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Erster Akt***

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Die Spieler sind unterwegs von hier nach dort. Viele Koffer, Kostüme, Masken, Requisiten. Einer von ihnen erblickt das Publikum.

SCHAUSPIELER 1 (BABA)Ha! Publikum!

Die Spieler eilen erfreut nach vorne und strahlen uns an.

SCHAUSPIELERIN 1 (SHADIYYAH)Da sind wir also. Wir, und ihr, und die Geschichte. (zu den anderen) Habt ihr die Geschichte mit?

Die Spieler deuten an: „Selbstverständlich!“.

SCHAUSPIELER 2 (DER KUNDE)Und? Wer fängt an?

SCHAUSPIELERIN 2 (MABUBAH)Immer der, der fragt!

Musik. Während der folgenden Rede bereiten die Spieler alles für ihr Spiel vor.

DER KUNDEDie Geschichte vom Wunderladen. Im Herzen der Stadt Bagdad – die einmal schön war, und friedlich, und froh – liegt ein Basar, der seinesgleichen sucht. (Marktgeschrei) Auf hundert verwinkelten Gassen breiten die Markthändler ihre Waren aus. Wie das duftet! Kardamom und Kaffee, Minze und Honig, Rosenlimonade, frisches Brot! Dort Pfauenfedern! Papageien! Gestreifte Ledermasken, bunte Lampions! Ein Fest fürs Auge! – Im hintersten Winkel des Basars jedoch soll es einen Laden geben, der wahre Wunder bereithält. Wenn wir Glück haben und das Schicksal unsere Schritte lenkt – ein Treppchen hoch, eine Arkade entlang – so entdecken wir auch den Eingang und schlüpfen durch einen schimmernden Glasperlenvorhang in den Laden hinein. Wie kühl es hier ist; angenehm! Unsere staunenden Augen gewöhnen sich ans Schummerlicht und erspähen auf den Regalen der winzigen Zaubergrotte Schriftrollen, Schachbretter, Silberluster, Schwerter, Spiegel glatt wie Eis, Büsten aus grüner Jade, und dort oben, unter der Decke –

Ein sehr alter Mann mit einem sehr langen Bart erscheint sehr plötzlich.

DER ALTE MANNIch darf behilflich sein? – Ich habe Sie erschreckt. Sie suchen etwas? Ja? Etwas besonderes?

DER KUNDEIch, ähm … Sagen Sie mal, die vielen Lampen hier –

DER ALTE MANNAha, aha! Unsere Wunderlampen!

DER KUNDEWunderlampen? Ist nicht wahr. Wie in den Märchen, ha? 1001 Nacht?

DER ALTE MANNJa, ja! Wenn man an der Lampe reibt, erscheint ein Geist, ein Feuerdschinn, der einem alle Wünsche erfüllt, nicht wahr?

DER KUNDETatsache?

DER ALTE MANNWelche möchten Sie probieren?

DER KUNDEDie da!

DER ALTE MANN (klettert die wackeligen Regale hoch) Diese?

DER KUNDEDie dahinter. Die sieht noch wundersamer aus.

DER ALTE MANNBitte sehr. – Jetzt rubbeln Sie mal. Probieren Sie’s. – Dreimal. Immer dreimal.

Der Kunde rubbelt dreimal, beide zucken mit Vorahnung zusammen. Aber nichts passiert.

DER KUNDEGibt wohl heutzutage keine Wunderlampen mehr.

DER ALTE MANNSie sind selten geworden. Diese hier – Nun, wir sammeln sie schon lange – seit hunderten von Jahren – aber eine wahre Zauberlampe mit einem echten Feuergeist habe ich nur ein einziges Mal zu Gesicht bekommen, damals, als ich ein kleines Mädchen war.

DER KUNDEEin kleiner Junge, meinen Sie.

DER ALTE MANNSeit hunderten von Jahren, ja.

DER KUNDESie sagten: kleines Mädchen.

DER ALTE MANN... Wie meinen Sie?

DER KUNDE... Wie sah sie aus, diese Zauberlampe?

DER ALTE MANNDie war nichts Besonderes. Ein altes Kupferding. Oder Messing vielleicht? Jedenfalls war sie eckig – oder rund – rund! – oder eckig –

DER KUNDENichts Besonderes, sagen Sie?

DER ALTE MANNWarten Sie, ich rufe meine Schwester, die weiß das, warten Sie! – Mabubah! Kommst du? Kundschaft! – Meine kleine Schwester, die ist weniger verkalkt als ich. – Mabubah!

Ein zweiter sehr alter Mann mit einem ebenso langen Bart erscheint.

DER ZWEITE ALTE MANN (MABUBAH)Du brauchst so nicht zu schreien. Ich bin nicht taub.

DER ERSTE ALTE MANNSag, deine Wunderlampe, damals, aus der Höhle. War die eckig oder rund?

DER KUNDEDas ist Ihre Schwester?

DE R ERSTE ALTE MANNMabubah.

DER ZWEITE ALTE MANN (MABUBAH)Du sollst mich nicht so vorstellen, das ist verwirrend. Siehst du, er ist verwirrt. Und du, hast du dich vorgestellt? - Nie stellt sie sich vor. Das ist Shadiyyah, meine große Schwester.

DER KUNDETut mir leid, aber Sie sehen aus wie zwei alte Männer.

DER ZWEITE ALTE MANN (MABUBAH) Ja, ja. Ja. Sind wir auch. Männer.

DER KUNDEAber Sie sind Schwestern.

DER ERSTE ALTE MANN (SHADIYYAH) (liebevoll) Seit immer schon, Schwestern, ja.

DER KUNDEUnd, ähm – Wie kommt das?

DER ERSTE ALTE MANN (SHADIYYAH) Ach. Das ist eine lange Geschichte. Da haben Sie sicher besseres zu tun.

DER KUNDEIch habe alle Zeit der Welt. Ehrlich. Ich habe Zeit.

DER ZWEITE ALTE MANN (MABUBAH)(aufgeregt) Sie trinken einen Kaffee mit uns.

DER KUNDEVon Herzen gern!

DER ERSTE ALTE MANN (SHADIYYAH)(animiert) Setzen Sie sich doch. Warten Sie. So.

DER KUNDE(setzt sich) Wunderbar.

DER ZWEITE ALTE MANN (MABUBAH) Kaffee, Kaffee, Kaffee. Hier kommt schon der Kaffee.

DER KUNDEHmm, riecht das köstlich.

DER ZWEITE ALTE MANN (MABUBAH)(schenkt dem Kunden ein) Kaffee, wie Allah ihn schuf: Schwarz wie die Nacht, heiß wie die Liebe –

DER KUNDEUnd stark wie eine kluge Frau!

DER ZWEITE ALTE MANN (MABUBAH) (baff) Shadiyyah! Er kennt den Spruch.

DER ERSTE ALTE MANN (SHADIYYAH) Setz dich und sei still.

DER ZWEITE ALTE MANN (MABUBAH)(zum Kunden) Heiß wie die Liebe –

DER ERSTE ALTE MANN (SHADIYYAH) Mabubah! – So erzähle ich nun eine unwahrscheinliche Fabel, ein allzuwahres Märchen, eine Geschichte voll schauerlicher, herrlicher Abenteuer –

DER ZWEITE ALTE MANN (MABUBAH)(zum Kunden) Sie macht’s gerne spannend.

DER ERSTE ALTE MANN (SHADIYYAH)Die Geschichte der Automatischen Prinzessin. Als wir zwei alte Männer junge Mädchen waren – ah, da sind wir ja!

Musik. Zwei Mädchen, Shadiyyah und Mabubah, kommen und übernehmen die Erzählung.

SHADIYYAHAls wir zwei alte Männer junge Mädchen waren, war Harun ar Rashid Kalif in Bagdad. Unter seiner Herrschaft erblühte unsere Stadt wie die Wüstenrose, wenn der Regen fällt. Das ärmlichste Haus war aufs prächtigste geschmückt; die Gärten schäumten über vor Blumen; und auf dem Basar wurde alle Tage lang gesungen und gelacht. Der Kalif liebte es, wenn es in seiner Stadt summte und brummte, drum ließ er jedem seinen Kopf, solang kein anderer dabei zu Schaden kam.

Der Kronprinz Fazil erscheint und sieht misstrauisch in die Welt.

SHADIYYAHSein Sohn, der Kronprinz Fazil, war da aus einem anderen Holz geschnitzt: Still und streng war der, und sah aus misstrauischen Augen in die Welt.

JAWABIR(liest in der Zeitung) Wie das wohl wird, wenn der alte Kalif einmal nicht mehr ist –

MABUBAH- hörten wir ab und zu unseren Vater seufzen –

JAWABIR- und sein Sohn Fazil Kalif von Bagdad wird, so misstrauisch wie der in die Welt sieht! Ob das Leben auch so lustig bleibt?

DALILAH(bringt ihm Kaffee) Hast du mit Heute nicht Sorgen genug?

SHADIYYAH- erwiderte da unsere Mutter, die oft einen klugen Spruch auf den Lippen hatte.

DALILAHJawabir! Lass das Morgen Morgen sein, na?

MABUBAHUnd Baba lachte, und vergaß seine Sorgen.

SHADIYYAHBaba war oft auf Reisen. Und das war gut so. Wir vermissten ihn, aber keine Frage: In unserem Laden lief nur dann alles reibungslos, wenn Baba verreist war.

Ping! Dalilah sitzt hinter ihrer Ladenkasse. Shadiyyah und ihre Mutter lächeln sich an.

SHADIYYAHEr konnte monatelang unterwegs sein. Aber siehe da, eines schönen Morgens stand unser Baba wieder in der Küche –

JAWABIRMabubah! Kleine Kaktusfrucht!

MABUBAH(außer sich vor Freude) Baba!

JAWABIR(fängt sie auf) Uff! Bist du gewachsen? – Shadiyyah! Komm her!

MABUBAH- erzählte und lachte, und packte stolz die Wunderdinge aus, die er unterwegs entdeckt und nach Bagdad heimgebracht hatte.

Die Familie bestaunt gemeinsam die Schätze.

DALILAHElfenbeinkugeln – aus China! Filigran, dutzendfach ineinander geschachelt –

SHADIYYAHKistenweise Mondstrahlen, Zuckerschwerter, fliegende Fische –

MABUBAHPhönixfedern – au! – die echte Feuerfunken schlagen!

DALILAHGlückskekse?

JAWABIRAber mit echter Glücksfüllung!

DALILAHOh! Die werden weggehen wie die warmen Fladenbrote!

JAWABIR(vorwurfsvoll) Dalilah!

DALILAH(küsst ihn) Jawabir!

SHADIYYAHBaba hielt es nämlich kaum aus, wenn wir seine kostbaren Funde wieder verkauften –

JAWABIRAn irgendwelche fremden Leute!

Dalilah erbarmt sich und wirft Jawabir einen Glückskeks zu. Jawabir wirft ihn Mabubah zu.

MABUBAHHa!

SHADIYYAHDarum dauerte es nie sehr lange, bis ihn erneut die Reiselust packte - und wir drei Frauen am Hafen standen und seinem Boot nachwinkten, bis es hinter dem Horizont verschwand.

JAWABIR(mit leeren Koffern ab) Aufs ins Abenteuer! Volle Fahrt voraus!

MABUBAHDank Baba bot kein Geschäft Bagdads schönere Schätze an als wir –

Ping! Dalilah sitzt hinter ihrer Ladenkasse, und Kundschaft ist da.

MABUBAH- und im ganzen Basar gab es keine pfiffigere Geschäftsfrau als Mama. Inmitten des täglichen Trubels thronte sie hinter ihrer Ladenkasse, während wir zwei, Shadiyyah und ich, die Kundschaft bedienten, von Regal zu Regal eilten und Babas Kostbarkeiten in gestreiftes Papier wickelten. Abends schaukelten wir müde und kichernd in unseren Hängematten –(Die zwei Mädchen spielen kitzeln, bis Dalilah oben auf die Decke klopft.)– während Mama das Gold, das wir eingenommen hatten, auf dem Dachboden versteckte.

SHADIYYAHUnser Leben war wie unser Laden: voll Gelächter und Glück. – Und dann kam es, wie es einmal kommen musste. Der alte Kalif starb. Und unser Abenteuer begann.

MABUBAHAch, Shadiyyah! Wie das jetzt wird, wo Prinz Fazil der Kalif von Bagdad ist, so wie der still und streng ist und misstrauisch in die Welt sieht!

SHADIYYAH(kehrt den Laden) Tu nicht so politisch! Du plapperst doch nur Baba nach.

MABUBAHWeil er mir fehlt. So lange war Baba überhaupt noch nie fort. Fast ein halbes Jahr! Was ist, wenn ihm unterwegs was passiert ist? Shadiyyah!

SHADIYYAHMabubah! Unserem Baba passiert doch nichts!

MABUBAHAuf hoher See? Wo’s Riesenkraken gibt? Und Strudel und Sirenen und Seeigel und –

DALILAH(eilt mit einer Ledertasche voll Einkäufen herein) Kinder! Kinder, ihr habt ja keine Ahnung! Haltet euch fest! Fazil, der junge Kalif – er will heiraten!

MABUBAHHeiraten?

SHADIYYAHNein!

MABUBAHWen denn?

SHADIYYAHWann denn?

DALILAHJa, das ist es ja! In drei Tagen schon! Und keiner hat uns was gesagt!

SHADIYYAHEine Kalifenhochzeit in nur drei Tagen?

MABUBAHAber wen, Mama, wen heiratet er denn?

DALILAHGroßes Geheimnis! Eine fremde Prinzessin, sagt man. Genaueres weiß keiner nicht – wie sie heißt, woher sie kommt, ob sie unsere Sprache spricht … Shadiyyah, hol Wasser, ich bin am Verdursten.

MABUBAHGibt es ein Hochzeitsfest? Mama, diesmal darf ich aufbleiben, wenn es ein Fest gibt, und Rosenwein trinken mit euch!

DALILAH(scheinbar streng) Aufbleiben! Rosenwein! Kind, wo denkst du hin?

MABUBAHMama …!

(Dalilah schmunzelt. Mabubah begreift.)

Mama! Du lachst mich aus! Darf ich?

(Dalilah nickt.)

Juhu! Hochzeit, es gibt eine Hochzeit!

Alle drei lachen und reden aufgeregt durcheinander. Es klopft an der Tür. Plötzliche Stille.

SHADIYYAH(zum Publikum) Wir ahnten es nicht, aber es war das Schicksal, das dort an die Tür klopfte.

DALILAHMach auf, Mabubah. (nimmt Wasser von Shadiyyah entgegen) Danke, mein Schatz.

MABUBAHGuten Tag? – Mama, da steht einer vom Palast!

DALILAHVom Palast? Ein Bote! So was!

PALASTBOTEMorgen die Damen. Dalilah. Tadelloses Wetter heute!

DALILAHTadellos. Ja nun, was verschafft uns die Ehre, was kann ich für Sie tun?

PALASTBOTEZuhören, nicht? (Er liest aus einer Schriftrolle.) „Von Seiner Exzellenz, der Sonne Bagdads, Seiner Hochherrlichkeit, dem Kalifen Fazil – an Baba Jawabir vom Wunderladen.“

SHADIYYAHEine Nachricht für Baba? Von Kalif Fazil höchstpersönlich?

MABUBAHMama! Vielleicht eine Hochzeitseinladung!

DALILAHBaba ist unterwegs. Weiß doch jeder. Hol dem Mann Tee, Mabubah.

PALASTBOTELass nur. Von Tee bekomme ich Blähungen.

(Mabubah kichert. Der Bote sieht sie böse an.)

Wo war ich? „Seiner Exzellenz ist zu Ohren gekommen, dass nicht wenige der Läden in seinem Basar von Frauen geführt werden. Den zarten und zerbrechlichen Weibern Bagdads ist das Feilschen und Schachern auf dem Basar nicht zuzumuten. Der Handel ist Männersache.“

(Dalilah muss lachen. Die Mädchen stimmen mit ein.)

„Alle von Frauen geführten Läden sind daher auf der Stelle“ – ich wiederhole – „auf der Stelle und bis auf weiteres zu schließen. Die braven – “

(Erschrocken will Dalilah in die Schriftrolle sehen. Der Bote verweigert ihr das.)

„Die braven Frauen und Mädchen Bagdads werden sich diesem Befehl gerne fügen. Jede, die sich frech und ungehorsam weigert, wird mit Gefängnis bestraft. So will es Kalif Fazil.“ Noch Fragen?

DALILAHDas kann doch nicht – Ich – Warten Sie! Wovon sollen wir denn leben, wenn wir den Betrieb schließen müssen? Wie stellt er sich das vor, der Kalif Fazil?

MABUBAHGenau, wie stellt er sich das vor, Fazil, dieser Fatzke?

PALASTBOTEWirst du frech?

DALILAH(zum Boten) Also?

PALASTBOTESchaut, dass ihr den Laden hier dicht macht. Die Soldaten von der Palastwache sind unterwegs und kontrollieren das. Also wenn ihr keinen Ärger wollt … (ab)

DALILAHWas ist los mit unserem neuen Kalifen? Ist der von allen guten Geistern verlassen? Erst diese plötzliche Hochzeit, jetzt ein neues Gesetz, aus heiterem Himmel …

MABUBAHFrauen sind zart und zerbrechlich, hat er gesagt! Also ich frage euch: Ist hier irgendwer zart und zerbrechlich? Im ganzen Basar nicht! Höchstens der schöne Sindbad vom Blumenladen.

SHADIYYAHWir sperren doch nicht wirklich zu, Mama, oder? Das machen wir nicht mit!

MABUBAHWir bleiben offen, Mama, stimmt’s? Wir sind der Wunderladen! Der kann ohne uns heiraten, Fazil, dieser Fatzke!

LATIFAA(off) Finger weg, du Gorilla!

SHADIYYAHWir liefen hinaus auf die Gasse. Noch nie hatte ich soviele Soldaten auf einmal gesehen, und in ihrer Mitte stand die dicke Latifaa von der Wäscherei gegenüber, die sonst gemütlich war wie ein Schaf –

(Der Kommandant der Palastwache reißt Latifaa den Wäschekorb aus der Hand. Die saubere Wäsche fällt in den Dreck.)

- heute aber schnaubte sie förmlich vor Wut.

KOMMANDANT DER PALASTWACHEMach keinen Aufstand, Latifaa. Du sperrst jetzt schön brav deinen Laden zu und händigst mir den Schlüssel aus, verstanden? Gesetz ist Gesetz.

LATIFAADu dahergelaufene Person! Die Wäscherei gehört mir! Ich habe sie von meiner Mutter, und die von ihrer, und die von ihrer, und hier bestimme ich!

Erbost beginnt sie, die Wäsche wieder einzusammeln.

KOMMANDANT DER PALASTWACHEHe!!

LATIFAAJetzt wird gewaschen, getrocknet und gebügelt wie eh und je – und mit seinen Gesetzen kann sich der Kalif den Hintern abwischen!

KOMMANDANT DER PALASTWACHESo, das reicht! Du bist verhaftet, auf Befehl Seiner Exzellenz. Komm mit!

SHADIYYAHIn dem Wagen, zu dem die Palastwache Latifaa jetzt zerrte, hockte bereits ein gutes Dutzend Frauen, manche sogar in Handschellen! – Zu spät bemerkte ich, dass Mabubah rot angelaufen war. Das war nie ein gutes Zeichen.

MABUBAHDas können sie doch nicht machen! Das ist die dicke Latifaa! – Du! Lass Latifaa in Frieden!

(Dalilah schiebt Mabubah hinter sich.)

Genau! Sonst bekommst du’s mit meiner Mama zu tun!

KOMMANDANT DER PALASTWACHEDie nächste, die Zorres will, wie?

(Er stößt Dalilah scharf zurück. Die dicke Latifaa ergreift die Gelegenheit und flüchtet samt Wäschekorb.)

He! (zu Dalilah) Na wartet!

(Er läuft Latifaa hinterher.)

DALILAH(sehr erschrocken) Kommt ins Haus, Kinder!

MABUBAH(dem Kommandanten hinterher) Ha ha!

DALILAHSchnell, Mabubah!

SHADIYYAHIch weiß noch, wie sie hinter uns die Tür verriegelte.

DALILAHHört zu, Kinder. Wir machen einen kleinen Betriebsausflug. Wir müssen raus aus Bagdad.

SHADIYYAH/MABUBAHWas?/Nein!

DALILAHNur ein paar Tage lang. Bis Baba heimkommt, ja? Ich will nicht, dass euch was passiert, und es ist besser so. Ende der Debatte! Werft ein paar warme Sachen in die Ledertasche, ich hole vom Dachboden das Gold. Wartet vor der Hintertüre auf mich. Los jetzt!

Dalilah eilt auf den Dachboden. Shadiyyah öffnet die Hintertür, schließt sie sofort wieder.

MABUBAHWas ist denn? Mama hat gesagt, vor der Hintertüre.

SHADIYYAHDort kommen Wachen!

KOMMANDANT DER PALASTWACHE(hämmert an die Vordertüre) Aufmachen! Im Namen Seiner Exzellenz!

SHADIYYAHDie verhaften uns noch im Ernst! Wie die arme Latifaa! … Nach oben! Wir klettern aus dem Fenster, wie früher, und laufen über die Dächer. – Wir haben geschlossen! Kommen Sie morgen wieder! Danke schön!

KOMMANDANT DER PALASTWACHEBrecht die Tür auf.

PALASTWACHE(wirft sich gegen die Tür) Hau ruck!

SHADIYYAH(läuft in den ersten Stock hoch) Mama! Die Wache kommt! Wir klettern hinten raus!

DALILAH(vom Dachboden) Gut so! Macht nur!

SHADIYYAHBeeil dich, Mabubah!

DALILAHIch bin sofort da. Wartet auf mich!

PALASTWACHEHau ruck! Hau ruck – !!

Die Wachen brechen die Türe auf und stürmen den Laden.

KOMMANDANT DER PALASTWACHEEiner zur Hintertür, der Rest mit mir!

Die Mädchen sehen aus dem Fenster im ersten Stock.

SHADIYYAHDu zuerst. Hopp!

MABUBAHWas ist mit Mama?

SHADIYYAHSpring schon und frag nicht so viel!

Mabubah springt aus dem Fenster auf das Dach des Nachbarhauses.

KOMMANDANT DER PALASTWACHE(im Haus) Einer auf den Dachboden!

PALASTWACHEAuf den Dachboden!

SHADIYYAHMama! Komm doch endlich!

DALILAH(vom Dachboden) Ich bin da, ich bin gleich da!

SHADIYYAHBeeil dich!

MABUBAHLos, Shadiyyah! Spring!

Shadiyyah springt hinaus. Die Wache läuft die Treppe hoch.

DALILAHSie kommen! Ich sitze in der Falle!

SHADIYYAH/MABUBAHMama!!

DALILAH(ruft aus dem Dachbodenfenster) Lauft, Kinder! Zum Hafen hinunter! Da ist das Gold – fangt!

MABUBAH(fängt das Gold) Aber Mama – !

DALILAHIch verstecke mich hier auf dem Dachboden! Pass auf deine Schwester auf, Shadiyyah! Lauft, Kinder! Lauft!

Sie verschwindet. Mabubah schnappt Shadiyyah an der Hand und zerrt sie fort.

PALASTWACHE(erblickt die Schwestern) Sie sind hier raus, auf die Dächer!

KOMMANDANT DER PALASTWACHEStehenbleiben! – Nicht du! – Freche Weiber! Halt!

Musik. Die Schwestern fliehen über die Dächer. Die Palastwache jagt sie.

SHADIYYAHKomm, schnell! Da liegt der Hafen! – Der blaue Ozean funkelte uns entgegen; in jenen Tagen nämlich lag Bagdad am Meer.

MABUBAHWir hatten Glück! Ein alter Segelkutter war gerade am Ablegen, und der kleine, runde Seemann war einer, der früher mit Baba auf Reisen gefahren war.

SHADIYYAHHerr Kapitän! Herr Kapitän! Nehmen Sie uns mit!

KAPITÄNEuch kenne ich doch, ihr beiden. Seid ihr gewachsen oder bin ich geschrumpft?

SHADIYYAHHaha! Ja! Nehmen Sie uns mit?

KAPITÄNHafenrundfahrt, was?

SHADIYYAHJa! Nein! Weiter weg! So weit wie möglich! Aufs offene Meer hinaus!

KAPITÄNFür Passagiere habe ich keinen Platz, Mädels, tut mir leid.

SHADIYYAHWir haben Gold! Ja! Hier! – Gib ihm das Gold! – Reicht das nicht?

MABUBAHWir müssen auf Mama warten.

SHADIYYAHNatürlich warten wir auf Mama.

KAPITÄNDann müsst ihr woanders anheuern. Wir legen ab. Wenn ihr mitwollt, müsst ihr gleich an Bord, Mädels.

PALASTWACHE 1 (stürmt herein) Da sind sie ja, die frechen Früchtchen! (zu seinem Kollegen) Na los, schnapp sie!

PALASTWACHE 2Stehengeblieben!

SHADIYYAHWir steckten in einer Zwickmühle. Was tun? Uns der Wache ergeben oder ohne Mama in See stechen?

PALASTWACHE 2Wir haben sie!

PALASTWACHE 1Ihr seid umzingelt! Los, ihr Früchtchen, in die Knie!

SHADIYYAHWie- wieso in die Knie? Wir haben überhaupt nichts getan! Und man darf keinen verhaften, der nichts getan hat!

MABUBAHGenau! Jawohl! Ihr könnt uns nämlich mal!

Die Wachen gehen bedrohlich auf die Mädchen los.

KAPITÄNDie Leinen los!

Ein riesiges Segel erscheint und die Bühne wird zum Boot.

SHADIYYAHUnd plötzlich, ehe wir es uns anders überlegen konnten, fuhr Wind in die Segel und unser Boot sprang fort vom Kai! Die Entscheidung hatte sich sozusagen von selbst getroffen.

MABUBAHMacht’s gut, ihr Früchtchen! Wir schreiben euch eine Postkarte! – Schau, wie dumm sie glotzen!

(Sie lacht, und springt dann hastig zur Seite: Ein Speer fliegt knapp an ihr vorbei.)

Daneben!

SHADIYYAHFröhlich flog das kleine Boot über die funkelnden Wellen dahin, und auch wir waren – unserer unglücklichen Lage zum Trotz – guter Dinge.

MABUBAHMama ist schlau. Die verhaftet so schnell keiner. Hauptsache, wir zwei sind zusammen, stimmt‘s?

SHADIYYAHDer kleine Kapitän brachte Brot und Oliven, und wir stärkten uns. Bagdad lag nun hinter uns, vor uns nur das offene Meer.

MABUBAHJetzt sind wir auch auf Reisen, genau wie Baba. Wollten wir doch schon immer mal. Aufs ins Abenteuer – volle Fahrt voraus! – Jetzt weiß ich’s! Du, Shadiyyah! Wir fahren Baba suchen!

SHADIYYAHSo machen wir’s! Wir finden unseren Baba, und dann findet Mama uns! Einen Wunderladen kann man schließlich überall aufmachen! – Aber kaum hatte ich den Gedanken ausgesprochen, überfiel mich eine große Traurigkeit. Sollten wir unseren sagenhaften Laden mit all seinen Schätzen wirklich für immer verloren haben? Fazil, dieser Fatzke! Was gab ihm das Recht? Auch über Mabubah war ein Schatten gefallen; sie sah hinaus aufs Meer, und schluckte fest. Und war das meine Einbildung, oder wurde es gerade dunkler, als ob sich eine Wolke vor die Sonne schob? Ich blickte auf, und das Blut gefror mir in den Adern zu Eis.

DIe automatische Prinzessin

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