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Einführung
ОглавлениеDen „Separatismus“ erklärt Carl Creifelds‘ renommiertes Rechtswörterbuch in seiner elften Auflage als „innenpolitische Bewegung, die auf Abtrennung eines Teiles des Staatsgebietes gerichtet“ (Creifelds, 1992) sei. Die Frage, ob eine solche Bewegung immer nur innenpolitische Bezüge aufweist, bildet den Gegenstand der nachfolgenden Erörterungen.
Ein Staat entsteht nicht von jetzt auf gleich. In der Juristerei kennt man den Begriff „Protostaat“, der laut Online-Lexikon Jurispedia „eine Vorstufe in der natürlichen Staatenbildung“ (Jurispedia, 2015) darstellt. Die Entwicklung von Protostaaten diene „der zwischenmenschlichen Konfliktregelung. Die häufig eskalierenden Friedensverhandlungen und Schlichtungen unter Männern der Stammeskulturen führten aus Leiderfahrungen zur Bildung staatlicher Gerichte, die nicht mehr im Konsens des Friedensgespräches, sondern autoritär durch Richter oder Könige entschieden.“ Anhand des Aktes der kollektiven Anerkennung eines formalen Richteramts könne rückblickend ein Protostaat erkannt werden, so die Autoren des Nachschlagewerks. Der Protostaat gilt somit als Werkzeug zur Rechtsprechung und Konfliktschlichtung zwischen streitenden Gemeinschaften. Auf dieser Kompetenz aufbauend wachsen im Laufe der Zeit die weiteren Arme der Staatskrake.
Ausgehend von dieser Definition passen einige der in der Menschheitsgeschichte bislang ausgerufenen Volksrepubliken, wie die VR Lugansk und VR Donezk in der Ostukraine der Jahre 2014 und 2015, sowie ähnliche provisorische Staatengebilde und ihre Vorläufer, nicht so recht ins Bild. Wie vor allem anhand der Ereignisse in der Ostukraine anno 2015 ersichtlich wird, wird in solchen Konstrukten weniger Recht gesprochen, als Volksgruppen gegeneinander aufgehetzt. Als Grundlage für einen Rechtsstaat sind die beiden jungen Republiken genauso wenig vorstellbar wie es ihre zahlreichen historischen Vorbilder waren. Es stellt sich also die Frage, ob ein Protostaat immer nur mit rechtspflegerischer und friedensstiftender Absicht der Einheimischen gegründet wird, oder ob nicht doch auch Interessen aus dem Ausland eine Rolle spielen, ob also Protostaaten nicht vielleicht auch Waffen im geopolitischen Wettstreit darstellen.
Dieser Frage werde ich in diesem Buch nachgehen. Ich werde darstellen, inwiefern die Unterstützung von Protostaaten im verfeindeten Ausland im Interesse einer geopolitisch bedeutenden Macht steht und dass der Initialfunke zur Gründung eines Protostaates oft mittels militärischer und geheimdienstlicher Unternehmungen gezündet wurde und wird.
Im Fokus meiner Untersuchungen werden die diesbezüglichen Aktionen der sowjetischen Regierung während des Kalten Krieges stehen. Mein Ziel ist es, anhand historischer Beispiele die grundlegenden Strategien der Operationen zur Gründung und Unterstützung separatistischer Protostaaten im Ausland aufzuzeigen.