. Kaisers Franz Joseph errichtet; eine Säule bezeichnet die Grenze und gleichzeitig den höchsten Punkt der Straße.“
Griebens Reiseführer Tirol, 1911