Читать книгу Die Tore der Atlanter. 4.Folge - Hermann Büsken - Страница 3

Die Atlanter bringen ihn zurück.

Оглавление

Die Tore der Atlanter.

Buch 4 von 4 Bücher Für Jugend + Erwachsene

376 Seiten

Was bisher geschah:

Ein außerirdisches Volk hatte Kontakt mit Kristian aufgenommen und geholfen, ein Attentat auf die Israelische Botschaft zu verhindern. Sie waren auf ihn aufmerksam geworden, weil allgemein bekanntgeworden war, dass Alien Kristians Freunde waren. Danach nahmen sie ihn mit in ihre Heimat. Er erfährt, dass sie Nachkommen der Atlanter sind und die Verständigung gedanklich stattfindet. Kristian erhält eine Betreuerin namens Senis. Ein Teil des Volkes lebt unter riesigen Glaskuppeln, die zum Schutz der gefährlichen Sonnenstrahlung zur Hälfte aus dem Wasser ragen. Als er sieht, wie die Bewohner um die Kuppeln schwimmen, ohne dass sie zum Luftholen an die Oberfläche müssen, äußert Kristian den Wunsch, dass er auch schwimmen können möchte, wie ein Fisch. Senis veranlasst ohne sein Wissen eine Operation an ihm, sodass er bald schwimmen konnte wie ein Fisch.

Kristians Neugierde lässt ihn in ein wissenschaftliches Experiment geraten. Plötzlich traf ihn ein gleißend heller Lichtstrahl. Er schien ihm ein Loch in seine Stirn zu brennen. Schwach sah er noch die erschrockenen Gesichter im anderen Raum, dann nichts mehr.

So geht es weiter:

Er wachte auf. Der Raum schien tiefschwarz verdunkelt zu sein. Seine Hände tasteten sich vor. Ein Bett. Er war zugedeckt. Eine Hand griff in seine. »Senis bist du es?«

»Kristian, alles wird gut, es gab einen Unfall.«

»Was für einen Unfall? Ein Lichtstrahl hat mich getroffen, was ist geschehen?«

»Du bist in einen Versuch geraten.« Kristian fiel das Blinklicht ein, er hatte die Warnung nicht verstanden.

»Bin ich blind?«

»Ich glaube nicht. Der Verband ist nur zu deinem Schutz, damit sich die Augen erholen.«

»Senis, was für ein Versuch war das?«

»Ich weiß es nicht, Ra sagt, es wird alles wieder gut.«

»Du meinst, ich behalte keinen Schaden zurück?« Senis antwortete nicht. Von der anderen Seite seines Betts suchte eine weitere Hand seine andere Hand. »Kristian verzeihe mir, es war meine Schuld, ich hätte dich nicht alleine lassen dürfen. Du konntest unsere Warnschilder nicht lesen.«

»Rod, es war alleine meine Schuld, ich hätte nur auf dich warten müssen, bei uns gibt es auch Warnblinklampen. Wie lange werde ich hier liegen müssen?«

»Nicht lange, nur den Verband solltest du länger tragen.« Der Verband. Er griff nach ihm. Nur die Augen waren bedeckt. »Rod kann es sein, dass der Strahl durch mich, ich meine durch meinen Kopf gegangen ist?«

»Was meinst du?«

»Ich habe gespürt, dass der Strahl meine Stirn getroffen hat.« Seine Hand tastete die Stirn ab. Sie war glatt, nichts deutete auf den Unfall hin. »Wie lange liege ich hier schon?«

»Nicht lange. Mein Vater wird dir alles erklären.« Kristian hörte, wie sich eine Tür öffnete. »Mein Vater, wir kommen wieder.«

»Ra, es tut mir leid, es war alleine meine Schuld, ich war zu neugierig. Was wird jetzt aus mir?«

»Kristian, wir haben versucht, das Geschehene abzumildern. Aber passiert ist passiert. Was genau der Versuch bei dir ausgelöst hat, wissen wir noch nicht. Der Strahl hat dich unkontrolliert getroffen. Du warst ungewollt ein Testobjekt. Der Lichtstrahl, den du sicher noch wahrgenommen hast, war auf Messgeräte ausgerichtet. Meine Wissenschaftler würden sich freuen, da es nun schon passiert ist, wenn du ihnen mitteilen würdest, was du gefühlt hast und noch fühlen wirst.«

»Der Lichtstrahl hat mich voll getroffen und geblendet, es fühlte sich an, als wenn ein Geschoss meine Stirn durchschlagen hätte. Aber das kann wohl nicht sein, meine Stirn ist unverletzt.« Er empfing von Ra keine Regung, die ihm den Ernst der Lage hätte mitteilen können. »Kristian, ich kann dir versichern, dass du in keine lebensbedrohende Lage geraten bist. Kristian war sich sicher, dass er das jetzt noch gar nicht wissen konnte, er wollte ihn nur beruhigen. »Ra sagst du mir, was der Sinn des Versuchs war?« Ra sagte nichts und er dachte schon, dass er das Zimmer verlassen hatte. »Kristian, wir arbeiten an einer Bewusstseinserweiterung.«

»Was genau ist das?« »Weißt du, was das dritte Auge ist?«

»Ja, das dritte Auge befindet sich hinter der Stirn zwischen den Augenbrauen und wird mit Intuition und spiritueller Einsicht in Zusammenhang gebracht. Man sieht in ihm eine Art Wahrnehmungsorgan für das Übersinnliche und es soll der Sitz paranormaler Fähigkeiten sein«, erklärte er.

»Du scheinst dich mit dem Thema schon beschäftigt zu haben«? stellte Ra fest.

»Durch die Anatomie in der Medizin ist festgestellt worden, dass die vordere Hälfte der Zirbeldrüse die vollständige organische Struktur eines menschlichen Auges besitzt. Weil sie innerhalb des Schädels ist, wurde sie für ein degeneriertes Auge gehalten. Ob es ein degeneriertes Auge ist, darüber sind wir uns noch nicht einig. Aber immerhin hat die Medizin bereits erkannt, dass es an dieser Stelle mitten im Kopf des Menschen ein Auge gibt. Der Kanal, den du in deiner Meditation öffnest, und der von dem Strahl getroffen wurde, führt geradewegs zu dieser Stelle. Daneben wird der Begriff des dritten Auges schon bei vielen Völkern auf deiner Welt, für Menschen verwendet, denen die Fähigkeit zugeschrieben wird, Visionen zu erfahren, und wird mit Wahrsagerei in Verbindung gebracht. Du könntest dich mit jemand in einer unbeschreiblichen Entfernung in Verbindung setzen.«

»Das kann ich schon.«

»Was meinst du?«

»Wenn ich in Not war, habe ich meinen Freund Cyro gerufen, er wusste, wo er mich finden konnte.«

»Wie hat er das gemacht?«

»Weiß ich nicht, sie haben mir etwas eingepflanzt.« »Interessant, so du brauchst noch Ruhe, ich werde die Beiden vor der Tür wegschicken. Ich komme dich wieder besuchen.« Kristian war klar, dass sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten, ihr unfreiwilliges Testobjekt zu beobachten. Es war ihm auch nicht klar, ob ihr ursprünglicher Versuch auch wirklich der Zirbeldrüse galt oder einen anderen Hintergrund hatte. Ra hatte ihm sicher nicht alles gesagt. Wenn er wenigstens schon mal die Augenbinde los wäre. Er fühlte sich nicht krank, oder? Zumindest bis auf ein leichtes Ziehen auf seiner Stirn. Er konzentrierte sich darauf. Das Ziehen wurde stärker und er sah einen silbrigen Punkt, er schlief ein. Später,Jessika? Er war sich nicht sicher, ob er träumte. Großvater und Maria, sie saßen am Küchentisch. Plötzlich schaute Jessika hoch und lauschte. »Kind was ist los«? fragte Großvater. Jessika winkte ab.

»Jessika, ich bin es.«

»Kristian, wo bist du?«

»Ich bin noch bei meinen Freunden.«

»Aber das kann doch nicht sein, das ist doch sicherlich sehr weit?«

»Kann Großvater mich hören?«

»Nein.«

»Kristian, wann kommst du zurück?«

»Das kann noch ein paar Tage dauern, kannst du mich sehen?« »Nein es ist dunkel.«

»Ich kann euch sehen, sage Lena, sie soll meine Rückkehr vorbereiten. Das Raumschiff ist riesengroß, nicht dass man mit Raketen auf uns schießt. Das Rätsel, wer die Pyramiden gebaut hat, ist gelöst. Die Vorfahren meiner Freunde haben es mit ihrer Technik ermöglicht. Ich werde mich wieder melden.«

Er spürte eine Hand auf seine Schulter. Hatte er geträumt? »Kristian, du musst etwas essen.« Senis.

»Hat Ra noch etwas gesagt?«

»Nein, ich glaube sie können noch nicht einschätzen, was dir passiert ist. Fühlst du dich irgendwie krank?«

»Nein, mir geht es super gut.«

»Meinst du, dass das auf das Ereignis zurückzuführen ist?«

»Wenn du es nicht weitererzählst, ja.«

»Du spürst eine Veränderung?«

»Ich spüre es nicht nur, ich weiß es.«

»Mund auf.«

»Hm, das schmeckt gut.«

»Kristian, wir müssen es Ra sagen.«

»Ich verspreche es dir, aber den Zeitpunkt bestimme ich.« Er spürte, dass ihr das nicht gefiel.

»Wirst du mir zuliebe schweigen?« Senis nickte, sagte ja und schob einen weiteren vollen Löffel in seinen Mund.

»Du kannst beruhigt sein, ich sage nicht, dass du etwas gewusst hast.« Er begann damit, seine Augenbinde zu entfernen. Senis kniff ihre Augen zusammen, als er den Rest der Binde entfernte. Die Augen noch geschlossen, bemerkte er einen Lichtschimmer durch seine Augenlider. Langsam öffnete er seine Augen und sah Senis, die ihn angstvoll anblickte. Als sie sah, dass er in ihre Richtung blickte und dabei grinste, fiel sie ihm um den Hals. »Ich habe wirklich Angst um dich gehabt, weil Ra nicht wusste, was mit deinen Augen ist.«

»Das hat er mir aber verschwiegen.«

»Ich weiß, aber er wollte dir nicht die Hoffnung nehmen.«

»Wo sind meine Sachen, lass uns hier verschwinden, wo sind wir überhaupt hier?«

»Unter der Kuppel.« Er zog sich an. »Haben wir unser altes Zimmer noch?« Senis nickte.

»Komm, gib mir deine Hand. Ja, es war alles noch so, wie sie ihr Zimmer verlassen hatten. »Was machen wir jetzt, meine Kamera, hast du sie mitgebracht?«

»Ja, dort liegt sie.« »Er musste noch viel aufnehmen, damit seine Welt sah, wie das Leben hier war. Komm, wir gehen unter die Kuppel und sehen euren Wasserbewohnern zu, gib mir deine Hand.« Fast wären sie mit jemand zusammengestoßen.

»Was machst du denn hier?« Zitrin schaute sie erschrocken an. »Wo kommt ihr den so plötzlich her? Ich dachte du bist krank?«

»Wie du siehst, jetzt nicht mehr.« »

Was ist eigentlich passiert?«

»Was denn, du weist das nicht, ich denke du bist im Beirat?« »Es hieß, du hattest einen schlimmen Unfall.«

»So, es war also ein schlimmer Unfall, trotzdem, es war alleine meine Schuld, ich war zu neugierig. Aber wie du siehst, geht es mir gut.«

»Und was machst du jetzt hier?« Ich nehme alles auf. Die Kamera war auf Senis, dann auf Zitrin gerichtet. Sie standen in der Mitte unter dem Kuppeldach. Er hielt die Kamera in den Schacht, der durch die unteren Geschosse führte. »Komm, wir müssen noch zum Wasser.« Ein Mann kam auf sie zu. »Kristian soll sofort ins Ärztezimmer kommen.« Kristian nickte Senis zu. Gemeinsam sprangen sie ins Krankenzimmer zurück. Zwei Ärzte und Ra standen im Zimmer und zuckten zusammen, als sie ankamen. Alle musterten sie ihn aufmerksam, als wollten sie abschätzen, wie es ihm ging. Er ergriff als Erster das Wort.

»Ihr braucht euch keine Sorgen machen, wie ihr seht, geht es mir gut. »Trotzdem«, sagte ein Arzt, »wir wissen nicht, ob es so bleibt.«

»Kristian, wir wollen nur dein Bestes«, sagte Ra.

»Ich kann euch verstehen, ihr wollt euer Versuchsobjekt in eure Nähe haben, mir geht es gut.«

»Du hast keine Veränderung bei dir festgestellt?«

»Sollte ich das? Habt ihr mir was verschwiegen? Es war doch kein schlimmer Unfall?«

»Nein, wir wollten nur sicher sein.«

»Dürfen wir jetzt wieder gehen?« Die Ärzte schauten Ra an. Dieser nickte. Er berührte Senis und sie sprangen zurück unter die Kuppel. Am Rand der Kuppel versuchte er, einen Meeresbewohner mit der Kamera einzufangen. Obwohl sie weit um die Kuppel herumgegangen waren, zeigte sich kein Wasserbewohner. Erst auf dem Rückweg sahen sie zwei Schwimmer, einen Mann und eine Frau. Sie winkten, Senis winkte zurück. »Senis, lass uns zum Schwimmbecken gehen.« Sie lächelte.

»Du brauchst gar nicht zu lachen, bei uns soll man sehen, dass ihr keine Probleme mit euerer Nacktheit habt.« Dieses Mal benutzten sie eine Kabine, weil er ihre Benutzung dokumentieren wollte. Zum Glück waren einige Schwimmer im Becken. Senis machte es nichts aus, als er die Kamera auf sie richtete, während sie sich auszog. Er folgte ihr, bis sie ins Wasser sprang. Keiner der Anwesenden beachtete ihn, als er sie filmte. Kristian ging zu dem Unterwasserfenster. Senis wusste genau, was er gerne sah und schwamm in aufreizenden Posen vor der Kamera herum. »Kristian komm ins Wasser.« Senis hatte recht, warum nicht. Er zog sich aus und sprang ins Wasser. Sie schwammen eine Weile um die Wette, wobei er jedes Mal den Kürzeren zog. Sie zogen sich an. »Senis, gibt es hier einen Laden?«

»Was ist ein Laden?«

»Da, wo man Geschenke kaufen kann.«

»Komm, ich führe dich hin.« Es war kein Kaufhaus, sondern ein Laden für kleine Geschenke mit großem Wert.

»Suchst du was Bestimmtes?«

»Einen Ring oder Stein. Warum trägst du keinen Ring?«

»Warum sollte ich?«

»Schon gut.« Senis schob ihn zu der richtigen Stelle.

»Senis, womit soll ich bezahlen?«

»Darum brauchst du dich nicht zu kümmern.«

»Wer sagt das?«

»Wer wohl, Ra natürlich.« Kristian dachte an einen Stein wie den, den er von Ledis bekommen hatte. Natürlich nicht so einen großen. In einem Regal lagen sie aufgereiht. Das gleiche Funkeln nur eben kleiner. »Senis, der Preis, ist das viel? Könntest du dir einen Stein leisten?«

»Einen schon.« Er dachte nach. Wenn er Jeanette einen Stein schenkte, was würde Lena sagen, oder Kristel? Oder Silke? Nein Silke gehörte nicht zum engeren Kreis. Was war mit Tanja vom Museum? Nein, musste nicht sein. Also, Jessika, Jeanette, Lena, Kristel und Maria. Das waren fünf Steine. War das unverschämt? Was soll's, er hatte sich schon eingeschränkt. Er suchte fünf runde Steine aus. Nicht protzig aber schön funkelnd. Senis hielt ihm Ohrringe hin, an denen ein ganz kleiner Stein glitzerte. Kristian freute sich schon auf Jessikas Gesicht. »Senis, was ist mit dir, wünsch du dir was?«

»Kristian, ich werde auch ohne ein Geschenk immer an dich denken.« Großvater hatte er vergessen. Das war nicht so einfach. Er drehte sich nach Senis um. Sie hatte die ganze Zeit die Kamera mitlaufen lassen. Sein Blick fiel auf ein Regal hinter ihr in der Ecke. Flaschen in verschiedene Farben. »Senis. Welche würdest du mir empfehlen?«

»Wenn ich Gäste hierher führe, dann nehmen sie meistens diese hier.« Sie deutete auf eine Flasche. »Gut, dann sind wir hier fertig.« Die ganze Zeit hatte er keine Verkäuferin gesehen, jetzt war plötzlich eine da. Sie packte die Steine und Flasche ein. Senis nickte ihr zu, was wohl so viel bedeutete, du weißt ja, wer bezahlt. »Komm«, sagte er zu Senis und hielt ihr seine Hand hin. In ihrem Zimmer fragte er Senis, »was meinst du, wie lange muss ich noch hierbleiben?«

»Weiß ich nicht, kann es sein, dass du zurück möchtest?«

»Kann schon sein, weißt du, ob Ra erreichbar ist? Wenn ja, dann sage ihm, dass ich ihn treffen möchte.«

»Soll ich das sofort machen?«

»Ja bitte.« Senis kam nach einer Weile wieder und sagte, dass Ra ihn erwartete. Kristian ging zu ihm. »Kristian ich hörte, dass du zurück möchtest?«

»Ja, das stimmt. Vorher muss ich dir noch etwas sagen. Der Unfall, er hat bei mir etwas bewirkt. Ich kann die Erde von hier aus erreichen.«

»Meine Wissenschaftler waren sich nicht sicher«, sagte Ra, »sie haben befürchtet, dass die Strahlen etwas in deinem Gehirn verändern würden. Wir waren erleichtert, als du sagtest, es wäre alles in Ordnung.«

»Ja, das hatte ich ja auch gedacht. Letzte Nacht habe ich an meine Freundin gedacht. Ich konnte sie plötzlich sehen, sie mich aber nicht. Vielleicht war die Augenbinde schuld, ich weiß es nicht. Zuerst dachte ich, es wäre ein Traum. Schnell erkannte ich, dass es kein Traum sein konnte. Wir haben uns normal unterhalten.«

»Kristian, ich bin einverstanden, wenn du zurück möchtest. Aber vorher musst du meinen Wissenschaftlern die Möglichkeit geben, dieses zu untersuchen.«

»Ja, das sehe ich ein.«

»Ist es euch recht, wenn wir das gleich morgen Früh machen?« Ra nickte. Wieder in ihrem Zimmer fragte Senis, »kannst du dann von der Erde aus auch Verbindung mit mir aufnehmen?«

»Ich glaube schon.«

»Das ist gut, ich kann dir dann von hier berichten.«

Nach dem Frühstück am anderen Morgen brachte ihn Senis mittels der Transportkabine aufs Festland zu den Wissenschaftlern. Sie wurden schon erwartet. Er musste sich auf einen Stuhl setzen und sein Kopf wurde verkabelt. Sie verlangten nichts von ihm, nur ihre Aufzeichnungsgeräte liefen. Er machte sich nicht die Mühe, den Gedanken der Wissenschaftler zu folgen. Am anderen Ende des Raumes saß Senis und sah zu. Mit seinen Gedanken alleine, fielen ihm die Augen zu. Lena, er musste sie kontaktieren, um sie rechtzeitig auf seine Rückkehr vorzubereiten. Das wollte er tun, wenn sie das Labor verlassen hatten. Plötzlich sah er mit Lenas Augen, wo sie war. Sie saß ihrem Redakteur Hans in dessen Büro gegenüber. Er hörte, wie Hans sagte, »Lena, ich brauche etwas Handfestes. Das, was deine Freundin Jessika gesagt hat, glaubst du wirklich, dass sie mit Kristian kommuniziert hat?«

»Ja, sie haben ihm sicher geholfen, eine Verbindung aufzubauen.«

»Kristian kann sicher viel, aber so etwas traue ich ihm nicht zu.« Lena schien seine Anwesenheit zu spüren. Unruhig rutschte sie auf ihren Stuhl umher.

»Was ist«? fragte Hans.

»Ich spüre ihn, er muss hier sein.«

»Ja schon gut, jetzt fängst du auch noch an.«

»Hallo Lena.«

»Ich hab es gewusst«, frohlockte sie,»Kristian ist hier.«

»Kristian, wo bist du«? dachte sie. »Rede ruhig laut mit mir, dann kann Hans mithören.«

»Bist du in der Nähe?«

»Nein, ich bin noch bei meinen Freunden.«

»Ihre Technik muss sehr fortgeschritten sein, wenn du mich erreichen kannst?«

»Das habe ich ihnen nur zum Teil zu verdanken, an dem anderen Teil war meine Neugierde schuld. Ich bin ungewollt in einen Versuch geplatzt. Deshalb kann ich jetzt mit dir reden. Sie wussten nicht, dass ich es konnte, bis ich es ihnen gesagt habe. Ich sitze gerade bei ihnen und bin verkabelt. Sie wissen nicht, dass ich jetzt mit dir rede. Hast du schon bekannt gegeben, was ich zu Jessika gesagt habe?«

»Deshalb sitze ich hier und versuche den ungläubigen Thomas hier zu überzeugen.«

»Hoffentlich ist er jetzt überzeugt? Hast du schon Pläne für meine Rückkehr?«

»Nein, ich weiß ja nicht, was auf mich zukommt?«

»Das weiß ich auch noch nicht genau. Ich hoffe, dass sie mitspielen. Also, das eigentliche Herschervolk nenn ich die Schatten. Ihr Körper wird schattenhaft dargestellt. Ihn ganz normal zu zeigen, würde sie zu viel Energie kosten. Nur für kurze Zeit ist es ihnen möglich. Dann sehen sie aus wie normale Menschen. Lache jetzt nicht, ich weiß es klingt unglaubwürdig, sie sagen, ihre Vorfahren kommen von der Erde.«

»Kristian du hast recht, aber trotzdem, das wäre der Hammer.«

»Das ist noch nicht alles, sie kommen aus Atlantis.« Lena schwieg. »Bist du noch da?«

»Kristian bist du dir sicher?«

»Ja, Atlantis ist nicht versunken, wie man glaubt, im Laufe der Zeit haben Katastrophen sie dezimiert, aber ihr Land selber ist jedenfalls nicht versunken.«

»Kristian weißt du, was diese Meldung wert ist?«

»Ich kann es mir denken.

Das eigentliche Volk hier sind normale Menschen. Normal ist nicht richtig. Sie haben keine Sprache mehr. Alles läuft gedanklich ab. Es gibt zwei Klassen von Menschen. Die höhergestellten haben eine Funktion im Beirat. Ich möchte, dass mindestens ein Schatten und zwei Menschen bei der Begrüßung dabei sind. Lass eine Tribüne aufbauen. Ich werde einen Film vorführen, der die Rätsel um den Pyramidenbau löst und ich werde dir rechtzeitig mitteilen, wann ich komme. Vermutlich so in drei bis vier Tagen. Ach noch was, zwei Wissenschaftler, ein Mann und eine Frau dürfen ihren Planeten besuchen. Aber noch nicht sofort. Ich muss jetzt Schluss machen. Grüße an Jessika und Jeanette.« Er öffnete die Augen. Zwei Wissenschaftler standen vor ihm, als erwarteten sie eine Erklärung.

»Ich hatte eine Verbindung mit der Erde«, erklärte er.

»Wir wussten nicht, wie wir unsere Messergebnisse deuten sollten«, erklärte einer. »Bin ich jetzt hier fertig?« Sie schauten sich an und schienen uneins. »Für heute«, sagte einer. »Senis komm.« Sie waren wieder in ihrem Zimmer. Er erzählte Senis, was er mit Lena besprochen hatte.

»Was meinst du, ob Ra oder einer von ihnen mit zur Begrüßung kommt? Und was ist mit dir?«

»Ich komme gerne mit und glaube, dass Zitrin auch gerne mitkommen würde.«

»Warten wir ab, was Ra dazu sagt.« Gegen Nachmittag wollten ihn die Wissenschaftler noch mal sehen. Er sollte sich einfach nur hinsetzen und nicht versuchen, eine Verbindung aufzubauen. Nach einer längeren Zeit baten sie, dass er die Verbindung herstellen sollte. Wen sollte er kontaktieren? Als Erste fiel ihm Alexis in Amerika ein. Was für eine Zeit mochte dort gerade sein? Er dachte konzentriert an sie und versuchte möglichst sanft, den Kontakt herzustellen. Deutlich spürte er, wie sie erschrak. Es musste vormittags sein. Er blickte auf eine Tafel, davor die Lehrerin. Dieser war nicht entgangen, dass Alex zusammengezuckt war.

»Alexis, was ist, fehlt dir etwas?«

»Nein, ich glaube nicht.« »Alexis erschrecke nicht, ich bin's, Kristian.« Die Lehrerin sah, wie Alexis abwesend geradeaus blickte.

»Kristian, das kann nicht sein«, dachte sie. »Stehst du draußen vor der Tür?« Er sah mit Alex Augen, dass die Lehrerin ungeduldig wurde. »Sag ihnen, was los ist, ehe sie dich zu einem Arzt schicken.«

»Kristian ist hier, mein Freund aus Deutschland.« Die Schüler scharrten sich um sie. »Kristian erzähle«, sagte sie laut, damit alle es hören konnten. »Ich bin nicht auf der Erde.« »Dann bist du bei den Alien.«

»Nein, ich habe ein neues Volk kennengelernt, auf weit entfernte Planeten.«

»Kristian, du meinst es hoffentlich ernst, ich wusste, dass du mit Lena über weite Strecken kommunizieren kannst, aber ich habe kein Implantat.«

»Diese Verbindung stammt von einem sehr weiterentwickelten Volk, du kannst mir glauben. Es sind Menschen, sie haben schon vor Tausende Jahre die Erde besucht. Sie waren die Schöpfer der Pyramiden und stammen von den Atlantern ab.«

»Kristian, wer ist die Frau, die ich sehe?« Er hatte die ganze Zeit auf Senis geschaut. »Das ist Senis, wie du siehst, ist sie ein Mensch. Höre zu, du bist die Erste in deinem Land, die davon weiß. Meine Freunde bringen mich in ein paar Tagen mit einem riesigen Raumschiff zur Erde zurück, ich nehme an, dass sich eure Presse dieses nicht entgehen lassen will. Lena wird die Ankunft rechtzeitig bekannt geben. So, ich will jetzt nicht weiter stören, bis dann.« Er hatte gespürt, dass jemand auf seine Schulter klopfte.

»Der Test ist beendet«, sagte der Wissenschaftler.

»Endgültig«? fragte er.

»Ja, wir haben alle Daten. Ra sagt, du fliegst morgen zurück.«

»Das wusste ich nicht, aber ich freue mich.« Als sie wieder zurück waren, bat er Senis, sie sollte Zitrin zu ihnen bitten. »Halt, das kann ich auch selber machen.« Sich auf Zitrin zu konzentrieren war nicht schwer. »Zitrin, würdest du bitte kommen? Zitrin, ich weiß, dass du mich gehört hast.«

»Kristian?«

»Endlich, kommst du?«

»Ich komme.« Es dauerte wirklich nicht lange, seine Bitte hatte ihr Flügel verliehen. »Kristian, ich wäre fast gestorben vor Schreck.«

»So schlimm wird es wohl nicht gewesen sein, ich werde morgen zurückgebracht.«

»So schnell?«

»Dann bist du mich endlich los.«

»Wie kommst du darauf, dass ich das will?«

»Wirst du uns begleiten?«

»Das muss Ra bestimmen.«

»Kümmerst du dich darum?«

»Wenn du das möchtest?« Das Türsignal meldete einen Besucher vor der Tür. Senis machte sie auf. Es war Ra. »Ich sehe ihr macht Pläne für morgen?«

»Ja, darf Zitrin uns begleiten?«

»Es spricht nichts dagegen. Mein Sohn und ich werden auch mitkommen. Meine Wissenschaftler haben mir berichtet, dass der Test erfolgreich verlaufen ist. Ohne dein Missgeschick wären wir noch nicht so weit.«

»Heißt das, ihr werdet den Versuch an einen deiner Leute wiederholen?«

»Ja, das haben wir vor.«

»Wäre es nicht sinnvoll, wenn ihr es mit Zitrin oder Senis machen würdet? Wir könnten miteinander in Verbindung bleiben.«

»Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Ra und schaute dabei auf Senis. »Aber erst, wenn wir zurück sind. Für morgen werde ich alles vorbereiten lassen.« Dann ging er. Zitrin hatte es dann auch eilig. Er suchte seine Sachen zusammen und legte sie auf den Tisch. Abends nahm er Verbindung mit Lena auf und sagte ihr den ungefähren Ankunftstermin. Am anderen Morgen herrschte Aufbruchsstimmung. Nach dem Frühstück wurden sie zum Raumschiff gebracht. Dort empfing sie Ramos.

»Ich habe gehört, welch wichtigen Beitrag du unserer Wissenschaft geleistet hast«, sagte er.

»Wenn Ra uns begleitet, dann muss es wichtig sein.«

»Haben wir unser altes Zimmer wieder«? fragte Kristian.

»Wenn du es möchtest?«

»Ramos wir danken dir.« Er nahm Senis Hand und sie waren bald in ihrem Zimmer. Senis wirkte bedrückt. »Senis, ich werde dich auch vermissen, wir werden uns aber immer erreichen können. Vielleicht komme ich ja mal wieder. Seit unserer ersten Begegnung hat sich viel in deinem Leben verändert. Natürlich auch in meinem. Ohne deine Hartnäckigkeit könnte ich nicht schwimmen wie ein Fisch.« Ein Lächeln verzauberte ihr Gesicht. Zum Mittagessen waren sie bei Ra eingeladen. Dort traf er auch dessen Sohn Rod.

»Kristian, ich will dein Volk kennenlernen.«

»Hoffentlich bist du nicht enttäuscht«, sagte er.

»Hast du überlegt, wie unser Treffen ablaufen soll«? fragte Ra. »Unser Ziel ist eine Tribüne in einem Stadion, davor die Kameras aus aller Welt, um uns die Zuschauer. Wirst du zu ihnen ein paar Worte sagen?« Ra nickte.

»Wird Rod mitkommen?«

»Ja sicher komme ich mit«, sagte Rod. »Zitrin und Senis werden meinem Volk klar machen, dass sie sich nicht, oder nur wenig, von uns unterscheiden. Dann erzähle ich etwas, dann könnte ein Film über dein Volk gezeigt werden, dann über den Bau der Pyramiden. Aber nicht zu viel, sie müssen ja nicht alles auf einmal sehen. Möchtet ihr dann mit zu mir kommen«? fragte er. »Ja, das würden wir gerne«, sagte Ra. »Ra, wie groß kann ich den Bildschirm mit meinem Wiedergabegerät werden lassen, damit alle etwas sehen?« »Nicht so groß, wie du es möchtest, wir werden vom Schiff aus die Übertragung machen.«

Als sie wieder in ihrem Zimmer waren, versuchte er, zu Jessika eine Verbindung aufzubauen. »Senis, ich habe nichts dagegen, wenn du mithörst.« Es war dunkel, anscheinend schlief Jessika noch. »Hallo Jessika, ich bin es.« Er fühlte, dass sie sich nicht sicher war, ob sie träumte. »Jessika, es ist kein Traum. Ich bin es wirklich.«

»Kristian, es ist Nacht.«

»Entschuldige, ich wollte dir nur sagen, dass wir in zwei Tagen ankommen. Nach dem Treffen im Stadion werde ich mit vier Freunden zu dir kommen. Sorge für ein kaltes Büfett und sage Lena Bescheid. Und jetzt kannst du weiterschlafen.«

Er musste an die erste Begegnung der Alien mit den Menschen denken. Keiner war darauf vorbereitet gewesen. Jetzt zumindest wussten sie, dass sie kamen. Die Regierungen der Welt haben sich nie mit einer Erstbegegnung von Außerirdischen auseinandergesetzt. Da bis dahin sowieso keiner daran geglaubt hatte, meinte man, es wäre früh genug, wenn das Ereignis stattgefunden hatte. Die Science-Fiktionsfilme haben die Meinungen der Menschen geprägt. Mal sind es Monster, die den Körper eines Menschen besetzen oder dauerhaft übernehmen. Oder es sind blutrünstige Monster. Auf die Idee, dass sie ihnen ähnlich sein könnten, kamen die Wenigsten. Der erste Kontakt mit Cyro seinem Freund und seinem Raumgleiter, war ein Ereignis gewesen. Die Massen waren aber nicht geschockt oder in Panik geraten, wie einige Regierungen es immer vorgeschoben hatten. Kein Politiker hatte sich dafür interessiert. Eigentlich hatte nur die Presse davon profitiert. Es wurde zur Kenntnis genommen, dass die USA schon lange ihr Wissen mit den Alien ausgetauscht hatten. Er rechnete auch jetzt nicht mit dem Interesse der Politik und fieberte ihrer Ankunft entgegen. Die Zeit schien viel langsamer zu vergehen.

Dann endlich waren sie am Ziel. Die Zeit, als sie die Erde erblickten und sich dann ihr näherten, verging schnell. Es war noch früher Morgen. Ihr Schiff stand hoch über dem Stadion. So hoch, dass keiner auf die Idee kam, hochzuschauen. Ganz unbemerkt waren sie jedoch nicht geblieben. Zwei Flugzeuge der Bundeswehr umkreisten sie und machten bestimmt ihre Fotos. Sie waren jetzt mit Ra in der Zentrale. Auf einem Bildschirm lief das Programm eines Fernsehsenders. Die Kamera des Fernsehsenders schwenkte quer durch das Stadion und man sah, wie die ersten Besucher eintrafen. Dann war der Kameramann auf sie aufmerksam geworden. Sie sahen das Raumschiff auf dem Bildschirm und wie die Menschen mit ihren Fingern auf sie deuteten. Kristian hatte keinen Vergleich, und ihm war nicht bewusst gewesen, dass das Schiff so groß war. Die Kamera des Raumschiffs zeigte Bilder aus der Vogelperspektive. Sie sahen die Tribüne, davor unzählige Kamerateams. Die Tribüne selbst war noch leer. Sie standen jetzt annähernd tausend Meter über dem Stadion. Der Zustrom der Menschen nahm zu, als man sie gesichtet hatte. Nach einer Stunde senkte sich das Schiff auf ca. fünfhundert Meter und sie verfolgten gespannt das Treiben unter ihnen mit ihren Kameras. Es wurde heller, die Ränge hatten sich gefüllt. »Lena bist du da«? meldete Kristian sich bei ihr über ihre Direktverbindung. »Kristian wir sind bereit. Du wirst dich wundern, ein Minister hat sich angekündigt.«

»Was für ein Minister?«

»Ich glaube der Entwicklungsminister, ein Herr Faundt.«

»Sage, wann es losgehen kann.«

»Warte noch einen Augenblick, einige Kamerateams sind noch vom Flughafen auf dem Weg zu uns.« Die Raumschiffkamera schwenkte von Lena auf Jessika und Jeanette. Sie saßen auf Stühlen hinter dem Mikrofon. »Es sind noch ein paar Fernsehteams unterwegs«, entschuldigte er die Verzögerung. Eine halbe Stunde später meldete Lena, dass alle bereit waren. Sie hatten alle ihre Festgewänder an. Plötzlich wurden sie unsichtbar und standen auf der Tribüne. Jessika kam auf ihn losgestürzt und sie küssten sich. Lena kam hinzu und er stellte einander vor. Kristian deutete auf das Mikrofon, Lena nickte.

»Ich grüße alle Zuschauer in nah und fern«, sagte er.

»Dieses ist ein historischer Augenblick. Ein uns, der Erde aber nicht fremdes Volk, hat Verbindung mit uns aufgenommen. Ich sagte der Erde nicht unbekannt, weil sie schon seit Tausenden von Jahren in die Entwicklung der Erde eingegriffen haben. Als bestes Beispiel möchte ich den Bau der Pyramiden nennen, und Atlantis ist allen ein Begriff. Bisher hatten wir keine Erklärung dafür, wie Menschen ohne technische Hilfsmittel in der Lage waren, tonnenschwere Steine zu bewegen. Hierzu komme ich noch zu sprechen. Erst möchte ich meine Begleitung vorstellen. Das ist Ra, einer der Herrscher über ein Reich, das mehrere Planeten umfasst. Dieses ist Rod sein Sohn. Diese beiden Frauen sind Zitrin und Senis. Sie sehen aus wie wir mit einem kleinen Unterschied. Ihre Verständigung findet nicht mehr durch gesprochene Worte statt, sondern durch Gedankenübertragung. Es ist also eine lautlose Verständigung. Ra und sein Sohn entstammen einem uralten Volk. Ich gebe zu, sie sehen ein wenig anders aus. Der Grund ist, dass sie mit ihrer Energie haushalten müssen. Es ist also ein Schutz, wenn sie ihre Körper nicht komplett zeigen, wozu sie durchaus in der Lage sind. Ich verspreche, es sind Menschen wie wir. Ich möchte noch Lena die Reporterin vorstellen, die hier für den Ablauf verantwortlich ist. Das sind meine Freundin Jessika und dessen Freundin Jeanette. Wir vier bilden zusammen ein Team, von dem sie sicher schon gehört haben.« Jessika hatte ihn angestupst und auf eine Person aufmerksam gemacht, die in der hinteren Reihe der Kameras stand und mit erhobener Hand auf sich aufmerksam machte. Ein Polizist bemerkte Kristians Interesse und meinte, den Störenfried entfernen zu müssen. Er bahnte sich seinen Weg um die Kameras herum.

»Ich glaube, das ist Alexis«, sagte Jessika. Wie hatte sie es geschafft, sich bis zu den Kameraleuten durchzumogeln?« Ihr Gespräch war ins Stocken geraten. Die anderen Kameraleute versuchten, mit ihren Kameras den Störenfried aufzuspüren. »Herr Wachtmeister«, sprach Kristian den Polizisten lautlos an. Dieser schaute verwirrt umher, weil er nicht wusste, wie ihm geschah.

»Ich bin es, hier oben auf der Tribüne«, dabei hob er seinen Arm. »Bringen sie die Frau zu mir.« Endlich hatte er geschaltet, und brachte auf dem Weg zu ihm die Kameraaufstellungen durcheinander. Als Alexis unten vor ihnen stand und stolz zu ihnen heraufschaute, weil sie es bis hierher geschafft hatte, holte Kristian sie mit einem Sprung auf die Tribüne. »Ich bitte um Entschuldigung für die Verzögerung«, sagte er. Eine Freundin aus Amerika hat den weiten Weg nicht gescheut, um heute hier zu sein. Alex, du hast die Menschen hier neugierig gemacht, erzählst du uns, was du hier machst?«

»Als ich deine Nachricht erhielt, hat unsere Schule beschlossen, ein eigenes Kamerateam zu dir zu schicken.« Sie winkte ihren Leuten mit der Kamera zu.

»Machen wir weiter. Ra möchte ein paar Worte sagen.« Kristian hatte keine Ahnung, wie dieser seine Worte an die Zuschauer richten wollte, zumindest die Mikrofone der Kameras würden sie nicht auffangen können. Dann plötzlich vernahm er seine Botschaft. Er musste sie vorbereitet haben um sie von seinem Schiff aus, allen zusenden zu können. Klar und deutlich empfing Kristian sie und sicher alle Menschen im Stadion. Die Menschen vor ihren Fernsehern mussten von einer Tonstörung ausgehen, weil sie nichts hörten. Die Reporter würden, wenn sie schnell genug mitschrieben, für die Verbreitung der Botschaft sorgen. Ra sagte, dass er hoffe, dass es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit kommen möge. Es war ein Glück, dass die Sonne noch nicht durchgekommen war. Plötzlich baute sich über ihnen ein riesiger Bildschirm auf. Planeten waren zu sehen und auch die Kuppeln, die aus dem Wasser schauten. Dann über das Leben der Bewohner. Endlich erschien der interessanteste Teil über den Bau der Pyramiden. Einen Teil davon hatte Kristian schon gesehen. Als es am spannendsten wurde, brach der Bildschirm in sich zusammen. Ra hatte seiner Bitte entsprochen. Die Reporter drängten jetzt zum Mikrofon, das Lena gerade vor der Tribüne aufgestellt hatte. Ra beantwortete ihre Fragen geduldig, die die Reporter schnell mitschrieben, damit kein Wort verloren ging. Dann gab es Gedränge von der Seite. Leibwächter machten eine Gasse frei für den Minister. Dieser war sich der Aufmerksamkeit gewiss und er lächelte in die Kameras. Dann kam er zu ihnen hoch. Da er sich nicht traute, Ra die Hand zu reichen, machte er andeutungsweise eine kleine Verbeugung. Kristian folgte dem Inhalt seiner Rede nicht und schaute sich um. Die Ränge waren voll besetzt, sicher standen noch Menschen vor den Toren. Der Minister wollte einfach nicht aufhören zu reden. Kristian wand sich an Ra. »Ra, soll ich euch mit zu mir nehmen?«

»Kommt mit mir«, sagte dieser, ich nehme euch mit.«

»Lass den Minister aber hier. Herr Minister, wir wollen aufbrechen, wir haben uns über ihren Besuch gefreut.« Dieser verstand, dass sie aufbrechen wollten, verabschiedete sich und ging zum Ausgang zurück. »Alex, du gehst besser zu deinen Leuten zurück, findest du den Weg zu uns?«

»Ich glaube ja.« Er nickte Ra zu, nachdem Alex die Tribüne verlassen hatte. Die Tribüne war zum Schrecken der Reporter plötzlich leer. Lena fand sich sofort im Raumschiff zurecht und machte Fotos. Sie hatten es nicht bemerkt, das Raumschiff hatte sich schon in die Richtung zu Jessikas Haus bewegt. Ra sagte dann, dass sie angekommen waren. »Lena komm, wir sind zuhause.« Sie hatten sich gerade zusammengestellt, als sie auch schon in ihrem Garten standen. Aron der Hund, war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Dann hatte er Kristian entdeckt und hätte ihn vor lauter Freude fast umgeworfen. Jessika war unterdessen mit ihren Gästen weiter ins Haus gegangen. Als sich Aron etwas beruhigt hatte, ging Kristian auch ins Haus und sah, wie Jessika Großvater und Maria mit den Gästen bekannt machte. Wie nicht anders zu erwarten war, hatte Zitrin sich abgesetzt und er fand sie in der Halle, wo sie die Ritterrüstungen betrachtete.

»Hier lebst du also?«

»Es ist nicht mein Haus, es gehört Jessika. Mein Haus ist ein wenig kleiner.«

»Zeigst du es mir?«

»Ich glaube, das wäre nicht gut.«

»Kristian kommst du?« Jessika stand in der Tür. Er wollte gerade gehen, als ein Paket langsam vor seinen Füßen landete. Zitrin sah sein bestürztes Gesicht.

»Du hattest es vergessen, es sind deine Sachen.« Draußen bellte Aron wie verrückt. Kristian ging zur Tür und schaute heraus. Aron hielt die Reporter in Schach. Da, eine Hand, die aus dem Trubel winkte.

»Kristian, ich bin es. Er ging zum Tor, Senis war ihm neugierig gefolgt. Ein Blitzlichtgewitter setzte ein.

»Alexis komme her zu mir.« Nur widerwillig machte man ihr Platz. Dann endlich stand sie am Tor, hinter ihr ihre zwei Mitschülerinnen mit ihrer Kamera. »Kommt herein.« Arons Gebiss schreckte die Reporter ab, ihnen zu folgen.

»Alex was habt ihr vor, fliegt ihr heute noch zurück?« Sie druckste herum. »Ja, ich weiß nicht.«

»Wieso du weißt es nicht. Wovon hängt das ab?« Sie schaute ihm unsicher in die Augen.

»Ob du noch was zu erzählen hast.«

»Reicht euer Geld noch für eine Übernachtung?«

»Ich glaube schon.«

»Gut, ich bringe euch heute Abend in ein Hotel. Morgen sehen wir weiter. Und jetzt kommt herein, ihr habt bestimmt Hunger.«

»Darf ich noch mit Senis sprechen?« Senis nickte, da sie ihr Gespräch verfolgt hatte. Schnell hatten Alex Mitschüler das Stativ aufgebaut und die Kamera darauf befestigt. Die Reporter hinter dem Zaun fanden das gar nicht lustig und maulten. »Senis kannst du dich mehr an den Zaun stellen, damit alle etwas davon haben«? bat er. »Also, das ist Senis.« Dass sie die ganze Zeit in seine Nähe gelebt hatte, erzählte er nicht, um Spekulationen vorzubeugen. »Stellt einfach eure Fragen, aber nicht gleichzeitig. Sie wird sie auf ihre Art beantworten. Senis darf ich dich alleine lassen?«

Im Haus merkte Lena schnell, dass Senis nicht mehr da war. »Wo ist Senis«? fragte sie.

»Draußen, sie gibt ein Interview.« Jetzt war sie hin und her gerissen, ob sie bleiben oder nach draußen gehen sollte. Ra war hier, das schien ihr auch ein lohnendes Objekt zu sein. Rod hatte sich bisher zurückgehalten.

»Ra möchtest du meine Waffensammlung sehen?«

»Ja gerne.« Sie stiegen die Treppe hoch, Zitrin und Rod hinterher. Ra schien beeindruckt zu sein.

»Wir haben uns nicht die Mühe gemacht, das Kriegsgerät der vergangenen Völker zu sammeln. Sicher hat das auch seinen Reiz.« Wo war Zitrin wieder?« Sie hatte den Weg ins andere Zimmer gefunden und hielt eine kleine Bronzefigur in der Hand. Er stand hinter ihr, als sie ihn sah, erschrak sie.

»Gefällt sie dir?«

»Ja, bei uns findet man so etwas nicht.«

»Ich schenke sie dir.« Ra, der jetzt ins Zimmer trat, lies seinen Blick durch das Zimmer schweifen und fragte, »du bist ein Händler?«

»Ja, ich tausche die Ware ein und verkaufe sie hier.« Ra griff ins Regal und hielt dann eine bunte Vase mit Henkel in der Hand. Sie war ungefähr dreißig Zentimeter hoch.

»Es ist eine römische Vase, wenn du willst, gehört sie dir.« »Ich dachte, dass sie meiner Frau gefallen würde. Danke, ich nehme das Geschenk an.«

»Deine Frau ist hier jederzeit willkommen. Es kommen immer wieder neue Stücke rein.« Rod war ihnen nicht gefolgt. Er stand im Waffenzimmer. »Kristian, die sind wohl sehr wertvoll?«

»Was ist schon wertvoll, suche dir was aus, aber nicht die, die dort an der Wand hängen.« Rod hielt ein Schwert aus dem Mittelalter in der Hand. Er betrachtete es ausgiebig und schaute dann auf seinen Vater.

»Ich möchte dieses.«

»Gut, dann komm, lasst uns nach unten gehen.« In der Halle stand jetzt ein Tisch, auf dem das kalte Buffet aufgebaut war. Jessika schaute zu ihm rüber. »Na, mein Schatz«, sagte er in Gedankenform zu ihr. »Lass das«, erwiderte sie, »rede vernünftig mit mir.« Zitrin hatte es mitbekommen.

»Du musst Kristian verzeihen, er konnte nur so mit uns kommunizieren.« Senis kam mit Alex und ihrem Team zur Tür herein. Zitrin konnte es nicht lassen und zeigte Senis die Bronzefigur. »Hat Kristian mir geschenkt.« Er empfing keine Regung von Senis. War sie gekränkt?

»Senis komm, wir gehen nach oben.« Sie wusste nicht was sie oben erwartete, folgte ihm aber. Jessikas Blick erklärte, was sie davon hielt. Er führte sie in den zweiten Raum.

»Such dir was aus.«

»Das sieht alt aus.«

»Ja, alles ist aus der Römerzeit.« Er hatte noch eine Schatzkiste und öffnete sie. »Such dir was aus.« Vorsichtig griff sie nach einer Halskette. Sie war aus Silber und ein wenig angelaufen. An ihr baumelten Kettenglieder aus Bernstein. »Komm, ich lege sie dir um.« Es gab hier keinen Spiegel. »Du siehst super aus.«

»Was ist super?«

»Dass du mit der Kette gut aussiehst, oder willst du was anderes?«

»Nein, sie gefällt mir.« Mit Stolz erhobenem Kopf schritt sie die Treppe hinunter und schaute Zitrin an. Alle waren davon gefangen und hielten in ihrem Tun inne. Sein Blick ging zu Zitrin. Diese sah ein, dass Senis ihr die Schau gestohlen hatte.

»Bist du sauer auf mich«? fragte er gezielt auf Jessika ausgerichtet, lautlos.

»Habe ich einen Grund dazu«? dachte sie. »Nein, hast du nicht, ich erzähle es dir später.« Er sah, dass alle einen guten Hunger mitgebracht hatten. »Kristian darf ich mal kurz zuhause anrufen«? fragte Alex. »Ja sicher.« Dann kam sie aufgeregt zurück. »Stell dir vor, meine Eltern haben gesehen, wie ich auf die Tribüne gekommen bin, es war eine Liveübertragung.« Ihre Augen schimmerten feucht. »Dann wissen deine Eltern ja jetzt, dass du gut angekommen bist.«

»Ra, wie geht es weiter, soll ich mich melden, wenn ich zwei Wissenschaftler habe?«

»Lass dir Zeit, es eilt nicht.«

»Ra, kannst du dir vorstellen, was das auslösen wird? Sie werden alle zu euch wollen.«

»Du machst das schon.« Anscheinend gab es draußen noch Gerangel, die Kameraleute hofften immer noch, etwas Spektakuläres vor die Linse zu bekommen. Arons Gebelle zeigte, dass er auf Posten war. »Kristian kannst du mir das Tor zeigen, durch das du gegangen bist«? fragte Rod.

»Ja, das kann ich, will sonst noch jemand mit?« Senis und Zitrin meldeten sich. »Halt«, rief Lena, »ich muss das aufnehmen.« Sie kamen an der Ruine an. Heute war hier mehr Betrieb wie sonst. Sicher hatten einige aus dem Stadion die Gelegenheit genutzt, in der Hoffnung, hier das Tor in eine andere Welt zu finden. Sie standen im Hof vor dem Rest des Burgfrieds. Einige Kameraleute hatten es auch bis hier geschafft, weil sie noch Hintergrundmaterial aufnehmen wollten. Sie stürzten auf sie zu. Schon waren sie von der Bildfläche verschwunden und kamen im Burgvorhof an. Alles war wie immer. Die Stallknechte wurden auf sie aufmerksam. Dann kam Johannes über die Pferdekoppel auf sie zugerannt. »Kristian, wir dachten schon, dir wäre etwas zugestoßen.«

»Hast recht, bei nächster Gelegenheit werde ich euch alles erzählen. Das sind neue Freunde von mir.« Scheu blickte Johannes Rod an. »Auch darüber werde ich euch erzählen.«

»Kristian, du siehst anders aus.«

»Du meinst mein Gewand? Ich weiß, ist jemand in der Burg?« Johannes nickte. »Dann kommt.« Sie gingen zu Fuß den Weg durch das Burgtor. Rod schien beeindruckt. »Hanna, Hanna«, schrie Johannes. Hannas Kopf erschien im Fenster.

»Kommt, ehe sie runter kommt.« Hanna hatte den Türgriff noch in der Hand, als Sie schon im Zimmer standen. »Das ist Graf Lothar der Hausherr, Hanna und sein Sohn Johannes.« Kristian stellte seine Begleitung vor.

»Ich erzähle euch alles später.« Lena machte Fotos, in ihrem Kopf entstand sicher schon der nächste Bericht. Nachfahre der Erschaffer des Tores trifft auf das Mittelalter. Das Tor war in Wirklichkeit viel älter und schon dagewesen, als es die Burg noch nicht gab. »Graf Lothar, es tut mir leid, wir müssen zurück, wir werden erwartet.« Der Graf und Hanna waren nicht dazu gekommen, etwas zu sagen.

»Bis später.« Sie standen wieder in der Halle. »Ihr wart lange weg«, meinte Jessika.«

»Wir haben in der Burg noch guten Tag gewünscht.«

»Kristian, wir treten die Heimreise an«, sagte Ra.

»Ra danke, für alles.« »Ich habe dir zu danken.« Kristian konnte es nicht unterdrücken, er musste Senis zum Abschied in den Arm nehmen.

»Rod, wenn du Probleme bekommst, wende dich an Senis. Zitrin bleibe sauber. Ra, vielleicht sehen wir uns mal wieder.« Er legte seine Hände auf Kristians Schultern, dieser machte es ihm nach. Dann plötzlich waren sie fort. »Alex schnell, sie fliegen ab«, rief er. Die Kamera greifend, rannte sie nach draußen. Die Reporter vor dem Tor erkannten, dass sich etwas ereignet hatte. Als Alex ihre Kamera auf das noch auf der Stelle verweilende Raumschiff richtete, machten sie es ihr nach. Schnell entfernte sich das Raumschiff. Bald war es nur noch so groß wie ein Tennisball, dann war es fort. »Ich glaube, ich ziehe mich erst mal um«, sagte Kristian.«

»Ich komme mit«, sagte Jessika. Als sie die grinsenden Gesichter sah, schüttelte sie ihren Kopf. »Es ist nicht dass, was ihr denkt.« Im Schlafzimmer schaute sie ihn herausfordernd an.

»Du hast was mit dieser Frau gehabt.«

»Du meinst sicher Senis. Sie war meine Betreuerin. Ich durfte sie mir aussuchen. Ehe du weiter fragst, ich erzähle euch die Geschichte gleich.« Jessika drehte sich um und verließ das Zimmer. Er zog sich andere Sachen an. Wieder unten, griff er nach seinem Paket und legte es auf den Küchentisch. Neugierig warteten alle darauf, was daraus zum Vorschein kam. Um die Spannung zu erhöhen, holte er zuerst seine Kleidung hervor und legte sie auf einen Stuhl. Er blickte in die neugierigen Gesichter.

»Nun mach schon«, drängte Jeanette. Er griff zum Basisgerät, das den Bildschirm erzeugte. Darauf legte er den Gedankenübertrager. »Das, was ihr gleich seht, kommt aus meinem Gedächtnis. Als Beweis werde ich erst an Eurone denken.« Der Bildschirm flammte auf. Eurone schaute sie an. Er ließ sie lächeln. Dann Hera und Jessika. »So, habt ihr jetzt verstanden, wie das funktioniert? Alex, wenn du was nicht verstehst, frage einfach, und wenn du willst, kannst du das aufnehmen. Ich muss dich aber bitten, einen neuen Speicher in die Kamera zu legen. Du darfst sie in deiner Schule vorführen, dann aber bleibt sie dein persönliches Eigentum, gebe sie nicht aus der Hand.« Alex nickte und er wartete, bis die Kamera ausgerichtet war. Er fing damit an, wie er aus ihrem Zimmer abgeholt wurde. Ein Blick zu Jessika, die selig in ihrem Bett schlummerte und nichts mitbekam.

»Das musst du nicht gerade zeigen«, mäkelte Jessika. Dann die Ankunft im Raumschiff. Rela bringt ihn in sein Zimmer. Dann bei Ramos, wo er sich Senis als Betreuerin ausgesucht hatte. Ihm fiel der Wortwechsel ein und er übertrug ihn so, dass jeder sie empfangen und verstehen konnte, außer Alex. Der Bildschirm brach zusammen. »Ich muss euch jetzt erst erklären, was die Frauen dort betrifft. Es gibt zwei Klassen von Menschen außer Ra. Zitrin gehört zu der Klasse, die im Beirat ist, sie empfindet wie eine normale Frau. Senis gehört der zweiten Klasse an.« Er machte eine Pause, weil Jeanette für Alex übersetzte. Sie ist völlig keusch aufgewachsen, sie weiß nicht, was körperliche Liebe ist, das zu Jessikas Eifersucht. Alle Frauen, auch Zitrin können keine Kinder bekommen. Diese werden künstlich gezeugt. Alle Frauen kennen keine Scham. Ich zeige euch jetzt, was ich damit meine.« Sie waren noch im Raumschiff. Senis führte ihn zum Schwimmbad. Ihm fiel ein, dass er ja selber Aufnahmen vom Schwimmbad gemacht hatte. Er hatte alles noch sehr gut in seinem Gedächtnis, und stellte sich vor, wie Senis sich langsam auszog und verweilte vielleicht etwas zu lange bei ihr. Ihren Körper konnte man nicht vergessen. Ihre Ansicht von hinten und wie sie ins Becken sprang. Um ihn war es mäuschenstill. Sicher waren alle von Senis Schönheit gefangen?

»Versteht ihr jetzt, Jessika ist auf Senis eifersüchtig. Senis weiß nicht, was das ist. Sie schämt sich auch nicht, sich vor meinen Augen auszuziehen. Der Bildschirm baute sich wieder auf. Sie waren jetzt in der Schleuse, sein erster Tauchversuch. Senis zog sich aus und sprang durch die Schleuse. Er stand noch davor. Wie stellt man sich selbst nackt vor? Egal. Dann ein Arm, der ihn packt und durch die Schleuse zieht. Dass er krank vor Angst war, sah man nicht. Sie schwammen um die Kuppel herum, dann die Begegnung mit der Seekuh. Ein Blick in die Kuppel, wo ihnen einige zuwinkten. Die Vorstellungskraft, mit der er die Bilder erzeugte, wurden aus einer Position gezeigt, als wäre sie von einem Beobachter aufgenommen, der schräg über und hinter ihnen war. »Ihr habt noch keinmal Luft geholt«, stellte Lena fest. Sie schwammen zurück. »Das mit der Luft ist eine andere Geschichte«, erklärte er. »Was für eine andere Geschichte«? hakte Lena nach. »Ich sagte doch, es ist eine andere Geschichte.«

»Und die willst du uns jetzt nicht erzählen?«

»Du sagst es.«

»Kristian, Senis ist wirklich ein leckeres Mädchen«, stellte Großvater fest. »Großvater schäme dich«, entrüstete sich Jessika. »Warum soll sich Großvater schämen, er hat doch recht«, stellte Kristian klar.

»Alex darfst du die Bilder von Senis zeigen?«

»Warum fragst du?«

»Bei euch in Amerika kommt es regelmäßig zu einem Aufstand, wenn ein nackter Busen gezeigt wird.«

»Stimmt, ich muss mir was einfallen lassen. Die Jungs in meiner Klasse würden mir nie verzeihen, wenn ich ihnen das vorenthalten würde.«

»Kristian, sei mir nicht böse«, sagte Lena, »ich muss in die Redaktion.«

»Verstehe ich.« Alex war mit ihren Mitschülerinnen am Tuscheln. »Kristian, wir wollen auch nach Hause.«

»Wisst ihr denn, wann ein Flieger geht?«

»Ja, für den haben wir ein Ticket.«

»Schafft ihr den Flug noch?«

»Der Flieger fliegt in eineinhalb Stunden ab.« »Eine Stunde bis zum Flughafen, wer meldet sich freiwillig?«

Jeanette schaute Jessika an.

»Ich fahre schon«, sagte sie dann. Der Abschied war kurz. Alle stiegen in Jeanettes Auto und sie fuhren ab. Sie standen am Tor und winkten hinterher.

»Und nun mein Schatz zu dir, hast du mich vermisst?«

»Und was ist mit dir?«

»Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte er stattdessen.

»Was ist es?«

»Komm erst mal ins Haus.« Er holte die Geschenke hervor. »Großvater, das ist für dich.«

»Ein außerirdisches Schnäpschen?«

»Ja, so ähnlich. Für die Frauen habe ich einen Stein mitgebracht. Aber zuerst das Geschenk, das ich von Rods Mutter bekommen habe.« Er hielt ihr den funkelnden Ring hin. Alle waren beeindruckt von der Leuchtkraft des Steins. Jessika steckte ihn an ihren Finger.

»Maria, dieser Stein ist für dich. Und das gilt für alle Steine, ihr geht damit zum Goldschmied und lasst ihn auf meine Kosten einfassen. Hier Jessika, das ist noch dein Stein und dazu die Ohrringe.« Jessika umarmte ihn. Maria machte auch ein glückliches Gesicht. Zwei Stunden später war Jeanette zurück.

»Hast du sie in den richtigen Flieger gesetzt«? fragte er. »Ich glaube schon.«

»Wir sollten unser Büffet nicht verkommen lassen«, schlug er vor und ging in die Halle, alle schlossen sich an. »Kristian«, fragte Großvater, »wirst du sie noch mal besuchen?«

»In ihre Welt wohl nicht, aber wenn sie die Wissenschaftler abholen, werde ich diese in das Raumschiff begleiten.«

»Wegen Senis«, stellte Jessika fest.

»Ja, weswegen sonst«, gab er zur Antwort.

»Ich dachte, ich hätte alles klargestellt, du brauchst nicht eifersüchtig zu sein.«

»Und was ist mit Zitrin?«

»Jessika, ich habe nicht gewusst, dass du so sein kannst. Können wir nicht einen Schlussstrich ziehen?« Sie schaute ihn an und er erkannte, dass sie noch eine Zeit brauchte, um mit sich ins Reine zu kommen. »Zeige Jeanette ihren Stein, damit du auf andere Gedanken kommst.«

»Was für ein Stein«? fragte Jeanette und folgte Jessika in die Küche.

Am nächsten Morgen liefen bei Lena die Telefonverbindungen heiß. Schon lange war allen bekannt, dass Lena für alles was um ihn geschah, die beste Adresse war. Sie selber hatte außer dem, was alle Reporter bei der Ankunft erfahren hatten, noch den Bericht, den Kristian in ihrem Haus erzählt hatte. Das war auf jeden Fall mehr, als das, was andere wussten. Lena stand schon um zehn Uhr vor dem Tor. Aron begrüßte sie. Sie hatten lange geschlafen und saßen noch am Frühstückstisch. Lena hatte eine Videokamera, ihren Fotoapparat und zwei Scheinwerfer dabei.

»Ich brauche alles, was dir so einfällt«, meinte sie. »Am besten fangen wir damit an, wie du von hier abgeholt wurdest.«

»Alles noch mal?«

»Ja, ich hatte gestern keine Kamera dabei.«

Lediglich mittags gab es eine Pause, danach ging es weiter. Die Filme von Ra nahm Lena mit der Videokamera auf. Einzelne Fotos schoss sie mit ihrem Fotoapparat. Jetzt erst sah Kristian den Bau der Pyramide in voller Länge. Ebenso die Filme, die er mit der Kamera von Rod aufgenommen hatte. Es wurde Nachmittag, als Lena endlich halbwegs zufrieden war. Sie halfen, ihre Sachen ins Auto zu tragen. Laufend kamen Anrufe von Reporter und Fernsehanstalten. Sie verwiesen sie an Lenas Adresse. Sogar das Büro der Altertumsverwaltung von Zahi Hawwas in Kairo rief an. Kristians Fall war Zahi Hawwas nicht. Zu sehr rückte dieser sich immer in den Vordergrund, wie toll er sei und was er alles schon entdeckt hatte. Die Sprecherin am anderen Ende der Leitung, verhielt sich ähnlich. Sie tat so, als wäre es Kristians Pflicht und ihr Recht, dass er ihnen alles über den Pyramidenbau zuzuschicken hätte. Auch sie bekam Lenas Adresse. In einem unbeobachteten Moment sprang er zu Kristel ins Krankenhaus. Sie war noch im Operationszimmer beschäftigt. Er wartete im Flur. Einige Leute erkannten ihn und gingen scheu an ihm vorüber. Hatten sie Angst vor ihm? Er setzte seine Sonnenbrille zur Tarnung auf. Dann kam Kristel.

»Kristian, schön, dass du dich mal sehen lässt. Komm, gehen wir in die Kantine, ich brauche einen Kaffee. Bist du krank?«

»Nein, mir geht es gut.«

»Du willst also nur guten Tag sagen?«

»Nein, so ganz ohne Grund bin ich nicht gekommen.« Sie suchten sich einen Platz und er ging zwei Tassen Kaffee holen.

»So nun erzähl mal«, drängte Kristel.

»Hier, das habe ich dir mitgebracht.«

Er legte den Stein, der in ein Papiertaschentuch eingepackt war, vor ihr auf den Tisch.

»Wieso für mich?« Die Anderen aus dem engeren Kreis haben auch einen bekommen.« Vorsichtig, als hätte sie Angst, dass etwas herausspringen würde, faltete sie das Taschentuch auseinander. »Oh Kristian, so etwas Schönes habe ich noch nie gesehen.« »Frage Jessika, sie kennt einen Juwelier, der ihn dir einfasst. Natürlich auf meine Kosten.«

»Danke, das ist ja wie zu Weihnachten.«

»Hast du die Übertragung im Fernsehen gesehen«? wechselte er das Thema. »Ja, abends eine Zusammenfassung.«

»Also«, fing er an. »Es gibt verschiedene Planeten. Der Planet, zu dem sie mich gebracht haben, ist einer größeren Strahlung ausgesetzt. Deshalb leben die Bewohner teilweise unter riesigen Kuppeln unter Wasser. Die Menschen haben sich mit dem Wasser arrangiert. Sie schwimmen wie Fische und entnehmen dem Wasser den Sauerstoff, den sie brauchen.«

»Du meinst, sie brauchen zum Luftholen nicht an die Oberfläche?«

»Genau.«

»Aber wie soll das gehen, sie sehen wie normale Menschen aus.« Er erzählte ihr, wie Senis ihn überlistet hatte.

»Heißt das, du kannst das auch?« Er nickte.

»Das ist ein Ding, stelle dir vor, was für Möglichkeiten sich daraus ergeben.«

»Ja ich weiß, deshalb musst du das für dich behalten. Man würde mich auseinanderschneiden, um hinter dem Geheimnis zu kommen. Es war kein großer Eingriff, am nächsten Tag durfte ich schon das Bett verlassen.« Er beschrieb ihr seinen ersten Tauchversuch. »Ich kann mir vorstellen, was für eine Überwindung dich das gekosten hat«, sagte Kristel.

»Du sagst es, aber das ist noch nicht alles. Ich bin aus Versehen, nein eigentlich war es meine Neugierde, in einen Versuch geraten. Ich habe eine Strahlung abbekommen, die meine Stirn getroffen hat. Ra meinte, dass seine Wissenschaftler an einer Bewusstseinserweiterung gearbeitet hätten. Ich habe zuerst nicht gewusst, was er damit meinte. Weißt du, was man unter das dritte Auge versteht?«

»Ja, es ist ein Chakra auf der Stirn und man bezeichnet es als drittes Auge.«

»Man sieht in ihm eine Art Wahrnehmungsorgan für das Übersinnliche und es soll der Sitz paranormaler Fähigkeiten sein«, erklärte er weiter.

»Die vordere Hälfte der Zirbeldrüse hat die vollständige organische Struktur eines menschlichen Auges. Der Begriff des dritten Auges wird schon bei vielen Völkern, für Menschen verwendet, denen die Fähigkeit zugeschrieben wird, Visionen zu erfahren, und wird mit Wahrsagerei in Verbindung gebracht. Hast du schon mal davon gehört, dass eine Person so eine Sehnsucht nach einer anderen Person hatte, die viele tausend Kilometer entfernt lebt, dass die erste Person plötzlich bei der entfernten Person erscheint. Beide nehmen einander wahr. Es fällt kein Wort, dann sind sie wieder alleine.«

»Gelesen habe ich davon, habe aber weiter nicht darüber nachgedacht«, meinte Kristel.

»Ähnlich ergeht es mir, wenn ich mich auf jemand konzentriere. Ich hatte eine Verbindung mit Jessika.«

»Kristian, du wirst mir langsam unheimlich.«

»Ja, ich mir auch«, lachte er.

Eigentlich war er gekommen, um sich von Kristel röntgen zu lassen, sah jetzt aber die Gefahr, die entstehen könnte, wenn jemand sein Röntgenbild in die Finger bekam.

»Und was willst du jetzt machen«? fragte Kristel.

»Gar nichts, ich werde schweigen.«

»Eigentlich schade«, meinte Kristel. »Hast ja recht, aber schließlich geht es um mein Leben. Sage bitte keinem etwas davon, auch nicht Jessika. So, jetzt fühle ich mich besser, ich musste es einfach jemandem erzählen.«

»Hast jetzt wohl viel Stress?«

»Ich habe Lena heute meine Geschichte erzählt, wenn mich jemand anruft, schicke ich ihn zu Lena.«

»Ich habe die zwei Frauen gesehen, die bei dir waren, sehen alle Frauen so aus?«

»Figurmäßig ja.«

»Und konntest du ihnen widerstehen, ich meine bist du standhaft geblieben?«

»Was meinst du?«

»Du weißt, was ich meine.«

»Jessika ist eifersüchtig, ich glaube, ich habe sie beschwichtigen können.«

»Kristian, du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«

»Was für eine Frage war das noch mal? Findest du es schlimm, wenn man nach verbotenen Früchten greift, wenn sie direkt vor deine Augen hängen?«

Er erzählte Kristel, wie er Senis kennengelernt hatte. Erschrecke jetzt nicht, ich zeige dir, was ich meine.« Er schloss seine Augen und konzentrierte sich auf Kristel. Diese sah, woran er gerade dachte.

Das Schwimmbad, Senis zieht sich aus und springt ins Wasser. Dann sein erster Tauchversuch. Diesmal konnte man sehen, welche Überwindung ihn das gekostet hatte. Er öffnete seine Augen und sah, dass Kristel ihre Augen geschlossen hatte.

Als nichts mehr bei ihr ankam, öffnete sie ihre Augen. »Mensch Kristian, das war fast wie im Kino, jetzt begreife ich, dass du nicht widerstehen konntest.«

»Ich danke dir für dein Verständnis«, und er musste dabei grinsen. Dann sah er, woran sie dachte. Ihre Gedanken kreisten um den Augenblick, als er vor der Schleuse stand. Sie sah auf sein Hinterteil. »Gefällt dir, was du siehst?«

»Was meinst du?«

»Mein Hinterteil.« Ihr Gesicht färbte sich rot.

»Du weißt, was ich denke?«

»Ja, aber ich mache nicht oft Gebrauch davon.«

»Kristian, schau mich nicht so an.« Sie versuchte verzweifelt, an was anderes zu denken.

»Je mehr du versuchst nicht an das Eine zu denken, je mehr denkst du daran«, erklärte er.

»Und ich finde es ganz normal, wenn du deiner Fantasy freien Lauf lässt. Gedanken lesen kann ich aber nicht erst jetzt, das konnte ich schon, als ich von den Alien das Implantat bekam.«

»Du hast nie was gesagt.«

»Ich hätte es jetzt wohl besser auch nicht gesagt.«

»Wie konntest du dich davor schützen, deine neuen Freunde konnten sicher auch Gedanken lesen?«

»Ja, ich habe das von Senis bekommen.« Er zog den Gedankenblocker aus seinem Hemd. Er hatte sich schon so an ihn gewöhnt, dass er vergessen hatte, ihn abzulegen. »Du brauchst keine Angst zu haben, wenn ich mich wieder an die normale Sprache gewöhnt habe, drängen sich mir die Gedanken anderer nicht mehr so auf.

So, ich gehe jetzt lieber, Jessika sucht sicher schon nach mir. Und kein Wort zu anderen.« Kristel nickte. Vom Treppenhaus aus sprang er zu sich ins Waffenzimmer, um unnötigen Fragen von Jessika aus dem Wege zu gehen.

»Wo warst du«? erschrocken drehte er sich um.

»Meinst du nicht, dass du übertreibst«? fragte er.

»Wieso, du verschwindest einfach und schleichst dich dann zurück.«

»Komm, lass es gut sein.« Er schob sie zur Treppe und ging hinunter. In der Küche saßen Großvater und Jeanette, beide schauten fern. »Eigentlich wollten wir in die Stadt zum Goldschmied«, sagte Jeanette. »Und was hat e8uch abgehalten?« »Jessika, ich glaube sie hat was gesucht.«

»Ja, ich weiß, mich.«

»Kinder vertragt euch.« Großvater sah sie strafend an. »Ich gehe morgen mit, wenn ihr in die Stadt fahrt«, sagte Kristian. Jessika schaute stumm in den Fernsehapparat.

»Ich habe noch einiges zu erledigen.« Jeanette stand auf, und verabschiedete sich. An diesem Abend war an eine Versöhnung nicht mehr zu denken. Jeder drehte dem anderen im Bett den Rücken zu.

Sie saßen am nächsten Morgen noch am Frühstückstisch, als der Postbote kam und sie mit Briefen überhäufte. »Was wollen die denn alle von uns«? rief Großvater erstaunt aus. Sie öffneten ein paar Briefe. Schnell kristallisierte sich heraus, was die Schreiber wollten, nämlich einen Platz im Raumschiff. Ein Telegramm kam sogar aus Amerika. Da würde noch einiges auf sie zukommen.

»Junge, ich beneide dich nicht«, gab Großvater seinen Kommentar dazu ab. Als Jeanette kam, stiegen sie zu ihr in das Auto, um zu einem Goldschmied zu fahren, um die Edelsteine die Kristian von den Atlantern bekommen hatte, in Ringe einfassen zu lassen. »Was ist mit Maria«? fragte Jessika. Die hatten sie ganz vergessen. Er stieg wieder aus und überredete Maria mit ihnen zu kommen. Während der Fahrt fiel ihm auf, dass Jeanette oft in den Rückspiegel schaute. Noch dachte er sich nichts dabei. »Jeanette, was ist los?«

»Ich weiß nicht, vielleicht sehe ich auch Gespenster. Ich beobachte schon eine Weile ein schwarzes Auto, ich glaube es ist ein BMW, der uns im immer gleichen Abstand folgt.« Kristian wollte keinen nervös machen, es konnte schon sein, dass es Interessenten gab, die wissen und haben wollten, was er mitgebracht hatte. Sie fuhren in die Stadt rein, zu einem Goldschmied, den Jeanette kannte. Beim Aussteigen schaute er sich vorsichtig um. Von einem verdächtigen Auto keine Spur. Sie gingen in das Geschäft. Kristian legte die Steine auf die Theke. Man sah dem Goldschmied sein Erstaunen an, als er durch seine Lupe einen ihrer Steine musterte. »So etwas habe ich noch nie gesehen«, murmelte er und begutachtete einen Weiteren.

»Darf man fragen, woher die Steine kommen«? fragte er. Anscheinend hatte er sie nicht erkannt. Jeanettes Daumen zeigte nach oben. Verständnislos versuchte er, die Symbolik zu begreifen.

»Sie schauen kein Fernsehen«? fragte Jeanette. »Doch, ab und zu.« Dann glomm ein Erkennen in seinen Augen auf. »Entschuldigung, dass ich sie nicht gleich erkannt habe.« Jetzt ging es schnell. Eine schlichte Fassung sollte das Hauptaugenmerk auf den Stein lenken. Jede der Frauen steckte ihren Finger in eine Ringschablone.

Während dessen beobachtete Kristian durch das Fenster das Treiben davor. Er sah nichts Verdächtiges.

»Sie haben doch einen sicheren Tresor«? fragte er den Goldschmied. »Ich glaube schon, dass er sicher ist«, kam es zögernd über seine Lippen.

»Es kann sein, dass jemand fragt, was wir hier wollten. Zu ihrer eigenen Sicherheit sagen sie nichts von den Steinen, sagen sie, ich hätte einen Ring für meine Freundin gekauft.«

»Wen sollte das interessieren«? fragte der Goldschmied. »Sicher haben sie die Einmaligkeit der Steine erkannt, meinen sie nicht, dass das Grund genug wäre, sie sich anzueignen? Später kommt noch ein Stein dazu und alles kommt auf eine Rechnung.« Der Goldschmied machte ein zufriedenes Gesicht. Sie sahen zu, wie er die Steine in seinen Tresor einschloss.

»Wenn ihr wollt, gehen wir noch durch die Stadt, vielleicht möchte jemand ein Eis?« Viel Begeisterung schlug ihm nicht entgegen. Sie machten sich auf den Weg zu ihrem Stammlokal. Jeanette wollte lieber eine Tasse Kaffee und ein Stück Torte. »Hast wohl nicht gefrühstückt«, neckte Kristian sie. Während die Bestellung bearbeitet wurde, ging er ins Lokal und beobachtete durch das Fenster die Umgebung. Er brauchte nicht lange zu suchen, zwei Männer saßen ein paar Tische weiter. Sie unterhielten sich und schauten, wie sie dachten, unauffällig zu ihrem Tisch. Für Reporter hielt er sie nicht. Er ging zurück und erzählte nichts von den beiden Männern. Wenn überhaupt, dann würden sie was von ihm wollen. Eine halbe Stunde später machten sie sich auf den Heimweg. Jeanette sah als Erste das schwarze Auto. Kristian befürchtete nicht, dass ihnen auf einer belebten Straße etwas passieren könnte. »Fahrt nach Hause, ich muss jemand besuchen«, sagte er und sprang in das Büro von Heike der Kommissarin. Da das lautlos geschah, bemerkte sie ihn zunächst nicht. Sein Räuspern ließ sie erschreckt zusammenfahren.

»Kristian, sie haben mich erschreckt und ich habe nicht gehört, wie sie reingekommen sind.«

»Ich habe mir gedacht, ich mache mal einen Höflichkeitsbesuch bei einer alten Bekannten.«

»Das ehrt sie, aber sicher haben sie im Moment Besseres um die Ohren.«

»Nein, eigentlich nicht, Lena und ich haben eine Arbeitsteilung. Sie ist für die Verbreitung meiner Geschichten verantwortlich, ich habe jetzt frei.«

»Und da kommen«, sie stockte, »da kommen sie einfach zu mir?« »Wollen sie abstreiten, dass wir alte Bekannte sind?«

»Wie alt?«

»Das wissen sie doch.«

»Kristian, ich mache ihr Spiel nicht mehr mit.«

»Sie haben mir gesagt, dass sie mich für Edra den Außerirdischen halten. Demnach waren wir zusammen auf dem Eiffelturm.« Heikes Räderwerk rotierte.

»Wenn du Edra bist, ja.«

»Und bestehen da noch irgendwelche Zweifel?« Er verwandelte sein Gesicht in das des steckbrieflich gesuchten Verbrechers, das mal in ihrem Büro hing.

»Anscheinend habt ihr ihn gefasst?«

»Ich habe es gewusst.« Sie eilte um ihren Schreibtisch und umarmte ihn stürmisch.

»Du gehst aber ran«, sagte er.

»Du hast mich lange genug hinters Licht geführt.«

»Hast recht, verzeihe mir.«

»Ich kann’s immer noch nicht glauben, das heißt, dran geglaubt habe ich schon immer.«

»Heike, so ganz ohne Eigennutz bin ich nicht gekommen. Wir wurden auf dem Weg in und aus der Stadt verfolgt.«

»Sag mir die Autonummer.« »Oh je, darauf habe ich nicht geachtet. Es gibt sicher viele, die haben wollen, was ich mitgebracht habe. Eigentlich sind wir alle gefährdet. Vielleicht hörst du mal was und kannst mich warnen.« Kristian, du bist mir einer, von einem Abenteuer ins Nächste.«

»Hat dir deine Freundin Frau Humboldt nichts vom Erstkontakt mit meinen neuen Freunden erzählt?«

»Erzähle mal.« »Ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen darf. Das Beste ist du sprichst sie nicht darauf an. Meine neuen Freunde haben geholfen, dass ein Attentäter sein Wissen preisgab. Ohne ihr Eingreifen hätten wir nichts aus ihm herausbekommen und nicht das Attentat verhindern können.« »Wieso, waren die auch dort?«

»Sie hatten vorgehabt, mit mir Kontakt aufzunehmen. Dann kam die Sache mit deiner Freundin dazwischen. Sie sind uns einfach gefolgt. So ich muss jetzt zurück.«

»Lass dich mal wieder sehen.«

»Mache ich.«

»Wo warst du«? fragte Jeanette. »Bei der Kommissarin. Sie hält ihre Augen offen. Kann sich einer von euch an das Nummernschild erinnern?« Jessika und Jeanette schauten sich an und machten dann ein schuldbewusstes Gesicht.

»Jeanette, wenn du zurückfährst, achte darauf, ob dir jemand folgt. Ich werde nachher die wichtigsten Sachen in Hannas Haus bringen.«

Er sagte das so, damit alle es auch hörten. Sollte jemand Druck auf sie ausüben, dann konnten sie nur das sagen, was sie wussten.« Hannas Haus war ihm aber zu unsicher. Wer weiß wer dort vorbei kam, auch wenn es unwahrscheinlich war, weil der Ort wegen der Elfen gemieden wurde. Wieder Zuhause, packte er die Sachen in seine Tasche und verschwand vor ihren Augen. Weit hatte er es nicht, sein Haus war ein kleines Bauernhäuschen, mehr eine Kate. Kurt, Jessikas Bruder war Häusermakler und hatte es ihm vermittelt, als die letzte Bewohnerin im hohen Alter gestorben war. Er legte die Tasche zu seinem Geldkoffer, in dem das Geld, das er unter dem Namen Edra durch Lenas Berichte verdient hatte, und vor dem Finanzamt versteckte lag. Danach machte er beides wieder unsichtbar.

»Hast du auch alles gut versteckt«? fragte Großvater, als er zurück war. »Ja, bei Hanna ist es sicher.«

Am nächsten Vormittag wollte er die Lage testen. Gemütlich fuhr er in Richtung Stadt. So oft er auch in den Rückspiegel schaute, fiel ihm nichts auf. Erst kurz vor der Stadt sah er sie. Es war der schwarze BMW. Eine Baustelle, die gestern noch nicht da war, zwang sie anzuhalten. Die Baustellenampel stand auf Rot. Unsichtbar sprang er in ihr Auto. Beide Verfolger hatten ihn nicht bemerkt. Dann schaute der Fahrer in den Rückspiegel und erschrak. »Keine falsche Bewegung, die Hände auf das Armaturenbrett.« Noch geschockt, folgten sie gehorsam.

»Hat euer Auftraggeber euch nicht gesagt, mit wem ihr es zu tun habt?« Stumm schauten beide nach vorne. Dieses ist meine letzte Warnung. Sehe ich euch jemals wieder, oder einen anderen von eurem Auftraggeber, werde ich ihn im Mittelalter entsorgen. Euren Auftraggeber ebenfalls. Er sah, dass die Ampel auf Grün schaltete. Beim Verlassen des Autos nahm er den Beifahrer mit und ließ ihn geschockt auf der Straße stehen. Als Kristian zurückkam, sah er Sorgenfalten auf Großvaters Stirn.

»Was ist Großvater?«

»Ich habe gehört, dass ihr verfolgt wurdet.«

»Ja leider. Ich habe mir die Verfolger soeben vorgeknöpft.« Jessika hielt einen Brief hoch.

»Kristian, ich glaube, dein Problem die richtigen Wissenschaftler zu finden, ist gelöst.«

»Wie kommst du darauf?«

»Hör zu. Ein Dr. Pieper schreibt: „Wir als Technologiegesellschaft möchten ihnen bei der Auswahl der richtigen Kandidaten für das Zusammentreffen mit einer neuen Kultur behilflich sein. Wir möchten ihnen Universalwissenschaftler vorschlagen. Diese sind durch ihre vielseitige Bildung in der Lage, viele unterschiedliche Tätigkeiten auszuführen. Sicher geht es bei der ersten Begegnung darum, den Wissensstand möglichst vieler Gebiete festzustellen. Wissenschaftler, die sich nur in einem Gebiet auskennen, wären dort fehl am Platz. Falls sie unsere Hilfe annehmen, schlagen wir ihnen einige Kandidaten vor. Mit freundlichen Grüßen usw.“

Was hältst du davon?«

»Hört sich gut an. Was für eine Gesellschaft ist das eigentlich?«

»Hier ist ein Anhang. Die Gesellschaft forscht in Hunderten von Technologiefeldern und stellt die Ergebnisse in Form von Patenten und Lizenzen der Industrie zur Verfügung.«

»Ich könnte ihnen den Energieerzeuger der Elfen anvertrauen. Großvater, hat Hera wehrend meiner Abwesenheit etwas abgegeben?«

»Nein, er war nicht hier.«

»Jessika, hat Dr. Pieper seine Mailadresse angegeben?«

»Ja.«

»Dann teile ihm mit, dass wir seine Hilfe annehmen. Ich muss noch mal in die Stadt.«

»Hast du was vergessen?«

»Ja, ich will Riga besuchen.«

»Nimmst du uns mit?«

»In die Stadt oder nach Riga?«

»Beides.« Nach dem Mittagessen fuhren sie los.« Er schickte beide mit je einen Einkaufswagen los und steuerte zu den Seifen und Parfümerien. Er hatte gelesen, was die Römer als Seife verwendeten. Sie wurde aus Tierfett, Pottasche und Bimssteingranulat hergestellt. Mit Schaber wurde diese Paste wieder entfernt. Er packte einige Stücke Seife, Lippenstifte, Augenbraunstifte und kleine Fläschchen Parfüm in seinen Wagen. Dann eine Kiste Feuerzeuge und billige Bestecke. Die Römer kannten nur Löffel, an deren Ende eine Spitze oder Haken war. Trotzdem konnte er sich vorstellen, dass das funkelnde Besteck Begehrlichkeiten auslösen würde. Nacheinander wanderten Kämme und Handspiegel in den Wagen. Schreibwaren waren immer schnell ausverkauft. Schon bald war sein Wagen gefüllt. Vor der Kasse warteten schon Jessika und Jeanette. Es dauerte eine Weile, bis sie die Kasse passiert hatten. Hinter ihnen in der Schlange murrten die Kunden schon. Zuhause stellte er für Riga die Lieferung zusammen. Der Rest blieb erst mal hier. Am nächsten Morgen waren sie eigentlich startklar. Jessika fiel auf, dass er sich nicht rasiert hatte. Er wollte sich einen Bart wachsen lassen, damit man ihn nicht so schnell erkannte. »Wir haben für Cornelia nichts«, gab Jeanette zu bedenken. Sie hatte recht, er musste noch mal ins Dorf. Vom Mühlenbetreiber erstand er einen Sack mit zehn Kilo Weizenmehl. Für die Frauen ein paar Tafeln Schokolade. Dass er sein Pferd mitnehmen wollte, fanden die Frauen ungerecht. Er hatte vorgehabt, in Ruhe die Gegend zu erkundigen und konnte ihnen schlecht verbieten, mitzukommen.

»Zieht bitte eure Hosenröcke an.« Also sattelten sie auch ihre Pferde. In seine Satteltaschen hatte er zusätzlich Seife und Parfüm gepackt. Zuerst brachte er die Sachen für Riga rüber, auch als Test, ob ihnen nichts im Wege stand. Dann folgten sie mit den Pferden. Riga war schon auf dem Wege zu ihrem Stand. Ihre Tochter Elana, und Cornelia die Frau eines Centurios, freuten sich über ihren Besuch. Echte Freude war auch bei Cornelia über das Mehl festzustellen. Die Schokolade tat ihr Übriges dazu. »Jeanette, machst du den Kameramann? Ich möchte den Weg nach Riga festhalten.« Sie verabschiedeten sich.

Der Weg führte an Weinfelder vorbei. Ansonsten begegneten ihnen keine Menschen. Erst auf halber Strecke, überholten sie zwei Kinder. Diese blieben stehen und blickten zu ihnen hoch.

»Hallo Kinder, sollen wir euch ein Stück mitnehmen?« Unschlüssig blickten sie sich an. Er sah, dass die Kamera lief. »Komm, steige hinter mir auf.« Das Mädchen traute sich als Erste und hielt ihm ihre Hand entgegen. Mit einem Schwung hievte er sie hinter seinen Sattel. Mutig geworden, hielt der Junge Jessika seine Hand entgegen. Bis jetzt hatten beide noch keinen Ton gesagt.

»Hat man euch die Zunge herausgeschnitten«? fragte er den Jungen, der jetzt auf gleicher Höhe mit ihm war. Der Junge grinste und schüttelte seinen Kopf. Jeanette filmte jetzt von vorne. Die Kinder waren barfuß und ihre Kleidung sah ärmlich aus. Sie ritten in den Ort hinein. Das Mädchen klopfte gegen seinen Rücken. Sie rutschten vom Rücken der Pferde und blieben am Rand des Weges stehen.

Kristian hatte einen Denar in seine Hand und hielt ihn den Kindern hin. Das Mädchen nickte und hielt die Hand auf. Schon segelte der Denar auf sie zu. Staunend begutachteten sie ihn und rannten davon. Wie er schon beim ersten Mal festgestellt hatte, als er mit Decimus einem Legionär hier war, waren die ersten Häuserreihen ärmlich. Das Bild änderte sich zum Besseren, je weiter sie kamen. Sie erkannten die ersten Marktstände. Der zweite Stand in der dritten Gasse, gehörte Riga. Sie sah sie kommen, eilte ihnen entgegen und umarmte sie stürmisch. »Wie läuft das Geschäft«? fragte Kristian.

»Ganz gut, hast du Ware mitgebracht?«

»Ja, habe ich, wie schaffst du die Ware hierher?« Sie deutete schräg auf die andere Seite der Straße. Unter einen Baum war ein Esel angebunden, daneben eine zweiräderige Karre.

»Gehört sie dir?«

»Nein, Cornelia hat ihn mir geliehen.«

»Wäre es nicht besser, du hättest einen eigenen Wagen?«

»Ich wollte nicht so viel Geld ausgeben.«

»Hast du nicht so viel?«

»Ich wusste nicht, ob es dir recht ist.«

»Versprich mir, dass du bei der nächsten Gelegenheit dir die Sachen kaufst.«

»Kristian, ich danke dir.« Er hatte gesehen, dass neben dem Esel noch Platz für ihre Pferde war. »Achtest du auf unsere Pferde, wir wollen uns umsehen?«

»Ja, geht nur.« Das Angebot der Waren wiederholte sich von Stand zu Stand. Es herrschte auch nicht viel Betrieb. In der nächsten Gasse wurden Nahrungsmittel angeboten. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf eine keifende Frau. Sie schlug mit einer Gerte auf einen auf dem Boden knienden Mann ein, der Lebensmittel einsammelte, die aus seinem Einkaufskorb gefallen waren. Darunter waren Eier, die aufgeplatzt waren. Kristian nickte Jeanette zu und stellte sich zwischen der Frau und den am Boden knienden Mann. Dieser war um die dreißig und wie es aussah, ein Sklave. »Gute Frau, warum schlagt ihr den Mann, dadurch werden die Eier auch nicht wieder heil.«

»Was mischt du dich ein, ich mache mit meinem Sklaven, was ich will.« Dieser war aufgestanden und stand mit gebeugtem Kopf da. »Warte, bis wir Zuhause sind, ich werde dich lehren besser aufzupassen«, keifte sie weiter. Kristian fiel eine Frau auf, die aus einiger Entfernung dem Treiben zuschaute. Sie hatte eine helle Toga an, darüber eine blaue Palla. Das war ein Frauenmantel aus rechteckigem Stoff. Er wurde über die linke Schulter drapiert, um den Rücken und unter dem rechten Arm hindurchgeführt, und der Rest über den linken Arm getragen. Sie schauten sich an. Die Frau mit dem Stock versuchte, um Kristian herum, wieder ihren Sklaven zu schlagen. »Frau, wenn deinen Sklaven für unfähig hälst, warum verkaufst du ihn nicht?«

»Darüber habe ich schon nachgedacht.« Listig schaute sie ihn an und wägte ab, inwieweit sie mit Kristian ein Geschäft machen konnte. Diesem juckte es in den Fingern. Kristian wusste, dass er nicht alle ungerecht behandelte Sklaven freikaufen konnte. »Was soll er kosten?«

»Du willst ihn kaufen?«

»Das kommt auf den Preis an.«

»Für dreihundert gehört er dir.« »Frau, für so einen ungeschickten Sklaven gebe ich dir keine dreihundert Denare. Du weißt nicht zufällig, wer es sich leisten kann, Duftwasser aus Ägypten zu kaufen? Es ist einer Königin würdig, aber warum sage ich dir das, du siehst nicht so aus, als würdest du dir das leisten können.«

Um sie hatten sich die Menschen gesammelt. Er gab Jeanette ein Zeichen. »Nimm die Gesichter auf,« sagte er lautlos zu ihr. »Dann wollen wir mal weitergehen«, sagte er und tat so, als wäre für ihn die Sache erledigt.

»Halt«, schrie die Frau, »kannst du mich den Duft einmal riechen lassen?«

»Wenn du es unbedingt willst, ich sagte schon, der Duft wurde für eine Königin gemacht.« Er holte das Fläschchen aus der Tasche, gab einen Tropfen auf seinen Handrücken und verrieb ihn. Dann hielt er der Frau die Hand entgegen. Sie roch daran. Verzückt sog sie den Duft ein. Reihum ließ Kristian die Neugierigen riechen. »Ich will es haben«, rief sie.

»Du kannst meinen Sklaven für zweihundert haben.«

»Ich gebe dir einhundert und das Duftwasser. Dazu duftende Seife, mit der du dich waschen kannst. Sie kommt ebenfalls aus Ägypten. Hier, du kannst sie ausprobieren.« Er hielt ihr ein kleines Stück Hotelseife hin. »Wenn wir uns einig sind, bekommst du ein größeres Stück.« Sie kämpfte mit sich. »Ich bin morgen um die gleiche Zeit wieder hier, falls du kommst, bringe die Besitzurkunde des Sklaven mit.« Er bahnte sich einen Weg durch die Menge«. Die Frau mit dem blauen Mantel stand noch an der gleichen Stelle.

»Ihr seid nicht von hier«, sprach sie ihn an.

»Das ist nicht schwer zu erraten«, erwiderte er.

»Würdet ihr mir die Ehre erweisen, meine Gäste zu sein?« Jessika kam an seine Seite und sagte, »wir würden uns freuen.«

»Dann folgt mir.« Der Frau folgte eine Sklavin, die einen Einkaufskorb trug. Sie waren ein paar Minuten unterwegs, vorbei an einfachen Häusern. Dann plötzlich änderte sich das Bild. Die Häuser waren aus Stein, hatten einen Garten. Das Haus, auf das sie zugingen, war einstöckig, der Eingang wurde von zwei Säulen flankiert, darüber ein Spitzdach. »Tretet ein.« Jeanette folgte als Letzte, die Kamera im Anschlag. Die Frau führte sie in ein Zimmer, dessen eine Wand mit einer Landschaft bemalt war. Ein langer Tisch mit Stühlen davor. An den Wänden hingen Bilder, darunter Schränkchen, auf denen Vasen und Schüsseln mit Obst standen. Ein glatter Fußboden, der rötlich gestrichen war.

»Setzt euch.« Jeanette sah Jessika bittend an. Diese verstand und übernahm die Kamera. Jeanette setzte sich an Kristians Seite. Eine Sklavin brachte Gläser und Wein. Sie tranken einen Schluck. »Du willst den Sklaven der Frau?«

»Eigentlich nicht, ich hatte nur Mitleid.«

»Bist du sicher, dass das Duftwasser den Wert eines Sklaven aufwiegt?«

»Ich glaube nicht, ich wollte nur sehen, wie weit die Frau zu gehen bereit war.«

»Sie ist bekannt dafür, dass sie ihre Sklaven schlecht behandelt. Ich habe mich noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Fabia. Mein Mann Vibius ist Händler und kommt in ein paar Tagen zurück.«

»Das trifft sich gut, ich bin auch ein Händler. Womit handelt dein Mann«? fragte er.

»Wir handeln mit Gebrauchsgegenständen, Vasen, Schüsseln, Glaswaren und Schmuck.«

»Und was bietest du an?«

»Duftwasser«, sagte er grinsend, »Sachen die eine Frau schöner machen. Kennst du die Händlerin Riga?«

»Ja, ich habe gesehen, dass sie fremdartige Waren verkauft.« »Riga ist meine Geschäftspartnerin.«

»Mein Mann hat sich für ihre Waren interessiert, aber sie waren schnell ausverkauft.«

»Morgen bringt sie neue Ware mit.« Er holte das Parfümfläschchen aus der Tasche.

»Darf ich dir das schenken?«

»Du machst wertvolle Geschenke.« Fabia nahm es aus seiner Hand entgegen, öffnete das Fläschchen und roch daran.

»Von einer Königin«? fragte sie lächelnd.

»Es verkauft sich so besser. Das hier ist Seife, wir waschen uns damit.« Sie roch daran. »Warum schenkst du mir das?« »Vielleicht weil ich mit deinem Mann Geschäfte machen möchte?«

»Kommst du morgen, um dir den Sklaven zu holen?«

»Wenn die Frau dem königlichen Duft nicht widerstehen kann, ja.«

»Sagst du mir deinen Namen und den deiner Frauen?«

»Ich heiße Kristian, das hier ist Jeanette, die Freundin meiner Frau Jessika.« Jessikas Augenbraue fuhren nach oben.

»Ihr seht anders aus.«

»Ähnlich haben wir auch gedacht, als wir in euer Land kamen. Dürfen wir dich morgen wieder besuchen und dir einen kleinen Teil unseres Warenangebots zeigen?«

»Ich würde mich freuen.«

»Dann bis morgen.« Auf dem Rückweg sahen sie, dass es den Häusern nach hier eine Menge reicher Leute geben musste. Er kaufte noch zwei schöne Glasschüsseln und gab sie Riga, damit diese sie heil zu Cornelia bringen sollte. Dann erzählte er ihr von der Frau mit dem Sklaven.

»Könntest du Hilfe gebrauchen?«

»Du willst, dass er hier arbeitet?«

»Nur wenn du willst?« »Ich könnte schon Hilfe gebrauchen, und sei es nur zu meinem Schutz.«

»Weißt du denn, wo er schlafen könnte«? fragte er. Sie druckste herum.

»Was ist, sag schon, was du denkst.« »An Cornelias Grenze gibt es ein brachliegendes Stück Land. Sogar ein Haus steht darauf. Cornelia meint, ich könnte es pachten und später vielleicht kaufen.«

»Das hört sich gut an, wir reiten jetzt zurück. Morgen um diese Zeit kommen wir wieder.« Der Accu war leer. Lena würde sich darum kümmern, ob jemand Interesse an ihren Film hatte. Gemächlich ritten sie zurück und sprangen dann.

Abends, Jeanette war schon gegangen, zeigten sie Großvater und Maria den Film.

»Junge geht das, dass ich Riga mal kennenlerne?« Dass da noch keiner daran gedacht hatte. Großvater hatte das Mittelalter kennengelernt, nicht aber die Römer, bis auf einen kurzen Blick auf das Kastell.

»Großvater, kannst du warten, bis Riga ihr neues Haus bezogen hat?«

»Junge, denke daran, ich habe nicht mehr viel Zeit.« »Großvater, fühlst du dich krank?«

»Wieso?«

»Weil du ans Sterben denkst.«

»Man kann die Zeit nicht anhalten.« Großvater war um die achtzig Jahre alt.

»Großvater, die neunzig schaffst du noch. Jessika, was hältst du davon, wenn wir Urlaub machen?«

»Wieso Urlaub?«

»Urlaub heißt Sachen packen und verreisen.«

Wo willst du denn hin?«

»Ich hatte an einen Tauchurlaub gedacht.« Jessika stutzte. »Ich wusste nicht, dass du dich jemals für das Tauchen interessiert hast? Lass mich raten, hat das was mit Senis zu tun?«

»Ja, du hast recht, durch Senis weiß ich, wie schön Tauchen ist.«

»Mit oder ohne Tauchflaschen?«

»Einfach nur Schnorcheln«, sagte er grinsend.

»Was steckt dahinter? Du wolltest das letzte Mal nicht mit der Sprache raus. Erinnerst du dich daran, du sagtest, das sei eine andere Sache.«

»Woran du dich alles so erinnerst, komm einfach mit, dann wirst du schon sehen.«

»Was ist mit Jeanette?«

»Die kommt natürlich mit.«

»Kannst du denn einfach so hier weg?«

»Es gibt nichts, was wir nicht verschieben könnten.«

»An was hast du gedacht, ich meine wo willst du tauchen?« »Ich habe gehört, dass die Malediven ein gutes Tauchrevier sind.«

»Du hast es ja gut vor. Sollen wir uns um alles kümmern?«

»Ja sicher, so in einer Woche wäre nicht schlecht. Ich lade euch natürlich ein.«

»Da wird Jeanette aber Augen machen.«

»Jessika, vergiss nicht, für morgen den Accu zu laden.«

»Mache ich gleich.« Er stellte für Fabia eine Warenprobe zusammen. Wenn ihr Mann ein weitreisender Händler war, dann tat sich für sie ein ganz neuer Markt auf.

»Kristian, Dr. Pieper hat uns die Lebensläufe von vier Kandidaten per E-Mail geschickt.«

»Das ist gut, dann können wir vor unserem Urlaub das noch erledigen.« Sie gingen dann schlafen. Zum Glück hatte sich Jessikas Eifersucht gelegt und sie konnten sich wieder den angenehmen Sachen einer Beziehung widmen.

Jeanette nahm am anderen Morgen die Ankündigung des Urlaubs mit Begeisterung auf. Bevor die Frauen sich darum kümmern konnten, stand der Besuch zum Markt noch bevor. Gegen zehn Uhr sattelten sie die Pferde. Cornelia besuchten sie nicht, sondern sprangen gleich auf die Landstraße, die zum Markt führte. Rigas Stand war von neugierigen Zuschauern belagert. Es hatte sich herumgesprochen, dass ein Tauschhandel mit einem königlichen Duft bevorstand. Die Frau mit ihrem Sklaven wurde von der Menge begafft. Der Sklave stand ergeben hinter der Frau. Sie hatten ihre Pferde angebunden und traten durch die Gasse, die sich vor ihnen aufgetan hatte. Der Sklave hatte ein Bündel neben sich stehen, was den Schluss zuließ, dass die Frau sich auf sein Angebot einlassen wollte.

»Frau, sage mir, wie dir meine Seife gefallen hat?«

»Ich bekomme ein größeres Stück?«

»Ja, einhundert Denar und das Duftwasser.« Er wollte sie nicht zu offensichtlich übers Ohr hauen und hielt ihr zwei verschiedene Fläschchen hin. Gierig griff sie danach und roch daran. »Hast du die Urkunde dabei?« Aufgerollt hielt sie eine Pergamentrolle in der Hand.

»Hier hast du die Seife und die Denare. Das Geschäft gilt?« Sie nickte, reichte ihm die Urkunde und verschwand in der Menge. »Komm«, sagte Kristian zu dem Sklaven, ging mit ihm zu Rigas Stand und schob ihn durch die Tür in ihren Laden. Der Mann ließ alles gleichgültig mit sich geschehen. »Das ist Riga, du wirst ihr im Laden helfen.« Jeanette hatte den Geschäftsabschluss mit der Kamera festgehalten und versuchte, ihr Gespräch von draußen durch die Klappe aufzunehmen.

»Herr, ich danke dir, dass du mich gekauft hast.«

»Ich bin kein Herr, sage Kristian zu mir. Du wirst für deine Arbeit entlohnt, alles Weitere wird dir Riga mitteilen. Sage uns deinen Namen.«

»Man nennt mich Marcus.«

»Riga sorgst du dafür, dass er neu eingekleidet wird?« »Kristian, ich habe Ware für dich bei Cornelia.«

»Ist gut, wir besuchen jetzt Fabia, kennst du sie?«

»Ja, sie war gestern noch hier und hat sich umgesehen.« Er nahm seine Satteltasche und sie machten sich auf den Weg nach Fabia. Eine Sklavin öffnete ihnen die Tür. Man sah, dass sich Fabia über ihren Besuch freute.

»Waren die Geschäfte erfolgreich«? fragte sie.

»Ja, das könnte man sagen.« Er packte die Tasche aus. Ein Schreibblock mit Bleistift und Radiergummi. Ein Nähset, Schere, Handspiegel, Parfüm, Seife, Lippen und Augenbraunstift.

»Das ist nur eine kleine Auswahl. Du kannst Stoffe haben und was dazugehört. Wünsche kannst du an Riga richten.« Fabias Hand strich über das Papier, den Sinn des Bleistifts erkannte sie nicht. Er schrieb das Wort Fabia auf das Papier und radierte es dann wieder aus. Sie deutete fragend auf den Lippenstift. Jessika nahm den Stift und strich damit über ihre Lippen.

»Ich weiß nicht, womit ich dir das vergelten kann?«

»Das brauchst du nicht, es ist ein Geschenk.«

»Ich habe noch keinen Händler wie dich kennengelernt, und der seine Ware verschenkt.«

»Fabia, ich möchte mit deinem Mann Geschäfte machen, bei uns ist es üblich, dass man eine Warenprobe zurücklässt. Wir werden jetzt gehen, bis bald.« Sie begleitete sie zur Tür. Jeanette schaltete die Kamera aus. Riga erzählte er, dass sie sich die nächsten vierzehn Tage nicht sehen würden. Als sie bei Cornelia ankamen, rannte ihnen Rigas Tochter Elana entgegen.

»Deine Mutter sagt, dass sie Ware für uns hat?«

»Ja komm, ich zeige sie euch.« Da hatte sich wirklich einiges angesammelt. Jede Menge Glasware und Teile aus Bronze. Er hatte noch zwei Fläschchen Parfüm in seine Hosentasche. Eines gab er Elana, das andere bekam Cornelia. »Cornelia, Riga sprach von einem Stück Land in deiner Nähe?«

»Ja, es ist nicht weit von hier.«

»Weißt du was es kosten soll?« »Ja, die Erben wollen eintausend Denare dafür.«

»Das ist nicht gerade wenig.«

»Dazu gehört ein Haus und Flächen zum Bewirtschaften.«

»Du meinst also, der Preis ist in Ordnung?«

»Riga könnte den Preis bestimmt noch herunterhandeln und ihnen Ware von dir anbieten.«

»Ich habe noch dreihundert Denare bei mir. Sage Riga, sie soll sie schon mal anzahlen, ich weiß nicht, wie viel Denare sie eingenommen hat.« Cornelia lachte.

»Den Preis für das Land könnte sie schon aufbringen.«

»Dann hältst du Riga für eine gute Geschäftsfrau?«

»Sie ist die Beste.«

»Sage ihr, sie soll das Land kaufen.« Die Kiste mit der Ware zwischen ihnen, kamen sie zu Hause an. Jetzt musste alles zuerst wieder katalogisiert werden. Er hoffte, Lena dafür gewinnen zu können. Sie könnte ein paar Stücke ja in ihren Berichten zeigen. Unten rief Jessika zum Mittagessen. Danach rief er Lena an und erzählte ihr von ihrem Trip und Film, den sie gedreht hatten. Sie wollte vorbei kommen.

Nachmittags, er kam gerade vom Bäcker zurück, fuhr Lena vor. »Hallo Lena, du kommst gerade recht und kannst mit uns die Kandidaten aussuchen.« Auf ihren fragenden Blick hin erklärte er ihr die Sache.

Jessika hatte die vier Bewerbungen ausgedruckt. »Tut mir leid, dass die Fotos schwarzweis sind. Die Farbpatronen sind wohl leer«, entschuldigte sie sich. Kristian verließ sich auf das Urteil von Dr. Pieper, dass alle Bewerber gleich gut waren. Deswegen konzentrierte er sich auf die Fotos und hatte sich schnell für eine Frau und einen Mann entschieden.

»Du scheinst dich schon entschieden zu haben«, stellte Lena fest.

»Ja«. Die Frau war 34 Jahre alt, hatte zwei Kinder und war geschieden. Der Mann war dreißig Jahre alt und nicht verheiratet.

»Jessika schickst du eine E-Mail an Dr. Pieper, er soll uns die Beiden zu einem Gespräch vorbeischicken, möglichst diese Woche noch. Lena, du schreibst noch nichts darüber, bis wir endgültig entschieden haben. Du willst jetzt sicher den Film sehen?«

Jessika schloss die Kamera an ihren Laptop an und Kristian gab seinen Kommentar zu dem Film ab. Lena hatte ihr Diktiergerät eingeschaltet. »Wenn du das nächste Mal wieder einen Film drehst, nimm bitte meine Kamera mit, die macht einfach bessere Bilder.« Dafür war sie aber auch größer.

»Kannst du damit was anfangen«? fragte er, nachdem der Film zu Ende war. »Was für eine Frage, bis jetzt haben wir ja noch nicht viel Filmmaterial vom Leben der Römer. Ihr müsst auch mehr Fotos machen. Die Zeitungen wollen nicht die gleichen Fotos bei ihrer Konkurrenz sehen. Wenn ich aus dem Film einzelne Fotos rauspflücke, geht das auf Kosten der Qualität.«

»Lena kannst du vielleicht etwas Zeit für mich erübrigen?« »Für was?« »Ich habe neue Ware von Riga mitgebracht und brauche Fotos davon für die Webseite.«

»Ja, mache ich gerne.«

»Wir wollen nächste Woche Ferien auf den Malediven machen.« »Warum soweit?«

»Wir, das heißt ich, möchte Schnorcheln.« Lena schien nachzudenken und schaute zu Jessika, die sie angrinste. »Denkst du an das Gleiche«? fragte Lena.

»Ja, ich habe die gleichen Schlüsse gezogen.«

»Kann ich mit etwas Spektakulärem rechnen, wenn ihr zurückkommt«? stellte Lena die Frage an ihn.

»Ich weiß nicht, was du meinst«, tat er unschuldig. »Spekuliert ohne mich weiter, ich habe noch was zu erledigen«, sagte er und verließ die Küche. Er hatte sich schon eine Weile nicht mehr bei den Germanen sehen lassen. Im Dorf kaufte er eine Kiste voll Obst. Von der Mühle je einen Sack Mais und Weizenmehl. Als er alles in Jessikas Auto verstaut hatte, fiel ihm ein, dass er etwas vergessen hatte. Er kaufte noch reichlich Salz ein und fuhr nach Jessika zurück. Lena wollte gerade in ihr Auto steigen und kam neugierig näher. »Eine Kiste voll Obst? Was hast du vor?«

Die Tore der Atlanter. 4.Folge

Подняться наверх