Читать книгу Boccaccio - Hermann Hesse - Страница 4

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Verehrte Herrschaften und vor allem Ihr, schöne und angebetete Damen! Es ist üblich, dass demjenigen, der ein schönes Geschenk oder Kleinod überbringt, ein guter Dank und Lohn zuteil wird; und so werdet auch Ihr, wenn ich Euch einen reichen Schatz ohne allen Anspruch auf Gewinn oder Lohn übergebe und anpreise, es freundlich aufnehmen und mir im stillen Dank dafür wissen. Dies tue ich aber, indem ich Euch das Buch meines Freundes Giovanni Boccaccio aus Florenz in die Hände lege; denn Ihr werdet, sofern Ihr es verständig leset, in demselben eine solche Fülle von schönen, klugen, erfreulichen, rührenden und lächerlichen Geschichten entdecken, wie sie vielleicht ausserdem kein anderes Buch irgend eines Dichters enthält.

Seid Ihr nie an einem schönen, warmen Tage im Frühsommer an einem fremden Garten vorüber gegangen? Ihr waret allein und verdrossen, und aus dem Garten brachte [pg 10] der Wind den Geruch von Rosen und Orangeblüten, das Silbergetön einer plätschernden Fontäne, die Klänge einer Guitarre und das von Gelächter unterbrochene Plaudern fröhlicher junger Leute zu Euch heraus. Da ergriff Euch Traurigkeit und eine mächtige Sehnsucht, hinein zu gehen, die staubige Landstrasse mit grünem Rasen und Blumenbeeten zu vertauschen, die Lieder der Sänger und die frohen Gespräche der Glücklichen anzuhören und Eure Sehnsucht an all der Heiterkeit und Freude nach Herzenslust zu ersättigen.

Wohlan, Ihr werten Leute, hier ist das Tor des Gartens: es ist geöffnet, und aus den Büschen dringt Blütenduft, Gelächter, Liedergesang und Saitenspiel. Tretet ein, nehmet Platz, sättiget Euer Verlangen! Höret Ihr gerne schöne Lieder an? Oder habt Ihr Lust, Euch eine traurige Liebesmäre erzählen zu lassen? Oder freut es Euch, einen Witz, eine Posse, eine kräftige Anekdote zu vernehmen? Oder von Beispielen des Edelsinns und höchster Tugend zu hören? Traget Ihr Verlangen nach vielfältigen und unerhörten [pg 11] Abenteuern, oder mehr nach galanten Historien, bei welchen die Damen erröten und sich, der guten Sitte halber, ein wenig entrüstet stellen?

Ihr alle möget eintreten, und jeder wird finden, wonach er sich sehnte. Denn die hundert Geschichten des edlen Herrn Boccaccio sind so beschaffen, dass sie die Jünglinge zum Entzücken, die Mädchen zum Erröten oder zur Rührung, die Männer zum Lachen, die Weisen zum Nachdenken nötigen. Man findet in diesen Geschichten die verschiedenen Arten der menschlichen Natur und Temperamente, der Liebe und Freundschaft, der Schicksale in Leben und Sterben, alles auf eine anmutige und wahrhaftige Art erzählt und dargestellt. Für Kinder von zartem und unerfahrenem Alter sind sie nicht geeignet, auch nicht für blöd gewordene Greise, auch nicht für Leute von feindseliger, kleinlicher und mürrischer Sinnesart. Ausser diesen aber mögen sie von Jungen und Alten jeder Art mit grossem Vergnügen und gewiss auch nicht ohne Nutzen gelesen werden.

Ehe ich weiter von diesem merkwürdigen [pg 12] Buche mit Euch rede, will ich aber erzählen, wer eigentlich jener Herr Boccaccio war (denn er ist leider schon seit längeren Zeiten verstorben), und wie er das Dekameron geschrieben hat.


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Boccaccio

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