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Kapitel 1

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Die 1. Historie sagt, wie Till Eulenspiegel geboren, dreimal an einem Tage getauft wurde und

wer seine Taufpaten waren.

Bei dem Wald, Elm genannt, im Dorf Kneitlingen im Sachsenland, wurde Eulenspiegel

geboren. Sein Vater hieß Claus Eulenspiegel, seine Mutter Ann Wibcken. Als sie des Kindes

genas, schickten sie es in das Dorf Ampleben zur Taufe und ließen es nennen Till

Eulenspiegel. Till von Uetzen, der Burgherr von Ampleben, war sein Taufpate. Ampleben ist

das Schloß, das die Magdeburger vor etwa 50 Jahren mit Hilfe anderer Städte als ein böses

Raubschloß zerstörten. Die Kirche und das Dorf dabei ist nunmehr im Besitze des würdigen

Abtes von Sankt Ägidien, Arnolf Pfaffenmeier.

Als nun Eulenspiegel getauft war und sie das Kind wieder nach Kneidingen tragen wollten, da

wollte die Taufpatin, die das Kind trug, eilig über einen Steg gehen, der zwischen Kneidingen

und Ampleben über einen Bach führt. Und sie hatten nach der Kindtaufe zu viel Bier

getrunken (denn dort herrscht die Gewohnheit, daß man die Kinder nach der Taufe in das

Bierhaus trägt, sie vertrinkt und fröhlich ist; das mag dann der Vater des Kindes bezahlen).

Also fiel die Patin des Kindes von dem Steg in die Lache und besudelte sich und das Kind so

jämmerlich, daß das Kind fast erstickt wäre. Da halfen die anderen Frauen der Badmuhme mit

dem Kind wieder heraus, gingen heim in ihr Dorf, wuschen das Kind in einem Kessel und

machten es wieder sauber und schön.

So wurde Eulenspiegel an einem Tage dreimal getauft: einmal in der Taufe, einmal in der

schmutzigen Lache und einmal im Kessel mit warmem Wasser.


Die 2. Historie sagt, wie alle Bauern und Bäuerinnen über den jungen Eulenspiegel klagten

und sprachen, er sei ein Nichtsnutz und Schalk; und wie er auf einem Pferd hinter seinem

Vater ritt und stillschweigend die Leute hinten in seinen Arsch sehen ließ.

Als nun Eulenspiegel so alt war, daß er stehen und gehen konnte, da spielte er viel mit den

jungen Kindern. Denn er war munteren Sinnes. Wie ein Affe tummelte er sich auf den Kissen

und im Gras so lange, bis er drei Jahre alt war. Dann befleißigte er sich aller Art Schalkheit so

sehr, daß sich alle Nachbarn miteinander beim Vater beklagten, sein Sohn Till sei ein Schalk.

Da nahm der Vater sich den Sohn vor und sprach zu ihm: »Wie geht das doch immr zu, daß

alle unsere Nachbarn sagen, du seist ein Schalk?« Eulenspiegel sagte: »Lieber Vater, ich tue

doch niemandem etwas, das will ich dir eindeutig beweisen. Geh hin, setz dich auf dein

eigenes Pferd, und ich will mich hinter dich setzen und stillschweigend mit dir durch die

Gassen reiten. Dennoch werden sie über mich lügen und sagen, was sie wollen. Gib darauf

acht!« Das tat der Vater und nahm ihn hinter sich aufs Pferd. Da hob sich Eulenspiegel hinten

auf mit seinem Loch, ließ die Leute in den Arsch sehen und setzte sich dann wieder. Die

Nachbarn und Nachbarinnen zeigten auf ihn und sprachen: »Schäme dich! Wahrlich, ein

Schalk ist das!« Da sagte Eulenspiegel: »Hör, Vater, du siehest wohl, daß ich stillschweige

und niemandem etwas tue. Dennoch sagen die Leute, ich sei ein Schalk.«

Nun tat der Vater dies: er setzte Eulenspiegel, seinen lieben Sohn, vor sich auf das Pferd.

Eulenspiegel saß ganz still, aber er sperrte das Maul auf, grinste die Bauern an und streckte

ihnen die Zunge heraus. Die Leute liefen hinzu und sprachen: »Seht an, welch ein junger

Schalk ist das!« Da sagte der Vater: »Du bist freilich in einer unglückseligen Stunde geboren.

Du sitzest still und schweigst und tust niemandem etwas, und doch sagen die Leute, du seist

ein Schalk.«


Die 3. Historie sagt, wie Claus Eulenspiegel von Kneitlingen hinweg zog an den Fluß Saale,

woher Tills Mutter gebürtig war, dort starb, und wie sein Sohn auf dem Seil gehen lernte.

Danach zog sein Vater mit ihm und seiner Familie von dannen in das magdeburgische Land an

den Fluß Saale. Von dorther stammte Eulenspiegels Mutter. Und bald darauf starb der alte


Claus Eulenspiegel. Die Mutter blieb bei dem Sohn in ihrem Dorf, und sie verzehrten, was sie

hatten. So wurde die Mutter arm. Eulenspiegel wollte kein Handwerk lernen und war doch

schon etwa 16 Jahre alt. Aber er tummelte sich und lernte mancherlei Gauklerei.

Eulenspiegels Mutter wohnte in einem Haus, dessen Hof an die Saale ging. Und Eulenspiegel

begann, auf dem Seile zu gehen. Das trieb er zuerst auf dem Dachboden des Hauses, weil er es

vor der Mutter nicht tun wollte. Denn sie konnte seine Torheit nicht leiden, daß er sich so auf

dem Seil tummelte, und drohte, ihn deshalb zu schlagen. Einmal erwischte sie ihn auf dem

Seil, nahm einen großen Knüppel und wollte ihn herunterschlagen. Da entrann er ihr zu einem

Fenster hinaus, lief oben auf das Dach und setzte sich dort hin, so daß sie ihn nicht erreichen

konnte.

Das währte so lange mit ihm, bis er ein wenig älter wurde. Dann fing er wieder an, auf dem

Seil zu gehen, und zog das Seil oben von seiner Mutter Hinterhaus über die Saale in ein Haus

gegenüber. Viele junge und alte Leute bemerkten das Seil, darauf Eulenspiegel laufen wollte.

Sie kamen herbei und wollten ihn darauf gehen sehen; und sie waren neugierig, was er doch

für ein seltsames Spiel beginnen oder was er Wunderliches treiben wollte.

Als nun Eulenspiegel auf dem Seil im besten Tummeln war, bemerkte es seine Mutter; und sie

konnte ihm nicht viel darum tun. Doch schlich sie heimlich hinten in das Haus auf den Boden,

wo das Seil angebunden war, und schnitt es entzwei. Da fiel ihr Sohn Eulenspiegel unter

großem Spott ins Wasser und badete tüchtig in der Saale. Die Bauern lachten sehr, und die

Jungen riefen ihm laut nach: »Hehe, bade nur wohl aus! Du hast lange nach dem Bade

verlangt!«

Das verdroß Eulenspiegel sehr. Das Bad machte ihm nichts aus, wohl aber das Spotten und

Rufen der Buben. Er überlegte, wie er ihnen das wieder vergelten und heimzahlen wollte. Und

also badete er aus, so gut er es vermochte.


Die 4. Historie sagt, wie Eulenspiegel den Jungen etwa zweihundert Paar Schuhe von den

Füßen abschwatzte und machte, daß sich alt und jung darum in die Haare gerieten.

Kurze Zeit danach wollte Eulenspiegel seinen Schaden und den Spott wegen des Bades

rächen, zog das Seil aus einem anderen Haus über die Saale und zeigte den Leuten an, daß er

abermals auf dem Seil gehen wolle. Das Volk sammelte sich bald dazu, jung und alt. Und

Eulenspiegel sprach zu den Jungen: jeder solle ihm seinen linken Schuh geben, er wolle ihnen

mit den Schuhen ein hübsches Stück auf dem Seil zeigen. Die Jungen glaubten das, und alle

meinten, es sei wahr, auch die Alten. Und die Jungen huben an, die Schuhe auszuziehen, und

gaben sie Eulenspiegel. Es waren der Jungen beinahe zwei Schock, das sind zweimal sechzig.

Die Hälfte der Schuhe wurde Eulenspiegel gegeben. Da zog er sie auf eine Schnur und stieg

damit auf das Seil. Als er nun auf dem Seil war und hatte die Schuhe mit oben, sahen die

Alten und die Jungen zu ihm hinauf und meinten, er wolle ein lustig Ding damit tun. Aber ein

Teil der Jungen war betrübt, denn sie hätten ihre Schuhe gern wiedergehabt.

Als nun Eulenspiegel auf dem Seil saß und seine Kunststücke machte, rief er auf einmal:

»jeder gebe acht und suche seinen Schuh wieder!« Und damit schnitt er die Schnur entzwei

und warf die Schuhe alle von dem Seil auf die Erde, so daß ein Schuh über den anderen

purzelte. Da stürzten die Jungen und Alten herzu, einer erwischte hier einen Schuh, der andere

dort. Der eine sprach: »Dieser Schuh ist mein!« Der andere sprach: »Du lügst, er ist mein!«

Und sie fielen sich in die Haare und begannen sich zu prügeln. Der eine lag unten, der andere

oben; der eine schrie, der andere weinte, der dritte lachte. Das währte so lange, bis auch die

Alten Backenstreiche austeilten und sich bei den Haaren zogen.

Derweil saß Eulenspiegel auf dem Seil, lachte und rief: »Hehe, sucht nun die Schuhe, wie ich

kürzlich ausbaden mußte!« Und er lief von dem Seil, und ließ die Jungen und Alten sich um

die Schuhe zanken.


Danach durfte er sich vier Wochen lang vor den Jungen oder Alten nicht sehen lassen. Er saß

deshalb im Hause bei seiner Mutter und flickte Helmstedter Schuhe. Da freute sich seine

Mutter sehr und meinte, es würde mit ihm noch alles gut werden. Aber sie kannte nicht die

Geschichte mit den Schuhen und wußte nicht, daß er wegen dieses Streichs nicht wagte, vors

Haus zu gehen.


Die 5. Historie sagt, wie Till Eulenspiegels Mutter ihn ermahnte, ein Handwerk zu lernen,

wobei sie ihm helfen wollte.

Eulenspiegels Mutter war froh, daß ihr Sohn so friedlich war, schalt ihn jedoch, daß er kein

Handwerk lernen wollte. Er schwieg dazu, aber die Mutter ließ nicht nach, ihn. zu schelten.

Schließlich sagte Eulenspiegel: »Liebe Mutter, womit sich einer abgibt, davon wird ihm sein

Lebtag genug.« Da sagte die Mutter: »Wenn ich über dein Wort nachdenke: seit vier Wochen

habe ich kein Brot in meinem Haus gehabt.« Doch Eulenspiegel sprach: »Das paßt nicht als

Antwort auf meine Worte. Ein armer Mann, der nichts zu essen hat, der fastet am Sankt-

Nikolaus-Tag, und wenn er etwas hat, so ißt er mit Sankt Martin zu Abend. Also essen wir

auch.«


Die 6. Historie sagt, wie Eulenspiegel in der Stadt Staßfurt einen Brotbäcker um einen Sack

voll Brot betrog und es seiner Mutter heimbrachte.

Lieber Gott, hilf«, dachte Eulenspiegel, »wie soll ich die Mutter beruhigen? Wo soll ich Brot

herbekommen für ihr Haus?« Und er ging aus dem Flecken, in dem seine Mutter wohnte, in

die Stadt Staßfurt. Dort fand er eines reichen Brotbäckers Laden, ging hinein und fragte, ob

der Bäcker seinem Herrn für zehn Schillinge Roggen- und Weißbrot schicken wolle. Er nannte

den Namen eines Herren aus der Gegend und sagte, sein Herr sei hier zu Staßfurt, und

benannte auch die Herberge, in der er sei. Der Bäcker solle einen Knaben mit in die Herberge

zu seinem Herren schicken, dort wolle er ihm das Geld geben. Der Bäcker sagte: »ja.« Nun

hatte Eulenspiegel einen Sack mit einem verborgenen Loch. In diesen Sack ließ er sich das

Brot zählen. Und der Bäcker sandte einen Jungen mit Eulenspiegel, um das Geld zu

empfangen. Als Eulenspiegel einen Armbrustschuß weit von des Brotbäckers Haus war, ließ

er ein Weißbrot aus dem Loch in den Dreck der Straße fallen. Da setzte Eulenspiegel den Sack

nieder und sprach zu dem Jungen: »Ach, das besudelte Brot darf ich nicht vor meinen Herrn

bringen. Lauf rasch damit wieder nach Haus und bring mir ein anderes Brot dafür! Ich will

hier auf dich warten.« Der Junge lief hin und holte ein anderes Brot. Inzwischen ging

Eulenspiegel weiter in ein Haus in der Vorstadt. Dort stand ein Pferdekarren aus seinem

Flecken. Darauf legte er seinen Sack und ging neben dem Kärrner her. So kam er heim ans

Haus seiner Mutter.

Als der Bäckerjunge mit dem Brot wiederkam, war Eulenspiegel mit den Broten

verschwunden. Da rannte der Junge zurück und sagte das dem Bäcker. Der Brotbäcker lief

sogleich zu der Herberge, die ihm Eulenspiegel genannt hatte. Doch dort fand er niemanden,

sondern sah, daß er betrogen war.

Eulenspiegel brachte seiner Mutter das Brot nach Hause und sagte: »Schau her und iß, dieweil

du etwas hast, und faste mit Sankt Nikolaus, wenn du nichts hast.«


Die 7. Historie sagt, wie Eulenspiegel das Weck- oder Semmelbrot mit anderen Jungen im

Übermaß essen mußte und noch dazu geschlagen wurde.

In dem Flecken, worin Eulenspiegel mit seiner Mutter wohnte, herrschte eine Sitte: wenn ein

Hauswirt ein Schwein geschlachtet hatte, gingen die Nachbarskinder in das Haus und aßen

dort eine Suppe oder einen Brei. Das nannte man das Weckbrot.


Nun wohnte in demselben Flecken ein Gutspächter, der war geizig mit dem Essen und durfte

doch den Kindern das Weckbrot nicht versagen. Da erdachte er eine List, mit der er ihnen das

Weckbrot verleiden wollte. Er schnitt in eine große Milchschüssel harte Brotrinden. Als die

Kinder kamen, Knaben und Mädchen – darunter auch Eulenspiegel -, ließ er sie ein, schloß die

Tür zu und begoß das Brot mit Suppe. Der Brotbrocken waren aber viel mehr, als die Kinder

essen konnten. Wenn nun eins satt war und davongehen wollte, kam der Hauswirt und schlug

es mit einer Rute um die Lenden, so daß ein jedes im Übermaß essen mußte. Und der

Hauswirt wußte wohl von Eulenspiegels Streichen, so daß er auf ihn besonders achtgab. Wenn

er einen anderen um die Lenden hieb, so traf er Eulenspiegel noch besser. Das trieb er so

lange, bis die Kinder alle Brocken des Weckbrotes aufgegessen hatten. Das bekam ihnen

ebenso gut wie dem Hund das Gras.

Danach wollte kein Kind mehr in des geizigen Mannes Haus gehen, um Weckbrot oder

Metzelsuppe zu essen.


Die 8. Historie sagt, wie Eulenspiegel es machte, daß sich die Hühner des geizigen Bauern um

die Lockspeise zerrten.

Als der Hauswirt am nächsten Tage ausging, begegnete er Eulenspiegel und fragte: »Lieber

Eulenspiegel, wann willst du wieder zum Weckbrot zu mir kommen?« Eulenspiegel sagte:

»Wenn sich deine Hühner um den Köder reißen, je vier um einen Bissen Brot.« Da sprach der

Mann: »Dann willst du also lange nicht zu meinem Weckbrot kommen?« Eulenspiegel

entgegnete: »Wenn ich aber doch eher käme, als die nächste Zeit für fette Metzelsuppe ist?«

Und damit ging er seines Weges.

Eulenspiegel wartete, bis es Zeit war, daß des Mannes Hühner auf der Gasse Futter suchten.

Dann knüpfte er zwanzig Fäden oder mehr jeweils zwei und zwei in der Mitte zusammen und

band an jedes Ende eines Fadens einen Bissen Brot. Er nahm die Fäden und legte sie verdeckt

hin, die Brotstücke aber waren zu sehen. Die Hühner pickten und schluckten nun hier und dort

die Brotbissen mit den Fadenenden in ihre Hälse. Aber sie konnten die Bissen nicht

herunterschlucken, denn am anderen Ende des Fadens zog ein anderes Huhn, so daß je eins

das andere zog. Kein Huhn konnte das Brot ganz hinunterschlucken oder es wieder aus dem

Hals herausbekommen, da die Brotstücke zu groß waren. So standen mehr als zweihundert

Hühner einander gegenüber und würgten und zerrten an der Lockspeise.


Die 9. Historie sagt, wie Eulenspiegel in einen Bienenkorb kroch, zwei Diebe in der Nacht

kamen und den Korb stehlen wollten und wie er es machte, daß die beiden sich rauften und

den Bienenkorb fallen ließen.

Einmal begab es sich, daß Eulenspiegel mit seiner Mutter in ein Dorf zur Kirchweih ging. Und

Eulenspiegel trank, bis er betrunken wurde. Da suchte er einen Ort, wo er friedlich schlafen

könne und ihm niemand etwas täte. Hinten in einem Hof fand er einen Haufen Bienenkörbe,

und dabei lagen viele Immenstöcke, die leer waren. Er kroch in einen leeren Korb, der am

nächsten bei den Bienen lag, und gedachte, ein wenig zu schlafen. Und er schlief von Mittag

bis gegen Mitternacht. Seine Mutter meinte, er sei wieder nach Hause gegangen, da sie ihn

nirgends sehen konnte.

In derselben Nacht kamen zwei Diebe und wollten einen Bienenkorb stehlen. Und einer sprach

zum anderen: »Ich habe immer gehört, der schwerste Immenkorb ist auch der beste.« Also

hoben sie die Körbe und Stöcke einen nach dem anderen auf, und als sie zu dem Korb kamen,

in dem Eulenspiegel lag, war das der schwerste. Da sagten sie: »Das ist der beste

Irnmenstock«, nahmen ihn auf die Schultern und trugen ihn von dannen.

Indessen erwachte Eulenspiegel und hörte ihre Pläne. Es war ganz finster, so daß einer den

anderen kaum sehen konnte. Da griff Eulenspiegel aus dem Korb dem Vorderen ins Haar und

riß ihn kräftig daran. Der wurde zornig auf den Hinteren und meinte, dieser hätte ihn am Haar

gezogen, und er begann, ihn zu beschimpfen. Der Hintermann aber sprach: »Träumst du, oder

gehst du im Schlaf? Wie sollte ich dich an den Haaren rupfen? Ich kann doch kaum den

Immenstock mit meinen Händen halten!« Eulenspiegel lachte und dachte: das Spiel will gut

werden! Er wartete, bis sie eine weitere Ackerlänge gegangen waren. Dann riß er den Hinteren

auch kräftig am Haar, so daß dieser sein Gesicht schmerzlich verziehen mußte. Der

Hintermann wurde noch zorniger und sprach: »Ich gehe und trage, daß mir der Hals kracht,

und du sagst, ich ziehe dich beim Haar! Du ziehst mich beim Haar, daß mir die Schwarte

kracht!« Der Vordere sprach: »Du lügst dir selbst den Hals voll! Wie sollte ich dich beim Haar

ziehen, ich kann doch kaum den Weg vor mir sehen! Auch weiß ich genau, daß du mich beim

Haar gezogen hast!«

So gingen sie zankend mit dem Bienenkorb weiter und stritten miteinander. Nicht lange

danach, als sie noch im größten Zanken waren, zog Eulenspiegel den Vorderen noch einmal

am Haar, so daß sein Kopf gegen den Bienenkorb schlug. Da wurde der Mann so zornig, daß

er den Immenstock fallen ließ und blindlings mit den Fäusten nach dem Kopf des

Hintermannes schlug. Dieser ließ den Bienenkorb auch los und fiel dem Vorderen in die

Haare. Sie taumelten übereinander, entfernten sich voneinander, und der eine wußte nicht, wo

der andere blieb. Sie verloren sich zuletzt in der Finsternis und ließen den Immenstock liegen.

Nun lugte Eulenspiegel aus dem Korbe, und als er sah, daß es noch finster war, schlüpfte er

wieder hinein und blieb darin liegen, bis es heller Tag war. Dann kroch er aus dem Bienenkorb

und wußte nicht, wo er war. Er folgte einem Weg nach, kam zu einer Burg und verdingte sich

dort als Hofjunge.


Die 10. Historie sagt, wie Eulenspiegel ein Hofjunge wurde und ihn sein Junker lehrte, wo er

das Kraut »Henep« fände, solle er hineinscheißen; da schiß er in den Senf (»Senep«) und

meinte, »Henep« und »Senep« sei ein Ding.

Bald danach kam Eulenspiegel auf eine Burg zu einem Junker und gab sich als Hofjunge aus.

Er mußte gleich mit seinem Junker über Land reiten. Am Weg stand Hanf; den nennt man im

Lande Sachsen, aus dem Eulenspiegel stammte, »Henep«. Der Junker sprach zu Eulenspiegel,

der die Lanze seines Herrn trug: »Siehst du das Kraut, das da steht? Es heißt Henep.«

Eulenspiegel sagte: »ja, das sehe ich wohl.« Da sprach sein Junker: »Sooft du daran

vorbeikommst, so scheiße darein einen großen Haufen! Denn mit dem Kraut bindet und henkt

man die Räuber und die, die sich ohne Herrendienst aus dem Sattel ernähren. Das geschieht

mit dem Bast, der aus dem Kraut gesponnen wird.« Eulenspiegel sagte: »ja gern, das werde

ich tun.«

Der Junker (oder Hofmann) ritt mit Eulenspiegel hin und her in viele Städte und half rauben,

stehlen und nehmen, wie es seine Gewohnheit war.

Eines Tages begab es sich, daß sie zu Hause waren und still lagen. Als es Imbißzeit wurde,

ging Eulenspiegel in die Küche. Da sprach der Koch zu ihm: »Junge, geh in den Keller, da

steht ein irdener Hafen oder Topf, darin ist Senep (so auf sächsisch genannt), den bring mir

her!« Eulenspiegel sagte ja und hatte doch seinen Lebtag noch keinen Senep oder Senf

gesehen. Und als er in dem Keller den Topf mit Senf fand, dachte er: was mag der Koch damit

tun wollen? Ich meine, er will mich damit binden. Und er dachte weiter: mein Junker hat mich

geheißen, wo ich solches Kraut fände, sollte ich hineinscheißen. Und er hockte sich über den

Topf mit Senf, schiß ihn voll, rührte um und brachte ihn so dem Koch.

Was geschah? Der Koch machte sich keine weiteren Gedanken, richtete eilends in einem

Schüsselchen den Senf an und schickte ihn zu Tische. Der Junker und seine Gäste tunkten in

den Senf: der schmeckte ganz übel. Der Koch wurde geholt und gefragt, was er für Senf

gemacht habe. Und der Koch kostete auch den Senf, spie aus und sprach: »Der Senf schmeckt,

als wär darein geschissen worden.« Da fing Eulenspiegel an zu lachen. Sein Junker sprach:

»Was lachst du so spöttisch? Meinst du, wir können nicht schmecken, was das ist? Willst du

es nicht glauben, so komm und schmeck hier den Senf auch!« Eulenspiegel sagte: »Ich esse

das nicht. Wißt Ihr nicht, was Ihr mich geheißen habt am Feld auf der Straße? Wo ich das

Kraut sähe, so sollte ich darein scheißen, denn man pflege die Räuber damit zu henken und zu

erwürgen. Als mich der Koch in den Keller nach dem Senep schickte, habe ich darein getan

nach Eurem Geheiß.« Da sprach der Junker: »Du verwünschter Schalk, das soll dein Unglück

sein! Das Kraut, das ich dir zeigte, das heißt Henep oder Hanf. Was dich der Koch bringen

ließ, das heißt Senep oder Senf. Du hast das aus Bosheit getan!« Und er nahm einen Knüppel

und wollte ihn damit schlagen. Aber Eulenspiegel war behend, entlief ihm von der Burg und

kam nicht wieder.


Die 11. Historie sagt, wie Eulenspiegel sich in Hildesheim bei einem Kaufmann als Koch und

Stubenheizer verdingte und sich dort sehr schalkhaftig benahm.

Rechts in der Straße, die in Hildesheim vom Heumarkt führt, wohnte ein reicher Kaufmann.

Der ging einmal vor dem Tor spazieren und wollte in seinen Garten gehen. Unterwegs fand er

Eulenspiegel auf einem grünen Acker liegen, grüßte und fragte ihn, was er für ein

Handwerksgeselle sei und welche Geschäfte er triebe. Eulenspiegel antwortete ihm klüglich

und mit heimlichem Spott, er sei ein Küchenjunge und habe keinen Dienst. Da sprach der

Kaufmann zu ihm: »Wenn du tüchtig sein willst, nehme ich dich selber auf und gebe dir neue

Kleider und einen guten Sold. Denn ich habe eine Frau, die zankt alle Tage wegen des

Kochens; deren Dank meine ich wohl zu verdienen.« Eulenspiegel gelobte ihm große Treue

und Redlichkeit.

Darauf nahm ihn der Kaufmann in seinen Dienst und fragte ihn, wie er hieße. »Herr, ich heiße

Bartholomäus.« Der Kaufmann sprach: »Das ist ein langer Name, man kann ihn nicht gut

aussprechen. Du sollst Doll heißen.« Eulenspiegel sagte: »ja, lieber Junker, es ist mir gleich,

wie ich heiße.« »Wohlan«, sprach der Kaufmann, »du bist mir ein rechter Knecht. Komm her,

komm her, geh mit mir in meinen Garten. Wir wollen Kräuter mit uns heimtragen und junge

Hühner damit füllen. Denn ich habe für den nächsten Sonntag Gäste eingeladen, denen wollte

ich gern etwas Gutes antun.« Eulenspiegel ging mit ihm in den Garten und schnitt Rosmarin.

Damit wollte er etliche Hühner auf welsche Art füllen, die restlichen Hühner mit Zwiebeln,

Eiern und anderen Kräutern. Dann gingen sie miteinander nach Hause.

Als die Frau den seltsam gekleideten Gast sah, fragte sie ihren Mann, was das für ein Gesell

sei, was er mit ihm tun wolle und ob er Sorge habe, das Brot im Hause werde schimmlig. Der

Kaufmann sagte: »Frau, sei zufrieden. Er soll dein eigner Knecht sein; denn er ist ein Koch.«

Die Frau sprach: »Ja, lieber Mann, wenn er gute Dinge kochen könnte!« »Sei zufrieden«,

sprach der Mann, »morgen sollst du sehen, was er kann.« Dann rief er Eulenspiegel: »Doll!«

Der antwortete: »Junker!« »Nimm einen Sack und geh mit zu den Fleischbänken. Wir wollen

Fleisch und einen Braten holen.« Also folgte er ihm nach. Da kaufte sein Junker Fleisch und

einen Braten und sprach zu ihm: »Doll, setze den Braten morgens bald auf und laß ihn kühl

und langsam braten, damit er nicht anbrennt. Das andere Fleisch setz auch beizeiten dazu,

damit es zum Imbiß gesotten ist.« Eulenspiegel sagte ja, stand früh auf und setzte die Speise

aufs Feuer. Den Braten aber steckte er an einen Spieß und legte ihn zwischen zwei Fässer

Einbecker Biers in den Keller, damit er kühl liege und nicht anbrenne.

Da der Kaufmann den Stadtschreiber und andere gute Freunde zu Gast geladen hatte, kam er

und wollte nachsehen, ob die Gäste schon gekommen und ob die Kost auch bereit sei. Und er

fragte seinen neuen Knecht danach. Der antwortete: »Es ist alles bereit außer dem Braten«.

»Wo ist der Braten«? sprach der Kaufmann. »Er liegt im Keller zwischen zwei Fässern. Ich

wußte im ganzen Haus keinen kälteren Ort, um ihn kühl zu legen, wie Ihr sagtet.« »Ist er denn

fertig gebraten?« fragte der Kaufmann. »Nein«, sprach Eulenspiegel, »ich wußte nicht, wann

Ihr ihn haben wolltet.«


Inzwischen karnen die Gäste; denen erzählte der Kaufmann von seinem neuen Knecht und wie

er den Braten in den Keller gelegt habe. Darüber lachten sie und hielten es für einen guten

Scherz. Aber die Frau war um der Gäste willen nicht damit zufrieden und sagte dem

Kaufmann, er solle den Knecht gehen lassen. Sie wolle ihn im Hause nicht länger leiden, sie

sähe, daß er ein Schalk sei. Der Kaufmann sprach: »Liebe Frau, gib dich zufrieden! Ich

brauche ihn für eine Reise nach der Stadt Goslar. Wenn ich wiederkommen will ich ihn

entlassen.« Kaum konnte er die Frau dazu überreden, sich damit abzufinden.

Als sie des Abends aßen und tranken und guter Dinge waren, sprach der Kaufmann: »Doll,

richte den Wagen her und schmiere ihn! Wir wollen morgen nach Goslar fahren. Ein Pfaffe,

Herr Heinrich Hamenstede, ist dort zu Hause und will mitfahren.« Eulenspiegel sagte ja und

fragte, was für eine Schmiere er nehmen solle. Der Kaufmann warf ihm einen Schilling zu und

sprach: »Geh und kauf Wagenschmiere, und laß die Frau altes Fett dazutun!« Eulenspiegel tat

also; und als alle schliefen, beschmierte er den Wagen innen und außen und am allermeisten

da, wo man zu sitzen pflegt.

Des Morgens früh stand der Kaufmann mit dem Pfaffen auf und hieß Eulenspiegel, die Pferde

anzuspannen. Das tat er. Sie saßen auf und fuhren ab. Da hob der Pfaffe an und sagte: »Was,

beim Galgen, ist hier so fettig? Ich will mich festhalten, daß der Wagen mich nicht so rüttelt,

und beschmiere mir die Hände überall.« Sie hießen Eulenspiegel anzuhalten und sagten zu

ihm, sie seien beide hinten und vorne beschmiert, und wurden zornig über ihn. Währenddem

kam ein Bauer mit einem Fuder Stroh vorbei, der zum Markt fahren wollte. Dem kauften sie

einige Bündel ab, wischten den Wagen aus und saßen wieder auf. Da sagte der Kaufmann

zornerfüllt zu Eulenspiegel: »Du gottverlassener Schalk, daß dir nimmer Glück geschehe!

Fahr fort an den lichten Galgen!« Das tat Eulenspiegel. Als er unter den Galgen kam, hielt er

an und spannte die Pferde aus. Da sprach der Kaufmann zu ihm: »Was willst du machen, oder

was meinst du damit, du Schalk?« Eulenspiegel sagte: »Ihr hießet mich, unter den Galgen zu

fahren. Da sind wir. Ich meinte, wir wollten hier rasten.« Der Kaufmann sah aus dem Wagen:

sie hielten unter dem Galgen. Was sollten sie tun? Sie lachten über die Narretei, und der

Kaufmann sagte: »Spann wieder an, du Schalk, fahr geradeaus und sieh dich nicht um!«

Nun zog Eulenspiegel den Nagel aus dem Landwagen, und als er eine Ackerlänge gefahren

war, ging der Wagen auseinander. Das Hintergestell mit dem Verdeck blieb stehen, und

Eulenspiegel fuhr allein weiter. Sie riefen ihm nach und liefen, daß ihnen die Zunge aus dem

Halse hing, bis sie ihn einholten. Der Kaufmann wollte ihn totschlagen, und der Pfaffe half

ihm, so gut er konnte.


Die 12. Historie sagt, wie Eulenspiegel dem Kaufmann in Hildesheim das Haus räumte.

Als sie die Reise vollbracht hatten und wieder nach Hause kamen, fragte die Frau den

Kaufmann, wie es ihnen ergangen sei. »Seltsam genug«, sagte er, »doch kamen wir wieder

zurück.« Dann rief er Eulenspiegel und sagte: »Kumpan, diese Nacht bleib noch hier, iß und

trink dich voll, aber morgen räume mir das Haus! Ich will dich nicht länger haben. Du bist ein

betrügerischer Schalk, wo du auch herkommst.« Eulenspiegel sprach: »Lieber Gott, ich tue

alles, was man mich heißet; und doch kann ich keinen Dank verdienen. Aber gefallen Euch

meine Dienste nicht, so will ich morgen nach Euern Worten das Haus räumen und wandern.«

»Ja, das tue nur«, sprach der Kaufmann.

Am andern Tag stand der Kaufmann auf und sagte zu Eulenspiegel: »Iß und trink dich satt und

dann trolle dich! Ich will in die Kirche gehen. Laß dich nicht wieder sehen!« Eulenspiegel

schwieg. Sobald der Kaufmann aus dem Haus war, begann er zu räumen. Stühle, Tische,

Bänke und was er tragen und schleppen konnte, brachte er auf die Gasse, auch Kupfer, Zinn

und Wachs. Die Nachbarn wunderten sich, was daraus werden sollte, daß man alles Gut auf

die Gasse brachte.


Davon erfuhr der Kaufinann. Er kam schnell herbei und sprach zu Eulenspiegel: »Du braver

Knecht, was tust du hier? Find ich dich noch hier?« »Ja, Junker, ich wollte erst Euren Willen

erfüllen, denn Ihr hießet mich, das Haus zu räumen und danach zu wandern.« Und er sprach

weiter: »Greift mit zu, die Tonne ist mir zu schwer, ich kann sie allein nicht bewältigen.« »Laß

sie liegen«, sagte der Kaufmann, »und gehe zum Teufel! Das alles hat zuviel gekostet, als daß

man es in den Dreck werfen könnte.« »Lieber Herrgott«, sprach Eulenspiegel, »ist das nicht

ein großes Wunder? Ich tue alles, was man mich heißet, und kann doch keinen Dank

verdienen. Es ist wahr: ich bin in einer unglücklichen Stunde geboren.« Damit ging

Eulenspiegel von dannen und ließ den Kaufmann wieder hineinschleifen, was er ausgeräumt

hatte, so daß die Nachbarn noch lange lachten.


Die 13. Historie sagt, wie sich Eulenspiegel bei einem Pfarrer verdingte und wie er ihm die

gebratenen Hühner vom Spieß aß.

In dem Lande Braunschweig liegt im Stift Magdeburg das Dorf Büddenstedt. Dort kam

Eulenspiegel in des Pfaffen Haus. Der Pfaffe dingte ihn als Knecht, kannte ihn aber nicht. Und

er sprach zu ihm, er solle gute Tage und einen guten Dienst bei ihm haben; essen und solle er

das Beste, ebensogut wie seine Haushälterin. Alles, was er tun müsse, könne er mit halber

Arbeit tun. Eulenspiegel sagte ja dazu, er wolle sich danach richten. Und er sah, daß des

Paffen Köchin nur ein Auge hatte. Die Haushälterin schlachtete gleich zwei Hühner, steckte

sie zum Braten an den Spieß und hieß Eulenspiegel, sich zum Herd zu setzen und die Hühner

umzuwenden. Eulenspiegel war dazu bereit und wendete die zwei Hühner am Feuer um.

Und als sie gar gebraten waren, dachte er: Als der Pfaffe mich dingte, sagte er doch, ich solle

so gut essen und trinken wie er und seine Köchin; das könnte bei diesen Hühnern nicht in

Erfüllung gehen; und dann würden des Pfaffen Worte nicht wahr sein, und ich äße auch von

den gebratenen Hühnern nicht; ich will so klug sein und davon essen, damit seine Worte wahr

bleiben. Und er nahm das eine Huhn vom Spieß und aß es ohne Brot.

Als es Essenszeit werden wollte, kam des Pfaffen einäugige Haushälterin zum Feuer und

wollte die Hühner beträufeln. Da sah sie, daß nur ein Huhn am Spieß steckte, und sagte zu

Eulenspiegel: »Der Hühner waren doch zwei! Wo ist das eine hingekommen?« Eulenspiegel

sprach: »Frau, tut Euer anderes Auge auch auf, dann seht Ihr alle beide Hühner.« Als er so

über die Köchin wegen ihres einen Auges herzog, wurde sie unwillig und zürnte Eulenspiegel.

Sie lief zum Pfaffen und erzählte ihm, wie sein feiner Knecht sie verspottet habe wegen ihres

einen Auges. Sie habe zwei Hühner an den Spieß gesteckt, aber nicht mehr als ein Huhn

vorgefunden, als sie nachsah, wie er briet.

Der Pfaffe ging in die Küche zum Feuer und sprach zu Eulenspiegel: »Was spottest du über

meine Magd? Ich sehe sehr gut, daß nur ein Huhn am Spieß steckt, und es sind ihrer doch zwei

gewesen.« Eulenspiegel sagte: »Ja, es sind ihrer zwei gewesen.« Der Pfaffe sprach: »Wo ist

denn das andere geblieben?« Eulenspiegel sagte: »Das steckt doch da! Tut Eure beiden Augen

auf, so seht Ihr, daß ein Huhn am Spieß steckt! Das sagte ich auch zu Eurer Köchin; da wurde

sie zornig.« Da fing der Pfaffe an zu lachen und sprach: »Meine Magd kann nicht beide Augen

aufmachen, denn sie hat nur eins.« Da sprach Eulenspiegel: »Herr, das sagt Ihr, nicht ich.« Der

Pfaffe meinte: »Das ist geschehen, und dabei bleibt es; aber das eine Huhn ist dennoch weg.«

Eulenspiegel sprach: »Nun ja, das eine ist weg und das andere steckt noch. Ich habe das eine

gegessen, da Ihr gesagt hattet, ich sollte ebenso gut essen und trinken wie Ihr und Eure Magd.

Es tat mir leid, daß Ihr gelogen haben würdet, wenn Ihr die beiden Hühner miteinander

gegessen hättet und ich nichts davon bekommen hätte. Damit Ihr an Euren Worten nicht zum

Lügner würdet, aß ich das eine Huhn auf.« Der Pfaffe war damit zufrieden und sprach: »Mein

lieber Knecht, es ist mir nicht um einen Braten zu tun; aber künftig tue nach dem Willen

meiner Haushälterin, wie sie es gern sieht.« Eulenspiegel sagte: »ja, lieber Herr, gewiß, wie

Ihr mich heißet.«


Was danach die Haushälterin Eulenspiegel tun hieß, das tat er nur zur Hälfte. Wenn er einen

Eimer mit Wasser holen sollte, so brachte er ihn halb voll, und wenn er zwei Stücke Holz fürs

Feuer holen sollte, so brachte er ein Stück. Sollte er dem Stier zwei Bunde Heu geben, so gab

er ihm nur eins, sollte er ein Maß Wein aus dem Wirtshaus bringen, so brachte er ein halbes.

Dergleichen tat er in vielen Dingen. Die Köchin merkte wohl, daß er ihr das zum Verdruß tat.

Aber sie wollte ihm selbst nichts sagen, sondern beklagte sich über ihn bei dem Pfaffen. Da

sagte der Pfaffe zu Eulenspiegel: »Lieber Knecht, meine Magd klagt über dich, und ich bat

dich doch, alles zu tun, was sie gern sieht.« Eulenspiegel sprach: »Ja, Herr, ich habe auch

nichts anderes getan, als was Ihr mich geheißen habt. Ihr sagtet mir, ich könne Euren Dienst

mit halber Arbeit tun. Und Eure Magd sähe gern mit beiden Augen, aber sie sieht doch nur mit

einem Auge. Sie sieht nur halb, also tue ich halbe Arbeit.« Der Pfaffe lachte, aber die

Haushälterin wurde zornig und sprach: »Herr, wenn Ihr diesen nichtsnutzigen Schalk länger

als Knecht behalten wollt, so gehe ich von Euch fort.« So mußte der Pfaffe seinem Knecht

Eulenspiegel gegen seinen Willen den Abschied geben.

Doch verhandelte er mit den Bauern, denn der Küster des Dorfes war kürzlich gestorben. Und

da die Bauern einen Küster nicht entbehren konnten, beriet und einigte sich der Pfaffe mit

ihnen, daß sie Eulenspiegel zum Küster machten.


Die 14. Historie sagt, wie Eulenspiegel in dem Dorf Büddenstedt Küster wurde und wie der

Pfarrer in die Kirche schiß, so daß Eulenspiegel eine Tonne Bier damit gewann.

Als Eulenspiegel in dem Dorf Küster geworden war, konnte er laut singen, wie es sich für

einen Mesner gehört. Nachdem der Pfaffe mit Eulenspiegel wieder einen Küster hatte, stand er

einmal vor dem Altar, zog sich an und wollte die Messe halten. Eulenspiegel stand hinter ihm

und ordnete ihm sein Meßgewand. Da ließ der Pfaffe einen großen Furz, so daß es durch die

ganze Kirche schallte. Da sprach Eulenspiegel: »Herr, wie ist das? Opfert Ihr dies unserm

Herrn statt Weihrauch hier vor dem Altar?« Der Pfaffe sagte: »Was fragst du danach? Das ist

meine Kirche. Ich habe die Macht, mitten in die Kirche zu scheißen.« Eulenspiegel sprach:

»Das soll Euch und mir eine Tonne Bier gelten, ob Ihr das tun könnt.« Der Pfaffe sagte: »ja,

das soll gelten.« Sie wetteten miteinander und der Pfaffe sprach: »Meinst du, daß ich nicht so

keck bin?« Und er kehrte sich um, machte einen großen Haufen in die Kirche und sprach:

»Sieh, Herr Küster, ich habe die Tonne Bier gewonnen.« Eulenspiegel sagte: »Nein, Herr, erst

wollen wir messen, ob es mitten in der Kirche ist, wie Ihr sagtet.« Eulenspiegel maß es aus: da

fehlte wohl ein Viertel bis zu Mitte der Kirche. Also gewann Eulenspiegel die Tonne Bier.

Da wurde die Haushälterin des Pfaffen wiederum zornig und sprach: »Ihr wollt von dem

schalkhaftigen Knecht nicht lassen, bis daß er Euch durchaus in Schande bringt.«


Die 15. Historie sagt, wie Eulenspiegel in der Ostermesse ein Spiel machte, daß sich der

Pfarrer und seine Haushälterin mit den Bauern rauften und schlugen.

Als Ostern nahte, sagte der Pfarrer zu seinem Küster Eulenspiegel: »Es ist hier Sitte, daß die

Bauern jeweils in der Osternacht ein Osterspiel aufführen, wie unser Herr aus dem Grabe

aufersteht.« Dazu müsse er helfen, denn es sei Brauch, daß die Küster es zurichten und leiten.

Da dachte Eulenspiegel: Wie soll das Marienspiel vor sich gehen mit den Bauern? Und er

sprach zu dem Pfarrer: »Es ist doch kein Bauer hier, der gelehrt ist. Ihr müßt mir Eure Magd

dazu leihen. Die kann schreiben und lesen.« Der Pfarrer sagte: »Ja, ja, nimm nur dazu, wer dir

helfen kann, es sei Weib oder Mann; auch ist meine Magd schon mehrmals dabei gewesen.«

Der Haushälterin war das lieb; sie wollte der Engel im Grabe sein, denn sie konnte den Spruch

dazu auswendig. Da suchte Eulenspiegel zwei Bauern und nahm sie mit sich; er und sie

wollten die drei Marien sein. Und Eulenspiegel lehrte den einen Bauern seine Verse auf

lateinisch. Der Pfarrer war unser Herrgott und sollte aus dem Grabe auferstehen.

Als Eulenspiegel mit seinen zwei Bauern vor das Grab kam – sie waren als Marien

angezogen -, sprach die Haushälterin als Engel im Grab ihren Spruch auf lateinisch: »Quem

quaeritis? Wen suchet Ihr hier?« Da sprach der eine Bauer – die vorderste Marie -, wie ihn

Eulenspiegel gelehrt hatte: »Wir suchen eine alte, einäugige Pfaffenhure.« Als die Magd hörte,

daß sie ihres einen Auges wegen verspottet wurde, ward sie giftig und zornig auf

Eulenspiegel, sprang aus dem Grab und wollte ihm mit den Fäusten ins Gesicht hauen. Sie

schlug aufs Geratewohl zu und traf den einen Bauern, so daß ihm ein Auge anschwoll. Als das

der andere Bauer sah, schlug auch er mit der Faust drein und traf die Haushälterin an den

Kopf, daß ihr die Flügel abfielen. Da das der Pfarrer sah, ließ er die Fahne fallen und kam

seiner Magd zu Hilfe. Er fiel dem einen Bauern ins Haar und raufte sich mit ihm vor dem

Grabe. Als das die anderen Bauern sahen, liefen sie hinzu, und es entstand ein großes

Geschrei. Der Pfaffe mit der Köchin lagen unten, die beiden Bauern, die die Marien spielten,

lagen auch unten, so daß die Bauern sie auseinander ziehen mußten.

Eulenspiegel aber hatte die Gelegenheit wahrgenommen und sich rechtzeitig davongemacht.

Er lief aus der Kirche hinaus, ging aus dem Dorf und kam nicht wieder. Gott weiß, wo sie

einen anderen Küster hernahmen!


Die 16. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Magdeburg verkündete, vom Rathauserker fliegen

zu wollen, und wie er die Zuschauer mit Spottreden zurückwies.

Bald nach dieser Zeit, als Eulenspiegel ein Küster gewesen war, kam er in die Stadt

Magdeburg und vollführte dort viele Streiche. Davon wurde sein Name so bekannt, daß man

von Eulenspiegel allerhand zu erzählen wußte. Die angesehensten Bürger der Stadt baten ihn,

er solle etwas Abenteuerliches und Gauklerisches treiben. Da sagte er, er wolle das tun und auf

das Rathaus steigen und vom Erker herabfliegen. Nun erhob sich ein Geschrei in der ganzen

Stadt. jung und alt versammelten sich auf dem Markt und wollten sehen, wie er flog.

Eulenspiegel stand auf dem Erker des Rathauses, bewegte die Arme und gebärdete sich, als ob

er fliegen wolle. Die Leute standen, rissen Augen und Mäuler auf und meinten tatsächlich, daß

er fliegen würde. Da begann Eulenspiegel zu lachen und rief: »Ich meinte, es gäbe keinen

Toren oder Narren in der Welt außer mir. Nun sehe ich aber, daß hier die ganze Stadt voller

Toren ist. Und wenn ihr mir alle sagtet, daß ihr fliegen wolltet, ich glaubte es nicht. Aber ihr

glaubt mir, einem Toren! Wie sollte ich fliegen können? Ich bin doch weder Gans noch Vogel!

Auch habe ich keine Fittiche, und ohne Fittiche oder Federn kann niemand fliegen. Nun seht

ihr wohl, daß es erlogen ist.«

Damit kehrte er sich um, lief vom Erker und ließ das Volk stehen. Die einen fluchten, die

anderen lachten und sagten: »Ist er auch ein Schalksnarr, so hat er dennoch wahr gesprochen!«


Die 17. Historie sagt, wie Eulenspiegel sich für einen Arzt ausgab und des Bischofs von

Magdeburg Doktor behandelte, der von ihm betrogen wurde.

In Magdeburg war ein Bischof namens Bruno, ein Graf von Querfurt. Der hörte von

Eulenspiegels Streichen und ließ ihn nach Schloß Giebichenstein kommen. Dem Bischof

gefielen Eulenspiegels Schwänke sehr, und er gab ihm Kleider und Geld. Auch die Diener

mochten ihn gar wohl leiden und trieben viel Kurzweil mit ihm.

Nun hatte der Bischof einen Doktor bei sich, der sich sehr gelehrt und weise dünkte. Aber des

Bischofs Hofgesinde war ihm nicht wohlgesinnt. Dieser Doktor hatte nicht gerne Narren um

sich. Deshalb sprach der Doktor zum Bischof und zu seinen Räten: »Man soll weisen Leuten

an der Herren Höfe Aufenthalt geben und aus mancherlei Gründen nicht solchen Narren.« Die

Ritter und das Hofgesinde erklärten dazu, die Ansicht des Doktors sei nicht richtig. Wer

Eulenspiegels Torheiten nicht hören möchte, der könne ja weggehen; niemand sei zu ihm

gezwungen. Der Doktor entgegnete: »Narren zu Narren und Weise zu Weisen! Hätten die

Fürsten weise Leute bei sich, so stünde ihnen die Weisheit immer vor Augen. Wenn sie

Narren bei sich halten, so lernen sie Narretei.« Da sprachen etliche: »Wer sind die Weisen, die

weise zu sein glauben? Man findet ihrer viele, die von Narren betrogen worden sind. Es ziemt

sich für Fürsten und Herren wohl, allerlei Volk an ihren Höfen zu halten. Denn mit Toren

vertreiben sie mancherlei Phantasterei, und wo Herren sind, wollen die Narren auch gern

sein.« Also kamen die Ritter und die Hofleute zu Eulenspiegel und legten es darauf an, daß er

einen Plan machte. Sie baten ihn, er möge sich einen Streich ausdenken, und wollten ihm,

ebenso wie der Bischof, dabei helfen. Dem Doktor solle sein Weisheitsdünkel vergolten

werden, wie er gehört habe. Eulenspiegel sprach: »Ja, ihr Edlen und Ritter, wenn ihr mir dabei

helfen wollt, soll es dem Doktor heimgezahlt werden.« So wurden sie sich einig.

Da zog Eulenspiegel vier Wochen lang über Land und überlegte, wie er mit dem Doktor

umgehen wollte. Bald hatte er etwas gefunden und kam wieder zum Giebichenstein. Er

verkleidete sich und gab sich als Arzt aus, denn der Doktor bei dem Bischof war oft krank und

nahm viele Arzneien. Die Ritter sagten dem Doktor des Bischofs, ein Doktor der Medizin sei

gekommen; der sei vieler Arzneikünste kundig. Der Doktor erkannte Eulenspiegel nicht und

ging zu ihm in seine Herberge. Schon nach kurzer Unterhaltung nahm er ihn mit sich auf die

Burg. Sie kamen miteinander ins Gespräch, und der Doktor sagte zum Arzt: »Könnt Ihr mir

helfen von meiner Krankheit, so will ich es Euch wohl lohnen.« Eulenspiegel antwortete ihm

mit Worten, wie sie die Ärzte in solchen Fällen zu sagen pflegen. Er gab vor, er müsse eine

Nacht bei ihm liegen, damit er desto besser feststellen könne, wie er von Natur geartet sei.

»Denn ich möchte Euch gern etwas geben, bevor Ihr schlafen geht, damit Ihr davon schwitzt.

Am Schweiß werde ich merken, was Eure Krankheit ist.« Der Doktor ging mit Eulenspiegel

zu Bett und meinte, alles, was ihm Eulenspiegel gesagt hatte, sei wahr.

Eulenspiegel gab dem Doktor ein scharfes Abführmitte1 ein. Der glaubte, er solle davon

schwitzen, und wußte nicht, daß es zum Abführen war. Eulenspiegel nahm ein Steingefäß und

tat einen Haufen seines Kotes hinein. Und er stellte den Topf mit dem Dreck zwischen die

Wand und den Doktor auf die Bettkante. Der Doktor lag an der Wand, und Eulenspiegel lag

vorn im Bett. Der Doktor hatte sich gegen die Wand gekehrt. Da stank ihm der Dreck im Topf

in die Nase, so daß er sich umwenden mußte zu Eulenspiegel. Sobald sich der Doktor aber zu

Eulenspiegel gekehrt hatte, ließ dieser einen lautlosen Furz, der sehr übel stank. Da drehte sich

der Doktor wieder um, und der Dreck aus dem Topf stank ihn wieder an. So trieb es

Eulenspiegel mit dem Doktor fast die halbe Nacht.

Dann wirkte das Abführmittel und trieb so scharf, schnell und stark, daß sich der Doktor ganz

verunreinigte und ekelhaft stank. Da sprach Eulenspiegel zum Doktor: »Wie nun, würdiger

Doktor? Euer Schweiß hat schon lange abscheulich gestunken. Wie kommt es, daß Ihr solchen

Schweiß schwitzt? Er stinkt sehr übel!« Der Doktor lag und dachte: das rieche ich auch! Und

er war des Gestankes so voll geworden, daß er kaum reden konnte. Eulenspiegel sprach:

»Liegt nur still! Ich will gehen und ein Licht holen, damit ich sehen kann, wie es um Euch

steht.« Als sich Eulenspiegel aufrichtete, ließ er noch einen starken Furz schleichen und sagte:

»O weh, mir wird auch schon ganz schwach; das habe ich von Eurer Krankheit und von Eurem

Gestank bekommen.« Der Doktor lag und war so krank, daß er sein Haupt kaum aufrichten

konnte, und dankte dem allmächtigen Gott, daß der Arzt von ihm ging. jetzt bekam er ein

wenig Luft. Denn wenn der Doktor in der Nacht aufstehen wollte, hatte ihn Eulenspiegel

festgehalten, so daß er sich nicht aufrichten konnte, und gesagt, vorher müsse er erst genügend

schwitzen.

Als Eulenspiegel aufgestanden und aus der Kammer gegangen war, lief er hinweg von der

Burg.

Indessen wurde es Tag. Da sah der Doktor den Topf an der Wand stehen mit dem Dreck. Und

er war so krank, daß sein Gesicht vom Gestank ganz angegriffen aussah. Die Ritter und

Hofleute sahen den Doktor und boten ihm einen guten Morgen. Der Doktor redete ganz

schwächlich, konnte ihnen kaum antworten und legte sich in den Saal auf eine Bank und ein

Kissen. Da holten die Hofleute den Bischof hinzu und fragten den Doktor, wie es ihm mit dem

Arzt ergangen sei. Der Doktor antwortete: »Ich bin von einem Schalk überrumpelt worden. Ich

wähnte, es sei ein Doktor der Medizin, doch es ist ein Doktor der Betrügerei.« Und er erzählte

ihnen alles, wie es ihm ergangen war.

Da begannen der Bischof und alle Hofleute sehr zu lachen und sprachen: »Es ist ganz nach

Euern Worten geschehen. Ihr sagtet, man solle sich nicht um Narren kümmern, denn der

Weise würde töricht bei Toren. Aber Ihr seht, daß einer wohl durch Narren klug gemacht wird.

Denn der Arzt ist Eulenspiegel gewesen. Den habt Ihr nicht erkannt und habt ihm geglaubt;

von dem seid Ihr betrogen worden. Aber wir, die wir uns mit seiner Narrheit abgaben, kannten

ihn wohl. Wir mochten Euch aber nicht warnen, zumal Ihr gar so klug sein wolltet. Niemand

ist so weise, daß er nicht auch Toren kennen sollte. Und wenn nirgendwo ein Narr wäre,

woran sollte man dann die Weisen erkennen?« Da schwieg der Doktor still und wagte nicht

mehr zu klagen.


Die 18. Historie sagt, wie Eulenspiegel Brot kaufte nach dem Sprichwort: »Wer Brot hat, dem

gibt man Brot«.

Treue gibt Brot. Als Eulenspiegel den Doktor betrogen hatte, kam er danach gen Halberstadt.

Er ging auf dem Markt umher und sah, daß es ein harter und kalter Winter war. Da dachte er:

der Winter ist hart, und der Wind weht dazu scharf; du hast doch oft gehört: Wer Brot hat,

dem gibt man Brot. Und er kaufte für zwei Schillinge Brot, nahm einen Tisch und stellte sich

vor dem Dom von Sankt Stephan auf. Er hielt sein Brot feil und trieb solange Gauklerei, bis

ein Hund kam, ein Brot vom Tisch nahm und damit den Domhof hinauflief. Eulenspiegel lief

dem Hund nach. Unterdessen kam eine Sau mit zehn jungen Ferkeln und stieß den Tisch um;

ein jegliches Tier nahm ein Brot ins Maul und lief damit hinweg.

Da fing Eulenspiegel an zu lachen und sagte: »Nun sehe ich klar, daß die Worte falsch sind,

wenn man spricht: wer Brot hat, dem gibt man Brot. Ich hatte Brot, und das wurde mir

genommen.« Und er sprach weiter: »O Halberstadt, Halberstadt, du führst deinen Namen mit

Recht. Dein Bier und deine Kost schmecken wohl, aber deine Geldbeutel sind von Sauleder

gemacht.« Und er zog wieder gen Braunschweig.


Die 19. Historie sagt, wie Eulenspiegel immer ein falbes Pferd ritt und nicht gerne war, wo

Kinder waren.

Eulenspiegel war allezeit gern in Gesellschaft. Aber zeit seines Lebens gab es drei Dinge, die

er floh.

Erstens ritt er kein graues, sondern immer ein falbes Pferd, trotz des Spottes. Zweitens wollte

er nirgends bleiben, wo Kinder waren, denn man beachtete die Kinder wegen ihrer Munterkeit

mehr als ihn. Und drittens war er nicht gern bei einem allzu freigebigen Wirt zur Herberge.

Denn ein solcher Wirt achtet nicht auf sein Gut und ist gewöhnlich ein Tor. Dort war auch

nicht die Gesellschaft, von der Gewinn zu erwarten war usw.

Auch bekreuzigte sich Eulenspiegel alle Morgen vor gesunder Speise, vor großem Glück und

vor starkem Getränk. Denn gesunde Speise, das sei doch nur Kraut, so gesund es auch sein

rnöge. Ferner bekreuzigte er sich vor der Speise aus der Apotheke, denn obwohl auch sie

gesund sei, sei sie doch ein Zeichen von Krankheit. Und das sei das große Glück: wenn

irgendwo ein Stein von dem Dach fiele oder ein Balken von dem Haus, pflege man zu sagen:

»Hätte ich dort gestanden, so hätte mich der Stein oder der Balken erschlagen. Das war mein

großes Glück.« Solches Glück wollte er gern entbehren. Das starke Getränk sei das Wasser.

Denn das Wasser treibe mit seiner Stärke große Mühlräder, auch trinke sich mancher gute

Geselle den Tod daran.


Die 20. Historie sagt, wie ein Bauer Eulenspiegel auf einen Karren setzte, darin er Pflaumen

zum Markt nach Einbeck fahren wollte, die Eulenspiegel beschiß.

Die durchlauchtigen und hochgeborenen Fürsten von Braunschweig hielten einmal in der

Stadt Einbeck ein Turnierfest mit Rennen und Stechen ab. Dazu kamen viele fremde Fürsten

und Herren, Ritter und Knechte mit ihren Hintersassen. Das war im Sommer, als die Pflaumen

und anderes Obst reif waren. In Oldendorf bei Einbeck lebte ein braver, einfältiger

Bauersmann, der hatte einen Garten mit Pflaumenbäumen. Er ließ einen Karren voll Pflaumen

pflücken und wollte damit nach Einbeck fahren, weil dort viel Volks war und er deshalb

meinte, die Pflaumen besser zu verkaufen als zu anderen Zeiten.

Als er vor die Stadt kam, lag da Eulenspiegel unter einem grünen Baum im Schatten. Er hatte

sich am Hof der Herren so überfressen und betrunken, daß er weder essen noch trinken konnte

und eher einem toten Menschen als einem lebendigen glich. Als nun der brave Mann an ihm

vorbeifuhr, da redete Eulenspiegel den Mann so kläglich an, wie er es zuwege brachte, und

sprach: »Ach, guter Freund, sieh her, ich liege hier so krank drei Tage und Nächte ohne aller

Menschen Hilfe. Wenn ich noch einen Tag so liegen soll, muß ich vor Hunger und Durst

sterben. Darum fahre mich um Gottes willen nach der Stadt.« Der gute Mann sprach: »Ach,

lieber Freund, ich wollte das recht gern tun. Aber ich habe Pflaumen auf dem Karren. Wenn

ich dich darauf setze, so machst du sie mir alle zuschanden.« Eulenspiegel sagte: »Nimm mich

mit, ich will mich vorn auf dem Karren behelfen.«

Der Mann war alt und mußte sich sehr anstrengen, ehe er den Schalk, der sich möglichst

schwer machte, auf den Karren brachte. Um des Kranken willen fuhr der Bauer desto

langsamer.

Als nun Eulenspiegel eine Weile gefahren war, zog er das Stroh von den Pflaumen, erhob sich

heimlich etwas hinter dem Rücken des Bauern und beschiß dem armen Mann die Pflaumen

ganz schändlich. Dann zog er das Stroh wieder darüber.

Als der Bauer an die Stadt kam, rief Eulenspiegel: »Halt, halt! Hilf mir von dem Karren, ich

will hier draußen vor dem Tor bleiben!« Der gute Mann half dem argen Schalk von dem

Karren und fuhr seine Straße weiter, den nächsten Weg zum Markt. Als er dort angekommen

war, spannte er sein Pferd aus und ritt es in die Herberge.

Indessen kamen viele Bürger auf den Markt. Unter ihnen war einer, der immer der erste war,

wenn etwas auf den Markt gebracht wurde, und doch selten etwas kaufte. Der kam gleich

hinzu, zog das Stroh halb herab und beschmutzte sich die Hände und den Rock.

Währenddessen kam der Bauersmann wieder aus seiner Herberge. Eulenspiegel hatte sich

inzwischen verkleidet, kam auch auf einem anderen Weg gegangen und fragte den Bauern:

»Was hast du auf den Markt gebracht?« »Pflaumen«, sagte der Bauer. Eulenspiegel sprach:

»Du hast sie als ein arger Schalk gebracht, die Pflaumen sind beschissen, man sollte dir mit

den Pflaumen das Land verbieten.« Der Bauer sah nach, erkannte, daß es so war, und sagte:

»Vor der Stadt lag ein kranker Mensch, der sah ebenso aus wie der, der hier steht. Nur hatte er

andere Kleider an. Den fuhr ich um Gottes willen bis vor das Tor. Der Schuft hat mir den

Schaden angetan.« Eulenspiegel sprach: »Der Schuft verdiente Prügel.«

Der brave Mann aber mußte die Pflaumen wegfahren auf die Abfallgrube und durfte sie

nirgends verkaufen.


Till Eulenspiegel

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