Читать книгу Herodots Historien (Buch 1-9) - Herodot - Страница 3

Erstes Buch: Klio

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

Herodot's von Halikarnaß Geschichte

Einleitung

Seit langer Zeit trägt Herodot allgemein den Ehrentitel des Vaters der Geschichte. Er verdient diesen Namen nicht sowohl wegen des Alters reiner Schrift, der ältesten historischen, die wir von Griechen besitzen, als vielmehr wegen seiner vortheilhaften Auszeichnung vor Allen, die vor ihm für die Geschichte gearbeitet hatten, namentlich durch den Umfang und Reichthum des Stoffes, den er gesammelt bat, und durch die Zweckmäßigkeit und Schönheit der Form, die ihm eigen ist. Das Vaterland unsers Geschichtsschreibers, das kleinasiatische Griechenland, hatte bekanntlich den lebendigen Hellenischen Volksgeist leichter und schneller entfaltet, als das Mutterland selbst: die Reime der Kunst und der Cultur überhaupt, welche seine Söhne aus diesem mitgebrachthatten, waren schnell zu üppigen Blüthen erwachsen. Der glückliche Himmel und Boden Ionien's und der nahen Inseln, aufregende Kämpfe mit den alten Landesbewohnern, vielfacher Verkehr mit nähern und entferntern Nachbarn, die günstige Lage für Schiffahrt, Handel und Gewerbewesen, alles vereinigte sich, um hier ein reiches, bewegliches Städteleben zu bilden. Von der ersten kräftigsten Periode dieser Entwicklung hatte schon Jahrhunderte vor Herodot das Ionische Epos Zeugniß gegeben; für die innern Reibungen wurden die frühen Tone der Ionischen und Aeolischen Leyer, für die verfeinerte Ausbildung sinnlichen Genusses und gemüthlichen Lebens würde eben diese Poesie, für die steigende Cultur des Geistes die Ionische Philosophie beweisen, wenn wir auch nichts mehr wußten von den rüstigen Kämpfen, von den immer erweiterten Seefahrten, von den zahlreichen Colonien dieser aufgeweckten Volksstämme, und von dem Reichthum und Luxus, zu welchem ihre Städte sich erhoben. Bei allen Völkern waren es gerade solche Zeiten des Aufblühens, ein so betriebvolles Gesellschaftsleben, von nothwendiger Erweiterung der Natur- und Menschenkunde begleitet, mit aufregenden Bedürfnissen und lehrreichen Erfahrungen verbunden, welche die Bildung einer Geschichte und Geschichtschreibung herbeiführten. So hatte sich auch in Kleinasien, ungefähr ein Jahrhundert vor Herodot, die Prosa schriftlich zu bilden angefangen, und es entstanden da und dort Aufzeichnungen alter Ueberlieferung und neuer Erfahrung. Diese trugen den ziemlich unbestimmten Namen Logoi (λόγοι), welcher Sagen und Geschichten aller Art, Gegenstände des Wissens überhaupt und selbst solche der Dichtkunst unter sich begriff, womit jedoch auch noch unser Herodot seinen Stoff und die Mittheilung derselben bezeichnet. Es ist daher gewöhnlich geworden, diese Art alter Geschichtschreiber unter dem Namen Logographen zusammen zu fassen. Natürlich konnten diese ersten Historischen Versuche anfangs nicht wohl in etwas Anderen bestehen, als in bloßer Meldung jener geheiligten Sagen, die, bisher in den Dichtungen und im Volksglauben lebend, die einzigen Ueberlieferungen aus der Vergangenheit ausmachten, und ohne, ihrer Natur nach, eine kritische Behandlung zuzulassen, nur gesammelt und geordnet werden konnten; aber auch dieß Letztere nicht auf umfassende Weise, da die Verfasser zunächst und großentheils auf das Anhören von örtlichen Sagen und die Betrachtung von Lokaldenkmälern beschränkt waren. Auch Das, was näher mit der Gegenwart zusammenhing, und wozu äussere Verhältnisse Veranlassung gaben, konnte sich nicht viel über Stammes-, Stadt- und Familiengeschichte ausdehnen; nur daß zu einiger Belebung solcher Genealogien und Specialgeschichten einerseits ihre Mitgabe aus der alten Glaubenswelt, die sich mährchenartig umgestaltete, andrerseits allmählige Fortschritte in der Natur- und Länderkenntniß, endlich auch die eigenen Combinationen beitrugen, in welchen sich die Logographen oft ziemlich willkührlich versuchten. Als jedoch der Handel, die Reisen in's Ausland, besonders Seefahrten den Horizont erweiterten, da mußte die Geschichte durch die immer wachsende Länder- und Völkerkunde neue Nahrung und Kraft gewinnen. Dazu kam noch, daß nun auch das politische Leben in Ionien, namentlich, durch das Herandrängen Asiatischer Mächte in größere Bewegung versetzt, auch die historische Thätigkeit lebhafter aufregte und beschäftigte. So war es denn gerade die Zeitperiode, in welcher das kleinasiatische Griechenland die ersten, schönsten Blüthen abfallen sah, die ihm schneller und üppiger, aber auch minder kräftig, als dem Mutterlande aufgegangen waren: es war gerade diese Zeit der Stürme, in welcher die Ionische Geschichtschreibung zu reifen begann. Kurz vor Herodot erhielt so die Geographie, die Grundlage der Geschichte, mehr Umfang und Bestand, die Kenntniß der Hauptvölker und ihrer Schicksale mehr Hülfsmittel und das historische Urtheil größere Reife. Auf dieser Stufe stand der Milesische Logograph Hekatäus, dessen Blüthe ungefähr fünfzig Jahre früher fällt, als die des Herodot. Er spielte eine Rolle in der damaligen unruhigen Zeitgeschichte, 1 und wegen seines freieren Blickes, insbesondere wegen der Erdbeschreibung und Geschichtbücher, die er ausgearbeitet und wozu er den Stoff, wie nach ihm Herodot, auf Reisen gesammelt hatte, kann er als ein Vorläufer Desselben betrachtet werden. Wir lernen Dieß zum Theil daraus, daß Herodot ihn mehrmals namentlich berücksichtigt, 2 ja auch einigemal ohne Nennung tadelt; 3 was hier um so mehr Erwähnung verdiente, da Hekatäus höchstwahrscheinlich, der einzige Logograph ist, dessen Schriften Herodot nicht sowohl benützte als kannte. Denn daß wir die vollkommenste Frucht der Ionischen Geschichtschreibung, das Werk Herodot's, uns nicht aus vorangegangenen Arbeiten zu erklären haben, sondern theils aus den bildenden Zeit verhältnissen im Allgemeinen, theils aus seinem besondern Leben, das sollte die obige Darstellung jener, das soll nun weiter der Abriß dieses Lebens selbst beweisen, so weit wir ihn zu geben im Stande sind.

In der vierundsiebzigsten Olympiade erstem Jahre (v. Chr. 484.), zu Anfang der Regierung des Xerxes, zehn Jahre nach dem Aufstand der Asiatischen Griechen gegen die Persische Obermacht, sechs nach der Schlacht bei Marathon, wurde Herodot aus einem edeln Geschlecht 4 in Dorischen Halikarnaß geboren, der Hauptstadt des kleinen Carischen Königreiches, welches damals die Königswitwe Artemisia beherrschte, wiewohl dem Xerxes zinspflichtig, dem sie auch, als Herodot vier Jahre alt war, auf seinem Zug gegen Griechenland mit fünf Schiffen folgte, und durch klugen Rath sowohl als durch ihre Tapferkeit bei Salamis Achtung und Vertrauen abgewann. 5 Mag es seyn, daß vor dem Enkel dieser Artemisia, dem Tyrannen Lygdainis, 6 der herangewachsene Herodot nach Samos floh, und von da in's Vaterland zurückgekehrt, die Vertreibung desselben erkämpfte: Dieß ist es nicht, was uns sein Leben denkwürdig macht; Herodot's Reisen, welchen sein unsterbliches Werk bei weitem den größten Theil des Inhalte und dabei seine Anschaulichkeit und sinnliche Anmuth verdankt, bleiben das Wichtigste was wir aus seinem Leben wissen. Zwar wir haben noch eine Sage, wie Herodot zu Olympia den versammelten Hellenen seine Geschichte vorgelesen, wobei der Knabe Thucydides weinte; allein wenn wir diese Anekdote (aus Lucian, Suidas, Photius) auch so weit verstümmeln, daß wir ihn nur das erste Buch (Asiatischer Geschichten) in einer seiner jetzigen ungleichen Gestalt vortragen lassen, damit die Vorlesung in die alleinpassende einundachtzigste Olympiade (v. Chr. 456.), des Herodot zweiunddreißigstes und des Thucydides fünfzehntes Lebensjahr, noch gesetzt werden kann: so steht sie doch zu unsers Historikers und seines Werkes Character in keiner merklichen Beziehung, und sieht habe sie auch Lucian nicht rein aus der Luft gegriffen - der Erfindung eines Grammatikers sehr ähnlich.

Auch die andere Nachricht von einer spätern 7 Vorlesung zu Athen an den Panathenäen, wofür er von dieser Stadt mit zehn Talenten Tod belohnt worden seyn, könnte wenigstens ebenso gut durch die doch gar nicht panegyrische - Verherrlichung Athen's in seiner Schrift veranlaßt worden seyn, als die zwei bekannten Mährchen von einer Geldforderung Heros dot's, die ihm die Corinther und die Thebaner abgeschlagen hätten, daraus sich erklären, daß man den Schatten wegnehmen wollte, der in seinen unparteiischen Geschichten auf jene beiden Städte fällt. 8

Nur eine Thatsache aus Herodot's Leben bestätigt sich hinlänglich. Er mag schon einige Zeit in Athen sich aufgehalten haben, als die Sybariten, durch die Krotoniaten ihres Vaterlandes beraubt, Gesandte nach Griechenland schickten um Unterstützung ihrer Heimkehr und Verstärkung ihrer neuen Ansiedlung; welche Bitte Sparta abwies, Athen dagegen erfüllte, indem es durch Herolde in ganz Griechenland zur Theilnahme an der Colonie aufrufen ließ, und zehn Schiffe nebst den Anführern Lampon und Xenocrates hergab. So ward um's zwölfte Fahr vor dem Peloponnesischen Krieg (ungefähr 444 v. Chr.) unweit des zerstörten Sybaris, an der Duelle Thuria, einem Apollinischen Orakel gemäß, Thurium (Thurii) gegründet. Dieser Colonie schloß sich auch unser Geschichtschreiber entweder gleich an in seinem vierzigsten Jahr, oder folgte ihr etwas später nach. Aber die zwei vorhergehenden Jahrzehende seines Lebens waren ohne Zweifel durch die meisten jener bedeutenden Reisen ausgefüllt, von welchen und allein reine Geschichtbücher selbst, wenn auch nicht durchaus bestimmte, doch viele sichere Zeugnisse liefern. Scharfsinnige Forscher haben diese zusammengestellt, und daraus den Umfang von Herodot's autoptischer Länder- und Völkerkunde nachgewiesen; wie denn auch keinem aufmerksamen Leser seiner Musen das Hauptsächlichste davon entgehen kann. Demnach hat er die Griechischen Küsten Vorderasien's mit den zugehörigen Inseln, was wir, nach Herodot selbst, unter dem Namen Ionien im weitern Sinn des Worts zusammenfassen können, vielfach, besucht und beschaut; hat Lydien's Merkwürdigkeiten und seine Hauptstadt Sardes gesehen, und ist nicht nur über den östlichen Grenzstrom des lydischen Gebietes, den Halys, gegangen, dessen lauf er so genau beschreibt; er hat auch den Norden Kleinasiens bereist, mit den Pontischen Hellenen gesprochen, und ist bis zum Phasis gedrungen (nach Herodot Asien' nördliche Grenze), wo er die Colchier kennen lernte. Von den Caucasischen Völkern aber weiß er nur vom Hörensagen, wenn er auch vielleicht an's Caspische Meer gekommen ist. Die südlichen Theile Vorderasiens ließ er auch nicht unbesucht. Insbesondere hat der, von ihm vollständig beschriebene Weg, welcher von Ephesus über Sardes durch Phrygien, Cappadocien und sofort bis nach Susa hinaufging, ohne Zweifel auch unsern Herodot selbst in's innere Asien geführt. Da hat er den Euphrat und den Tigris gesehen und Babylon, das, wiewohl seine Mauern geschleift, seine Söhne unter die Perserherrschaft gedemüthigt waren, ihn noch durch Denkmäler seiner alten Hoheit, durch seinen Reichthum und seine üppige Fruchtbarkeit staunen machte. In Medien betrachtete er Ekbatana, die alte Stadt des Dejoces, mit ihren farbigen Ringmauern; in Arderikka fand er die von Darius hieher versetzten Eretrischen Gefangenen, und mag leicht in Susa, der Persischen Königsstadt selber gewesen seyn. Aber was hinter Persien lag, sah er nicht mehr; und Indien nicht minder, als die nördlichen, jenseits des Araxes und vom Scythenland östlich wohnenden Völker schwanden ihm in die Nebel der Sage. Dagegen vom westlichen Asien hat er auch den Küstenstrich, der nach Süden hin und mit Libyen (Afrika) zusammenläuft, Syrien, Phönicien und Palästina bereist. Dort sah er in Ascalon den Tempel der Venus Urania; in Palästina verglich er Cadytis (sey es nun Jerusalem oder nicht) in eigener Anschauung mit Sardes, und in Tyrus fragte er persönlich nach dem Alter des dortigen Heraklestempels. Ja, auch Arabien hat er betreten; obgleich er das Meiste, was von dessen Schätzen in seinen Büchern steht, der Fabel nacherzählen mußte.

Arabien's Busen hat er befahren und gemessen. Minder bekannt ist ihm das Indische Meer (welches er das rothe, im weitern Sinn als wir, sonst wohl auch das südliche nennt), und gar nicht, wie es scheint, der Persische Meerbusen. In jene untern Theile Asien's kam er zu Schiffe von Aegypten aus, wohin er gleichfalls zur See auf dem gewöhnlichen Wege der Griechea durch's Mittelmeer gekommen war. Wenn er denn also zuerst Kleinasien und von da aus das innere Asien besucht hat, so wird seine Fahrt in's eigentliche Griechenland und auch ein Theil seiner Griechischen Reisen zwischen die Innerasiatische und die Aegyptische Reise gefallen seyn, von welcher er dann über Syrien wieder nach Hellas zurückgekehrt seyn wird.

Als reifer Geschichtforscher - Dieß ist klar - hat er Aegypten mit vielseitiger Aufmerksamkeit durch forscht, und, wie er in richtiger Ansicht dieses Land1es feiner Zeit weit vorangegangen, so ist er noch jetzt eine Hauptquelle für die Kunde desselben. Mit welcher Sorgfalt hat Herodot am Nil verweilt, nach seinen Quellen, der Ursache seines Anschwellens geforscht, die Mündungen und das Werk dieses Stromes, wofür er's erkannte, das Deltaland kennen gelernt! Hier betrachtete er die Königsstadt Saïs, wo er in den Geheimdienst des Osiris einging, und Buto mit dem Latonaheiligthum und seiner schwimmenden Insel. Aber auch das hochgelegene Bubastis (gegen den östlichen Nilarm hin) war ihm merkwürdig, und der klarsten Anschauung verdanken wir die liebliche Zeichnung des dortigen Artemistempels. An der Pelusischen Mündung selbst beschaute er die Gebeine des Schlachtfeldes, auf welchem Cambyses das Heer Psammetich's besiegt hatte, und eine Bemerkung, die er hier macht, lehrt und nicht nur, daß er auch im westlich gelegenen Papremis war, sondern zugleich, daß Herodot's Aufenthalt in Aegypten zwischen sein dreißigstes und vierzigstes Lebensjahr (434 — 444. vor Christo) gefallen seyn muß. Wie fleißig erscheint der Reisende bei der alten Stadt Memphis, wo besonders die je erweiterten Vorhallen des Hephästustempels auch in seinen Geschichten jedesmal den Eins gang bilden, so oft er wieder an einen der alten Aegyptischen Könige kommt; wie denn auch die nahen Pyramiden, in seinem Werk neu aufgestellt und gemessen, doppelt als Denkmäler verherrlicht sind. Den Mörissee und das wunderbare Labyrinth beschreibt uns der Augenzeuge. Von Memphis sehen wir ihn als eigentlichen Geschichtforscher nach Heliopolis sich wenden, und von da, aus gleicher Absicht, mißt er uns den weiten Weg nach Theben, wo er staunend vor den unzähligen Piromisbildern der dialogisirenden Priester stand. Dieser Weg führte ihn durch Chemmis (Panopolis), wo er dem Perseus ein Heiligthum und Kampfspiele (die einzigen in Aegypten) gestiftet fand. Südwärts von Theben drang er noch bis zur Nilinsel Elephantine; weiter nicht, wie er selbst sagt. Ueber jenen Sandstrich mit den Salzbügeln, die von Theben westwärts durch das innere Libyen bis zu den Säulen des Herakles gehen, und zunächst liber das Ammonsorakel und die Sonnenquelle der Ammonier, mögen ihm Ammonier selbst, die er irgendwo in Aegypten traf, Kunde gegeben haben; aber auch diese Sagen gingen nur bis zum Atlasberg, nachdem sie von schlangenessenden Höhlenbewohnern mit schwirrender Sprache, von namenlosen Menschen, die der brennenden Sonne fluchen, und von Solchen, die keine Träume haben, gesprochen hatten.

Von Aegypten ist Herodot sicher nach Cyrene geschifft, und von da aus bereiste er die Küstenländer Libyen's; wie er denn auch die Völker bis zum Tritonsee aufzuzählen weiß. Sollte er auch in Carthago gewesen seyn; der Südwest Afrika's und der Abend blieben ihm doch dunkel, und er sah wiederum nur im trüglichen Spiegel der Sage, ihm selbst unglaubliche Mißgestalten von Thieren und Menschen, neben welchen blos noch Carthagische Handelsnachrichten von jenseits der Heraklessäulen zu hören waren.

Dieß wären denn Herodot's Außereuropäische Reisen; aber Wer kann ihren Gang genau bestimmen oder weiter angeben, in welcher Ordnung er die Inseln besuchte, die zwischen jenen Festländern im Meere liegen, wann er auf Cypern gelandet, von wo aus er nach Creta gelangt ist? Den vierzigjährigen Herodot finden wir in Athen, von wo er nach Thurium mit auswanderte, und finden in seinen Büchern lichte Spuren, wie er in den Griechischen Stadtgebieten und Eilanden bewandert war; nur nicht den Faden einer zusammenhängenden Reise. Unter den Inseln auf der Westseite Griechenlands sah er auf Zakynthus den pechhaltigen See; im Aegeischen Meer wissen wir, daß er mehrere Cycladen, besonders auch die heilige Delos betrat; in Aegina selbst ließ er sich Aeginetische Geschichten erzählen, und Artemisium, so wie den Kampf bei Salamis, konnte nur, Wer selber auf Euböa und Salamis war, so genau beschreiben.

Fragen wir noch, ob Herodot in Peloponnes gereist sey, der mit den Laconen so bekannt ist, Arion's Bild zu Tänarus gesehen hat, die Argivische Tracht aus Anschauung kennt, im Arcadischen Tegea den Tempel der Athene Alea, in Nonacris das Stygische Wasser, im Elischen Olympia den Zenstempel und in Triphylia die Trümmer der sechs Minnerstädte - der alles Dieß selbst gesehen hat? Nicht minder zuverläßig ist, daß Herodot seine Kenntniß Corinthischer Geschichten und Sitten an Ort und Stelle geholt hat. - Und geben wir nun über den Isthmus, so kennt er auch hier das Phönizische Dreiruder, ein heiliges Siegesmaal aus der Salaminischen Schlacht, so wie das eherne Poseidonsbild aus der Beute von Platää. Nach Athen kam unser großer Reisende nicht ganz als Fremder. Denn sein väterliches Halikarnaß stand damals schon in der Bundesgenossenschaft, deren mächtiges Oberhaupt jene Stadt war. Wem auch die - wenig bedeutenden -

Nachrichten von einer dortigen Vorlesung seines Geschichtwerks, 9 von einem Lied, das Sophocles auf Herodot gedichtet, 10 und von einem Grabmal (Cenotaph), das Herodot neben einem des Thucydides, in der Cimonischen Gruft zu Athen erhalten, 11 gar nichts beweisen, der erfährt doch aus seinen Schriften, daß er die Burg Athen's, das Aeacusheiligthum auf dem Markt, auch Simon's Gruft gesehen, daß er das Vorgebirg Zoster und das Sunische und mehrere Gauen Attica's, also dieses überhaupt gekannt hat, außerdem daß seine Runde von den Athenischen Geschichten und Ereignissen der Perserkriege nicht ohne einen Aufenthalt in diesem Freistaat zu erklären ist.

Aber es ist überhaupt unzweifelhaft, daß Herodot in ganz Griechenland keinen merkwürdigen Ort unbesucht ließ. Bald hatte er die Arbeiten der Natur zu betrachten, wie die Echinadischen Inseln, die der Fluß Achelous an's Acarnanische Festland angeschwemmt, oder den Kessel Thesaliens, das ehemals ein See, wie er einsah, durch Erdbeben seinen Wasserabfluß gewonnen hatte; bald seinen Sinn an Götterstätten mit heiligen Dingen zu beschäftigen, wie auf Samothrace, in dessen Mysterien er eingeweiht ward, im Eichwald Dodona's, wo er der ältesten Zeusverehrung nach fragte, und in Delphi, wo er getreulich die zahllosen Weihgeschenke sich aufzeichnete, was er auch in Theben that, wo er zugleich am Tempel des Ismenischen Apollo die Cadmeischen Inschriften las. Besonders zog es ihn aber dahin, wo er etwas Geschichtliches durch eine örtliche Sage, durch Denkmäler und die Ortslage sich veranschaulichen konnte. Dieß findet jeder Leser der Musen zu seiner Freude bewährt in der lebendigen Schilderung nicht nur der Kampfstätten an den Thermopylen und bei Platää, sondern auch des ganzen Weges, auf dem sich das unendliche Heer des Xerxes herabwälzt.

Mit welcher Genauigkeit verfolgt Herodot diesen Zug von Doriscus an, wo der übermächtige König die Zählung zehntausendweis vornahm, längs Thraciens Küsten hin, vorüber all den Städten, die kaum Lebensmittel, all den Flussen, die nicht Trinkwasser genug hatten, und zeigt dabei nähere Kenntniß jener vielen Thracischen Völkerschaften! Und während uns der treffliche Wegweiser mit der Landmacht über die Strynonbrücke in Macedonien hineinführt, läßt er auch die Flotte uns nicht aus den Augen verlieren, die von Acanthus durch den Athosgraben bis in den Thermaischen Busen läuft. Nicht nur dieser Busen und die demselben östliche Halbinsel und das ihm westliche Pierien ist unserm vielkundigen Manne wohl bekannt; sehen wir ihn doch auch am andern Orte vertraut mit den Päoniern und ihren Sitten, und wie mit den Thraciern am Aegeischen Meer, so mit den Bewohnern des Chersoneses am Hellespont, den Küsten der Propontis und des Bosporus. Denn diese Gewässer, ja nach Länge und Breite den Pontus Euxinus hat er durchfahren und nach Tag- und Nachtfahrten gemessen. Hier bereiste er wieder nicht nur einen Theil Thracien's und der Griechischen Pflanzstädte am Pontus, er ging auch über den Ister und lernte das Scythenland und Volk mit seinen Flussen und Erzeugnissen, seinen Sitten und Sagen kennen, und stand selbst vor dem ungeheuern Kupferkessel, einem eigenthümlichen Denkmal der Menge dieses Volke. Ostwärts ist er bis an die weidenreichen Ufer des Borysthenes (Dnieper) gekommen, und auf seiner Fahrt durch den Pontus an der unwirthbaren Taurischen Halbinsel vorbeigesegelt; aber seine Kunde, eingezogen in Griechischen Factoreien, geht noch hinauf nach Mitternacht bis zu den kahlköpfigen Argippäern (Kalmücken am Ural) und zu den Issedonen; dann steht sie an steilen Bergen still; denn an die ziegenfüßigen Menschen, die einäugigen Arimaspuer und goldbewachenden Greifen und an die heiligen Hyperboreer glaubt er nicht; und so bleibt ihm der ganze Nordrand Asiens dunkel, den er noch Europa zutheilt, da ihm Asiens Grenze der Phasis ist. Ein Gleiches gesteht er vom Westen. Gleich nördlich von Thracien kann er jenseits des Ister nur von Bienenschwärmen hören, dann von den Sigynnern, die bis zu den Venetern sich erstrecken und aus dem ferneren Abend spricht die Sage Unglaubliches vom Eridanusstrom, Unbestimmtes vom Bernstein und den Zinninseln, endlich von den Quellen des Ister bei Pyrene im äußersten Celtenland.

Alles Dieses nun, oder doch gewiß das Meiste hatte Herodot von seinem zwanzigsten bis zum vierzigsten Jahre gesehen oder erkundet, als von Athen aus das Italische Thurium gestiftet ward, wohin auch er, vielleicht erst einige Jahre später, gezogen ist, um ein zweites Vaterland dort zu finden. Wirklich wird er häufig von den Alten der Thürische Geschichtschreiber genannt. Von Thurium aus machte er seine letzten Reisen. Außer den Städten Unteritaliens besuchte er wenigstens auch noch Sicilien. Aber seine Hauptbeschäftigung war hier endlich nicht mehr das Sammeln, sondern das Ordnen und Gestalten seines für alle Zeiten kostbaren, einzigen Werkes. In Halikarnaß oder in Samos, wohin einige Nachrichten seine Geschichtschreibung verlegen, kann er dieselbe höchstens begonnen, in Thurii kann er sie nicht erst begonnen haben. Es leuchtet ein, daß er Vieles während seiner Reisen selbst muß aufgezeichnet haben, jedoch an die Bildung eines Ganzen dann erst gehen konnte, als er sich einen festen Ruhesitz gewählt hatte. Die späte Vollendung der großen Arbeit reines Lebens beweisen mehrere Notizen im Werke selbst, zugleich die einzigen Spuren für die Dauer reiner Lebensjahre.

Herodot's Geschichte endigt zwar mit der Zerstörung Persischer Macht in Hellas und an Kleinasiens Küsten nach den Schlachten bei Platää und Mycale; allein zerstreute Erwähnungen in seinen Büchern beziehen sich noch auf spätere Griechischpersische Geschichten, die zum die zum Theil bis in die Zeiten des Peloponnesischen Krieges hinein laufen. 12 Den Peloponnesischen Krieg selbst deutet Herodot nicht nur in einer allgemeinen Bemerkung an (VI, 98.),er erwähnt nicht nur (VII, 233.) des gewaltthätigen Signals zu demselben, der Eroberung von Platää, die in sein dreiundfünfzigstes Jahr fiel (431 v. Chr.), wie auch einzelner Ereignisse in den ersten Fahren dieses Krieges; sondern nennt ihn auch ausdrücklich (IX, 73.), indem er einen Vorfall aus dessen neunzehntem Sommer berücksichtigt. Ja, zwei Stellen (III, 15, I, 130.) können uns glauben machen, daß er bis über das 408te Fahr vor Christus das vierundzwanzigste jenes verderblichen innern Kampfes der Griechen hinaus gelebt, und die letzte Hand au sein Werk nicht vor dem siebenundsiebzigsten Jahre seines Alters gelegt haben kann.

So sind Herodot's Leben und sein schriftliches Denkmal eines vom andern durchdrungen, daß wir jedes nur noch im andern recht erkennen. Den Schluß seines Lebens weiß die Geschichte nicht; so erscheint auch sein Buch ungeschlossen. Denn gleichwie seine Persönlichkeit, obgleich in der originalen Haltung des Ganzen unverkennbar, bescheiden und fast unsichtbar hinter dem eigenen Werke zurücktritt: so hat auch dieses Werk selbst im Wesentlichen keinen speciellen Character, und die Schranken, in denen es sich hält, sind ihm weit weniger durch die Absicht des Verfassers, als vielmehr durch seine Stellung in seiner Zeit, durch die Grenzen des Raumes, in dem er sich bewegte, durch die Endlichkeit seiner Natur und seines Lebens gegeben. Dieser universale Mensch, da er nicht Alles sehen und erleben konnte, bewahrte wenigstens alles das Merkwürdige, was er sah und zu erfahren vermochte. Er widmete sich der Geschichte im weitesten Sinn, der Betrachtung der Natur und der Menschheit. Beide waren ihm gegeben in besonderer Erscheinung von Ländern und Völkern. Darum liegt seinem Werk ein gedoppelter Plan zu Grunde, ein geographischer und ein historischer. Dieser gestaltet sich im Allgemeinen ethnographisch, jener, der untergeordnete, drängt sich oft im Werke sichtlich hervor. Für beide ward ihm nach damaliger und eigener Erdkunde, so wie nach der Zeitgeschichte, fein heimathliches Ionien der Mittelpunkt. Um dieses, dem das schönste Maß der Temperatur und Naturgaben zu Theil geworden, lagern sich rings die bekannten Meere und Länder, der nähere Ost, Süd und Nordwest mit großerem aber minder gleichartigem Reichthum; der fernere Abend und Morgen, wie auch die Enden der Welt nach Mitternacht und Mittag mit den kostbarsten Gütern der Erde. Um dasselbe Ionien bewegen sich auch die Wechselwirkungen Asiatischer und Europäischer Völker, von welchen aus allseitige Pfade in die Vergangenheit zurückführen, bis auch sie in die Fernen der Sage verschwinden.

Demgemäß stellt uns Herodot gleich vorn in den Mittelpunkt seines Gemäldes; und die Anfänge jener feindlichen Berührungen Asiens und Europa's, ausgehend von Lydien, knüpfen sich von selbst an Cyrus, der und in den Osten führt, wie hernach Cambyses in den Süden, Darius nach Norden, bis wir den Xerxes nach Westen begleiten, wobei aber immer noch die allseits hergezogenen Massen, mit denen wir nach Europa übergehen, und die Ausmalung des Weges selbst verhüten, daß wir nicht eine einzelne Kriegsgeschichte vor uns zu haben wähnen. Wohl muß indessen die kräftige Reaction Europa's im Griechenvolk, zumal bei ihrer historischen Nähe, den Geschichtschreiber ganz besonders in Anspruch nehmen. Der Sieg der Hellenen über die Perser ist nicht Endzweck des Werkes; aber Asien's und des Griechenlandes Streit bildet (was ja Herodot's eigene Einleitung kurz, aber deutlich besagt) die äußerste Form des Ganzen, weil er ohne Zwang zum Ueberblick desselben verhilft, leicht mögliche Zerstreuung beschränkend durch Anziehung des meisten Stoffes. Das Uebrige lagert sich an, oder wird gelegentlich und episodisch eingeschaltet. Nicht ein epischer Rhapsode, nicht ein Logograph, nicht Naturforscher, noch pragmatischer Geschichtschreiber ist unser Herodot; aber er ist alles Dieß, wie und wie weit es sein Gegenstand mit sich bringt, oder wenigstens auch verstattet. Er hatte nicht den Uebermuth, seinen Stoff nach einer Idee zu mißhandeln, wohl aber Ruhe, Heiterkeit, Ausdauer genug, ihn vielseitig aufzufassen. Die schwebende Sage fesselt er nicht; dagegen, wo er Boden spürt, weiß er zu scheiden und zu bestimmen. Eigene Anschauung, eigene Erkundigung sind beinahe reine ausschließlichen Quellen. Jene gibt freilich schöne, sinnliche Nähe, nur darum noch keine poetische, unwahre; diese behandelt er mit Recht nur dann kritisch, wann der Gegenstand kritischen Waffen erreichbar ist. Doch die Glaubwürdigkeit Herodot's im Allgemeinen ist bereits hinlänglich anerkannt; hätte man ihm nur eben so wenig einen zusammengesetzten Pragmatismus unterschieben wollen. Denn so wie die rühmlichen Thaten der Hellenen auf der obersten Höhe reines Geschichtbildes stehen, ohne das Ziel des Werkes zu seyn: so schwebt Herodot's religiöser Glaube, seine Scheu vor einer eifersüchtigen Gottheit blos über einzelnen Gestaltenund Zügen des Ganzen, ohne bildendes Princip desselben zu seyn.

Auf Wahrheit und Wirklichkeit haftete das ruhige Auge des genialen, erfahrungsvollen Mannes, keine Leidenschaft betäubte sein Ohr, und sein reiner Mund sprach in einfacher Rede, in lieblicher, Ionischer Zunge die Zeugnisse seines Geistes und seiner Welt. Wer es daher immer gewesen seyn mag, der seine Schrift in neun Bücher eintheilte, und der dies selben mit den Namen der Musen bezeichnete; 13 durch das Werk selbst ist der sinnige Gedanke gerechtfertigt, den auch das einfachschöne Griechische Epigramm ausdrückt:

Herodot herbergte die Musen, da gab zur Belohnung

Ihrem gastfreundlichen Wirth jegliche Muse ein Buch.

Was die vorliegende Verdeutschung der Musen betrifft, so konnte sich dieselbe nicht immer so genau, wie es bei manchen Vorgängen mit Glück geschehen seyn mag, an die eigenthümlichen Formen des Originals anschließen; doch suchte sie denselben so nahe zu bleiben, als es der besondere Zweck der Uebersetzung erlaubte.

Zu Grunde gelegt ist der Text der Ausgabe von Thomas Gaisford (Leipz. bei Schwickert 1824 - 26.). aus welcher auch die chronologischen Bestimmungen der Hauptbegebenheiten nach christlicher Zeitrechnung, um ihrer Richtigkeit im Allgemeinen und ihrer einleuchtenden Zweckmäßigkeit willen, der Uebersetzung beigefügt sind.

Zu den nöthigen Anmerkungen sind theils vorhandene Erklärungen unsers Schriftstellers, theils hierher gehörige Bemerkungen aus andern neuerer Schriften mitbenützt worden.

Hier gibt Herodot von Halikarnaß eine Denkschrift reiner gesammelten Kunde, damit nicht die Handlungen der Menschen durch die Zeit verloren gingen, noch große und wunderbare Werke, wie sie Hellenen sowohl, als Barbaren ausgeführt, des Ruhmes verlustig würden;. besonders auch, aus welcher Ursache sie einander bekriegt haben.

(Phönizier kommen an's Mittelmeer v. Chr. 1722. Raub der Io v. Chr. 1687.)

1. Bei den Persern nun sagen die Geschichtskundigen, Phönizier seyen des Streites Urheber gewesen. Diese nämlich wären von dem sogenannten rothen Meere 14 hergekommen an unser Meer, hätten Wohnung genommen in eben dem Lande, wo sie auch jetzt wohnen, und als bald an weite Schiffsfahrten sich gemacht. Da seyen sie mit Waaren, die sie aus Aegypten und Assyrien ausführten, in manches Land gekommen, darunter auch nach Argos. Argos that es aber zu jener Zeit in Allem zuvor den Andern im Lande, das jetzt Hellas genannt wird. In dieses Argos also seyen die Phönizier gekommen Asiens, dessen westlichster Busen, der arabische, das jetzt sogenannte rothe Meer" ist. Unser Meer d. i. das mittelländisahe. und hätten ihre Waaren ausgestellt. Aber den fünften oder sechsten Tag nach ihrer Ankunft, da sie beinahe Alles verkauft hatten, sey unter vielen andern Frauen auch, Das Königs Tochter an’s Meer gekommen, deren Name war, wie auch die Hellenen sagen, Io, Tochter des Inachus. Wie diese im hintern Schiffsraum gestanden und von den Waaren gekauft hätten, auf welche ihr Sinn gerade ging, hätten die Phönizier einander Muth gemacht, und sie angefallen. Nun seyen die meisten der Frauen entflohen, Io aber mit Andern geraubt worden. Jene hätten sie in’s Schiff geworfen, und seyen schnell abgefahren nach Aegypten.

(Europa 1582. Medea 1349.)

2. So sey so nach Aegypten gekommen, sagen die Perser, anders als die Hellenen; und von den Beleidigungen habe Diese den ersten Anfang gemacht. Nach Diesem aber wären einige Hellenen (denn sie wissen keinen Namen anzugeben) in Phönizien bei Tyrus gelandet, und hätten des Königs Tochter, Europa, geraubt. Das mögen wohl Kreter gewesen seyn. So weit indessen sey nur Gleiches um Gleiches geschehen. Nach Diesem aber wären die Hellenen Urheber des andern Frevels geworden. Sie seyen nämlich ausgefahren mit einem langen Schiff nach Aea in Kolchis 15 und an den Phasisstrom, 16 und von da hätten sie, nach Ausrichtung des Uebrigen, weßhalb sie gekommen, des Königs Tochter, Medea, geraubt. Nun hätte der Kolchier nach Hellas einen Herold gesandt, Buße gefordert für den Raub, und seine Tochter zurückgefordert. Darauf hätten sie geantwortet, daß ja auch jene um Io, die Argiverin, keine Buße für den Raub gegeben, und so wollten sie ihnen auch keine geben.

(Helena 1290.)

3. Im zweiten Geschlechte darauf, sagen sie, habe Alexander, des Priamus Sohn, Solches gehört, und sey Willens geworden , aus Hellas durch Raub zu einem Weibe zu kommen, ganz überzeugt, daß er keine Buße geben werde: gäben doch Jene auch keine. Da er also wirklich die Helena raubte, hätten die Hellenen erachtet, zuvorderst durch Abgesandte die Helena zurückzufordern und Buße zu fordern für den Raub. Die Andern aber, als man Dieses vortrug, hätten ihnen den Raub der Medea vorgerückt: wie sie, welche selbst keine Buße gegeben und auf Rückforderung Nichts ausgeliefert hätten, wollen könnten, ihnen solle von Andern Buße erstattet werden?

4. Bis dahin also seyen Das bloße Raubstücke auf beiden Seiten; aber von da an trügen die Hellenen die Hauptschuld. Denn es hätten Dieselben eher angefangen, nach Asien Krieg zu führen, als sie (die Perser) nach Europa. Zwar Die, welche Weiber rauben, halten sie für frevelhafte Menschen, Die aber, welche wegen der Geraubten eifern um Rache, für Thoren; Die hingegen, welche keine Rücksicht nehmen auf die Geraubten, für Kluge. Denn offenbar, wo: fern sie nicht selbst gewollt hätten, wären sie wohl nicht geraubt worden. Sie einmal, die Asiaten, sagen die Perser, hätten nach den geraubten Weibern Nichts gefragt; die Hellenen aber hätten um eines Lacedämonischen Weibes willen ein großes Schiffsheer zusammengebracht, seyen darauf nach Asien gezogen und hätten des Priamus Macht zu Grunde gerichtet. Seit Diesem hätten sie immer, was Hellenisch ist, für ihren Feind angesehen. Asien nämlich und die inwohnenden Barbaren-Völker rechnen die Perser zu sich, Europa aber mit dem Hellenischen sehen sie für abgesondert an.

(Troja zerstört 1270.)

5. So sagen denn die Perser, daß es ergangen sey, und finden in der Eroberung Ilium's den Anfangsgrund ihrer Feindschaft gegen die Hellenen. Ueber die Io aber stimmen mit den Persern die Phönizier nicht überein. Denn nicht auf dem Wege des Raubes hätten sie Dieselbe nach Aegypten geführt; sondern in Argos, sagen sie, habe sie Umgang mit dem Herrn jenes Schiffes gepflogen, und, weil sie inne geworden, daß sie schwanger war, vor den Eltern sich gefürchtet, und so sey sie freiwillig mit den Phöniziern weggeschifft, auf daß sie nicht offenbar würde. - Dieß ist es denn, was die Perser und die Phönizier sagen; ich aber lasse mich hier nicht darauf ein, ob Dieses so oder anders geschah; aber er, nach meinem eignen Wissen, den ersten Anfang gemacht hat mit Beleidigungen gegen die Hellenen, der soll von mir an: gezeigt werden: dann will ich weiter in der Geschichte vorschreiten, und gleichermaßen kleine und große Städte der Menschen durchgehen. Denn Was ehemals groß war, das ist meist klein geworden, und Was groß war zu meiner Zeit, war vorher klein. In Erkenntniß also des menschlichen Glückes, wie es nirgends in seinem Stande verbleibt, will ich Beider in Gleichem gedenken.

(Krösus von Lydien 560.)

6. Krösus war ein Lydier von Geschlecht, Sohn des Alyattes und Herr der Völker diesseits des Halysstromes, 17 welcher von Mittag fließt zwischen den Syriern und Paphlagoniern, und ausströmt gegen den Nord in den sogenannten Pontus Euxinus (schwarze Meer). Dieser Krösus hat zuerst unter den Barbaren, von denen ich weiß, einen Theil der Hellenen unterworfen zur Zinsentrichtung, Andere zu Freunden gewonnen: unterworfen nämlich die Ionier, Aeolier und Dorier in Asien, zu Freunden gewonnen die Lacedämonier. Bor Krösus Herrschaft aber waren die Hellenen Alle frei. Denn der Cimmerier Heereszug, der über Ionien gekommen und älter als Krösus ist, war keine Unterwerfung der Städte, sondern räuberischer Ueberfall.

(Herakliden, Könige Lydiens 1221-716.)

7. Die Regierung war aber von den Herakliden, den frühern Herren, folgendermaßen auf das Geschlecht des Krösus, die sogenannten Mermnaden, übergegangen. Kandaules, den die Hellenen Myrsilus nennen, war ein Herr zu Sardes und Enkel des Alcäus, Sohnes von Herakles. Agron nämlich, Sohn des Ninus, Sohnes von Bel, Sohnes von Alcäus, war, der erste von den Herakliden, König zu Sardis; Kandaules, des Myrsus Sohn, der lebte. Vor Agron aber waren Könige über dieß Land die Abkömmlinge von Lydus, des Atys Sohn, von welchem dieses ganze Volk, zuvor das Mäonische genannt, das Lydische genannt wurde. Durch Uebertragung von Diesen kam die Herrschaft nach einem Götterspruch an die Herakliden, Nachkommen des Herakles und einer Sklavin des Iardanus; und Diese herrschten zweiundzwanzig Menschenalter lang, fünfhundert und fünf Jahre, da die Herrschaft immer vom Vater auf den Sohn überging, bis auf Kandaules, Myrsus Sohn.

8. Dieser Kandaules nun war sehr in seine Frau verliebt, und in dieser Liebe meinte er, er habe bei weitem die allerschönste Frau. Dieser Meinung zufolge pflegte er dem Gyges, Daskylus Sohne, einem seiner Trabanten, der nämlich sein Liebling war, und dem er die wichtigsten Geschäfte auftrug, besonders auch die Schönheit seiner Frau über die Maßen zu preisen. Es dauerte nicht lange (denn es sollte dem Kandaules übel gehen), so sagte er zu Gyges Folgendes: "Gyges, weil es mir vorkommt, ich überzeuge dich nicht mit Worten über die Schönheit meiner Frau (denn die Ohren der Menschen sind einmal ungläubiger, als die Augen): mach' daß du sie nackend schauen kannst." Der aber schrie hoc, auf und sprach: "Herr, was sagst du da für ein verkehrtes Wort, und heißest mich meine Herrin nackend Schauen? Denn wie ein Weib das Kleid auszieht, so ziehet sie zugleich die Scham ans. Längst aber haben die Menschen, was wohl ansteht, gefunden, woraus man Lehre nehmen soll. Eines darunter ist: Das zu betrachten, was Einem zukommt. Ich glaube nun, daß Jene unter Allen Frauen die schönste ist; und von dir begehr' ich, daß du nichts ungebührlidies begehrest."

9. Dieser also stritt mit solchen Worten dagegen, aus Furcht, es möchte ihm daraus ein Uebel entstehen. Jener aber antwortete darauf: "Sey getrost," Gyges, und fürchte dich nicht, weder vor mir, als versuch' ich dich mit dieser Rede, noch vor meiner Frau, daß dir von ihr ein Leid geschehen möchte. Denn von Anfang will ich es so einrichten, daß sie nicht einmal merkt, von dir gesehen zu seyn. Ich will dich nämlich in das Gemach, worin wir schlafen, hinter die geöffnete Thüre stellen. Bin ich eingetreten, so wird sich auch meine Frau einfinden, um zu Bette zu gehen. Nun steht neben dem Eingang ein Sessel; auf diesen wird sie von den Gewanden eines nach dem andern beim Ausziehen hinlegen, und in voller Ruhe dir gewähren, sie zu schauen. Wenn sie aber vom Sessel hinweg schlafen geht, und du ihr in den Rücken zu stehen kommst, so hast du alsdann dafür zu sorgen, daß du ungesehen von ihr durch die Thüre kommst."

10. Gyges ließ sich denn, da er nicht ausweichen konnte, bereit finden, und Kandaules führte ihn, als es ihm Schlafenszeit dünkte, in das Gemach, worauf sich auch seine Frau alsbald einfand. Wie sie herein kam, und die Kleider ablegte, schaute sie Gyges. Als er aber der Frau, da sie zu Bette ging, in den Rücken kam, schlüpfte er durch und hinaus. Da erblickte ihn die Frau im Hinausgehen. Sie merkte, Das sey von ihrem Manne angelegt, that aber keinen Schrei vor Scham, noch schien sie's zu merken; entschlossen, sich an Kandaules zu rächen. Denn bei den Lydiern, und fast bei allen Barbaren, gilt selbst einem Manne, nackend gesehen zu werden, für große Schande.

11. Für jetzt also äußerte sie Nichts, und hielt sich ruhig; sobald es aber Tag geworden war, nahm sie von den Hausdienern, welche sie für ihre getreuesten erkannt hatte, ließ sie bereit seyn, und den Gyges rufen. Dieser in der Meinung, sie wisse Nichts von dem Geschehenen, folgte dem Ruf. Denn er war früher schon gewohnt, die Königin, wenn sie ihn rufen ließ, zu besuchen. Als aber Gyges kam, sagte die Frau Dieses: "Siehe, unter zwei vorliegenden Wegen, Gyges, geb' ich dir nun die Wahl, zu welchem von beiden du dich, wenden willst: entweder tödtest du den Kandaules und erhältst mich und das Königreich, der Lydier; oder du selbst mußt alsbald, wie du bist, sterben, auf daß du nicht, in Allem dem Kandaules zu Willen, noch künstighin sehest, was du nicht sollst. Ja, entweder muß Jener, der Soldes angelegt, umkommen, oder du, der mich nackend geschaut und gethan hat, was sich, nicht gebühret."

Gyges verwunderte sich eine Zeitlang über diese Rede; hernach aber flehte er, ihm nicht die Nothwendigkeit aufzubinden, daß er eine solche Wahl entscheide. Doch er fand kein Gehör, sondern sah wirklich, die Nothwendigkeit vor sich, entweder den Gebieter umzubringen, oder selbst durch Andere umzukommen. Da wählte er seine Erhaltung, und that folgende Frage: "Da du mich nöthigst, meinen Herrn zu tödten wider Willen: wohlan, so will ich hören, auf welche Weise wir Hand an ihn legen." Sie aber nahm das Wort und sprach: "Von derselben Stelle soll der Angriff ausgehen, von wo er mich nackend hat sehen lassen; und wenn er im Schlaf tiegt, soll Hand an ihn gelegt werden."

12. Da sie nun den Anschlag gestiftet hatten und die Nacht kam, ging Gyges (denn er war nicht entlassen, noch war für ihn eine Auskunft; sondern entweder mußte er selbst umkommen, oder Kandaules) mit der Frau in das Gemach, wo sie ihn mit einem Dolch hinter derselben Thüre verbarg. Als hierauf Kandaules ruhte, schlüpfte er hinein und tödtete ihn wirklich, und so erhielt Gyges die Frau und das Königreich. Dessen gedenkt auch Archilochus von Paros, der in dieselbe Seit fällt, in einem dreimaßigen 18 Jambus.

13. In dem erhaltenen Königreich aber ward er bestätigt durch das Orakel von Delphi. Denn als die Lydier sich arg darüber aufließen, daß Solches an Kandaules verübt worden sey, und schon in Waffen standen, kamen die Anhänger des Gyges. und die übrigen Lydier darin überein: wofern das Orakel spräche, er solle König seyn über die Lydier, so solle er audch König seyn, wo nicht, die Herrschaft wieder an die Herakliden zurückgeben. Das Orakel sprach dafür, und so war Gyges König. So viel erklärte indessen die Pythia, daß für die Herakliden Rache kommen werde auf den fünften Nachkommen des Gyges. Dieses Wortes achteten die Lydier und ihre Könige nicht, bis es wirklich erfüllt ward.

(Gyges, Lydischer König 716-678.)

14. Also gewannen die Mermnaden auf Kosten der Herakliden die Herrschergewalt. Als nun Gyges Herr war, sandte er Weihgeschenke nach Delphi, und das nicht wenige, sondern schon an silbernen Weihgeschenken ist von ihm die größte Menge in Delphi; und außer dem Silber weihte er noch ungeheuer viel Gold; wozu, was am meisten bemerkenswerth ist, die goldenen Mischkrüge gehören, deren er sechs dort aufgestellt hat. Ihr Standort ist im Schatzhause der Korinthier, und ihr Gewicht dreißig Talente. Die Wahrheit aber zu sagen, ist dieß das Schafhaus nicht von der Korinthischen Gemeinde, sondern von Cypselus, Eetion's Sohne. Dieser Gyges hat zuerst unter den Barbaren, von denen wir wissen, nach Delphi Weihgeschenke gestiftet, nächst Midas, dem Sohn des Gordius, Phrygien's König. Denn auch Midas weihte den königlichen Thronstuhl, worauf er öffentlich zu Gericht saß, ein sehenswerthes Stück. Und dieser Thron steht eben da, wo des Gyges Mischkrüge. Jenes Gold aber und Silber, das Gyges geweiht, wird von den Delphiern Gygadas genannt, nach des Weihenden Namen. Auch Dieser fiel während seiner Herrschaft mit einem Heere in Milet ein und in Smyrna, und die Kolophonier-Stadt nahm er weg; indessen, da sonst nichts Großes von ihm geschah in den achtunddreißig Jahren, da er König war, so fassen wir's mit ihm bei dem Gedachten Bewenden.

(Ardys, Lyd. K. Cimmerier 678-629.)

15. Des Ardys aber, Gyges Sohn, der nach Gyges König war, will ich jetzo gedenken. Derselbe nahm Priene weg, und in Milet fiel er ein. Und zu der Zeit, da Dieser in Sardes gebot, kamen die Cimmerier, aus ihren Sitzen von den nomadischen Scythen aufgejagt, nach Asien, und nahmen Sardes weg, außer der Burg.

(Sadyattes 639-617.)

16. Auf Ardys aber, nachdem er neunundvierzig Jahre König gewesen, folgte Sadyattes, des Ardys Sohn, und war König zwölf Jahre; auf Sadyattes aber Alyattes. Und Dieser führte mit Cyaxares, des Dejoces Enkel, und mit den Medern Krieg, vertrieb auch die Cimmerier aus Asien, nahm Smyrna weg, welches von Kolophon aus bevölkert worden ist, und fiel in Klazomenä ein. Von hier aber zog er nicht nach Wunsch wieder ab, sondern erlitt einen harten Stoß. Andere Thaten, die er während seiner Herrschaft ausführte, und zwarvornämlich erzählungswerth, sind diese.

17. Er führte mit den Milesiern Krieg, den er von seinem Vater überkommen hatte. Er zog nämlich, heran und bedrängte Milet auf solche Weise: Jedesmal, wenn die Feldfrucht herangewachsen war, fiel er mit seinem Heere ein, das er mit Pfeifen und mit Harfen, mit der weiblichen und der männlichen Flöte, in's Feld führte.

Kam er nun in's Milesische, so riß er nicht die Wohnungen auf dem Lande nieder, verbrannte sie auch. nicht, und brach keine Thüre aus, sondern ließ Alles an seinem Orte stehen; dagegen die Bäume und die Frucht auf dem Felde verderbte er allemal, und dann zog er wieder heim. Denn die Milesier waren Meister zur See, so daß mit einer Belagerung vom Heer Nichts gethan war. Die Häuser aber riß der Lydier darum nicht nieder, damit eine Stätte für die Milesier da wäre, von wo aus das Feld sich besäen und bearbeiten ließe, und wenn sie die Arbeit gethan, auch für ihn Etwas da wäre, das sich bei'm Einfalt verheeren ließe.

18. Auf diese Art führte er den Krieg eilf Jahre, in denen die Milesier zwei große Niederlagen erlitten, da sie im Limeneum (dem Hafengebiet) ihres Landes und auf der Ebene des Mäander fochten. Sechs Jahre indessen von diesen eilfen herrschte noch Sadyattes, Ardys Sohn, über die Lydier, welcher zu seiner Zeit auch in's Milesische mit seinem Speer eindrang (denn eben dieser Sadyattes war's, der den Krieg angesponnen hatte); die fünf Jahre aber, welche auf die sechse folgten, führte Alyattes, Sadyattes Sohn, den Krieg, der ihn (wie auch vorhin von mir angezeigt wurde) vom Vater überkam, und so strenge Betrieb. Aber den Milesiern stand von den Ioniern Niemand in diesem Kriege bei, als allein die Chier. 19 Diese leisteten Hülfe, und vergalten so Gleiches mit Gleichem. Denn die Milesier hatten zuvor mit den Chiern auch ihren Krieg gegen die Erythräer ausgehalten.

19. Als aber im zwölften Jahr vom Heere Brand in die Saat gelegt wurde, trug es sich zu, daß Folgendes daraus entstand. Nicht sobald war die Saat entzündet und vom Winde aufgetrieben, so zündete sie auch den Tempel der Athene, mit dem Beinamen Assessia, an; und also brannte der Tempel nieder. Darnach fragte man zwar im Augenblicke; Nichts nachher aber, wie das Heer in Sardis ankam, erkrankte Alyattes. Und als seine Krankheit immer langwieriger wurde, sandte er heilige Gesandte nach Delphi, sey es auf Jemands Anrathen, oder daß ihm selbst gut dünkte, den Gott über die Krankheit befragen zu lassen. Als aber Jene in Delphi angekommen waren, versagte ihnen die Pythia, einen Spruch zu thun, ehe sie den Athene: Tempel wieder aufgerichtet gerichtet hätten, den sie zu Assessus im Milerischen Lande angezündet.

20. So habe ich die Geschichte aus dem Munde der Delphier erfahren; die Milesier aber setzen noch Dieses hinzu: Periander, der Sohn des Eypselus, habe den Spruch in Erfahrung gebracht, welcher dem Alyattes ertheilt ward, und als ein besonderer Gastfreund von Thrasybul, dem damaligen Herrscher von Milet, Diesem durch einen Boten hinterbracht, daß er darum wüßte, und seinen Rath darnach fassen möchte. So sagen die Milesier, daß es ergangen sey.

21. Als nun dem Alyattes die Antwort verkündet ward, sandte er sogleich einen Herold nach Milet, um so lange mit Thrasybul und den Milesiern Friede zu machen, als er den Tempel aufbauen würde. Der Abgesandte ging dann nach Milet, Thrasybul aber, von der ganzen Sache zum Voraus genau unterrichtet, und Dessen bewußt, was Alyattes thun würde, traf folgende Anstalt. Er brachte Alles Getreide, das in der Stadt war, von ihm und von den Bürgern, auf dem Markte zusammen, und sagte den Milesiern an, wenn er das Zeichen gäbe, dann sollten sie allesammt trinken, und Freudengelage unter einander halten.

22. Dieses that und entbot aber Thrasybul deßhalb, damit der Herold von Sardes, wenn er den großen Haufen Getreides aufgeschüttet sähe, und die Leute im Wohlleben begriffen, eben Dieses dem Alyattes verkündete; was denn auch geschah. Wie nämlich der Herold Jenes gesehen, und an Thrasybul die Aufträge des Lydiers ausgerichtet hatte, ging er nach Sardes zurück; und nun geschah, wie ich vernehme, aus keinem andern Grunde die Aussöhnung. Denn Alyattes, der in Hoffnung stand, es sey ein gewaltiger Getreidemangel in Milet, und das Volk werde bis zur äußersten Noth aufgerieben, hörte vom Herold, nach Dessen Heimkehr, die entgegengesetzten Nachrichten aus Milet, als Wessen er sich versah. Und darauf geschah die Aussöhnung, so daß sie Freunde unter einander seyn sollten und Streitgenossen. Und Alyattes erbaute der Athene zwei Tempel für Einen in Assessus, und er selbst erstand von seiner Krankheit. Also verhielt es sich mit Alyattes in Betreff seines Krieges wider die Milesier und Thrasybul.

23. Periander aber war ein Sohn des Eypselus, eben Der, welcher dem Thrasybul das Orakel kund that. Er selbst aber war Herr zu Korinth. Diesem Periander, sagen die Korinthier (und mit ihnen stimmen die Lesbier überein), sey in seinem Leben das größte Wunder erschienen, indem Arion von Methymna auf einem Delphin bei Tänarus an's Land gesetzt worden sey, ein Eithersänger, der Keinem der damaligen nachstand, und den Dithyrambus zuerst unter den Menschen, von denen wir wissen, gedichtet und benannt, und auch zu Korinth aufgeführt.20

24. Dieser Arion, sagen sie, habe, nachdem er seine meiste Zeit bei Periander zugebracht, Lust bekommen, nach Italien und Sicilien zu schiffen, und als er sich daselbst große Schätze erworben, wiederum nach Korinth zurückkehren wollen. Nun habe er bei seinem Abgang von Tarent, weil er Niemanden mehr als den Korinthiern traute, ein Fahrzeug von Korinthischen Männern gemiethet. Diese jedoch machten auf der See den Anschlag, den Arion auszuwerfen, und seine Schätze zu behalten. Als Jener dessen inne wurde, habe er sie angefleht, und mit Preisgebung seiner Schätze das Leben sich erbitten wollen. Allein damit habe er kein Gehör bei ihnen gefunden; vielmehr geboten ihm die Schiffleute, entweder sich selbst zu entleiben (dann könne er ein Grab auf dem Lande erlangen), oder alsbald in's Meer zu springen. So auf's Aeußerste bedroht, habe Arion sich ausgebeten, weil es von ihnen also beschlossen sey, möchten sie ihm gestatten, im ganzen Schmuck auf die Ruderbänke sich hinzustellen und zu singen; wenn er aber gesungen, versprach er, sich selbst ein Ende zu machen. Und Jene voll Freude, den trefflichsten Sänger der Menschen zu hören, wichen aus dem hintern Raum in die Mitte des Schiffes zurück. Er aber habe sich mit dem ganzen Schmuck angethan, die Zither in der Hand, auf die Ruderbänke gestellt und die hohe Weise 21 durchgesungen, und als die Weise zu Ende ging, sich selber, wie er war, mit dem ganzen Schmuck in's Meer geworfen. Jene seyen hierauf nach Korinth geschifft, ihn aber habe ein Delphin, sagen sie, auf den Rücken genommen und nach Tänarus getragen. Da sey er an's Land gestiegen, und in seinem Schmuck nach Korinth gezogen, woselbst er die ganze Geschichte erzählte. Periander jedoch habe aus Unglauben den Arion selbst in Gewahrsam gehalten, ohne ihn zu entlassen, auf die Fahrmänner aber Acht gehabt; und wie sie denn da waren, sie berufen und sich erkundigt, ob sie von Arion etwas zu sagen hätten. Da sie nun behaupteten, er wäre wohlbehalten in Italien, und sie hätten ihn bei gutem Befinden zu Tarent verlassen, sey vor ihnen Arion erschienen, ebenso, wie er über Bord gesprungen war. Da hätten sie, betroffen und überwiesen, es nicht länger ableugnen können. Dieses sagen denn die Korinthier rammt den Lesbiern; auch ist von Arion ein Weihgeschenk aus Erz, und nicht groß, bei Tänarus, ein Mann auf einem Delphin.

(Alyattes 560 vor Chr.)

25. Aryattes aber, der Lydier, hat den Milesischen Krieg hinausgeführt und darauf sein Leben geendigt; er war König siebenundfünfzig Jahre. Auf die Errettung aus seiner Krankheit weihete er, der Zweite aus diesem Hause, nach Delphi einen großen Mischkrug von Silber mit einem Untersatz von eingelöthetem Eisen, welcher sehenswürdig ist vor allen Delphischen Weihgeschenken; ein Werk des Glankus von Chios, der auch allein unter allen Menschen die Eisenlöthung erfunden hat.

(Krösus, geb. 595 vor Chr. König 560.)

26. Nach dem Ende des Alyattes folgte ihm sein Sohn Krösus auf den Königsthron, in einem Alter von fünfunddreißig Jahren, welcher nun die Hellenen, und zuerst die Ephesier angriff. Eben damals, als sie von ihm belagert wurden, weihten die Milesier ihre Stadt der Artemis, indem sie vom Tempel ein Seil bis an die Mauer zogen. Das ist aber, zwischen der alten Stadt, die dazumal belagert ward, und dem Tempel, lieben Stadien. Auf Diese also machte Krösus den ersten Angriff, darauf nach der Reihe auf alle Ionier und Aeolier; bei jedem unter einem andern Vorwand; hie und da mit einer erheblichen Beschuldigung, wo er so etwas aufbringen konnte, sonst wohl auch mit nichtigen Vorwürfen.

27. Und als ihm bereits die Asiatischen Hellenen zur Zinsentrichtung unterworfen waren, dachte er weiter darauf, Schiffe zu bauen, und die Inselbewohner anzugreifen. Schon hatte er zum Schiffbau alles in Bereitschaft, als Bias von Priene, wie die Einen sagen, nach Andern aber Pittakus von Mitylene, in Sardes ankam, und von Krösus befragt, was es Neues in Hellas gebe, mit folgender Rede dem Schiffbau ein Ende gemacht habe: "Mein König, die Inselbewohner werben Reiter zu Tausenden, und haben im Sinne, nach Sardes wider dich in's Feld zu ziehen." Worauf Krösus in der Hoffnung, er sage die Wahrheit, erwiedert habe: "Das mögen die Götter den Inselbewohnern in den Sinn geben, auf die Söhne der Lydier zu Roß loszugehen!" Darauf habe Jener das Wort genommen und gesagt: Mein König, wie ich sehe, wünschest du von Herzen, die Inselbewohner im Reitergefecht auf dem Festlande zu treffen, und das in gerechter Hoffnung: nun aber die Inselbewohner erfahren haben, du wollest Schiffe gegen sie bauen, was Anders, meinst du, wünschen Diese, als die Lydier auf dem Meere zu treffen, damit sie Rache an dir nehmen könnten wegen der Hellenen des Festlandes, welche du in Knechtschaft hältst." Dieser Schluß habe dem Krösus sehr gefallen, und darauf hin (denn es dünkte ihm ein wackeres Wort) habe er vom Schiffbau abgestanden. Und so schloß er mit den Ioniern auf den Inseln ein Freundschaftsbündniß.

28. Einige Zeit darauf, nach Unterwerfung fast aller Völker disseits des Halysstromes: denn außer den Ciliciern und Lyciern hielt Krösus alle Uebrigen unter seinem Joch, als da sind: Lydier, Phrygier, Mysier, Mariandyner, Chalyber, Paphlagonier, Thracier (die Thynischen und Bithynischen), Karier, Ionier, Dorier, Aeolier, Pamphylier:

29. Nach Unterwerfung von Diesen und nach solchem Anwachs des Lydischen Reiches durch Krösus, kamen nach Sardes, welches in der Blüthe seines Reichthums stand, alle die Hellenischen Weisen, die zu dieser Zeit gerade lebten, Jeder für sich; darunter auch Solon von Athen, welcher den Athenern auf ihr Geheiß Gesetze gemacht hatte, und zehn Jahre außer Lands gegangen war, vorgeblich, um sich umzusehen auf Reisen, wirklich aber, damit er nicht gezwungen würde, etwas von den Gesetzen aufzulösen, die er gegeben. Denn für sich Dieses zu thun, hatten die Athener nicht Macht; da sie durch große Eidschwüre gebunden waren, daß sie zehen Jahre lang die Gesetze halten wollten, die ihnen Solon gäbe.

30. Eben deßwegen also, und um sich umzusehen, war Solon im Ausland, und kam nach Aegypten zu Amasis, so wie nach Sardes zu Krösus. Hier ward er in der Königsburg gastlich von Krösus aufgenommen; und darauf führten am dritten oder vierten Tag die Diener, auf Krösus Geheiß, den Solon in den Schatzkammern umher, und wiesen ihm all seine großen Glücksgüter. Wie er nun Alles angeschaut und mit Muße betrachtet hatte, fragte ihr Krösus also: "Gastfreund von Athen, wisse, daß zu uns mancherlei Sage gelangt ist über deine Weisheit und deine Fahrten: wie du aus Weisheitsliebe viele Lande besucht hast, um darin dich umzusehen; demnach kommt mich ein Verlangen an, zu fragen: Wer wohl von Allen, die du sahest, der Glücklichste seyn mag?" Diese Frage that er in der Hoffnung, er sey der glücklichste Mensch. Aber Solon schmeichelte nicht, sondern blieb bei der Wahrheit und sagte: "Mein König, Tellus, der Athener." Verwundert über diese Antwort, fragte Krösus hastig: "Wie so denn urtheilst du, daß Tellus der Glücklichste sey?" Darauf sprach er: "Tellus lebte für's Erste in guten Umständen des Staates, und hatte schöne und wackre Söhne, und sah von ihnen allen Kinder aufwachsen und am Leben bleiben; für's Andere ward ihm zu Dem, daß er nach unserm Maßstab in guten Umständen gelebt hat, noch ein herrliches Lebensende zu Theil. Denn in einer Schlacht der Athener gegen ihre Nachbarn in Eleusis, da er mitgefochten und die Feinde in die Flucht geschlagen hatte, starb er auf's schönste. Auch, ward er von den Athenern auf öffentliche Kosten eben da, wo er gefallen, bestattet und hoch geehrt."

31. Mit dieser Geschichte von Tellus reizte Solon den Krösus noch weiter durch das viele Glück, wovon er sprach, so daß er die Frage that: Wer der zweite wäre, den er nach Jenem gesehen habe? Denn er war ganz der Meinung, daß er doch wenigstens den zweiten Preis davon tragen werde. Jener aber sprach: "Kleobis und Biton." Diese nämlich, von Geburt Argiver, hatten genug zu leben, und überdieß eine Leibesstärke, wie folgt. Außerdem, daß sie Einer wie der Andere gekrönte Sieger waren, erzählt man auch folgende Geschichte von ihnen: Bei einem Here-(Juno-)Feste der Argiver mußte ihre Mutter durchaus von einem Gespann in das Heiligthum gezogen werden. Aber die Stiere trafen vom Feld nicht zur Stunde ein, und gedrängt von der Stunde, spannten sich die Jünglinge selbst in das Joch und zogen den Wagen, und führten so auf dem Wagen ihre Mutter. Fünfundvierzig Stadien zogen sie Dieselbe fort, bis sie im Heiligthum ankamen; und nachdem sie Dieß vor den Augen der Festversammlung gethan hatten, ward ihnen das schönste Lebensende zu Theil. Und an ihnen bewies die Gottheit, daß es dem Menschen besser sey, zu sterben, als zu leben. Denn während die umstehenden Argiver die Jünglinge um ihre Stärke selig priesen, und die Argiverinnen ihre Mutter um der Kinder willen, die ihr geworden, trat die Mutter selbst, hocherfreut über die That wie über den Ruhm, vor der. Göttin Bild, mit dem Gebet: dem Kleobis und Biton, ihren Kindern, die sie so hoch geehrt, möchte die Göttin geben, was dem Menschen das Beste sey. Nach diesem Gebete opferten die Jünglinge und schmausten, und entschliefen in dem Heiligthum selbst, und standen nicht wieder auf, sondern fanden so ihr Ziel. Die Argiver aber ließen ihre Bildnisse machen, und weihten sie nach Delphi, in Betracht, daß sie als die besten Männer sich, gezeigt hatten.

32. So erkannte denn Solon den zweiten Preis des Glückes Diesen zu. Da kam Krösus in Eifer und sprach: "Mein Glück, o Gastfreund von Athen, wirfst du so gänzlich weg, wie Nichte, daß du nicht einmal bürgerlichen Männer mich gleich achtest?" Da sprach Jener: "O Krösus, indem du mich fragst über menschliches Leben, vergesse ich nicht, wie das Göttliche so gar neidisch und wankelmüthig ist. Denn in der Länge der Zeit hat Einer Vieles zu sehenund Vieles zu erfahren was er nicht will. Bis auf siebzig.Jahre nämlich setze ich die Gränze des menschlichen Lebenshinaus. Diese siebzig Jahre geben fünfundzwanzigtausend und zweihundert Tage, den Schaltmonat uneingerechnet.Wenn du aber je das andere Jahr um einen Monat länger rechnen willst, damit auch die Jahreszeiten so zusammen gehen, daß sie gehörig zutreffen, so werden das bei siebzig Jahren fünfunddreißig Schaltmonate, und der Tage von diesen Schaltmonaten tausend und fünfzig. Von allen diesen Tagen, die bei siebzig Jahren sechsundzwanzigtausend zweihundert und fünfzig ausmachen, führt kein Einziger ganz die gleiche Begebenheit herbei, wie der Andere. So ist denn, o Krösus, der Mensch eitel Zufall. - Ich sehe nun wohl deinen großen Reichthum, und daß du König bist über viele Leute; aber Das, wornach du mich fragst, sag' ich von dir nicht eher, als bis ich erfahre, du habest deine Lebenszeit schön vollendet. Denn keineswegs ist, Wer großen Reichthum hat, schon glücklicher, als Wer für den Tag auskommt, wofern ihm nicht das Loos zufällt, im Besitz aller seiner Güter das Leben wohl zu endigen. Denn viele gar reiche Dienschen sind unglücklich; Vielen ist ein mäßig Theil beschieden, und sie haben ein gutes Loos. Denn Wer bei noch so großem Reichthum unglücklich ist, hat nur zweierlei vor Dem, welcher ein gutes Loos bat, Dieser aber vor dem Reichen und Unglücklichen Vieles voraus. Der Eine vermag eher eine Begierde zu erfüllen, oder einen großen ihm zustoßenden Schaden zu ertragen; der Andere hat Dieses vor Jenem voraus: Schaden und Begierde ist er zwar nicht eben so vermögend, wie Jener zu tragen; aber Dieß hält sein gutes Loos von ihm ab; dagegen ist er frei von Leibesgebrechen, von Krankheit, von Unglück, gesegnet mit Kindern, mit Schönheit. Und wenn er überdieß sein Leben wohl endigt, dann ist er, wie du Einen suchst, werth, ein Glücklicher zu heißen. Aber bevor er geendigt hat, halte man an sich, und sage nicht: er ist glücklich; sondern: sein Loos ist gut. Dieses indessen Alles zu vereinigen, ist für einen Menschen unmöglich; gleichwie kein Land ausreicht, mit Allem sich selbst zu versehen; sondern Dieß hat es, und eines Andern ermangelt es; nur ist Das, welches am Meisten hat, das beste. So ist denn auch kein Mensch für seine Person vollkommen, und hat er Dieß, so ist er des Andern bedürftig; Wer aber das von am meisten bis an's Ende behält, und sodann das Leben nach Herzenswunsch vollendet, Der ist mir, o König, der Mann, um jenen Namen zu erhalten. Bei jeglichem Ding aber muß man das Ende betrachten, wie es hinausgeht. Denn Vielen hat die Gottheit das Glück nur gezeigt, und sie dann von Grund aus gestürzt."

33. Mit diesen Worten machte er sich dem Krösus gar nicht angenehm; und er entließ ihn auch, ohne nach ihm das Mindeste zu fragen, völlig der Meinung, er sey ein Thor, da er ohne Rücksicht auf die vorhandenen Güter verlangt habe, man solle bei jeglichem Ding auf sein Ende sehen.

34. Nach Solon's Abreise aber kam von Gott große Heimsuchung über Krösus; vermuthlich, weil er sich für den Allerglücklichsten hielt. Im Schlafe nämlich stellte sich ihm auf einmal ein Traum dar, welcher ihn das Unglück sehen ließ, das, wirklich an seinem Sohne geschehen sollte. Krösus hatte aber zwei Söhne, deren Einer elend war durch Taubheit; der Andere aber war unter seinen Gespielen in Allem bei weitem der Erste, mit Namen Atys. Von eben diesem Atys zeigte der Traum dem Krösus an, daß er ihn verlieren werde durch den Wurf eines eisernen Speers. Als er darauf erwachte, und sich Rechenschaft gab, so führte er seinen Sohn, aus Angst vor dem Traume, zuerst einer Frau zu; dann ließ er ihn niemals und bei keiner Gelegenheit mehr, wie er sonst gewohnt war, die Lydier in's Feld führen; Wurfspieße aber und Lanzen, und alles von der Art, was die Menschen zum Kriege brauchen, schaffte er aus den Männergemächern hinaus, und ließ es in den Kammern aufbewahren, damit ihm Nichts von der Wand auf seinen Sohn herabfallen könnte.

35. Wie er aber die Hochzeit seines Sohnes unter Fanden hatte, kommt nach Sardes ein Mann, auf dem ein Unfall haftete, und dessen Hände verunreinigt waren, ein Phrygier von Geburt und von königlichem Geschlecht. Dieser begab sich in Krösus Haus, mit der Bitte um Reinigung nach der Landesbräuchen; und Krösus reinigte ihn. Die Reinigung ist nahezu dieselbe bei den Lydiern, wie bei den Hellenen. Und jetzt, als Krösus das Gebräuchliche gethan hatte, erkundigte er sich von wannen und Wer er wäre, mit den Worten: "Wer bist du, o Mann, und von wannen des Phrygischen Landes bist du gekommen, um ein Schützling an meinem Heerde zu werden? Und Wen hast du, Mann oder Weib, gemordet?" Jener antwortete: "Ich bin, o König, ein Sohn des Gordius, Sohnes von Midas, und heiße Adrastus; aber aus Versehen meines eigenen Bruders Mörder, steh' ich nun hier, verstoßen von meinem Vater und entblößt von Atem." Hierauf antwortete ihm Krösus: "Da bist du befreundeter Männer Abkömmling, und gekommen zu Befreundeten: nun sonst du keines Dinges ermangeln; denn du bleibst bei mir. Je leichter du aber deinen Unfall erträgst, um so besser wird es für dich seyn." So hatte Dieser seinen Aufenthalt bei Krösus.

36. In eben dieser Zeit aber kommt auf dem Mysischen Olymp ein gewaltiges Stück von einem Eber zu Tage. Der lief immer von seinem Berg herunter und zerwühlte die Feldarbeit der Mysier. Wie oft die Mysier auf ihn ausgingen, ihm konnten sie kein Leid authun; aber sie litten von ihm. Endlich kamen Boten von den Mysiern zu Krösus und sagten: "O König, ein ganz gewaltiges Stück von einem Eber hat sich in unsrer Gegend gezeigt, und der zerwühlt unsre Arbeit. Bei'm besten Willen, ihn zu fangen, können wir's nicht. Darum bitten wir dich, deinen Sohn und auserlesene Jünglinge und mitzugeben, damit wir ihn aus unsrer Gegend vertilgen." Dies war ihr Gesuch. Krösus aber, der die Worte des Traumes im Gedächtniß hielt, sagte ihnen darauf: "Meines Sohnes gedenket nicht weiter; denn ich gebe ihn euch doch nicht mit; auch ist er ja ein junger Ehemann, und Das liegt ihm nun ob. Die auserlesenen Lydier indessen mit der ganzen Hundejagd will ich euch mitgeben, Denen, die hingehen, auch befehlen, daß sie auf's eifrigste mit euch suchen, das Bild aus der Gegend zu vertilgen."

37. Dieß antwortete er, und dabei ließen auch die Mysier sich's genügen. Da trat der Sohn des Krösus herzu, welcher das Gesuch der Mysier gehört hatte. Als nun Krösus ihnen den Sohn selbst mitzugeben verweigerte, sprach der Jüngling zu ihm: "Sonst, o Vater, war Das mein Schönstes und Edelstes, auf Krieg und Jagden mit Ehren auszugehen; jetzt aber hast du mir dieß Beides abgeschnitten, ohne an mir eine Feigheit oder eine Fahrläßigkeit gesehen zu haben: und mit welchen Augen soll ich jetzt, wenn ich auf den Markt ausgehe, und vom Markte zurück, mich sehen lassen? Wofür werden die Bürger mich halten? Wofür mein junges Weib? Wofür wird sie den Mann halten, mit dem sie hauset? Darum laß mich entweder auf die Jagd gehen, oder überzeuge mich mit Gründen, daß mir dieß Verhalten besser ist."

38. Darauf antwortete Krösus damit: "Nein, meint Sohn, nicht, weil ich Feigheit oder sonst etwas Mißfälliges an dir gesehen hätte, thu' ich also; sondern es hat sich mir im Schlafe ein Traumgesicht vorgestellt und gesagt, daß dir ein kurzes Leben beschieden sey, weil du durch einen eisernen Speer umkommen werdest. Von diesem Gesichte kommt es her, daß ich eben auch deine Hochzeit betrieben habe, und dich nicht zu dieser Unternehmung fortlasse; weil ich wachen will, dich, wenn ich vermag, für die Zeit meines Lebens durchzubringen. Denn siehe, ich habe nur Einen Sohn, dich; den Andern, der durch das Gehör elend ist, sehe ich nicht an, als hätte ich ihn."

39. Darauf antwortete der junge Mann: "Es ist dir, mein Vater, zu verzeihen, wenn du, auf ein solches Gesicht hin, über mich wachen willst; Was du aber an dem Traume nicht merkst, und dir entgangen ist. Das ist wohl an mir, dir zu sagen. Du sagst wohl, ich werde nach Aussage der Traumerscheinung durch einen eisernen Speer endigen; was hat denn aber ein Eber für Hände, was für einen eisernen Speer, den du fürchtest? Ja, hätte es geheißen, durch einen Zahn werde ich enden oder durch sonst Etwas dergleichen, dann müßtest du freilich Das thun, was du jetzt willst; nun heißt es aber: durch einen Speer. "Da nun also unser Kampf gegen keine Männer geht, so laß mich, ziehen."

40. Da antwortete Krösus: "Wirklich, mein Sohn, wie du das Traumzeichen auslegst, kann ich dir nicht mehr widerstehen. In sofern also bedenk' ich mich anders und lasse dich auf die Jagd gehen."

41. Nach diesen Worten ließ Krösus den Phrygier Adrastus holen, und sagte ihm, als er da war, Dieses: "Adrastus, ich habe dich, da du von einem bittern Unfall getroffen warst (den ich dir aber nicht vorwerfen will), rein gemacht, in mein Haus aufgenommen, und bisher mit allem Bedarf versehen: so sollst du mir jetzt mit Gutem vergelten, was ich Gutes zuvor an dir gethan, und ich bitte dich, Hüter meines Sohnes zu seyn, der sich zu einer Jagd aufmacht; daß nicht auf dem Wege frevelhafte Räuber zu eurem Verderben Hervorbrechen. Auch ist es so dir selbst anständig, dahin zu gehen, wo du dich durch Thaten verherrlichen kannst; bist du doch, dazu geboren, und überdieß mit Stärke ausgerüstet."

42. Darauf antwortete Adrastus: "Außerdem, o Konig, wär' ich wohl nie zu einem solchen Kampfspiel gegangen. Denn Wer einen solchen Unfall gehabt, dem ziemt es weder, unter andere glückliche Jünglinge zu gehen, noch hat er Lust dazu; und ich hätte mich auf alle Art zurückgezogen. Jetzt aber, da du es heischest, und meine Pflicht ist, dir gefällig zu seyn (denn wohl roll ich dir Gutes mit Gutem vergelten), bin ich, Dieß zu thun, bereit. Und von deinem Sohne, zu dessen Hut du mich aufforderst, versieh dich, so viel am Hüter liegt, einer glücklichen Heimkehr."

43. Als denn Dieser dem Krösus also geantwortet hatte, zogen sie aus, wohl versehen mit auserlesenen Jünglingen, wie mit Hunden. Sie kamen an den Olympusberg, suchten das Wild, und, wie sie dasselbe aufgebracht hatten, umstellten sie's im Kreise und schleuderten darnach ihre Wurfspieße. Da geschah es, daß der Gastfreund, eben jener vom Morde Gereinigte, mit Namen Adrastus, nach dem Eber warf, diesen aber fehlte, dagegen den Sohn des Krösus traf, welcher vom Speer durchbohrt, die Aussage des Traumes erfüllte. Und eilends ging Einer ab, dem Krösus das Geschehene zu verkünden, kam nach Sardes und machte ihm Anzeige von dem Kampf und dem Geschick seines Sohnes.

44. Krösus, vom Tode seines Sohnes durch und durch erschüttert, empfand es darum noch ärger, weil ihn Der getödtet, den er selbst vom Mord gereinigt hatte. Da rief er im größten Jammer über den Unfall zu Zeus, dem Reiniger, als Zeigen Deß, was er vom Gastfreund erlitten habe, und rief zur Gottheit des Heerdes und der Freundschaft mit dem Namen desselben Gottes; und zwar zur Gottheit des Heerdes, weil er in dem Gastfreund, welchen er in's Haus nahm, den Mörder reines Sohnes unbewußt gepflegt, zum Gott der Freundschaft aber, wiefern er in Ebendem, welchen er als Hüter mitgab, den gefährlichsten Feind erkennen mußte.

45. Hierauf trugen die Lydier den Leichnam heran, und hinten folgte ihm der Mörder. Dieser blieb bei dem Leichnam stehen und überantwortete sich dem Krösus, indem er die Hände ausstreckte und bat, daß er ihn hinschlachten möge zu dem Leichnam; wobei er auch von seinem frühern Unfall sagte, und wie er nun, zu Diesem, seines Reinigers Verderber sey, und nicht mehr leben könne. Als Krösus Dieses hörte, jammerte ihn des Adrastus mitten in seinem so großen häuslichen Unglück; und er sagte zu ihm: "Du hart mir, mein Gastfreund, schon sattsam gebüßt, da du dich selbst des Todes schuldig achtest. Auch bist nicht du mir schuldig an diesem Unglück, außer wiefern du ohne Willen der Thäter warst; sondern von den Göttern irgend Einer, der auch, ehe mir vorher bezeichnet hat, Was geschehen sollte. Krösus bestattete nun seinen Sohn nach der Gebühr; aber Adrastus, des Gordius Sohn, Sohnes von Midas, der also reines Bruders Mörder geworden war und der Mörder reines Reinigers, ließ es erst leer von Menschen und stille werden um das Grabmal; dann betrat er den Hügel, und indem er sich unter den Menschen, von denen er wußte, für Den erkannte, den das Schicksal am schwersten geschlagen, schlachtete er sich selber auf dem Grabe. Krösus aber lag zwei Jahre lang in tiefer Trauer über den Verlust reines Sohnes.

46. Darauf machte der Sturz des Astyages, Sohnes von Cyaxares, durch Cyrus, Cambyses Sohn, und der Anwachs des Persischen Staates der Trauer des Krösus ein Ende, und brachte ihn in Sorge, wie er, ehe die Perser zu groß würden, ihrer wach senden Macht begegnen könnte. In Folge dieser Erwägung erforschte er alsbald die Orakel der Hellenen, wie auch das Libysche; und sandte Boten nach allen Seiten: die Einen nach Delphi, Andere nach dem Phocischen Abä, Andere nach Dodona; auch wurden zu Amphiaraus und Trophonius welche gesandt, und Andere zu den Branchiden im Milesischen. Das sind die Hellenischen Orakel, zu welchen Krösus um Weissagung schickte. Aber auch in Libyen bei Ammon rollten Andere einen Gottesspruch verlangen. Er wollte nämlich darum die Orakel erforschen, was sie wüßten, um dieselben, wenn sich fände, daß sie die Wahrheit wissen, zum andermal befragen zu lassen, ob er einen Heereszug gegen die Perser unternehmen solle.

47. Und er gab den Lydiern, die er zur Erprobung der Orakel aussandte, der Auftrag, von dem Tage ihres Abganges aus Sardes die weiteren Tage zu zählen, und am hundertsten Tag den Gottesspruch einzuholen, mit Vorlegung der Frage: Was gerade der König der Lydier mache, Krösus, Alyattes Sohn? Wie dann jegliches Orakel die Gottesstimme ertheilen würde, sollten sie dieselbe aufgeschrieben ihm mitbringen. Nun hört man von den Stimmen der übrigen Orakel nirgends Etwas; aber in Delphi waren kaum die Lydier, um den Gottesspruch einzuholen, in die Halle getreten, und hatten die aufgetragene Frage vorgelegt, als die Pythia im sechsfüßigen Versmaße also sprach:

Wahrlich, ich weiß des Sandkorns Zahl- und die Maße des Meeres,

Höre den Stummen auch, und auch Lautlose vernehm' ich.

Duft erfüllt mir die Brust von der hartumpanzerten Schildkröt',

Welche, zugleich mit des Lammes Fleisch, im Erze gekocht wird;

Ihr zum Boden gelegt ist Erz, und Erz ist darüber.

48. Diese Gottesstimme schrieben die Lydier aus dem Munde der Pythia auf, und machten sich gleich auf den Rückweg nach Sardes. Und wie sich auch von allen übrigen Seiten die Abgesandten mit ihren Sprüchen eingefunden hatten, da entfaltete sie Krösus alle und nahm Einsicht von dem Aufgeschriebenen. Von den andern jedoch wollte er gleich nichts mehr wissen; allein als er hörte, wie der Spruch aus Delphi lautete, nahm er ihn sogleich mit Gebet feierlich an und hielt dafür, das einzige Orakel sey das Delphische, weil es ihm enthüllt hatte, was er selbst gethan. Denn eben damals, als er die Gotteskundschafter nach Weissagung verschickte, hatte er des entscheidenden Tages wahrgenommen und Folgendes angestellt, was er sich so ausdachte, wie es zu enthüllen und zu ersinnen nicht menschenmöglich seyn mochte. Eine Schildkröte nämlich und ein Lamm zerhieb er und kochte sie zusammen in einem ehernen Kessel, worauf er auch einen ehernen Deckel setzte.

49. Als Delphi also erhielt Krösus einen solchen Ausspruch; aber wegen der Antwort vom Amphiarausorakel vermag ich nicht zu sagen, was da die Lydier, nach Vollziehung des Tempelgebrauchs, für einen Spruch bekamen. Man hört eben hievon nichts weiteres, als auch hier Krösus dafür hielt, ein untrügliches Orakel gefunden zu haben.

50. Nach Diesem suchte er durch große Opfer des Delphischen Gottes Huld, und zwar vom Opfervieh waren es im Ganzen dreitausend Stück, die er opferte; und von übergoldeten und übersilberten Polstern, von goldenen Schalen und von purpurnen Gewanden und Unterkleidern schichtete er einen großen Haufen empor und verbrannte ihn, in der Hoffnung, den Gott damit noch besonders 311 gewinnen. Zudem ließ er allen Lydiern entbieten, daß sie allesammt opferten, ein Jeder Was er vermöchte. Und wie das Opfer geschehen war, schmolz er ungeheuer viel Gold ein, woraus er Halbziegel formte, welchen er auf die Länge sechs und auf die Breite drei Handbreiten gab, und eine Handbreite Höhe, an der Zahl hundert und siebzehn, und zwar darunter vier aus gediegenem Gold, deren einer dritthalb Talente wog, die übrigen Halbziegel aus weißem Gold, je zwei Talente im Gewicht. Dann machte er eines Löwen Bildniß aus gediegenem Gold, von zehn Talenten im Gewicht. Derselbe Löwe ist, als der Delphische Tempel niederbrannte, von den Halbziegeln herunter gefallen, denn diese waren seine Unterlage; und nun steht er im Schatz der Korinthier, siebenthalb Talente im Gewicht, da vierthalb Talente von ihm abgeschmolzen sind.

51. Alles Dieses sandte Krösus fertig nach Delphi und noch Folgendes: andere zwei der allergrößten Mischkrüge, einen goldenen und einen silbernen; davon hatte der goldene seinen Standort zur Rechten des Eingangs in den Tempel, der silberne zur Linken. Aber auch diese wurden verrückt zur Zeit des Tempelbrandes, und der goldene steht jetzt im Schatz der Klazomenier, und ist im Gewicht nennthalb Talente und zwölf Minen drüber, der silberne aber steht in der Ecke der Vorhalle und faßt sechshundert Amphoren; denn die Delphier mischen darin den Wein vorauf am Fest der Gotteserscheinung. Er sey, behaupten die Delphier, ein Wert des Theodorus von Samos, wofür auch ich ihn halte, da ich wohl sehe, daß es kein alltägliches Wert ist. Noch weihte er vier Fässer von Silber, die in der Korinthier Schatze stehen. Auch zwei Weihkessel sandte er hin, einen goldenen und einen silbernen; wovon auf dem goldenen geschrieben steht: "Von den Lacedämoniern", weil sie ihn für ihr Weihgeschenk ausgeben; was nicht richtig ist, da er ebenfalls von Krösus ist. Darauf geschrieben hat es aber ein Delphier, um sich den Lacedämoniern angenehm zu machen; Dessen Namen ich zwar weiß, aber nicht bemerken will. Der Knabe freilich, durch dessen Hand das Wasser fließt, ist von den Lacedämoniern; hingegen von den Weihkesseln einer so wenig als der andere. Noch sandte Crösus viele unbezeichnete Weihgeschenke zugleich mit diesen; darunter auch rundgearbeitete silberne Kannen und namentlich das goldene Bild eines Weibes von drei Ellen, welches die Delphier für das Bildniß einer Bäckerin des Krösus ausgeben. Endlich weihte Kirösus noch den Halsschmuck reiner Frau, sammt den Gürteln.

52. Dieses sandte er nach Delphi; dem Amphiaraus aber, von dessen Heldenmuth und Schicksal er sich hatte sagen lassen, weihte er einen ganz goldenen Schild und ebenso eine schwere, ganz goldene Lanze, woran nämlich nicht nur die Spitze, sondern auch der Schaft von Gold war, welches beides noch zu meiner Zeit in Theben aufbewahrt wurde; und zwar im Thebischen Tempel des Ismenischen Apollo.

53. Denjenigen Lydiern, welche diese Geschenke nach den Tempeln bringen sollten, gab Krösus an die Orakel die Frage auf: "ob er gegen die Perser in's Feld ziehen solle und was für ein Freundesheer er etwa dazu gewinnen dürfe?"Als aber die Lydier da angekommen waren, wohin sie ausgesandt worden, und die Weihgeschenke dargebracht hatten, holten sie die Sprüche der Orakel mit solchen Worten ein: "Krösus, der Lydier und anderer Völker König, welcher dafür hält, daß hier die einzigen Orakel auf Erden seyen, wollte euch würdige Geschenke geben für eure Enthüllungen; und nun befragt er euch, ob er in's Feld ziehen soll gegen die Perser, und was für ein Bundesheer er etwa dazu gewinnen dürfe? Dieß war die Frage, die sie vorlegten; beider Orakel Stimmen aber liefen auf Dasselbe hinaus, nämlich auf die Vorhersagung, Krösus werde, wenn er gegen die Perser in's Feld ziehe, eine große Macht vernichten. Er solle aber, riethen sie ihm, die Mächtigsten unter den Hellenen ausfindig machen und zu Freunden gewinnen.

54. Und als die Göttersprüche überbracht und dem Krösus kund gethan waren, hatte er große Freude über die Orakel; und in voller Hoffnung, er werde das Königreich des Cyrus vernichten, sandte er abermals nach Pytho und beschenkte die Delphier, deren gesammte Zahl er sich hatte sagen lassen, Mann für Mann mit zwei Goldstatern. 22 Dagegen gegen gaben die Delphier dem Krösus und den Lydiern das Vorrecht an die Orakelstimme, Steuerfreiheit und den Vorsitz, und Jedem, wenn er wolle, das Bürgerrecht in Delphi auf alle Zeiten.

55. Nach seiner Schenkung an die Delphier holte nun Krösus den dritten Ausspruch ein. Denn seit er einmal auf die Wahrhaftigkeit des Orakels gekommen war, trieb er’s damit unmäßig. Nun fragte er um einen Ausspruch darüber: "ob seine Alleinherrschaft lange dauern werde?" Und die Pythia that ihm folgenden Spruch:

Doch wenn ein Maulthier König dereinst in Medien seyn wird,

Dann, weichfüßiger Lyder, zum kiesreichströmenden Hermus

Fleuch, und sträube dich nicht, noch scheu' ein feiges Betragen.

56. Ueber diese Worte, wie sie dießmal einliefen, freute sich Krösus bei weitem am allermeisten, in Hoffnung, ein Maulthier werde nimmermehr statt eines Menschen König der Medier seyn, und so weder er selbst, noch seine Nachkommen jemals der Herrschaft entsetzt werden. Nach Diesem war seine Sorge, zu erkunden, Welche unter den Hellenen die Mächtigsten seyen, die er zu Freunden gewinnen möge. Und bei dieser Erkundigung fand er, daß sich die Lacedämonier und die Athener hervorthun, jene vom Dorischen, diese vom Ionischen Stamm (denn das waren die gesonderten Hauptstämme in der alten Zeit): Letztere ein Pelasgisches Volk, das zu keiner Zeit seine Sitze verließ; Erstere ein Hellenisches und gar viel gewandertes Volk. Denn Dieses bewohnte unter seinem König Deucalion das Land Phthiotis, darauf unter Dorus, Hellen's Sohn, die Gegend am Ora und Olympus, welche Histiäotis heißt; und darauf, alt es aud Histiäotis von den Eadmeern vertrieben warb, wohnte es am Pindus, und hieß das Macedonische Bott. Bon da ging es wiederum weiter in das Land Dryopis ; und wie es nun don Dryopis in den Peloponnes gezogen war, ward es das Dorische genannt.

57. Welch eine Sprache aber die Pelasger redeten, bin ich nicht im Stand bestimmt anzugeben; doch wenn es erlaubt ist, einen Schluß zu ziehen nach den noch jetzt vorhandenen Pelasgern, den Einwohnern der Stadt Kreslon oberhalb der Tyrrhener 23 (die einst Grenznachbarn der jetzt so genannten Dorier waren und damals das Land bewohnten, das jetzt Thessaliotis heißt), so wie nach den Pelasgern, die Pracia und Scylace am Hellespont angebaut haben (welche einst Mitwohner der Athener geworden), 24 und überhaupt nach all den Pelasgischen Städten, deren Namen in andere übergingen: wenn man nach Diesen seinen Schluß ziehen soll, so hatten die Pelasger eine Barbarische Sprache. Und wenn nun Dieses bei dem ganzer Pelasgischen Stamm also war, so hat der Attische, als zum Pelasgischen gehörig, mit Feinem Uebergang zu den Hellenen auch eine andere Sprache erlernt. Stimmen doch wirklich die Krestoniaten mit keinen ihrer jetzigen Nachbarn in der Sprache zusammen, und auch die Placianer nicht, während sie untereinander darin zusammen stimmen; und es ist offenbar, daß sie die Mundart, welche sie bei ihrer Uebersiedlung in jene Gegenden mitbrachten, noch ebenso bewahren.

58. Was nun den Hellenischen Stamm und reine Sprache Betrifft, so hat er wohl, wie mir einleuchtet, seit seiner Entstehung immerdar dieselbe beibehalten. Nämlich geschieden vom Pelasgischen und an sich schwach, ist er aus einem kleinen Ursprung angewachsen zu einer Gesammtheit vieler Völker, vornämlich durch starten Hinzutritt anderer Barbarischer Völkerschaften. Dagegen hat, wie es mir wiederum scheint, der Pelasgische Stamm, ein Barbarischer, niemals großen Anwachs bekommen.

(Pisistratus, Tyrann von Athen, 561 - 528.)

59. Von diesen Völkern nun war das Attische, wie Krösus vernahm, unterdrückt und in Spaltungen getheilt durch Pisistratus, Hippocrates Sohn, der zu dieser Zeit Herr von Athen war. Dem Hippocrates nämlich, einem bürgerlichen Manne, geschah an den Olympischen Spielen, wo er zuschaute, ein großes Zeichen. Wie er nämlich seine Opfer schlachtete, fingen die, aufgestellten Kessel, die von Fleisch und Wasser voll waren, ohne Feuer zu sieden an und überzulaufen. Nun gab Chilon, ein Lacedämonier, der gerade dabei war und das Zeichen schaute, dem Hippocrates für's Erste den Rath, Bein fruchtbares Weib heimzuführen, wofern er Das aber schon habe, für's Andere, das Weib zu verstoßen; endlich, wofern er schon einen Sohn habe, sich von demselben loszusagen. Allein auf dieses Anrathen des Chilon habe Hippocrates nicht hören wollen; darauf sey ihm Pisistratus geboren worden. Und als in Athen das Küstenvolk die Plattländer sich wider einander zusammenrotteten (Jenes mit Megables, Alkmäon's Sohn, die Plattländer mit Eycurgus, Aristolaides Sohn, an der Spitze), trachtete eben dieser Pisistratus nach der Herrschaft und stiftete eine dritte Rotte. Als er diese zusammengebracht und dem Namen nach dem Bergvolke vorstand, stellte er Folgendes an. Er verwundete sich und seine Maulthiere; dann fuhr er mit seinem Gespann auf den Markt, als wäre er seinen Feinden entflohen, die ihn nur eben auf dem Weg nach dem Felde hätten ermorden wollen ; und nun bat er das Volk, es möchte ihm eine Wache zukommen lassen. Freilich hatte er sich auch zuvor, als Anführer gegen die Megareer, Ehre erworben, Nisäa eingenommen und andere große Thaten ausgeführt. Das Athenische Volk ließ sich täuschen und wählte ihm eigene Männer von der Stadt aus, die nun zwar keine Lanzenträger, aber doch Keulenträger des Pisistratus wurden; denn mit Holzkeulen folgten sie hintennach. Jetzt lieben sich Diese von Pisistratus mit aufwiegeln und nahmen die Burg; und sofort herrschte Pisistratus über die Athener, ohne jedoch die vorhandenen Würden umzustoßen, noch die Satzungen abzuändern; sondern verwaltete die Stadt nach dem bestehenden Recht in der schönsten Ordnung.

60. Es dauerte aber nicht lange, so wurde die Rotte des Megakles und die des Lycurg eines Sinnes, und sie vertrieben ihn. So hatte Pisistratus Athen zum erstenmal gewonnen, und so verlor er die Herrschaft, noch ehe sie recht festgewurzelt war. Aber die Vertreiber des Pisistratus roteten sich wieder auf ein Neues gegen einander zusammen. Da ließ Megakles, als ihn der Parteizwist allenthalben umtrieb, durch einen Herold dem Pisistratus anbieten, ob er seine Todter zur Frau nehmen wolle, mit Einbeding der Herrschaft. Und als Pisistratus den Vorschlag annehmlich fand und auf die Bedingung einging, stellten sie zum Behuf seiner Rückkehr bei weitem die einfältigste Geschichte an, die ich mir denken kann; während doch schon vorlängst der Hellenische Stamm vom Barbarischen, als geschichter und weiter entfernt von thörichter Einfalt, unterschieden wurde. Und nun haben Jene damals gar bei den Athenern, welche an Klugheit die Ersten unter den Hellenen heißen, Folgendes angestellt: In dem Päanischen Sau war ein Weib mit Namen Phya, in der Größe von vier Eden, weniger drei Finger, und sonst wohlgebildet. Dieses Weib thaten sie mit völliger Waffenrüstung an, setzten sie auf einen Wagen, und wiesen ihr die Haltung, in der sie sich am würdigsten ausnehmen möchte. So fuhren sie in die Stadt unter dem Vorausgang anmeldender Herolde, welchen aufgegeben war, mit ihrer Ankunft in die Stadt aufzurufen: "Athener, empfanget mit guter Gesinnung den Pisistratus, den die Göttin von Athen selbst am höchsten unter allen Menschen ehrt und in eure Burg wieder einführt." Dieß riefen sie allenthalben aus; und alsbald kam in die Gauen ein Gerücht: Athene führt den Pisistratus wieder ein; die Städter aber glaubten wirklich, das Weib sey die Göttin selbst, beteten das Menschenbild an, und nahmen den Pisistratus auf.

61. Als auf die besagte Art Pisistratus wieder zur Herrschaft gelangt war, heirathete er, nach seiner Uebereinkunft mit Megakles, dessen Tochter. Weil er aber herangewachsene Söhne schon hatte, und es auch von den Alkmäoniden hieß, sie stünden im Fluch, 25 wollte er keine Kinder von der neuvermählten Frau bekommen, und wohnte ihr nicht nach der Ordnung bei. Nun verbarg es zuerst die Frau; hernach aber, vielleicht auf Befragen, vielleicht ohne Das, verräth sie es ihrer Mutter, und diese ihrem Manne. Den griff es arg an, von Pisistratus so verunehrt zu werden; und in seinem Zorn ging er hin und söhnte sich mit der feindlichen Rotte aus. Pisistratus merkte aber, was man auf ihn anlege, und entwich völlig aus dem Lande. Ja Eretria, wohin er kam, berathschlagte er sich nun mit seinen Söhnen; und da Hippias die Meinung durchsetzte, daß sie die Herrschaft wieder erwerben sollten, so sammelten sie nun Beisteuern aus den Städten, wo solche ihnen irgend aus Dank ergeben was sey; da denn unter Vielen, welche große Mittel darreichten, die Thebaner mit ihrer Gabe Alle überboten. Hernach, um nicht viel Worte zu machen, verging einige Zeit: da hatten sie Alles zur Heimkehr zugerichtet. Denn nicht nur kamen Argivische Söldner aus dem Peloponnes; es war auch freiwillig ein Naxier gekommen, Lygdamis mit Namen, welcher für sie allen Eifer anwandte mit Herbeischaffen von Mitteln und Männern.

62. Es war im eilften Fahr, daß sie von Eretria aus zurückkamen; und das Erste, was sie in Attika nahmen, war Marathon. In das Lager, welches sie daselbst hatten, kamen auch aus der Stadt die Leute von ihrer Rotte, und andere strömten aus den Gauen herzu, welchen die Herrschaft willkommener war, als Freiheit. Diese kamen also zu Hauf. Aber die Athener in der Stadt, welche, so lange Pisistratus die Mittel sammelte, und auch, als er schon Marathon nahm, nichts darnach gefragt hatten, erfuhren jetzt, er breche schon von Marathon nach der Stadt auf; und nun erst zogen sie gegen ihn zur Wehre. Sie gingen mit dem Heerbann auf die Heimkehrenden los; und Pisistratus mit den Seinigen, welche von Marathon her gegen die Stadt anrückten, traf am Heiligthum der Pallenischen Athene mit ihnen zusammen, und lagerte sich, ihnen gegenüber. Da erschien vor Pisistratus, durch göttliche Sendung, Amphilytus, der Acarnane, ein Wahrsager, der zu ihm trat und im sechsgliedrigen Versmaße folgenden Spruch that: Ausgehängt ist das Netz und gespannt in die Breite das Fanggarn; Bald schießt Thunfischvolk einher in der leuchtenden Mondnacht.

63. Diesen Ausspruch that er gottbegeistert; und Pisistratus, der die Weissagung begriff, erklärte, er nehme an, was ihm geweissagt sey, und führte das Heer hinaus. Aber die Athener aus der Stadt waren jetzt gerade zum Frühstück gegangen, oder, Wer schon gefrühstückt hatte, hier zum Würfelspiel, dort zum Schlafen. Nun fiel sie Pisistratus mit den Seinigen an, und die Athener wurden geschlagen. Wie fie aber flohen, wandte Pisistratus einen klugen Kunstgriff an, damit sich die Athener nicht mehr sammelten, sondern zerstreut blieben. Er ließ seine Söhne zu Pferd steigen und voraneilen; und als sie die Flüchtigen einholten, sagten sie ihnen nach Pisistratus Auftrag, sie sollten getrost seyn, und ein Jeder seines Weges nach Haus gehen.

64. Diesem leisteten die Athener Folge; und so nahm denn Pisistratus Athen zum drittenmal ein, und wurzelte sich, nun erst in der Herrschaft fest durch viele Hülfstruppen und Zuflüsse von Mitteln, deren ein Theil aus dem Lande selbst, ein Theil vom Strymonfluß einging; auch durch Geisseln, wozu er für diejenigen Athener, die standhaft geblieben und nicht sogleich geflohen waren, ihre Söhne nahm, und auf Naxos versetzte (denn auch diese Insel hatte er sich gewaltsam unterworfen und dem Lygdamis übergeben); endlich durch Reinigung der Insel Delos kraft erhaltener Göttersprüche. Diese Reinigung vollzog er also: So weit der Gesichtskreis des Tempels reichte, grub er aus dem ganzen Feld die Todten aus und verlegte sie in ein anderes Feld der Insel. Pisistratus war also Herr zu Athen; ein Theil der Athener aber war in der Schlacht gefallen, und ein anderer mit dem Sohn Alkmäon's aus der Heimath geflohen.

(Lycurg, Gesetzgeber der Lacedämonier, 884.)

65. Ueber die Athener also vernahm Krösus solche Kunde von ihren dermaligen Umständen, über die Lacedämonier dagegen, daß sie aus großen Uebeln sich herausgezogen, und bereits in ihrem Kriege die Oberhand über die Tegeaten gewonnen hatten. Denn unter König Leon und Hegesikles von Sparta hatten die Lacedämonier, in ihren sonstigen Kriegen glücklich, bei den Tegeaten allein Anstoß gelitten. Und in der vorhergehenden Zeit waren sie beinahe unter allen Hellenen in der schlechtesten Verfassung, unverträglich sowohl unter sich, als gegen Fremde. Davon gingen sie nun so zur Ordnung über. Lycurgus, ein ehrenhafter Spartiate, kam nach Delphi vor das Orakel, und gleich bei seinem Eintritt in die Halle sprach die Pythia:

O Lycurgus, du kommst zu meinem gesegneten Tempel,

Theuer dem Zeus und Allen zumal den Olympusbewohnern.

Ob ich als Gott dich deute, befrag' ich mich, ob als Menschen;

Mehr doch findet in dir den Gott mein Sinn, o Lycurgus!

Nun sagen Einige, Pythia habe ihm überdieß die jetzt unter den Spartiaten bestehende Anordnung angegeben; wie aber die Lacedämonier selbst sagen, so hat Dieß Lycurgus, als Vormund des Leobotes, seines Bruderssohnes und Königs der Spartiaten, aus Kreta gebracht. Denn sobald er Vormund geworden war, setzte er alle Einrichtungen auf einen andern Fuß, und wachte darüber, daß sie nicht übertreten würden. Hernach setzte er im Kriegswesen die Geschwornenschaar, 26 die Dreißigerzahl und die Mahlgemeinschaft 27 fest. Und ausserdem stellte Lycurg die Aufseher (Ephoren) und Alten auf.

66. So trat bei ihnen eine bessere Ordnung ein. Dem Lycurgus stifteten sie aber nach seinem Tod ein Heiligthum, und verehren ihn hoch und heilig. Und bei der Güte des Landes und ihrer nicht geringen Bevölkerung wuchsen sie alsbald auf, and blühten in ihrer Kraft. Ja, es genügte ihnen schon nicht mehr, ruhig zu bleiben; sondern in hoher Meinung, sie seyen der Arcadier Meister, fragten sie bei'm Orakel in Delphi um das ganze Land der Arcadier an; worauf die Pythia ihnen den Ausspruch that:

Um Arcadien bittest du mich? Ist viel. Ich versag' es.

In Arcadien sind viel eichelspeisende Männer,

Welche dir Einhalt thun. Doch ich bin dir ferne von Mißgunst.

Tégea geb' ich: du wirst reih'nweise den Fuß drauf pressen,

Wirst mit der Feldschnur dort das schöne Gefild ausmessen.

Wie Dieses den Lacedämoniern ausgerichtet wurde, ließen sie von den andern Arcadierg sich zurückhalten; aber gegen die Tegeaten zogen sie mit Fesseln in's Feld, im Vertrauen auf den zweideutigen Spruch, als würden sie gewiß die Tegeaten zu Knechten machen. Da sie aber im Treffen unterlagen, mußten Alle, die lebendig gefangen wurden, Arbeit thun, und dabei die Fesseln tragen, die sie selbst mitgebracht hatten, wie auch mit der Feldschnur das Gefild der Tegeaten ausmessen. Und eben diese Fesseln, mit denen sie gebunden wurden, waren noch zu meiner Zeit aufbehalten in Tegea, wo sie rings am Heiligthum der Athene Alea hingen.

67. In diesem frühern Krieg also kämpften sie beständig mit Unglück gegen die Tegraten; zu Krösus Zeit aber, unter den Königen in Lacedämon, Anaxandrides und Ariston, hatten bereits die Spartiaten die Oberhand im Kriege gewonnen, und Das auf solche Art. Weil sie immer in diesem Krieg den Tegeaten unterlagen, schickten sie heilige Gesandte nach Delphi, mit der Frage, welches Gottes Gunst sie erwerben müßten, um im Kriege die Oberhand über die Tegeaten zu gewinnen. Da gab ihnen die Pythia den Spruch: "wenn fie Orestes Gebeine, des Sohnes von Agamemnon, sich verschafften." Nun konnten sie aber die Grabstätte des Orestes nicht finden, sandten also des alten Weges an den Gott, um das Feld zu erfragen, in welchem Orestes liege. Und auf diese Frage der Gesandten antwortete Pythia Dieses:

Wo die Arcadische Tégea liegt auf räumigem Blachfeld,

Allda brausen der Winde zwei in gewaltigem Nothbann;

Schlag und erwiedernder Schlag ist da, und Uebel auf Ueber.

Allda birgt Agamemnon's Sohn die Beleberin Erde.

Holst du ihn wieder, so wird dein Arm in Tegea stark seyn.

Auch durch diese Antwort waren die Lacedämonier um nichts weniger ferne von seiner Auffindung, trotz allem Nachforschen; bis endlich Lichas, ein Spartiate von den sogenannten Braven, zu dem Funde kam. Diese Braven sind Bürger aus der Stadt und ie die Aeltesten vom Ritterstande, aus welchem sie alljährlich zu Fünfen austreten. Dieselben müssen, in diesem Jahr ihres Austritts aus dem Ritterstande, vom Spartanischen Staat sich verschicken lassen, ohne daß Einer da oder dort weilen dürfte.

68. Einer von Diesen also war Lichas, welcher in Tegea den Fund that, sowohl durch Glück, als durch Verstand. Et hatte nämlich zu dieser Zeit Verkehr mit den Tegeaten Statt; da kam er in eine Schmiede und schaute zu, wie das Eisen getrieben wurde, und verwunderte sich dessen. Als nun der Schmied seine Verwunderung bemerkte, hörte er an seiner Arbeit auf und redete ihn an: "Höre, Freund Laconier, ich meine wohl, hättest du gesehen was ich, du würdest dich wohl stark verwundert haben; wenn du dir hier schon ein solches Wunder aus der Schmiedearbeit machst. Ich wollte nämlich da in dem Hof einen Brunnen machen, und stieß unter'm Graben auf einen Sarg von sieben Ellen Länge. Und wegen des Unglaubens, den ich hatte, daß die Menschen keiner Zeit größer gewesen, als die jetzigen, öffnete ich, denselben und sah den Todten, daß er an Länge dem Sarge gleich kam. So habe ich's gemessen und dann zugeschüttet."Der sagte also, was er gesehen hatte; der Andere aber faßte zu Sinn, was er hörte und schloß, das sey Orestes nach dem Gottesspruch. Und er schloß es daraus, weil er bei dem Schmied zwei Bälge sah, worin er die Winde fand, im Ambos und Hammer aber den Schlag und den erwiedernden Schlag, und in dem Eisen, wie es getrieben ward, das Uebel auf Uebel; insofern er erwog, wie das Eisen zum Unglück des Menschen aufgefunden sey. Das war sein Schluß, und nach Sparta zurückgekehrt, erzählte er den Lacedämoniern die ganze Sache. Diese brachten aus erdichtetem Vorwand Klage wider ihn vor, und verstießen ihn. Da kam er nach Tegea, wo er sein Schicksal dem Schmied erzählte und von ihm seinen Hof miethen wollte, der ihn aber nicht hergab. Indessen mit der Zeit beredete er ihn doch, und kam da in Wohnung. Nun grub er das Grab auf, sammelte die Gebeine und ging damit fort nach Sparta. Und so oft sie seit dieser Zeit sich im Kriege aneinander versuchten, hatten die Lacedämonier bei weitem die Oberhand. Bereits war ihnen auch der größte Theil des Peloponnes unterworfen.

69. Das Alles erfuhr nun Krösus, und schickte Abgesandte nach Sparta mit Geschenken und der Bitte um einen Waffenbund, wobei er ihnen aufgab, was sie zu sagen hätten. Sie gingen hin und sagten: "Im Namen Krösus, des Königs der Lydier und anderer Völker, höret, ihr Lacedämonier: Weil mir der Gott gesprochen hat, daß ich die Hellenen zu Freunden gewinnen soll, und wiefern ich vernehme, daß ihr voraustehet in Hellas, so spreche ich euch hiemit, gemäß dem Orakel, an, in der Absicht, Freund mit euch zu werden und Streitgenosse, sonder Trug und Falsch." Das also ließ ihnen Kröfus durch seine Herolde kund thun. Die Lacedämonier aber, die auch schon den Götterspruch gehört hatten, welcher dem Krösus geworden war, freuten sich über die Ankunft der Lydier und machten ein Bündniß auf Freundschaft und Streitgenossenschaft. Auch waren sie ja dem Krösus durch Dienste verbunden, die er schon früher ihnen erzeigt hatte; denn als die Lacedämonier nach Sardes geschickt hatten, um Gold zu einem Bilde zu kaufen, das jetzt in Lacouien auf dem Thornar steht, und den Apollo vorstellt, da schenkte ihnen Krösus den Kauf.

70. Deßwegen nahmen also die Lacedämonier den Waffenbund an, und weil er sie vorzugsweise vor allen Hellenen zu Freunden erkor. Nun standen sie ihm nicht nur zum Aufruf bereit, sondern ließen auch einen ehernen Mischkrug, der am äußern Rand voller Gebilde und von einer Größe war, daß er dreihundert Amphoren faßte, als ein Gegengeschenk an Krösus abgehen. Dieser Mischkrug kam nicht nach Sardes; wovon man zweierlei Ursachen hört, wie folgt. Die Lacedämonier sagen, wie man mit dem Mischkrug auf dem Wege nach Sardes gegen das Samische gekommen sey, hätten die Samier es erfahren, wären auf großen Schiffen herangeschifft, und hätten ihn weggenommen; die Samier selbst aber sagen, wie die Lacedämonier mit dem Mischkrug sich verspätet und erfahren hätten, Sardes und Krösus selber sey verloren, hätten sie den Mischkrug in Samos weggegeben; und bürgerliche Leute hätten ihn gekauft, und in's Heiligthum der Here geweiht. Vielleicht möchten denn wohl die Verkäufer, nach ihrer Ankunft in Sparta, gesagt haben, sie seyen von den Samiern beraubt worden. So verhielt es sich mit diesem Mischkruge.

71. Aber Krösus hatte den Sinn des Orakels verfehlt, und unternahm einen Heereszug nach Kappadocien, in der Hoffnung, den Cyrus sammt der Persischen Macht zu stürzen. Während nun Krösus sich zum Feldzug gegen die Perser bereitete, ertheilte ein Lydier, der auch zuvor schon für klug galt, aber von folgender Aeußerung hauptsächlich einen Namen unter den Lydiern bekommen hat (Sandanis war sein Name), dem Krösus solchen Rath: "Mein König, du bereitest dich, gegen Leute zu ziehen, welche lederne Beinkleider und überhaupt den ganzen Anzug von Leder haben; und zur Speise nehmen sie, nicht was sie eben wollen, sondern was sie haben, da sie ein rauhes Land bewohnen; auch genießen sie keinen Wein, sondern trinken Wasser; essen keine Feigen noch sonst etwas Gutes. Nun also, wenn du siegeft, was willst du ihnen nehmen, die ja gar Nichts haben? Wenn du aber besiegt werden solltest, so steh zu, um welche Güter du dich bringst. Denn haben sie einmal unsere Güter gekostet, so werden sie daran hängen bleiben, und nicht zu vertreiben seyn. Ich wenigstens weiß es den Göttern Dank, daß sie nicht den Persern in den Sinn geben, gegen die Lydier in's Feld zu ziehen." Mit diesen Worten fand er bei Krösus kein Gehör. Die Perser hatten nämlich vor ihrer Unterwerfung von Lydien nichts für den Genuß, noch sonst etwas Gutes.

72. Die Kappadocier werden von den Hellenen Syrier genannt; und diese Syrier waren vor der Perser Herrschaft den Mediern unterthan, damals aber der Cyrus. Die Grenze nämlich der Medischen Herrschaft und der Lydischen war der Halysstrom, welcher vom Armenischen Gebirge her durch der Cilicier Land fließt; hernach die Matiener zur Rechten seiner Strömung hat, auf der andern Seite aber die Phrygier, und über Diese hinaus weiter gegen den Nord auf jener Seite die Syrischen Kappadocier begrenzt, zur Linken aber die Paphlagonier. So schneidet der Halysstrom beinahe das ganze Vorderasien ab von dem Meere von Cypern bis zum Pontus Euxinus (schwarzen Meer). Dieß ist der schmalste Hals 28 dieses ganzen Landes, - ein Stück Weges, wozu ein rustiger Mann fünf Tagereisen braucht.

73. Warum aber Krösus gegen Kappadocien zu Felde zog, das geschah nicht nur aus Verlangen nach Landesbesitz und dem Wunsch, seinen Antheil zu vermehren, sondern vornämlich auch im Vertrauen auf das Orakel und in der Absicht, an Cyrus wegen Astyages Rache zu nehmen. Den Astyages nämlich, Cyaxares Sohn, Schwager des Krösus und König der Medier, hielt Cyrus, des Kambyses Sohn, unter seinem Joch. Schwager des Krösus war er auf folgende Art geworden. Ein Haufe nomadischer Scythen entwich bei einem Aufstand in's Medische Land. Zu dieser Zeit war Herr in Medien Cyaxares, Sohn des Phraortes, des Sohnes von Dejoces, welcher diese Scythen zuerst gut behandelte, als seine Schützlinge, auch so viel auf sie hielt, daß er ihnen Knaben übergab zum Unterricht in ihrer Sprache und in der Bogenkunst. Mit der Zeit aber, während die Scythen immer auf die Jagd ausgingen und immer Etwas heimbrachten, traf es sich einstmals auch, daß sie Nichts fingen. Wenn sie nun mit leeren Händen zurückkehrten, behandelte sie Cyaxares, nach seiner, wie er bewies, jähzornigen Art, sehr hart und schimpflich. Jene, welchen Cyaxares so begegnet war, beschloßen um dieser unwürdigen Begegnung willen, einen ihrer jungen Lehrlinge abzuschlachten, ihn eben so anzurichten, wie sie mit dem Wilde gewohnt waren, und dem Cyaxares für ein Wildpret zu überbringen; darauf aber schleunigst zu Alyattes, dem Sohn des Sadyattes, nach Sardes aufzubrechen. Das geschah denn auch. Denn wirklich genoß Cyaxares und die anwesenden Gäste von diesem Fleisch, und die Scythen kamen nach dieser That als Schützlinge zu Alyattes.

(Cyaxares und Alyattes Krieg, v. 590 - 585.)

(Sonnenfinsterniß den 28. Merz 585.)

74. Nach Diesem, als Alyattes die Scythen auf die Ausforderung des Cyaxares nicht auslieferte, gab es Krieg zwischen den Lydiern und den Mediern auf fünf Jahre; in denen oft die Lydier von den Mediern, oft auch die Medier von den Lydiern besiegt wurden. Und einst kam es auch zu einer nächtlichen Schlacht. Indem sie nämlich den Krieg auf beiden Seiten gleich, fortführten, trug es sich bei einem Treffen im sechsten Jahre zu, daß mit dem Ausbruch der Schladit der Tag, plötzlich zur Nacht ward. Diese Umwandlung des Tages hat auch Thales von Milet den Ioniern vorausgesagt, mit Vorherbestimmung dieses nämlichen Jahres, in welchem die Veränderung wirklich erfolgte. Als nun die Lydier und Medier die Nacht an die Stelle des Tages treten sahen, gaben sie nicht nur die Schlacht auf, sondern trieben auch um so mehr von beiden Seiten zu einem Friedensschluß. Wer sie aber zusammenbrachte, das war Syennesis, 29 der Cilicier, und Labynetus, der Babylonier. Diese betrieben den Bundeseid, und stifteten auch eine Heirathsverbindung. Den Alyattes nämlich hießen sie seine Tochter Aryénis dem Astyages, Sohne des Cyaxares, geben. Denn ohne ein zwingendes Band mag eine erzwungene Vereinigung nicht fest bleiben. Ihre Bundesschwüre thun diese Völker auf dieselbe Art, wie die Hellenen. Ueberdieß aber machen sie an den Armen einen Einschnitt in die Oberfläche der Haut, und lecken einander das Blut auf.

75. Diesen Astyages also, seinen mütterlichen Großvater, hatte sich Cyrus unterworfen; wovon ich die Ursache in den nachfolgenden Geschichten anzeigen werde; und Dieß war Krösus Vorwurf gegen Cyrus, weßhalb er an die Orakel sandte, ob er einen Feldzug gegen die Perser machen solle, und dann auch wirklich, auf einen zweideutigen Spruch hin, in der Hoffnung, der Spruch sey für ihn, einen Feldzug in das Gebiet der Perser unternahm. Als nun Krösus an den Halysstrom kam, so brachte er sein Heer hinüber, wie ich sage, mit Hülfe der vorhandenen Brücken; nach der gewöhnlichen Sage der Hellenen aber hat es ihm Thales von Milet hinübergebracht. Denn bei der Verlegenheit des Krösus, wie sein Heer durch den Strom kommen möge (die Brücken hätten nämlich zu der Zeit noch gar nicht gestanden) soll Thales von Milet und im Lager gewesen seyn und gemacht haben, daß der Strom, der zur linken Hand des Heeres floß, auch rechts zu fließen kam, und zwar folgendermaßen. Oberhalb des Lagers habe er einen tiefen Rinngraben gestochen und in Mondesform gezogen, damit er dem Lagerplatz in den Rücken käme, und so der Fluß, in diesen Rinngraben aus seiner alten Bahn abgeleitet, auch wieder am Lager vorbei, in's alte Bett sich ergöße. Durch diese Vertheilung des Stromes sey es denn möglich geworden, auf beiden Seiten überzusetzen. Andere sagen gar, das alte Bett sey ganz ausgetrocknet. Allein Das heißt mir nichts; wie wären sie denn nachher auf dem Rückweg hinüber gekommen?

(Cyrus und Crösus Schlacht, 546.)

76. Krösus kam nun, nach seinem Uebergang mit dem Heere, in das sogenannte Pteria im Kappadocischen. Pteria ist die Hauptstärke dieses Landes gegen die Stadt Sinope hin, welche zunächst am Pontus Euxinus liegt; daselbst lagerte er, und verheerte die Besitzungen der Syrier. Auch nahm er nicht nur die Stadt der Pterier, und machte Dieselben zu Knechten, sondern ebenso alle ihre Nachbarstädte; wie er auch die Syrier, die nichts verschuldet hatten, ihres Landes beraubte. Cyrus aber zog sein Heer zusammen, nahm Alle, die dazwischen wohnten, mit, und ging dem Krösus entgegen. Doch ehe er aufbrach, um sein Heer hinauszuführen, sandte er Herolde an die Ionier, um sie zum Abfall von Krösus zu versuchen. Den gaben indeß die Ionier kein Gehör. Als nun Cyrus angekommen und gegenüber von Krösus gelagert war, versuchten sie in der Pterischen Gegend ihre Stärke an einander. Und nach einer gewaltigen Schlacht, da Viele auf jeder Seite gefallen waren, trennten sich zuletzt beide Theile, ohne gesiegt zu haben, mit der Einbruch der Nacht. Das war also der Kampf der beiden Heeresmächte.

77. Krösus, der die Schuld auf die Zahl seines Kriegsvolkes schob (denn sein Schlachtheer war viel geringer, als das des Cyrus), zog denn, weil er Dem Schuld gab und Cyrus am folgenden Tag keinen Angriff versuchte, nach Sardes ab, entschlossen, die Aegyptier herbeizurufen, nach dem Eid (denn er hatte mit Amasis, König von Aegypten, noch früher Bundesgenossenschaft ausgemacht, als mit den Lacedämoniern), auch nach den Babyloniern zu senden (denn auch mit Diesen stand er in Bundesgenossenschaft; und Herr der Babylonier war zu der Zeit Labynetys), dazu die Lacedämonier aufzurufen, daß sie zur Frist sich einfänden; und wenn er Diese zusammen gebracht, und sein eigenes Heer versammelt hätte, so gedachte er, den Winter vorbeigehen zu lassen und mit dem Frühling gegen die Perser in's Feld zu ziehen. Zufolge dieses Entschlusses sandte er, nach seiner Ankunft in Sardes, Herolde an die Bundesgenossen, daß sie auf den fünften Monat in Sardes sich versammeln sollten; aber von seinem gegenwärtigen Heere, das mit den Persern gestritten hatte, ließ er alle Hülfstruppen auseinander gehen, ohne daß ihm jemals beiging, Cyrus könnte, nach einem so unentschiedenen Kampfe, gegen Sardes ziehen.

78. Während Krösus Gedanken hierauf gerichtet waren, füllte sich seine ganze Vorstadt mit Schlangen; und sobald dieselben sich gezeigt hatten, ließen die Pferde ab, auf den Waiden zu grasen, gingen hin und fraßen sie auf. Diese Erscheinung hielt Krösus, wie sie das auch war, für ein Zeichen. Alsbald schickte er heilige Botschafter au die Ausleger in Telmessus. 30 Bis aber Jene angekommen und von den Telmessiern unterrichtet waren, was das Zeichen bedeuten wolle, war es ihnen nicht mehr gestattet, dem Krösus Kunde zu bringen; denn ehe sie nach Sardes zurückgeschickt waren, kam er in Gefangenschaft. Die Telmessier indeß thaten den Spruch: "ein fremdartig Kriegsvolk sey zu erwarten in Krösus Land, das da kommen und die Landeskinder unterjochen werde; denn die Schlange, sagten sie, sey ein Kind des Erdbodens, das Pferd aber kriegerisch, und ausländisch." Solchen Bescheid ertheilten die Telmessier dem Krösus, da er bereits gefangen war, wußten aber nichts davon, wie es um Sardes und Krösus selber stand.

79. Cyrus aber hatte gleich beim Abzug des Krösus, nach der bei Pteria vorgefallenen Schlacht, erfahren, er ziehe ab, um sein Heer aufzulösen; darauf berieth er sich und fand, jetzt sey es seine Sache, so schnell er könne, auf Sardes loszugehen, ehe sich zum zweitenmal die Macht der Lydier gesammelt habe. So dünkte es ihm gut, und so that er's auch schleunig. Denn er führte sein Heer so nach Lydien, daß er selbst der Bote seiner Ankunft für Krösus ward. Da kam Krösus in große Noth, daß die Umstände so unerwartet anders waren, als wessen er sich versehen hatte. Der noch führte er die Lydier in die Schlacht. Und zu dieser Zeit war kein Volk in Asien mannhafter und tapferer als das Lydische. Ihre Schlacht kämpften sie von den Rossen Herab, und trugen lange Lanzen, und waren ohnedieß gute Reiter.

80. Und als sie zusammen auf das Feld kamen, das vor der Sardischen Stadt liegt, groß und kahl (dessen Flüsse, worunter auch der Hyllus, zusammenstürzen in den größten, mit Namen Hermus, 31 welcher vom heiligen Berg der Mutter Dindyméne 32 herströmt, und bei der Phocäerstadt sich in's Meer ergießt), und als Cyrus hier die Schlachtordnung der Lydier sah, da nahm er, aus Besorgniß vor der Reiterei und auf Eingebung des Harpagus, eines Mediers, Folgendes vor. Aue Kamele, die seinem Heere folgten, mit Nahrungsmitteln oder mit Zeug beladen, sammelte er, ließ die Lasten herunternehmen und Männer darauf steigen, die mit einer Reiterrüstung angethan wurden.

Und als er sie ausgerüstet hatte, verordnete er, daß sie, dem andern Heere voran, der Reiterei des Krösus entgegengingen; den Kamelen aber sollte das Fußvolk folgen, und hinter dem Fußvolk stellte er seine ganze Reiterei auf. Als nun Alle nach seiner Anordnung standen, ermahnte er sie, ohne Schonung gegen die andern Lydier, Jeden zu tödten, der ihnen unter die Hand käme, den Krösus selbst aber nicht zu tödten, auch nicht wenn er, während man ihn ergriffe, sich wehren sollte. Dieß war seine Mahnung. Die Kamele stellte er aber deßhalb der Reiterei gegenüber, weil das Pferd vor dem Kamele scheut und es nicht aushält, seine Gestalt zu sehen, noch seinen Geruch zu verspüren. Ebendeßhalb also stellte er's klug an, um dem Krösus seine Reitermacht unnütz zu machen, da auch der Lydier im Auge hatte, gerade durch diese sich hervorzuthun. Und wirklich, als sie in der Schlacht sich begegneten, hatten nicht sobald die Pferde den Geruch der Kamele verspürt, und dieselben erblickt, als sie rückwärts sich herumwarfen, und so die Hoffnung des Krösus dahin war. Gleichwohl waren die Lydier auch jetzt nicht zaghaft ; sondern, als sie bemerkten, was es werden wolle, sprangen sie von den Pferden, und stießen zu Fuß mit den Persern zusammen; sie wurden aber allmählig, da auf beiden Seiten Viele gefallen waren, in die Flucht geschlagen, in die Mauern zurückgeworfen, und von den Persern belagert.

81. So waren sie nun im Belagerungsstande. Hierauf ließ Krösus, in der Meinung, die Belagerung werde ihm langwierig werden, aus seiner Beste neue Boten an die Bundesgenossen abgehen. Hatte er nämlich früher ausgeschickt, um auf den fünften Monat Versammlung nach Sardes ansagen zu lassen, so sandte er jetzt hinaus, um sich die schleunigste Hülfe ausbitten zu lassen; denn Krösus sey belagert.

82. Unter diesen Bundesgenossen, nach denen er schickte, waren auch die Lacedämonier. Aber die Spartiaten selbst hatten um eben diese Zeit gerade einen Streithandel mit den Argivern wegen eines Landstrichs mit Namen Thyrea. Dieses Thyrea, das wirklich Argolischen Antheils war, hatten die Lacedämonier au sich gerissen. Noch bis Malea nämlich ging das Argivische gegen Abend, sowohl das feste Land, als auch die Insel Cythéra uns die übrigen Inseln. Als nun die Argiver um ihr entrissenes Eigenthum zur Wehre schritten, da trat man in Verhandlung, und beide Theile kamen überein, dreihundert Kämpfer von jeder Seite aufzustellen; und welcher Theil übrig bleibe, dessen sollte das Land seyn; aber die Menge beider Heere sollte ihres Weges nach Hause gehen, und dem Kampfe nicht anwohnen, damit nämlich nicht bei der Anwesenheit der Heerhaufen, die Einen oder die Andern, sähen sie die Ihrigen unterliegen, ihnen zu Hülfe kamen. Nach diesem Vertrage gingen sie denn auseinander; die Auserwählten aber, die jeder Theil zurückgelassen, stießen zusammen. Und als sie gekämpft hatten und waren aneinander gerathen, blieben von sechshundert Männern drei übrig: von den Argivern nämlich Afcenor und Chromius, von den Lacedämoniern Othryades. Diese waren noch übrig bei'm Einbruch der Nacht. Nun liefen die Zwei von Argivischer Seite, als Sieger, nach Argos; Othryades aber von Lacedämonischer Seite zog die Leichname der Argiver aus, trug ihre Waffen in sein Lager, und hielt sich dann auf seinem Posten. Des andern Tages fanden sich beide Theile ein, um nachzusehen. Eine Zeit lang wollten nun Beide Sieger seyn, die Einen, weil von den Ihrigen mehr übrig geblieben, die andern mit der Erklärung, daß Jene geflohen seyen, während der Ihrige den Platz behauptet, und die Leichname von den Andern ausgezogen habe. Zuletzt aber ging ihr Streit in eine Schlacht über, worin Viele auf jeder Seite blieben, die Lacedämonier jedoch siegten. Die Argiver nun, die feit dieser Zeit ihre Häupter bescheeren, während zuvor nur langes Haar bei ihnen galt, legten sich ein Gesetz mit einem Fluche auf, daß nicht eher ein Argiver das Haar dürfe wachsen lassen, noch ihre Weiber Gold an sich tragen, als bis sie Thyrea wieder genommen hatten. Aber die Lacedämonier machten hievon gerade das Gegentheil zum Gesetz; denn während sie vorher kein langes Haar trugen, sollte es seither gelten. Von jenem Othryades aber, der einzig von den Dreihunderten übriggeblieben war, sagt man, er habe sich geschämt, nach Sparta heimzukehren, da seine Waffenbrüder dahin waren, und in Thyrea selbst sich umgebracht.

83. Dieß war bei den Spartiaten der Stand der Dinge, als der Sardische Bote mit der Bitte anlangte, dem Krösus in seiner Belagerung zu Hülfe zu kommen. Dennach machten sie, auf diese Kunde des Herolds, Anstalt zur Hülfe, Und schon waren sie gerüstet, schon ihre junge Mannschaft bereit, da kann eine andere Botschaft, die Mauern von Sardes seyen erobert und Krösus lebe in Gefangenschaft. So mußten sie mit großem Leid abstehen.

(Sardes erobert 546 v. Chr.)

84. Sardes wurde aber folgendermaßen erobert. Als es bereits der vierzehnte Tag war, daß Krösus belagert wurde, ließ Cyrus seinem Kriegsvolk durch Reiter, die er herumschickte, kund thun, Dem, welcher zuerst die Mauer erstiege, wolle er einen Preis geben. Darauf machte das Kriegsvolk einen Versuch; wie es aber damit nicht zu Stande kam, und die Andern davon abstanden, da versuchte ein Mardier, mit Namen Hyröades, den Zutritt an einer Stelle der Burg, da keine Wache aufgestellt war. Denn es war nicht zu argwöhnen, sie würde an dieser Stelle erobert werden: so abschüssig ist hier die Burg und unangreifbar. Auch hatte Meles, ein älterer König von Sardes, hier allein nicht den Löwen herumgetragen, den sein Kebsweib gebar, und von welchem die Telmessier urtheilten, würde er an den Mauern herumgetragen, so werde Sardes unerobert bleiben. Meles trug ihn denn bei den übrigen Mauern herum, wo die Burg angreifbare Stellen hatte; diese übersah er gang, als unangreifbar und abschüssig. Es ist dieß die Seite der Stadt gegen den Tmolus hin. Nun hatte also von dieser Stelle der Burg jener Hyröaded, der Mardier, Tags zuvor einen Lydier herunter und seinem Helm nachsteigen sehen, der ihm oben entfallen und herabgerollt war; was ihn aufmerksam gemacht, und er sich zu Gemüth geführt hatte. Jetzt war er denn selbst hinaufgestiegen und ihm folgten bald noch mehr Perser. Und da die Anzahl derselben immer stärker wurde, so eroberten sie Sardes, und die ganze Stadt ward verheert.

85. An Krösus selbst aber geschah Folgendes. Er hatte einen Sohn, dessen ich zuvor schon gedacht habe, der sonst von guter Art, nur sprachlos war. In seinem bisherigen Wohlstande hatte nun Krösus Alles auf ihn verwendet, und unter andern Gedanken, worauf er verfiel, auch nach Delphi gesandt, um einen Spruch über ihn einzuholen. Da sprach ihm die Pythia:

Lydiersohn, weitherrschender Fürst, o du kindischer Krösus!

Wolle den vielersehnten Laut nie hören im Hause,

Nie die Stimme des Sohn's. Viel besser muß es dir also

Seyn. Denn sprechen wird er zuerst am Tage des Unglücks.

Jetzt aber, bei der Eroberung der Stadt, ging ein Perser auf Krösus, den er nicht kannte, los, und wollte ihn tödten. Krösus, der ihn wohl herankommen sah, war um sein gegenwärtiges Schicksal unbekümmert gemacht, und hätte sich gleichgültig von ihm erschlagen lassen; allein als sein Sohn, eben jener Sprachlose, den herankommenden Perser erblickte, brach er vor Furcht und Jammer in einen laut aus, und sprach: "Mann, tödte den Krösus nicht!" Das war also der erste Laut, den er von sich gab; und von nun an behielt er auch die Sprache auf seine ganze Lebenszeit.

86. Die Perser hatten also Sardes in Besitz und den Krösus lebendig in ihrer Gewalt, nachdem er vierzehn Jahre Herr gewesen und vierzehn Tage belagert worden war, und dem Orakel gemäß seine eigene große Macht vernichtet hatte. Und sie führten ihn vor Cyrus. Dieser hatte einen großen Scheiterhaufen aufschichten lassen, und setzte den Krösus darauf in Fesseln, und zweimal sieben Lydische Knaben neben ihn; vielleicht in der Absicht, diese Erstlingsopfer irgend einem Gott zu heiligen, vielleicht auch um ein Gelübde zu erfüllen; oder hatte er von Krösus Gottesfurcht gehört und ihn darum auf der Scheiterhaufen gesetzt, weil er wissen wollte, ob etwa Einer der Himmlischen ihn erretten werde; daß er nicht lebendig verbrannt würde. Dieses that er also; dem Krösus aber sey auf seinem Scheiterhaufen, mitten in dem schrecklichen Unglück, jenes Wort des Solon in den Sinn gekommen, wie da ein Gott aus ihm gesprochen habe: "Keiner der Lebenden sey glücklich." Ganz in diese Vorstellung versenkt, habe er tief ausgeholt und aufgeseufzt aus langer Stille, und dreimal den Namen Solon gerufen. Da habe Cyrus, der es hörte, seinen Dolmetschern befohlen, den Krösus zu fragen, Wen er da anrufe; und sie seyen mit dieser Frage zu ihm hingetreten; worauf Krösus eine Weile still geschwiegen, hernach aber genöthigt, erwiedert habe: "Einen Solchen, daß ich's für alle Herrscher höher anschlüge, als große Schätze, mit ihm in ein Gespräch zu kommen. Das war ihnen eine räthselhafte Rede; und so fragten sie wieder über diese Worte, drangen in ihn und lagen ihm lästig an, bis er endlich sagte: längst einmal sey dieser Solon, ein Athener, gekommen, habe au sein Glück gesehen und geringgeschätzt, und dabei so gesprochen, daß nachmals Alles gerade so an ihm eingetroffen sey, wie Solon damals sprach; dessen Worte jedoch eben sowohl, wie auf ihn selbst, au ganze Menschheit, und besonders auf Die gingen, welche sich in ihrem Sinn für Glückliche halten. Während aber Krösus Dieß erzählte, war bereits der Scheiterhaufen entzündet und brannte am äußersten Rand. Da hörte Cyrus von den Dolmetschern die Antwort des Krösus, und erinnerte sich mit Reue, daß er selbst auch Mensch sey, während er einen andern Menschen, der nicht minder glücklich als er gewesen, lebendig dem Feuer übergebe; dazu ward ihm vor der Vergeltung bange, bei der Erwägung, daß Nichts fest stehe im Menschenleben; und nun befiehlt er, das angefachte Feuer geschwind zu löschen und den Krösus sammt seinen Gefährten herunter zu nehmen. Man versucht es auch, kann aber des Feuers nicht mehr Meister werden.

87. Hierauf, sagen die Lydier, habe Krösus die Reue des Cyrus bemerkt, und, wie er sah, Jedermann wolle das Feuer löschen, sie können's aber nicht mehr unterdrücken, mit lauter Stimme den Apollo angerufen, wenn er ihm je mit einem Geschenke angenehm gewesen, so möchte er sein Beistand und Retter seyn in dieser Noth. So habe er mit Thränen den Gott angerufen; und aus heiterem Himmel und ruhiger Luft haben auf einmal Wolken sich zusammengezogen, ein Wetter sey ausgebrochen und der Regen mit solcher Heftigkeit herabgeströmt, daß der Scheiterhaufen ausgelöscht ward. Und so überzeugt, daß Krösus ein gottgefälliger und ein guter Mensch sey, habe ihn Cyrus vom Scheiterhaufen herabsteigen lassen und befragt: "Krösus, welcher Sterbliche hat dich dahin gebracht, gegen mein Land in's Feld zu ziehen, und dich lieber zu meinem Feind, als Freunde zu machen?" Darauf antwortete er: "König, ich habe Das zu deinem Glück und zu meinem Unglück gethan; aber der Gott der Hellenen ist Schuld daran, der mich zum Feldzug aufgeregt hat. Ist doch sonst Niemand so sinnlos, daß er lieber Krieg als Frieden wählte. Denn in diesem begraben die Kinder ihre Väter, in jenem die Väter ihre Kinder. Doch es muß wohl den Himmlischen beliebt haben, daß es also gehe."

88. Das war die Antwort des Krösus; aber Cyrus löste seine Fesseln, setzte ihn an seine Seite, und bewies ihm große Aufmerksamkeit; auch sah er selbst und Alle, die um ihn waren, mit Bewunderung auf Krösus. Dieser war in Nachdenken vertieft und still. Doch bald wandte er sich, und während er die Perser die Stadt der Lydier ausplündern sah, sprach er: "König, roll ich dir jetzt meine Gedanken sagen, oder in diesem Augenblick schweigen?" Cyrus aber hieß ihn getrost sagen, was er wollte. Und er fragte ihn: "Was hat denn dieser große Haufe da so gar eifrig zu schaffen?" Jener antwortete: "Deine Stadt plündert er aus, und deine Schätze schleppt er fort." Da erwiederte Krösus: "Nicht meine Stadt, noch meine Schätze plündert er. Denn all Das geht mich nichts mehr an. Vielmehr machen sie das Deinige zur guten Beute."

89. Was Krösus da ragte, ging dem Cyrus zu Herzen; und nachdem er die Andern hatte abtreten lassen, fragte er den Krösus, was er für ihn in dieser Sache sähe. Dieser sprach: "Da mich einmal die Götter zu deinem Knecht gemacht haben, so achte ich für Pflicht, wenn ich in Etwas weiter sehe, dir's zu bedeuten. Die Perser sind trotzig von Natur und unbemittelt. Läßt du sie nun plündern und in den Besitz großer Schätze kommen, so hast du von ihnen nichts Anderes zu erwarten, als daß, je mehr Einer von ihnen hat, um so eher dir ein Aufstand von ihm bevorsteht. Mach' es daher so, wenn anders dir gefällt, was ich sage: Lege von deinen Lanzenträgern an alle Thore Wachen, die den Plünderern die Schätze abnehmen müssen, mit dem Bedeuten, es sey nöthig, daß dieselben dem Zeus verzehntet werden. So wirst du dich ihnen nicht verhaßt machen durch gewaltsame Abnahme der Schätze; sie werden vielmehr deinen Willen recht und billig finden, lind freiwillig thun."

90. An dieser Rede hatte Cyrus großen Gefallen; so gut schien ihm, was er angab; und er lobte ihn sehr, und trug den Lanzenträgern auf, zu vollziehen, was Krösus angegeben hatte, und sprach zu ihm: "Krösus, da du dich angelassen hast, als ein königlicher Mann, zu gutem Dienst und Rath, so bitte von mir, was du irgend willst; es soll dir Augenblicks werden." Und Dieser sprach: "Herr, möchtest du mich (was mir die größte Gunst wäre) den Gott der Hellenen, den ich über alle Götter geehrt habe, befragen lassen, mit Uebersendung dieser Fesseln: "ob Betrug an Wohlthätern Brauch ist bei ihm"?Cyrus aber fragte, welche Klage er führen wolle, indem er Dieß aus bitte. Nun erzählte ihm Krösus von Anfang an seinen ganzen Rathschlag, und die Antworten der Orakel, insbesondere auch seine Weihgeschenke, und daß er aufgeregt von der Weissagung den Feldzug gegen die Perser gemacht habe; kam aber von dieser Geschichte wieder auf die Bitte zurück, ihm zu erlauben, das er dem Gott Dieses-vorwerfe. Da sprach Cyrus mit Lachen: "Ja, Dieses sollst du jetzt von mir erhalten, Krösus; wie auch künftig alles Andere, dessen du begehren wirst." Auf diese Antwort sandte Krösus. Lydier mit dem Auftrag nach Delphi, die Fesseln auf die Schwelle des Tempels zu legen und zu fragen, ob er sich doch nicht schäme mit seinen Weissagungen, den Krösus aufgeregt zu haben zu einem Feldzug gegen die Perser, als würde er der Macht des Cyrus ein Ende machen, von der ihm nun solche Erstlingsopfer zugefallen seyen; wobei sie die Fesseln zeigen sollten. Dazu gab er noch die andere Frage, ob Undank Brauch sey bei den Hellenischen Göttern?

91. Zu den Lydiern aber, als sie angekommen waren und ihren Auftrag gesagt hatten, sprach, wie man sagt, die Pythia also: "Dem bestimmten Verhängniß ist unmöglich zu entgehen, selbst für einen Gott. Krösus hat die Schuld seines fünften 33 Stammvaters bezahlt, der, ein Lanzenträger bei den Heracliden, verleitet von der List eines Weibes, seinen Gebieter ermordete und die Würde desselben genommen hat, die ihm nicht zustand. Wie sehr auch Loxias 34 den Willen dazu hatte, daß auf die Kinder des Krösus das Schicksal von Sardes faule und nicht auf Krösus selbst: er war nicht vermögend, die Verhängnißmächte zu bewegen. So viel sie aber zugaben, hat er bewirkt und zu seinen Gunsten gethan. Drei Jahre nämlich hat er den Sturz von Sardes hinausgeschoben; und so wisse denn Krösus, daß er um diese drei Jahre später gestürzt ward, als ihm bestimmt war. Zum Zweiten ist er gegen das Feuer ihm zu Hülfe gekommen. Und über jene Weissagung hält sich Krösus mit Unrecht auf. Denn was ihm Loxias vorhersagte, war: ziehe er gegen die Perser zu Feld, so werde er eine große Macht vernichten. Auf Das hin hätte Krösus, wenn er sich gut berathen wollte, wieder sollen fragen lassen, ob die Rede von seiner, oder von Cyrus Macht sey. Nun er aber den Spruch nicht begriffen, noch wieder angefragt hat, so messe er sich selber die Schuld bei; wie er denn auch den Spruch, welchen ihm bei seinem lebten Besuch Loxias gab, den Spruch vom Maulthier eben so wenig begriffen hat. Denn gerade Cyrus war dieses Maulthier, sofern er aus zwei ungleichen Stämmen entsprossen ist, von einer vornehmern Mutter und einem geringern Vater. Denn sie war eine Medierin und Tochter des Astyages, Königs der Medier, er war ein Perser, und Unterthan der Medier; also stand er unter diesen Allen, und hatte seine Herrin zur Hausfrau." Das war die Antwort der Pythia an die Lydier, die sie auch nach Sardes brachten und an Krösus ausrichteten. Nun hörte es Dieser und sah ein, daß die Schuld sein, und nicht des Gottes war. Also ging es mit der Herrschaft des Krösus und mit der ersten Unterjochung Ionien's.

92. Von Krösus sind noch viele andere Weihgeschenke in Hellas, und nicht nur die angeführten: im Böotischen Theben nämlich ein Dreifuß von Gold, dem Ismenischen Apollo geweiht; in Ephesus die goldenen Kühe und die meisten der Säulen, und bei der Athene Pronäa (der Minerva vom Vortempel) in Delphi ein großer, goldener Schild. Diese Weihgeschenke waren noch zu meiner Zeit übrig; ein anderer Theil ist verloren gegangen. Ferner die Weihgeschenke von Krösus an die Branchiden im Milesischen sind, wie ich höre, von demselben Gewicht und gleicher Art, wie die Delphischen. Was er nun nach Delphi und an den Amphiaraus weihte, das war aus seinem Hause und ein Erstlingszoll des väterlichen Erbgutes; die andern Weihgeschenke aber kamen vom Vermögen eines. Feindes her, welcher ihm, eh' er König ward, als Widersacher sich entgegengestellt und dafür gearbeitet hatte, daß an Pantaleon die Herrschaft der Lydier käme, welcher Pantaleon ein Sohn des Alyattes, also ein Bruder des Krösus, aber nicht von derselben Mutter war. Den Krösus nämlich hatte Alyattes von einem Karischen Weibe, den Pantaleon von einer Ionierin. Sobald nun Krösus, kraft väterlicher Bestimmung, der Herrschaft sich bemächtigt hatte, richtete er diesen seinen Gegner auf der Stachelfolter hin, und sein Vers mögen, das er schon vorher gelobt hatte, weihte er damals auf die besagte Art an besagte Orte. So viel denn vor den Weihgeschenken.

93. Wunder zur Aufzeichnung enthält der Lydische Boden nicht besonders, wie sonst andere Länder, außer dem vom Tmolus herabtreibenden Goldsande. Aber ein Werk beut er dar von der höchsten Größe, mit Ausnahme der Aegyptischen Werke und derer zu Babylon. Es ist das dortige Mal des Alyattes, des Vaters von Krösus, mit einer Grundlage von großen Steinen; im Uebrigen ein Dammhügel. Dieses haben die Marktleute, die Handwerker und die gewerbsmäßigen Dirnen aufgestellt. Auch standen noch zu meiner Zeit Denksäulen, fünf an der Zahl, oben auf dem Male, worein Inschriften gehauen waren, was jeder Theil aufgestellt habe. Und bei der Messung zeigte sich, daß das Werk der Dirnen am größten ist. Nämlich bei den Lydiern huren überhaupt alle Töchter aus dem Volk, legen sich damit eine Aussteuer an, und treiben Das fort, bis sie hausen wollen, und da statten sie sich selber aus. Der Umfang nun von diesem Male ist sechs Stadien und zwei Prethren, seine Breite dreizehn Plethren. 35 An das Mal stößt ein großer See, von dem die Lydier sagen, er sey unversiegbar. Er heißt der Gygäische, So ist Dieses beschaffen.

94. Die Lydier haben nahezu dieselben Bräuche, wie die Hellenen, mit Ausnahme dessen, daß sie ihre Kinder weiblichen Geschlechts zu Huren machen. Sie haben zuerst unter den Menschen, von denen wir wissen, geprägte Gold- und Silbermünzen gehabt, und bei ihnen gab es die ersten Krämer. Noch ragen die Lydier selbst, die Spiele, welche unter ihnen und unter den Seltenen bestehen, wären ihre Erfindung. Zu gleicher Zeit, sagen sie, seyen von ihnen diese erfunden und Tyrrhenia angebaut worden, worüber ihre Erzählung folgende ist. Zur Zeit des Königs Atys, Sohnes von Manes, sey gewaltiger Kornmangel durch gang Lydien gewesen, und Das hätten die Lydier eine Weile standhaft ausgehalten; hernach aber, als dessen kein Ende ward, auf Abhülfe gesonnen, und Jeder etwas Anderes ausgemittelt. So seyen damals auch die Würfel und die Wurfknöchel, das Ballspiel und alle andere Spielarten erfunden worden; nur das Brettspiel nicht. Denn die Erfindung von diesem eignen sich die Lydier nicht zu. Sie hätten es aber folgendermaßen gemacht, um dem Hunger zu begegnen: allemal den einen Tag hätten sie immerfort gespielt, damit sie nur nicht an's Essen dächten, und am andern gegessen und das Spiel eins gestellt. Auf solche Art hätten sie achtzehn Jahre ausgehalten. Als aber das Uebel nicht gelinder, vielmehr seine Gewalt immer heftiger ward, habe endlich ihr König sämmtliche Lydier in zwei Abtheilungen gesondert und durch's Loos die eine zum Bleiben, die andere zur Auswanderung bestimmt. Und bei der einen Abtheilung, welche da zu bleiben erlooste, habe sich der König selbst an die Spitze gestellt, bei der aus: ziehenden aber rein Sohn, dessen Name Tyrrhenus sey. Diejenigen nun, welche es traf, ihr Land zu verlassen, seyen herabgezogen nach Smyrna, wo sie Fahrzeuge gefertigt, und was sie nur an fahrenden Gütern hatten, hinein genommen, sodann sich einschifften, um Lebensunterhalt und einen neuen Boden zu suchen. Endlich seyen sie, au vielen Völkern vorbei, zu den Umbriern gekommen, hätten dort eigene Städte gegründet und wohnten daselbst bis jetzt. Anstatt Lydier aber hätten sie sich umgenannt nach dem Königssohne, welcher sie hingeführt, indem sie seinen Namen annahmen, sich also Tyrrhener 36 nannten. So waren denn die Lydier Knechte der Perser geworden.

(Assyrier, Asien's Herrn, v. 1231 - 711 vor Chr.)

95. Weiter geht nunmehr unsere Geschichte dein Cyrus nach, Wer er war, der den Thron des Krösus umstürzte, und zugleich den Persern, auf welchem Wege sie Herren von Asien geworden sind. Wie es also ein und andere Perser sagen, welche die Geschichte des Cyrus nicht vergrößern wollen, sondern nach der Wirklichkeit angeben: Diesem gemäß werde ich schreiben; obwohl ich weiß, daß man über Cyrus noch dreierlei andere Erzählungsweisen hört. Da die Assyrier über das obere Asien fünfhundert zwanzig Jahre herrschten, fingen zu allererst die Medien an, von ihnen abzufallen; und Diese gingen auch aus ihrem Freiheitskampfe mit den Assyriern als wackere Männer hervor, warfen die Knechtschaft ab und wurden frei. Nach ihnen aber machten es auch die andern Völker ebenso wie die Medier. Da nun Alle auf dem Festlande selbstständig waren, kamen sie folgendermaßen wiederum unter Herrschaft.

96. Unter den Mediern war ein kluger Mann, mit Namen Dejoces, ein Sohn des Phraortes. Derselbe Dejoces that aus Luft zur Herrschaft Folgendes. Die Medier wohnten streckenweise, und da er in dem reinigen zum voraus schon in Achtung stand, legte er sich jetzt noch mehr und bereitwilliger auf Ausübung der Gerechtigkeit; und zwar that er Dieß, während große Gesetzlosigkeit durch ganz Medien war, weil er wußte, daß dem Recht das Unrecht Streit bringt. Die Medier in demselben Flecken sahen feine Weise, und wählten ihn zu ihrem Richter. Da war er nun, eben weil er auf die Herrschaft ausging, gerad und gerecht. Und das für hatte er nicht geringes Lob bei den Bürgern; so daß die Leute in den andern Flecken vernahmen, Dejoces sey allein ein Mann, der sicher Recht spreche, und, weil sie früherhin unter manche ungerechte Erkenntnisse gefallen waren, jetzt, da sie Dieß gehört hatten, gerne zu Dejoces hingingen, um sich auch Recht sprechen zu lassen, am Ende aber sich an keinen Andern mehr wandten.

97. Als aber der Zulaufenden immer mehr ward, weil es hieß, die Rechtssprüche fallen nach der Wahrheit aus, erkannte Dejoces, daß Alles an ihm liege; und nun wollte er nicht mehr hinsitzen, wo er sonst öffentlich zu Gericht saß, und sagte auch, er richte nicht mehr. Denn Das bringe ihm Schlechten Gewinn, wenn er, mit Hintansetzung des Seinigen, Andern den ganzen Tag Recht spreche. Da nun Raub und Gesetzlosigkeit noch viel ärger in den Flecken wurde, als es zuvor gewesen war, machten die Medier eine Versammlung aus und besprachen sich, um über ihre Lage sich Rechenschaft zu geben. Und, wie mir scheint, sagten wohl die Freunde des Dejoces: "Es ist einmal unmöglich, daß wir auf unsere jetzige Art ferner ordentlich im Lande wohnen: wohlan, stellen wir einen eigenen König auf! So wird das Land wohl verwaltet werden, so auch wir selbst unsern Geschäften nachgehen können, und nicht vor Gesetzlosigkeit heimathlos seyn."

(Dejoces, Medierkönig, 700. v. Chr.)

98. Mit dergleichen Reden bringen sie's dahin, daß sie einen König haben wollten. Und als man sogleich zur Sprache brachte, Wen sie zum König aufstellen würden, kam Niemand mehr und mit größerem Lob von allen Seiten zur Sprache, als Dejoces; bis sie's einstimmig gut hießen, er rolle ihr König seyn. Da befahl ihnen Dieser, ihm eine Wohnung zu bauen, wie sich's für einen König schickt, und eine Schutzwache von Lanzenträgern zu geben. Das thun die Medier. Sie bauen ihm eine große, feste Wohnung, wozu er selbst die Stelle bezeichnete; und auch Lanzenträger, gestatten sie ihm, aus sämmtlichen Mediern auszulesen. Und nun, wie er im Besitz der Herrschaft war, gebot er den Mediern, eine Stadt anzulegen, die sie mit größerer Sorge, als alle andern, in Stand setzen sollten. Die Medier gehorchten wieder; und so baute er ein großes und starkes Wert (dasselbe, das jetzt Agbatana 37 (Ekbatana) genannt ist) mit Ringmauern, deren immer eine in der andern steht. Dieses Werk ist aber so eingerichtet, daß immer eine Ringmauer gerade um die Schutzwehren höher ist, als die andere. Daß es so ist, daran hilft freilich etwas der Ort selbst, der eine Anhöhe ist; aber ein anderer Theil ist auch noch mehr Wert der Kunst; und während der Ringmauern im Ganzen sieben sind, steht in der legten die Königsburg und der Schatz. Die größte Mauer dabei ist fast so im Umfang, wie die Ringmauer von Athen. Ferner sind an der ersten Ringmauer die Schubwehren weiß, an der zweiten schwarz, an der dritten Ringmauer purpurfarb, an der vierten blau und an der fünften hellroth. So sind von allen Ringmauern die Schubwehren mit Farben übertüncht; nur die zwei letzten haben die eine versilberte, die andere vergoldete Schutzwehren.

99. So baute sich Dejoces ein festes Haus sammt solcher Umgebung, und hieß alsdann sein Volk ringsumher die Beste bewohnen. Als aber Alles gebaut war, so hat Dejoces, und zwar er zuerst, die Ordnung eingesetzt, daß Niemand selbst zum König eingehen darf, sondern Alles durch Boten verhandelt wird, und der König sich von Niemanden sehen läßt; dazu auch, daß vor seinen Augen Sachen und Ausspucken durchaus unziemlich ist. Mit solcher Majestät umgab er sich deßwegen, damit nicht, wenn er sich seyen ließe, seine Jugendfreunde, die mit ihm aufgewachsen und von keinem schlechtern Hause, auch an Mannhaftigkeit nicht unter ihn waren, sich kränker und einen Anschlag machen, vielmehr, da er sich nicht sehen ließ, ihn für Einen von anderer Art halten möchten.

100. Und wie er Das angeordnet und sich, in der Herrschaft befestigt hatte, wachte er scharf über dem Recht. Man schrieb die Rechtshändel auf, und schickte sie an ihn hinein; er entschied sie drinnen und schickte sie wieder heraus. So machte er's mit den Rechtshändeln, und traf außerdem die Ordnung, daß er Jeden, von dem er eine Gewaltthat erfuhr, belangen ließ, und nach Maßgabe des jedesmaligen Frevels verurtheilte, wobei er denn auch Späher und Horcher hatte durch das ganze Land, das er beherrschte.

101. Also hielt Dejoces das Medische Volk sammen, und beherrschte es. Medierstämme sind aber soviele: Busier, Paretacener, Struchaten, Arizantier, Budier, Magier. Das sind die sämmtlichen Medierstämme.

(Phraortes, Perserkönig, von 647 an.)

102. Dieser Dejoces hatte zum Sohn den Phraortes, welcher nach dem Ende des Dejoces, der dreiundfünfzig Jahre König gewesen war, zur Herrschaft kam. Wie aber Dieser dazu gekommen war, genügte es ihm nicht, die Medier allein zu beherrschen, sondern er zog gegen die Perser ins Feld, die er zuerst angriff und zuerst den Mediern unterthan machte. Hernach aber mit diesen zwei Wörtern, die beide so stark was sey, unterwarf er sich Asien von einem Volt zum andern; bis er endlich gegen die Assyrier zu Felde zog, und zwar gegen die Assyrier, welche Ninus 38 inne hatten und zuvor über Alle herrschten, damals aber von ihren Streitgenossen, welche abgefallen waren, verlassen, sonst jedoch in gutem Stande waren; bis also Phraortes gegen Diese zog, und er selbst, nach zweiundzwanzigjähriger Herrschaft, umkam, so wie großentheils auch sein Heer.

(Cyaxares v. 625 an, belagert Ninus 624.)

103. Nach Phraortes Ende überkam Cyaxares die Herrschaft, der Sohn des Phraortes, Sohnes von Dejoces. Dieser soll noch viel tapferer gewesen seyn als seine Ahnen, und schaarte auch zuerst die Asiaten nach Haufen, und traf zuerst die Anordnung, daß jeder Theil besonders war, nämlich die Spießträger, die Bogenschützen und die Reiter, während vor ihm Alles bunt zusammen gemengt war. Er ist es, der den Lydiern jene Schlacht lieferte, da ihnen während der Schladt der Tag zur Nacht ward, und der ganz Asien jenseits des Halys unter sich vereinigte. Jetzt sammelte er Alle, die er beherrschte und zog aus gegen die Ninusstadt, um seinen Vater zu rächen, neben der Absicht, diese Stadt einzunehmen. Wie er aber die Assyrier im Treffen besiegt hatte, und Ninus umlagerte, kam auf ihn ein großes Scythenheer heran. Diese führte der Scythenkönig Madyas an, des Protothyas Sohn; sie waren in Asien eingedrungen nach Verdrängung der Cimmerier aus Europa, und indem sie Diese auf ihrer Flucht verfolgten, in's Medische Land gekommen.

104. Vom Mäotischen See 39 an den Phasisstrom und nach Kolchis ist ein Weg von dreißig Tagen für einen rüstigen Mann; und von Kolchis braucht's nicht viel, hinüber in's Medische zu kommen; sondern es liegt ein einziges Volk, die Saspiren, 40 dazwischen; hat man Diese hinter sich, so ist man im Medischen. Indessen drangen doch die Scythen nicht von dieser Seite ein, sondern schlugen sich auf den obern Weg, der viel weiter ist, wobei sie das Kaukasische Gebirg zur Rechten hatten. Dort stießen die Medier mit den Scythen zusammen, unterlagen in der Schlacht, und verloren ihre Herrschaft. Die Scythen aber überwältigten ganz Asien.

105. Von da gingen sie auf Aegypten los, und wie sie im Palästinischen Syrien waren, kam ihnen Psammitichus, Aegypten's König, entgegen, und hielt sie mit Geschenken und Bitten von weiterem Vordringen ab. Und wie darauf die Scythen auf ihrem Rückzug in der Syrischen Stadt Askalon waren, blieben, während die Reisten ruhig durchzogen, einige Wenige zurück und plünderten das Heiligthum der Aphrodite Urania. Dieses Heiligthum ist aber, wie ich nach meinen Erkundigungen finde, von allen Heiligthümern dieser Gottheit das älteste. Denn auch das Cyprische Heiligthum ist von dorther gekommen, wie die Cyprier selbst sagen, und das auf Cythéra hat Phönicier aus eben diesem Syrien zu Gründern. Diejenigen Scythen nun, welche das Heiligthum in Askalon plünderten, und ihre jederzeitigen Nachkommen, schlug die Göttin mit einer weiblichen Krankheit; wie denn die Scythen selbst sagen, daher komme ihre Krankheit, und Wer in das Scythenland komme, könne bei ihnen sehen, welche Bewandtniß es habe mit den von den Scythen so genannten Enareern.

(Scythen aus Asien vertrieben 596 v. Chr.)

106. Ueber Asien herrschten indeß die Scythen achtundzwanzig Jahre lang, und Nichts blieb von ihrem Hohn und Trotz verschont. Denn außer den Abgaben trieben sie von Allen eigene Lasten ein, und außer dieser Abgabe raubten sie auf Umzügen, was nur Einer hatte. Hierauf wurden sie zum größten Theil von Cyaxares und den Mediern bei einem Gastmale trunken gemacht und ermordet. Und so gewannen die Medier ihre Herrschaft wieder, und kamen zu ihrer vorigen Obermacht über die Andern. Auch nahmen sie die Stadt Ninus ein (wie sie dieselbe einnahmen, werde ich in andern Geschichten anzeigen 41, und machten die Assyrier sich unterwürfig, außer dem Babylonischen Gebiet. Nach Diesem endigte Cyaxares, als er vierzig Jahre, zum Theil während die Scythen herrschten, König gewesen war.

(Astyages, 585 v. Chr.)

107. Darauf folgte dem Cyaxares sein Sohn Astyages auf dem Königsthron. Derselbe bekam eine Tochter, welcher er den Namen Mandane gab. Von Dieser kam es dem Astyages im Schlafe vor, sie lasse so viel Wasser, daß sie damit seine Stadt anfüllte, ja ganz Asien überschwemmte. Nun legte er den Traumdeutern unter seinen Magiern das Nachtgesicht vor und erschrack, als er von ihnen alles Einzelne vernahm. Hierauf gab er diese Mandane, da sie bereits mannbar war, keinem der Medier, die seiner würdig gewesen wären, ans Furcht vor dem Gesicht; sondern einem Perser gab er sie, mit Namen Kambyses, den er von einem guten Hause und von friedliebender Weise fand, während er ihn tief unter jeden Medier aus dem Mittelstand herabsetzte.

108. Als nun Mandane mit Kambyses zusammenlebte, sah Astyages im ersten Fahre ein anderes Gesicht. Es kam ihm vor, aus dem Schoos derselben Tochter wachse ein Weinstock, und der Weinstock überdecke ganz Asien. Das sah er, legte es den Traumdeutern vor, und ließ nun reine Tochter aus dem Perserland holen, die einer Geburt nahe war. Und wie sie da war, bewachte er sie, entschlossen, ihre Leibesfrucht umzubringen; denn nach seinem Gesicht hatten ihm die traumverständigen Magier gewahrsagt, daß der Sprößling seiner Tochter König werden solle an seiner Statt. Eben darüber wachte Astyages, und ließ daher, als Cyrus geboren war, den Harpagus rufen, der aus seinem Hause und sein Vertrautester unter den Mediern, auch der Verwalter war von Allem, was er hatte. Zu Diesem sprach nun Astyages: "Sieh zu, daß du mir das Geschäft, das ich dir jetzt auflegen will, ja nicht schlecht machst, mich nicht hintergehst, Andern folgst und hinterher dich selbst verfängst! Nimm da das Kind, das Mandane geboren hat, trag' es in dein Haus und tödte es; hernach begrabe es auf welche Art du willst." Und Jener antwortete darauf: "Mein König, du haft wohl sonst zu keiner Seit an Harpagus etwas Mißfälliges gesehen; und auch in's Künftige werde ich mich hüten, jemals gegen dich zu fehlen. Nein, wenn es dir beliebt, daß Dieses so geschehe, so ziemt so mir, daß mein Dienst mit Fleiß geleistet werde."

109. Nach dieser Antwort ging Harpagus, als ihm das Knäblein, geschmückt zum Tode, übergeben war, weinend nach Hause. Dort eröffnete er seiner Frau Alles, was Astyages mit ihm geredet hatte. Da sprach sie zu ihm: "Und was hast du jetzt im Sinn zu thun?". Er aber antwortete: "Nicht nach dem Auftrag des Astyages! Und wenn er noch mehr verrückt und noch ärger toll wird, als er jetzt schon toll ist, so will ich doch nicht auf seinen Gedanken eingehen und zu solchem Mord den Dienst leisten. Aus vielen Gründen will ich nicht der Mörder desselben seyn, weil das Kind mit mit selbst verwandt ist, und weil Astyages selber alt und ohne einen männlichen Nachkommen ist. Wenn also nach seinem Ende die Herrschaft auf diese Tochter übergehen soll, deren Sohn er jetzt durch mich tödten läßt, was anders bleibt mir alsdann übrig als die höchste Gefahr? Jedoch um meiner Sicherheit willen muß dieser Knabe um's Leben kommen, sein Mörder aber muß Einer von des Astyages Leuten seyn, und keiner von den Meinen."

110. So redete er, und schickte sogleich einen Boten nach demjenigen Kinderhirten des Astyages, dessen Waiden seines Wissens hiezu am tauglichsten und an den wildesten Bergen waren. Derselbe hatte den Namen Mithradates, und hauste mit seiner Nebenmagd. Und das Weib, mit dem er hauste, hatte den Namen Cyno (Hündin) nach der Hellenischen Sprache, nach der Medischen aber Spako; bei den Mediern nämlich heißt der Sund Spat. Jene Niederungen der Berge aber, wo eben dieser Kinderhirt seine Viehwaiden hatte, liegen von Agbatana gegen den Nord und zwar gegen den Pontus Enrinus (das schwarze Meer.) Denn dort ist das Medische Land gegen die Saspiren hin sehr gebirgig, hoch und mit Waldungen überdeckt; das übrige Medische Land dagegen ist durch aus eine Ebene. Nachdem nun der Kinderhirt in größter Eile herbeigeholt war, sagte Harpagus zu ihm: "Astyages befiehlt dir, dieses Knäblein zu nehmen und auszusetzen in die ärgste Gebirgswüste, damit es so schnell, als möglich, umkomme. Und Das befahl er, dir anzusagen: "wo du es nicht umbrächtest, sondern irgendwie erhieltest, sollst du des härtesten Todes sterben;" und ich selbst bin aufgestellt, nach dem ausgesetzten Kinde zu sehen."

111. Als der Kinderhirt Dieß gehört und das Kind in Empfang genommen hatte, ging er wieder seines Weges zurück, und kam auf sein Gehöfte. Nun wollte es aber der Himmel, daß auch sein Weib, die jeden Tag der Geburt nahe war, gerade jetzt niederkam, während der Kinderhirt in die Stadt eilte. Und Beide waren in Sorgen um einander, er aus Bangigkeit wegen der Geburt seines Weibes, das Weib, weil Harpagus, was er doch sonst nicht gewohnt war, ihren Mann holen ließ. Sobald er nun wieder daheim vor ihr stand, und so dem Weibe, wie unverhofft, erschien, that sie zuerst die Frage, weßhalb ihn Harpagus so angelegentlich habe rufen lassen? Darauf sagte er: "O Weib, ich habe in der Stadt gesehen und gehört, was ich nicht hätte sehen und was niemals über unsere Gebieter hätte kommen sollen. Im ganzen Haus des Harpagus war Nichts als Wehklagen; Das machte mich schon betroffen, als ich hineinging. Kaum bin ich aber eingetreten, so seh' ich ein Kindlein daliegen, zappelnd und schreiend, dabei geschmückt mit Gold und buntem Gewand. Harpagus aber, wie er mich erblickte, befahl mir, im Augenblick das Kind zu nehmen, und es gleich fortzutragen und im Gebirg auszusetzen, wo es am wildesten sey, mit dem Bedeuten, es sey Astyages, der mir Das auferlege, und mit schwerer Drohung, wenn ich's nicht so machen würde. So nahm ich's mit mir fort, in der Meinung, es sey von Einem der Hausleute; denn ich hatte nimmer errathen, von Wem es ist. Doch stutzte ich, weil ich es mit Gold und Gewanden geschmückt sah, und dazu über das Wehklagen, das man laut anstellte bei Harpagus. Und alsbald erfuhr ich unterwegs die ganze Geschichte von einem Diener, der mich vor die Stadt hinaus begleitete, wo er mir das kleine Kind einhändigte, daß es von Mandane ein Sohn sey, der Tochter des Astyages, und von Kambyses, Cyrus Sohn; und Der läßt Astyages umbringen. Und da er jetzt.

112. Indem der Kinderhirt Dieß sagte, nahm er die Decke weg und zeigte her. Als sie aber das Knäblein sah, wie es so groß und schön war, brach sie in Thränen aus, umfaßte die Kniee des Mannes, und bat, auf keine Weise es andzusetzen. Er aber sagte ihr, unmöglich könne er Das anders machen; denn es werden Kundschafter von Harpagus herauskommen, um darnach zu sehen; und er müsse des härtesten Todes sterben, wenn er es nicht so machen würde. Wie sie nun den Mann gar nicht bewegen konnte, sagte die Frau wiederum: "Da ich dich also nicht bewegen kann, es nicht auszusetzen, so mach' es doch so (wenn einmal die Nothwendigkeit unumgänglich ist, daß man's draußen liegen sehe): weil auch ich geboren, aber ein Todtes geboren habe, so nimm Dieses, und leg' es dafür hin; aber den Sohn der Tochter des Astyages laß uns aufziehen, als wär' er von uns; und so wirst du nicht über einer Verschuldung an den Gebietern ergriffen werden; noch werden wir Beide übel berathen seyn. Denn der Todte wird zu einer königlichen Bestattung kommen; und der Erhaltene wird nicht sein Leben verlieren.

13. Das schien dem Kinderhirten unter diesen Umständen gar wohl gesprochen von seinem Weibe, und er machte es auf der Stelle so. Den einen Knaben, den er zur Tödtung hergebracht, den übergab er seinem Weibe, den andern, eigenen, der eine Leiche war, legte er dafür in das Geräthe, worin er Jenen hergetragen hatte, schmückte ihn auch mit den ganzen Schmuck jenes Kindes und trug ihn in die ärgste Wüste der Berge hinaus. Und als es der dritte Tag war, daß das Kind draußen lag, ging der Kinderhirt in die Stadt, nachdem er zum Wächter desselben einen der Waidknechte zurückgelassen hatte. Er stellte sich bei Harpagus und erklärte sich bereit, den Leichnam des Knäbleins zu zeigen. Da sandte Harpagus die vertrautesten seiner Lanzenträger, ließ sie statt reiner nachsehen, und das Kind des Kinderhirten begraben. So wurde Dieses begraben, während den Cyrus, wie er nachmals genannt ward, das Weib des Kinderhirten zur Erziehung übernahm, die ihm jedoch nicht den Namen Cyrus, sondern irgend einen andern gab.

114. Als nun dieser Knabe bereits zehnjährig war, brachte ihn folgender Handel, in den er gerieth, an's Licht. Er spielte in eben dem Flecken, wo jene Kinderheerden waren, und zwar spielte er mit andern Kameraden auf der Straße, und in ihrem Spiele wählten sich die Knaben zu ihrem König gerade diesen vom Kinderhirten so benannten Knaben. Und Dieser stellte Aue an, die einen zum Häuserbau, die Andern als seine Lanzenträger; Einen auch als Auge des Königs; 42 und wieder einem Andern gab er das Amt, die Botschaften hereinzubringen; kurz Jedem trug er eine Verrichtung auf. Nun war da Einer, der das Knabenspiel mitmachte, ein Sohn des Artembares, eines ehrenhaften Mannes unter den Mediern; weil nun der nicht that, was ihm von Cyrus aufgetragen war, befahl Dieser den andern Knaben, ihn zu ergreifen. Die Knaben gehorchten, und Cyrus spielte ihm mit Peitschenhieben übel mit. Gleich darauf, wie Derselbe losgelassen ward, nahm er's, als eine seiner unwürdige Behandlung, doppelt übel auf, ging zurück in die Stadt, und jammerte seinem Vater vor, auf welche Art Cyrus ihm begegnet war; nur sagte er nicht "Cyrus" (denn diesen Namen hatte er noch nicht), sondern der Knabe vom Kinderhirten des Astyages." Artembares aber ging in seinem Zorn vor Astyages, nahm auch gleich den Knaben mit und erklärte, daß ihm Schimpf angethan worden sey, indem er sagte: Mein König, von deines Knechtes, des Kinderhirten Sohn, werden wir so gemißhandelt." Und dabei zeigte er den Rüden des Knaben.

115. Als Astyages Das gehört und gesehen hatte, wollte er, um der Ehre des Artembares willen, seinem Sohne Genugthuung verschaffen, und schickte nach dem Kinderhirten sammt dessen Sohn. Sobald nun Beide da waren, blickte Artyages auf Cyrus hin und redete ihn an: "Du also, der Sohn eines solchen Mannes, hast dich unterstanden, dem Sohne dieses Mannes, der bei mir als der Erste gilt, so schmählich mitzuspielen?" Darauf antwortete Derselbe: "Herr, ich habe es Diesem mit Recht so gemacht. Mich haben nämlich die Knaben aus dem Flecken, unter denen auch Der da war, zu ihrem König aufgestellt. Denn ich schien ihnen dazu der Beste zu seyn. Nun haben die andern Knaben ihre Aufträge vollzogen; Der aber war ungehorsam und gab nichts drauf, bis er seine Strafe bekam. Und wenn ich also damit etwas Schlimmes verdient habe, hier hast du mich!"

116. Während der Knabe so sprach, stieg in Astyages ein Erkeunen desselben auf; denn nicht nur schienen ihm die Züge des Gesichtes beinahe, wie sein eigenes, und sein Benehmen mehr nach Art eines Freien zu seyn; auch die Zeit der Aussetzung schien ihm mit dem Alter des Knaben zusammenzutreffen. Hievon betroffen, blieb er eine Zeitlang stumm. Doch als er mit Mühe sich wieder gesammelt hatte, sprach er zu Artembares, in der Absicht, ihn zu entlassen, damit er den Kinderhirten allein in's Verhör bekäme: "Artembares, ich will es so machen, daß du und dein Sohn sich über Nichts zu beschweren haben." So entfernte er den Artembares; den Cyrus aber führten die Diener hinein, auf den Befehl des Astyages. Da nun der Kinderhirt allein zurückblieb, fragte ihn Astyages so allein, woher er den Knaben bekommen, und Wer ihm denselben übergeben habe. Der gab an, er komme von ihm selbst, und auch Die, welche ihn geboren, sey noch bei ihm. Astyages aber bedeutete ihn, er berathe sich übel, indem er Lust habe, auf die härteste Folter zu kommen; und bei diesen Borten gab er zugleich den Lanzenträgern ein Zeichen, ihn zu greifen. Wie nun Jener auf die Folter geführt werden sollte, bekannte er denn die Geschichte, wie sie war. Und er fing vom Anfang zu erzählen an, Alles nach der Wahrheit, und kam endlich auf's Bitten, und daß er ihm doch Vergebung schenken möchte.

117. Nach dem Kinderhirten nun, wie er die Wahrheit bekannt hatte, fragte Astyages schon nicht mehr viel; aber über Harpagus hoch aufgebracht, befahl er den Lanzenträgern, ihn zu rufen. Als Harpagus da war, fragte ihn Astyages: "Sprich, Harpagus, welchen Tod hast du dem Kinde angethan, das ich dir übergab, da es meine Tochter geboren hatte?" Harpagus aber, wie er den Kinderhirten drinnen sah, schlug nicht den Weg der Lügen ein, damit er nicht überwiesen und ergriffen würde, sondern sagte Dieß: "Mein König, sobald ich das Knäblein empfangen hatte, sah ich und einem Rath mich um, wie ich es nach deinem Sinn machen könnte, und dabei, ohne mich gegen dich zu verfehlen, weder vor deiner Tochter, noch vor dir selbst zum Henker wurde. Da machte ich es also. Ich lasse diesen Kinderhirten rufen, und übergebe ihm das Kind mit dem Bedeuten, daß du es seyst, der es umzubringen befehle. Auch habe ich damit nicht gelogen; denn du gabst hiezu den Auftrag. Indessen übergab ich's Demselben auf die Art, daß ich ihm auftrug, es auszusetzen auf ein wüstes Gebirg, und dabei Wache zu stehen, bis es mit ihm zu Ende gebe; unter allerlei Drohung an diesen Mann, wenn er Das nicht so zur Ausführung brächte. Sobald nun Dieser den Befehl vollzogen und das Knäblein sein Ende gefunden hatte, schickte ich meine vertrautesten Verschnittene, ließ sie statt meiner nachsehen und dasselbe begraben. So verhielt es sich, o König, mit dieser Sache; und solchen Tod hat das Kind gefunden."

118. Harpagus also bekannte die Geschichte geradezu. Artyages aber verbarg den Groll, den er auf ihn wegen des Geschehenen hegte; und zuerst erzählte er die Sache, so wie er sie selbst vom Kinderhirten gehört hatte, den Harpagus wieder; hernach, wie er's ihm wieder sagte, kam er auch darauf zu sprechen, daß der Knabe erhalten und das Geschehene nun gut sey. "Denn," sagte er zu ihm, "meine That an diesem Kinde machte mir gar viel zu schaffen, und daß ich's mit meiner Tochter verdorben hatte, schlug ich nicht leicht an. Da also das Geschick sich so gut gewendet hat, so schicke du fürs erste deinen Sohn heraus zu dem neuangekommenen Sohne, und dann (weil ich Rettungsopfer für den Knaben den Göttern darbringen will, welchen diese Ehre zusteht) finde dich bei meinem Mahle ein."

119. Als Das Harpagus hörte, warf er sich vor ihm nieder und schlug es hoch an, daß sein Bergehen selbst noch gut ausgeschlagen, und daß er wegen glücklicher Wendung der Sachen zum Male geladen worden sey; dann ging er in sein Haus. Und sobald er hineinkam, schickte er seinen Sohn, den einzigen, welchen er hatte, von etwa dreizehn Jahren, fort, und hieß ihn in Astyages Haus gehen, und thun, was ihn Dieser Heißen würde. Er selber aber war voll Freude, und theilte es auch seiner Frau mit, wie sich ihm Das gefügt habe. Aber Astyages nahm den Sohn des Harpagus, als er zu ihm kam, schlachtete denselben und zerschnitt ihn gliederweis, und von diesem Fleisch briet er einen Theil, den andern kochte er. So richtete er's schicklich zu, und hielt es bereit. Als aber zur Stunde des Mahles die Gäste und darunter auch Harpagus sich einfanden, wurden die Tische vor den Andern und Astyages selbst mit Lämmerfleisch besetzt, dem Harpagus aber sein ganzer Sohn aufgetragen, außer dem Kopf und den Spitzen von Händen und Füßen. Das lag beiseit in einer Schüssel verdeckt. Als nun Harpagus sich dünkte, satt gegessen zu haben, fragte ihn Astyages, ob ihm der Schmaus auch wohl behage; und da Harpagus versicherte gar sehr wohl, trugen Die, welchen es zukam, den Kopf des Knaben mit rammt den Händen und Füßen, verdeckt bei, stellten sich vor Harpagus hin und hießen ihn aufdecken und nehmen, was er davon wolle. Harpagus that also, deckte auf und erblickte die Ueberbleibsel seines Sohnes; ward jedoch von diesem Anblick nicht außer Fassung gebracht, sondern hielt sich besonnen. Nun fragte ihn Astyages, ob er das Wird kenne, dessen Fleisch er gegessen habe. Er versicherte darauf ja, er kenne es, und Alles sey gut zu heißen, was der König thue. Mit dieser Antwort nahm er das übrige Fleisch in Empfang und ging in sein Haus. Hier mochte er jetzt, wie ich glaube, Was er davon noch zusammenbrachte, begraben.

120. Den Harpagus ließ Astyages also büßen; wegen Cyrus aber berief er zum Rath dieselben Magier, die ihm jenen Bescheid über das Nachtgesicht ertheilt hatten. Und wie sie ankamen, fragte sie Astyages, welchen Bescheid sie ihm über das Gesicht ertheilt hätten. Darauf gaben sie die alte Antwort, daß nämlich der Knabe König werden müsse, wenn er so lang lebe und nicht vorher sterbe. Darauf erwiederte er ihnen: "Ja, der Knabe ist am Leben, ist noch vorhanden; und wirklich haben ihn, indem er auf dem Lande sich aufhielt, die Knaben aus seinem Flecken zum König aufgestellt. Da hat er Alles, was nur die wirklichen Könige thun, vollständig ausgeführt. Denn Lanzenträger und Thürhüter und Botschaftmelder und alles Uebrige hat er sich angeordret. Seht ihr nun wohl, wohin Das führt?" Die Magier sprachen: "Wenn der Knabe noch am Leben ist und ohne absichtliche Veranstaltung König war, dann sey du reinetwegen getrost und habe guten Muth; denn zum zweitenmal wird er nicht mehr herrschen. Es sind uns ja auch schon einige Sprüche auf Kleinigkeiten hinausgelaufen; und Was mit den Träumen zusammenhängt, kommt volendso auf Geringfügiges hinaus." Darauf erwiederte Astyages Folgendes: "Ich selbst, ihr Magier, bin auch gar sehr der Meinung, daß, da der Knabe König genannt worden ist, es jetzt mit dem Traum aus ist, und ich nichts von diesem Knaben zu fürchten habe. Indessen rathet mir dennoch mit aller Umsicht, was für mein Haus, und also auch für euch das Sicherste seyn mag." Die Magier sprachen hierauf: "König, es liegt uns selber ohnehin Viel daran, deine Herrschaft aufrecht zu erhalten. Denn im andern Fall wird sie ja fremde, indem sie auf diesen Knaben, einen Perser, übergeht; und wir, die Medier, werden da Knechte seyn und von den Persern für Nichts angesehen werden, wie es Fremden geht; so lange dagegen du, der Eingeborne, König bist, nehmen wir an der Herrschaft Theil und genießen von dir große Ehren. Allerdings also haben wir für dich und deine Herrschaft uns vorzusehen. Und hätten wir nun etwas Schreckhaltes wahrgenommen, wir würden es Dir immer vorhergesagt haben. So aber, da der Traum ins Unbedeutende ausschlägt, sind wir selbst getrost, und das Gleiche empfehlen wir auch dir. Den Knaben jedoch schicke aus deinen Augen fort, nach Persien zu seinen Eltern.".

121. Als Astyages Das hörte, freute er sich, ließ auch gleich den Cyrus rufen und sagte ihm Dieses: "Wisse, mein Kind, wegen eines unvollkommenen Traumzeichens habe ich Unrecht an dir gethan. Dein eigen Glück aber ist es, daß du noch lebst. So gehabe dich nun wohl und geh' in's Perserland, wozu ich dir ein Geleite mitgeben will. Kommst du dorthin, so wirst du Vater und Mutter finden, andere Leute, als einen Kinderhirten Mithradates und seine Frau."

122. So sprach Astyages und schickte den Cyrus fort. Und er kam zurück in das Haus des Kambyses, wo ihn seine Eltern aufnahmen, und, wie sie erst hörten, Wen sie aufgenommen hätten, vielmal begrüßten; waren sie doch darauf geblieben, er sey damals gleich gestorben; und nun fragten sie ihn, auf welche Art er erhalten worden. Er aber sagte ihnen vordem habe er's nicht gewußt, vielmehr sey er ganz falsch daran gewesen; unterwegs aber habe er sein ganzes Schicksal gehört. Denn er sey darauf geblieben, daß er vom Kinderhirten des Astyages ein Sohn sey; und erst auf dem Weg von dorther habe er die ganze Geschichte von den Geleitsmännern erfahren. Aufgezogen habe ihn die Frau des Kinderhirten. Und nun fing er an und lobte sie in allen Stücken; und in der ganzen Rede nannte er sie immer die Hündin. Die Eltern aber faßten diesen Namen auf, und damit den Persern die Rettung ihres Sohnes um so göttlicher scheine, streuten sie die Sage aus, daß den ausgesetzten Cyrus eine Hündin aufgezogen habe. Daher ist denn diese Sage gekommen.

123. Während nun Cyrus zum Mann aufwuchs, und unter seinen Altersgenossen der Mannhafteste und Anmuthigste war, lag ihm Harpagus an und sandte ihm auch Geschenke, aus Begierde, an Astyages sich zu rächen. Denn von ihm selbst, als einem einzelnen Unterthan, könne, sah er ein, die Rache an Astyages nicht ausgehen; den Cyrus aber sah er hiezu heranwachsen, und wählte ihn zu seinem Kampfs genossen, wie er denn auch die erlittenen Schicksale des Cyrus mit den reinigen zusammenstellte. Was nun Harpagus noch vor Diesem in Stand brachte, war, daß er sich, während Astyages die Medier hart behandelte, mit den Ersten derselben, Mann für Mann, einließ und sie überredete, man müsse zu Gunsten des Cyrus den Astyages des Königthums entsetzen. Und als Dieses von ihm zu Stande gebracht und bereitet war, so wollte nunmehr Harpagus dem Cyrus, der sich in Persien aushielt, seine Gedanken offenbaren, hatte aber, da die Wege bewacht wurden, kein Mittel dazu; und ersann daher folgenden Kunstgriff. Er bediente sich eines Hasen, den er am Bauch aufschlitzte, sonst aber, ohne ihn abzuziehen, ließ, wie er war; und so steckte er einen Brief hinein, auf den er, Was ihm gut dünkte, geschrieben hatte. Nun nähte er den Bauch des Hasen wieder zu, gab denselben, sammt einem Garn, dem Vertrautesten seiner Hausleute, als wäre er ein Jäger, und schickte ihn nach Persien ab, mit dem mündlichen Auftrag, bei Ueberbringung des Hasen an Cyrus zu bemerken, er möchte ihn eigenhändig aufschneiden, und es dürfe Niemand dabei seyn.

124. Das geschah auch wirklich so; Cyrus empfing den Hasen, schlitzte ihn auf, und fand den Brief darin, den er heraus zog und las. Die Schrift aber lautete also: "Sohn des Kambyses! Wisse, daß die Götter auf dich blicken: wie hättest du auch sonst zu so großem Glück kommen mögen? So räche dich nun an Astyages, deinem Mörder. Denn seinem Willen zu Folge warst du todt, den Göttern aber und mir zu Folge bist du erhalten. Wie ich dich denn längst sattsam davon unterrichtet glaube, was man an dir selbst gethan hat, und welch eine Begegnung auch ich von Astyages erfahren habe, weil ich dich nicht umbrachte, sondern dem Kinderhirten gab. Du wirst aber jetzt, wofern du mir folgen willst, dasselbe Land, welches Astyages beherrscht, selber ganz beherrschen. Berede nämlich die Perser, abzufallen; und wofern ich von Astyages zum Feldherrn gegen dich ernannt werde, so hast du, was du willst, und nicht minder, wofern es ein Anderer von den ehrenhaften Mediern wird. Denn Diese werden zuerst von ihm abfallen, sich zu dir schlagen, und der Astyages zu stürzen suchen. Du siehst also, daß hier schon Alles bereit ist: so thue Dieß, und thue es bald."

125. Auf diese Nachricht kann Cyrus darüber, wie er die Perser auf die klügste Art zum Abfall bereden könne. Bei feinem Nachsinnen fand er es so am schicklichsten; und nun machte er's also: Er schrieb in einen Brief, was er wollte, hielt eine Versammlung der Perser, entfaltete hierauf den Brief, las ihn und gab an, Astyages ernenne ihn zum Heerführer der Perser: "Jetzt also - ließ er sich weiter vernehmen - sey euch, ihr Perser, von mir angesagt, daß Jeder sich mit einer Sichel stelle." Dieses entbot ihnen Cyrus. Die Perser sind aber stark an Stämmen; und Diejenigen von ihnen, welche Cyrus versammelte und zum Abfall von den Mediern überredete, sind folgende, von welchen die Andern allesammt abhängen: Pasargaden, Maraphier und Maspier. Davon sind die Pasargaden die Ersten; unter Diesen aber ist das Geschlecht der Achämeniden, wovon auch die Persischen Könige gekommen sind. Andere Perser sind Diese: Panthialäer, Derusiäer, Germanier; alle Diese sind Feldbauer, die Uebrigen Nomaden, nämlich: Daër, Mardier, Dropiker und Sagartier.

126. Es war aber im Persischen ein Feld voller Dornen, bis auf achtzehn oder zwanzig Stadien an jeder Seite; als sich nun Alle mit dem besagten Geräth eingestellt hatten, kündigte ihnen Cyrus an, dieses Feld sollten sie an einem Tag urbar machen. Und als die Perser, das aufgetragene Geschäft vollbracht hatten, kündigte ihnen Cyrus zum andern an, am folgenden Tag sollen sich alle gebadet einstellen. Da versammelte Cyrus die Ziegen- und Schafheerden und das Rindvieh, Alles, was sein Vater hatte, auf einem Fleck, schlachtete und richtete es zu, um damit das Perservolk zu empfangen; so wie mit Wein und den besten Speisen. Als nun am folgenden Tag die Perser kamen, ließ er sie auf der Wiese sich lagern und gab ihnen einen Schmaus. Nachdem sie aber vom Mahle aufgestanden waren, fragte sie Cyrus, ob wohl, was sie am vorigen Tage hatten, oder das Gegenwärtige ihnen wünschenswerther sey? Darauf sprachen sie: Das sey ein großer Abstand. Denn am vorhergehenden Tag hätten sie nichts als Schlimmes gehabt, und am gegenwärtigen nichts als Gutes. Dieses Port ergriff Cyrus und deckte ihnen die ganze Sache auf, indem er sagte: "Persische Männer, so seyd ihr dran. Wollt ihr nun mir folgen, so habt ihr Solches und tausendfältig anderes Gute, und dabei gar keine Knechtsarbeit; wollt ihr aber mir nicht folgen, so habt ihr mühsame Arbeiten, so wie die gestrige, in Unzahl. So folgt mir also, und werdet frei. Denn ich selbst bin wohl durch göttliche Schickung dazu geboren, Dieses in meine Hand zu bekommen; wie ich auch dafür halte, daß ihr um Nichts schlechter seyd, als die Medischen Männer, weder sonst, noch im Kriege. Ist nun dem also, so fallet gleich von Astyages ab."

127. Jetzt hatten also die Perser einen Anführer gewonnen; und da es ihnen schon längst ein Arges war, von den Mediern beherrscht zu werden, machten sie gerne sich frei. Als aber Astyages hörte, Das habe Cyrus im Werk, sandte er einen Boten, um ihn zu berufen. Cyrus gab dem Boten zur Gegenbotschaft auf, er wolle früher zu Astyages kommen, als es Diesem selbst recht seyn werde. Auf diese Antwort bewaffnete Astyages die Medier insgesammt, und zu ihrem Feldherrn - so war er von Gott geschlagen - ernannte er den Harpagus, ganz vergessend, Was er ihm gethan hatte. Und als im Felde die Medier mit den Persern zusammengeriethen, wehrten sich Einige, die da nicht mit im Spiele was sey, Andere aber gingen über zu den Persern; die Meisten hielten sich absichtlich schlecht und flohen.

(Astyages gefangen, 550 vor Chr.)

128. Als das Medische Heer so schimpflich aufgelöst war und Astyages es vernahm, stieß er sogleich über Cyrus die Drohung aus: "Und doch soll Cyrus auch so nicht froh werden!" Mehr sprach er nicht; und nun war sein Erstes, daß er jene Traumdeuter aus den Magiern, die ihn zu dem Entschluß gebracht hatten, den Cyrus zu entlassen, auf Pfähle spießen ließ. Hierauf waffnete er die Medier, die in der Stadt zurückgeblieben waren, jung und alt; führte sie dann hinaus, stieß mit den Persern zusammen und unterlag; und Astyages wurde selbst lebendig gefangen, und verlor die Medier, die er hinausgeführt hatte.

129. Und jetzt, da er Kriegsgefangener war, stellte sich Harpagus vor Astyages hin, verlachte und verhöhnte ihn, und sagte ihm allerlei schmerzhafte Reden in's Gesicht, darunter auch die Frage: "wie sich zu seiner Bewirthung, wobei ihm Astyages das Fleisch seines Sohnes aufgetischt, die jetzige Knechtschaft des ehemaligen Königs verhalte?". Der sah ihn an mit der Gegenfrage: "ob er sich des Cyrus Wert zueigne?" Und Harpagus sagte: "Er habe geschrieben, und so sey Alles in Wahrheit sein Werk." Da nannte ihn Astyages den allerungeschicktesten und ungerechtesten Menschen; den ungeschicktesten, wenn er, selbst im Stande, König zu werden, da ja durch ihn Dieß Alles bewirkt worden, einem Andern die Macht überliefert habe; den ungerechtesten aber, weil er um jenes Mahles willen die Medier in Knechtschaft gebracht. Denn wenn es einmal durchaus nöthig war, daß er einem Andern das Königreich überliefere, und es nicht selbst behalte, so wäre es eher gerecht gewesen, auf einen Medier dieses Glück überzutragen, als auf einen Perser. Nun aber seyen gerade die Medier, ohne alle Schuld an der Sache, Knechte aus Herren geworden, und die Perser, die ehemaligen Knechte der Medier, seyen nun die Herren.

130. So wurde denn Astyages, nachdem er an fünfunddreißig Jahre König gewesen, des Königthums entsetzt, und die Medier beugten sich, um seiner Härte willen, unter die Perser, nachdem sie Affen jenseits des Halysstromes an hundert und achtundzwanzig Jahre beherrscht hatten, ausgenommen die Dauer der Scythenherrschaft. In späterer Zeit kam sie zwar Reue an, Das gethan zu haben, und sie fielen auch von Darius ab; aber sie wurden da in einer Schlacht besiegt, und wieder unterjocht. Damals nun, unter Astyages, standen die Perser mit Cyrus gegen die Medier auf, und seitdem herrschten sie über Asien. Den Astyages aber behielt Cyrus, ohne ihm sonst ein Leid zu thun, bei sich, bis an sein Ende. Also ward Cyrus nach solcher Geburt und Erziehung König, und unterwarf sich nach Diesem den Krösus, der mit Unrecht angefangen hatte, wie Das früherhin von mir gesagt worden ist. Und nach seiner Unterwerfung herrschte er denn über ganz Asien.

131. Von den Persern aber sind mir folgende Bräuche bekannt: Götterbilder, Tempel und Altäre zu errichten, haben sie so gar nicht im Brauch, daß sie vielmehr Denen, die Das thun, Thorheit vorwerfen; wie mir scheint, weil sie nicht mit den Hellenen dafür halten, daß die Götter menschenartig seyen. Dagegen ist bei ihnen Brauch, dem Zeus auf den höchsten Gipfeln der Berge Opfer darzubringen, wobei sie den ganzen Himmelkreis als Zeus anrufen. Auch opfern sie der Sonne und dem Mond, der Erde, dem Feuer, dem Wasser und den Winden. Und diesen allein opfern sie von Alters her. Außerdem aber haben sie angenommen, daß sie der (Aphrodite) Urania opfern, und zwar von den Assyriern und Arabern. Der Name der Aphrodite ist aber bei den Assyriern Mylitta, bei den Arabern Alitta, und bei den Persern Mitra.

132. Die Opferung haben die Perser bei den besagten. Göttern also bestellt: sie errichten weder Altäre, noch machen sie zum Behuf des Opfere ein Feuer an, haben auch keine Trankopfer im Gebrauch, keine Flöten, Kränge oder heilige Gerste; sondern Wer einem jener Götter opfern will, führt das Thier an eine reine Stätte und ruft den Gott an, meist mit einem Myrthenkranze um den Kopfbund. Indessen kommt es dem Opfernden nicht zu, für sich allein um Gutes zu flehen; vielmehr betet er, daß es allen Persern und dem König wohl gehen möge; und da ist unter den sämmtlichen Persern auch er selbst begriffen. Hat er nun das Opferthier in Stücke zertheilt und das Fleisch gekocht, so streut er das zarteste Gras, meist Klee, unter, und legt alles Fleisch darauf. Wenn er's aber auseinander gelegt hat, singt ihm zur Seite ein Magier, als Weihelied, eine Götterschöpfung; das sey nämlich, sagen sie, ihr Weihegesang; und ohne einen solchen Magier zu opfern, ist nicht Brauch bei ihnen. Noch steht der Opfernde eine Weile; dann trägt er das Fleisch nach Haus, und braucht es nach Gutdünken.

133. Weiter ist nach ihren Gebräuchen Jedem unter allen Tagen sein Geburtstag der feierlichste. An diesem halten sie es für billig, ein volleres Mahl, als sonst, aufzutragen, und ihre Reichen tragen einen Stier, ein Pferd, ein Kamel und einen Esel auf, die ganz in Oefen gebraten werden; ihre Armen tragen kleines Vieh auf. Die Perser setzen sich wenig Speisen vor; aber vielen Nachtisch, und diesen nicht auf einmal. Eben darum behaupten sie auch, die Hellenen hören hungrig auf, zu speisen, weil ihnen nach der Mahlzeit Nichts aufgetischt werde, das der Rede werth wäre; würde ihnen Etwas aufgetischt, so hörten sie wohl nicht auf zu essen. Dem Weine setzen sie stark zu, und dürfen nicht speien und nicht pissen in eines Andern Gegenwart. So hält man es in diesen Stücken. Auch sind sie gewohnt, über die wichtigsten Angelegenheiten sich trunken zu berathen; und was ihnen in ihrem Rath gefallen hat, Das legt ihnen Tags darauf, wenn sie nüchtern sind, der Hausherr vor, bei welchem sie sich gerade beriethen. Und wenn es ihnen auch nüchtern gefällt, so gilt's; wo nicht, so wird es aufgegeben. Was sie aber nüchtern vorschlugen, Das untersuchen sie noch einmal, wenn sie trunken sind.

134. Treffen sie sich auf der Straße, so läßt sich daran erkennen, ob die Begegnenden gleiche Leute sind; dann nämlich küssen sie einander, anstatt der Begrüßung, auf den Mund. Ist jedoch Einer etwas geringer, so küssen sie die Mangen; ist aber Einer viel gemeiner, als der Andere, so wirft er sich vor ihm nieder und huldigt ihm. Sie ehren vor Allen ihre nächsten Nachbarn, nach sich selber nämlich, dann die Zweiten, hernach die Weitern, indem sie in dieser Ordnung fortschreiten; so daß sie Die am wenigsten in Ehren halten, die von ihnen am entferntesten wohnen. Denn sie halten sich selbst bei weitem für die allervortrefflichsten Menschen, und die Andern lassen sie in der angegebenen Ordnung an ihre Trefflichkeit sich anschließen, und um so schlechter seyn, je entfernter sie von ihnen wohnen. Nämlich unter der Medierherrschaft herrschten zugleich die Völker übereinander, und zwar die Medier über Aue zusammen, und insbesondere über ihre nächsten Nachbarn, Diese über ihre Grenznachbarn, und Diese wieder über die Angrenzenden. Nach derselben Ordnung nun werden auch die Völker von den Persern geschätzt; denn (nach Jenen) gelangte dieses Volk zur Herrschaft und Verwaltung.

135. Zu fremden Sitten versteht sich Niemand leichter, als die Perser. So tragen sie die Medische Kleidung, weil ihnen dieselbe schöner dünkte, als ihre eigene, und so im Kriege die Aegyptischen Panzer. Auch gehen sie allen möglichen Genüssen nach, wenn sie davon hören; insbesondere haben sie von den Hellenen die Knabenliebe gelernt. Jeder Perser hat viele Ehefrauen, nimmt aber noch viel mehr Kebsweiber.

136. Für Mannhaftigkeit gilt es, nächstem daß mau ein Mann im Kampf ist, wenn einer viele Kinder aufweisen kann; und Wer die meisten aufweist, dem schickt der König Geschenke von Jahr zu Jahr. Denn Menge, denken sie, gibt Stärke. Ferner erziehen sie die Knaben, vom fünften Jahr an bis zum zwanzigsten, nur in Dreierlei: Reiten, Bogenschießen, Wahrheit reden. Bevor er aber fünfjährig ist, kommt Keiner dem Vater zu Gesicht; sondern hat seinen Aufenthalt bei den Frauen. Und Das macht man deßwegen so, damit Keiner, falls er unter der Pflege stärbe, dem Vater Leid zuziehe.

137. Diesen Brauch lobe ich, und lobe auch den, daß Keiner um einer einzigen Schuld willen, nicht einmal vom König selbst getödtet wird, auch sonst kein Perser einen seiner Hausleute wegen einer einzelnen Schuld heillos43 behandeln darf; sondern wofern Einer nach Abrechnung die Verbreden häufiger und größer findet, als die Dienste, dann läßt er seinen Zorn aus.

Noch habe, sagen sie, Steiner jemals seinen Vater umgebracht, noch seine Mutter; sondern wenn je so Etwas geschah, habe man ganz nothwendig, behaupten sie, bei der Untersuchung auffinden müssen, daß solches Unterschobene oder im Ehbruch Erzeugte waren; denn es ist, nach ihrer Behauptung, gar nicht anzunehmen, daß wirklich ächte Eltern durch ihre eigenen Kinder sterben.

138. Sodann ist ihnen Alles, was ihnen nicht erlaubt ist zu thun, nicht einmal zu sagen erlaubt. Für das Schändlichste aber gilt ihnen zu lügen, und nächstem, Etwas schuldig zu seyn; Dieß aus vielen Gründen; besonders aber behaupten sie auch, ein Schuldner werde nothwendig die eine oder andere Lüge sagen. Wo ein Bürger den Aussaß oder den weißen Ausschlag hat, so kommt Dieser nicht in die Stadt, noch gesellt er sich zu den andern Persern; und, nach ihrer Behauptung, hat er Das wegen eines Vergehens gegen die Sonne. Auch treiben sie jeden Fremden, der davon ergriffen wird, eiligst aus ihrem Lande; so wie auch die weißen Tauben unter demselben Vorwurf. In einen Fluß pissen sie weder Etwas, noch spucken sie hinein, noch waschen sie darin die Hände; auch lassen sie Das keinem Andern zu; sondern verehren die Flüsse höchlich.

139. Folgendes findet sich auch bei ihnen. Was wohl den Persern entgeht, nicht so aber uns. Ihre Namen, die ihrem Aeußern und ihrer Würde entsprechen, endigen sich alle auf denselben Buchstaben, den die Dorier San, und die Ionier Sigma heißen. Wer darauf achten will, wird finden, daß darauf die Persischen Namen sich endigen, nicht etwa einige, und andere nicht, sondern alle gleichmäßig.

140. Dieses weiß ich, und kann darüber mit Bestimmtheit reden; über ihre Todten aber hört man, als etwas Geheimes, und nicht mit Sicherheit, daß kein Leichnam eines Persers eher begraben werde, als bis ein Vogel oder Hund daran gezerrt habe. Ja, von den Magiern weiß ich mit Bestimmtheit, daß sie es so machen; thun sie's doch öffentlich. Die Perser überziehen den Leichnam erst mit Wachs; dann bergen sie ihn in der Erde. Die Magier aber unterscheiden sich sehr von andern Menschen, und auch von den Priestern in Aegypten. Denn Diese halten es heilig, kein Lebendes zu tödten, außer, was sie opfern; die Magier dagegen tödten gerade eigenhändig Alles, außer Hund und Mensch, und machen sich Das zur großen Aufgabe, sowohl Ameisen, wie auch Schlangen zu tödten, und sonst, Was kriecht und fliegt. So lassen wir's denn mit diesem Brauch, wie es von jeher gegolten hat. Ich aber gehe zurück auf die vorige Geschichte.

141. Die Ionier und die Aeolier sandten nun, sobald die Lydier unterworfen waren, Boten nach Sardes an Cyrus, bereit, unter denselben Bedingungen ihm unterthan zu seyn, wie sie es dem Krösus waren. Als aber Derselbe ihren Vortrag angehört hatte, erzählte er ihnen eine Geschichte: Es Habe nämlich ein Flötenspieler, der Fische im Meer sah, auf seiner Flöte gepfiffen, in der Meinung, sie sollten an's Land herauskommen; als er sich aber in seiner Hoffnung betrog, ein Netz genommen, und darin eine große Menge Fische gefangen und herausgezogen. Wie er sie zappeln sah, habe er zu den Fischen gesprochen: "höret mir auf, zu tanzen; habt ihr ja nicht, als ich euch pfiff zum Tanze herauskommen wollen." Diese Geschichte erzählte aber Cyrus den Ioniern und Aeoliern deßwegen, weil wirklich die Ionier früher, als Cyrus selbst durch Gesandte sie bat, von Krösus abzufallen, nicht gehorchen wollten; jetzt aber, nachdem die Sachen abgemacht waren, sich bereit zeigten, dem Cyrus zu gehorchen. Er also gab ihnen, in seinem Zorn, Dieß zur Antwort. Die Ionier aber, als sie solche Nachrichten in ihren Städten hörten, schützten sich Alle mit Mauern, und versammelten sich in Panionium, nur die Milesier ausgenommen. Denn mit Diesen allein hatte Cyrus einen Bundeseid gemacht, unter denselben Bedingungen, wie der Lydier (Krösus). Die übrigen Ionier aber beschloßen, im Namen Ader Gesandte nach Sparta zu schicken, mit der Bitte, den Ioniern beizustehen.

142. Diese Ionier, aus denen eben das Panionium besteht, haben unter allen Menschen, von denen wir wissen, gerade da ihre Städte gegründet, wo der Himmel und die Jahreszeiten am schönsten sind. Denn weder die Lande oberhalb Ioniens thun es ihm gleich, noch die unterhalb, weder die gegen Morgen, noch die gegen Abend. Denn die Einer sind der Kälte und Nässe, die Andern der Seite und Dürre unterworfen. Die Sprache ist aber nicht unter allen Ioniern dieselbe, sondern in vier Abarten gebildet. Milet ist ihre erste Stadt gegen Mittag, dann Myus und Priene; und diese sind in Karien gelegen und sprechen gleich miteinander. In Indien aber sind: Ephesus, Kolophon, Lebedus, Teos, Klazomenä, Phocäa. Diese Städte stimmen mit den früher genannten in der Sprache gar nicht überein, unter sich aber haben sie die gleiche Sprache. Noch sind drei Ionische Städte übrig, wovon zwei auf Inseln liegen, auf Samos und Chios, eine auf dem Festland gegründet ist, Erythrä. Nun sprechen zwar die Chier und Erythräer miteinander die gleiche Sprache, die Samier aber ihre eigene für sich. Das sind die vier Mundarten.

143. Von diesen Ioniern also waren die Milesier vor aller Furcht gedeckt durch ihr Bündniß. Auch die Inselbewohner unter ihnen hatten kein Arg, weil damals die Phönicier noch nicht den Persern unterthan, und die Perser selbst keine Seeleute waren. Nun hatte zwar eigentlich Nichts diese Ionier von den Andern geschieden; allein, war damals das ganze Hellenische Volk schwach, so war unter den Stämmen der Ionische bei weitem der schwächste und von der wenigsten Bedeutung; denn außer Athen hatte er keine einzige namhafte Stadt. So mieden die übrigen Ionier und die Athener diesen Namen, und wollten nicht Ionier genannt seyn; ja auch jetzt noch sehe ich, daß ihrer Viele dieses Namens sich schämen. Jene zwölf Städte aber rühmten sich des Namens und gründeten für sich ein Heiligthum, dem sie den Namen Panionium gaben; beschloßen jedoch, keine andere Ionier Theil daran nehmen zu lassen; es begehrten aber auch keine Theil daran, außer die Smyrnäer.

144. Auch die Dorier aus der Gegend der jetzigen Pentapolis (Fünfstädte), welche früher Herapolis (Sechsstädte) genannt ward, halten gleichfalls darauf, keine der anwohnenden Dorier in das Triopische Heiligthum aufzunehmen; ja sie haben aus ihrer eigenen Mitte Diejenigen, welche die Ordnung des Heiligthums hintansetzen, von der Theilnahme ausgeschlossen. Denn in dem Wettkampf des Triopischen Apollo setzten sie von jeher eherne Dreifüße für die Sieger aus; Wer aber dieselben gewann, hatte sie nicht aus dem Heiligthum fortzunehmen, sondern an Ort und Stelle dem Gott zu weihen. Nun siegte einmal ein Mann von Halikarnassus, mit Namen Agasikles; der verachtete das Gesetz, nahm den Dreifuß und hing ihn in seinem Hause an den Nagel. Das war der Grund, warum die fünf Städte, Lindus, Ialyssus und Kamirus, Kos und Knidus die sechste Stadt, Halikarnassus, von der Theilnahme ausschloßen. Und Diesen wurde von den Genannten die erwähnte Strafe auferlegt.

145. Aber die Ionier, glaube ich, haben deswegen gerade zwölf Städte 44 gestiftet, und nicht mehr aufnehmen wollen, weil schon, als sie im Peloponnes wohnten, ihrer zwölf Abstheilungen waren; so wie jetzt die Achäer, von welchen die Ionier vertrieben wurden, auch zwölf Abtheilungen sind. Nämlich Pellene bei Sicyon kommt zuerst, dann Aegira und Aegä (daselbst der Fluß Krathis, der unversieglich ist, und von dem der Fluß in Italien den Namen bekam), weiter Bura und Helice (wohin die Ionier, von den Achäern geschlagen, sich flüchteten), weiter Aegion, Rhypä, Paträ, Pharä, Olenus (wo der große Fluß Pirus ist), endlich Dyma und Tritäa, welches unter diesen Städten allein im Binnen lande liegt.

146. Diese sind jetzt zwölf Abtheilungen der Achäer, und waren damals der Ionier. Ebendarum haben auch die Ionier zwölf Städte gestiftet. Wollte man aber sagen, dies selben seyen mehr eigentliche Ionier als die andern Ionier, oder ihr Ursprung edler, so wäre Das sehr einfältig; indem die Abanten aus Euböa mit nichten den kleinsten Theil von ihnen ausmachen, ohne auch nur im Namen etwas Ionisches zu haben, und ihnen Minyer von Orchomenus, auch Kadmeer, Dryopier, ein Theil Phocier, Molosser, Pelasgische Arkadier und Dorische Epidaurier, nebst vielen andern Stämmen, beigemischt sind. Auch Diejenigen, die vom Prytaneum in Athen ausgingen und sich für die edelsten Ionier halten, haben keine Weiber mit in die Pflanzung gebracht, sondern sich Karierinnen genommen, deren Väter sie gemordet hatten. Und wegen dieser Ermordung machten sich dieselben Weiber ein Gesetz, schwuren es einander zu, und pflanzten es auch auf ihre Tochter fort, niemals mit ihren Männern zusammen zu speisen, noch ihren Mann bei Namen zu rufen, darum, weil sie ihnen Väter und Männer und Kinder gemordet, und dann, obgleich sie Solches gethan hatten, mit ihnen hausten. Und Das war in Milet der Fall.

147. Zu Königen aber machten einige Derselben Lycier, Nachkommen von Glaukus, Hippolochus Sohn; Andere nahmen sie aus den Pylischen Kaukonen, von Kodrus, Melanthus Sohn, Andere aus Beiden. Freilich in hängen sie mehr als die übrigen Ionier an diesem Namen. So lassen wir sie denn auch den reinen Ionierstamm seyn; es sind aber Alle Ionier, die von Athen stammen und die Apaturien feiern. Dieses Fest aber feiern Alle, außer den Ephesern und Kolophoniern. Denn Diese allein unter den Ioniern feiern die Apaturien nicht, und zwar eines Mordes wegen.

148. Jenes Panionium ist in Mykale eine heilige Stätte, gegen Mitternacht, gemeinschaftlich von den Ioniern dem Poseidon Helikonius 45 auserkoren. Mykale aber ist eine Spitze des Festlandes, die sich gegen den West nach Samos zu erstreckt, wo sich die Ionier von den Städten immer versammelten, um ein Fest zu feiern, dem sie den Namen Panionia gaben. Das ist aber nicht blos bei den Festen der Ionier der Fall, sondern bei allen Hellenen endigen sich alle gleichmäßig auf einen und denselben Buchstaben, 46 so wie bei den Persern die Namen.

149. Das sind denn die Ionischen Städte. Folgende aber sind die Aeolischen: Cyme, genannt Phrikonis, Larissa, Keontichos (Neuburg), Temnus, Cilla, Notium, Aegiroessa, Pitana, Aegää, Myrina, Grynea. Das sind die eilf ursprünglichen Städte der Aeolier. Eine nämlich, Smyrna, wurde ihnen von den Ioniern weggenommen. Denn auch hier waren ihrer zwölf auf dem Festland. Diese Aeolier nun haben sich zwar auf einen bessern Boden, als die Ionier, niedergelassen; aber mit den Jahreszeiten sind sie nicht so daran.

150. Smyrna verloren die Aeolier folgendermaßen. Sie nahmen Kolophonische Männer auf, die bei einem Aufstand unterlagen, und aus ihrem Vaterland verstoßen waren. Jetzt warteten diese landesflüchtigen Kolophonier es ab, bis die Smyrnäer ausserhalb der Mauern dem Dionysus ein Fest veranstalteten, schloßen die Thore und nahmen die Stadt. Als hierauf sämmtliche Aeolier zur Wehre zogen, trafen sie die Uebereinkunft, auf Herausgabe der fahrenden Habe von Seiten der Ionier sollten die Aeolier Smyrna aufgeben. Da Dieß die Smyrnäer thaten, vertheilten sie die eilf Städte unter sich und machten sie zu ihren Bürgern.

151. Das sind denn die Aeolischen Städte auf dem Festland, außer den auf dem Ida gelegenen; denn diese sind besonders. Von den Inselstädten aber sind ihrer fünfe auf Lesbos; Arisba nämlich, die sechste auf Lesbos gelegene Stadt, haben die Methymnäer, die doch ihre Blutsverwandten sind, in Knechtschaft versetzt. Auch auf Tenedos liegt eine Stadt, und auf den sogenannten Hundertinseln noch eine. Nun hatten damals die Lesbier und Tenedier kein Arg, so wenig, als die inselbewohnenden Ionier; die übrigen Städte aber wählten es im Namen Acer, den Ioniern zu folgen, wohin Dieselben sie führen würden.

152. Sobald die Gesandten der Ionier und Aeolier in Sparta angekommen waren (denn damit ging es schnell genug), wählten sie zum Sprecher für die einen Phocäer, mit Namen Pythermus. Der warf sich in ein purpurnes es wand, damit, wenn sie Das vernähmen, um so mehr Spartiaten zusammen liefen, stellte sich hin, und machte viele Worte, daß sie ihnen beistehen möchten. Und doch hörten die Lacedämonier nicht auf ihn, sondern beschloßen im Gegentheil, den Ioniern nicht beizustehen. Diese zogen denn ab; die Lacedämonier aber, nachdem sie die Gesandten der Ionier abgewiesen hatten, fertigten gleichwohl in einem Fünfzigruder Leute ab, wie mir scheint, als Kundschafter der Angelegenheiten von Cyrus und Ionien.

Nach ihrer Ankunft in Phocäa schickten Diese den Ehrenhaftesten aus ihrer Mitte, Namens Lakrines, nach Sardes, um dem Cyrus im Namen der Lacedämonier zu entbieten, daß er feiner Stadt des Hellenischen Landes Schaden zufüge, indem sie dabei nicht gleichgültig zusehen würden.

153. Als der Herold so sprach, soll Cyrus die Hellenen, die er bei sich hatte, befragt haben, was für Leute denn die Lacedämonier wären, und wie stark an Zahl, die ihm Das da anbeföhlen? Hievon unterrichtet, habe er zum Spartiatenherold gesprochen? "Noch niemals habe ich solche Leute gefürchtet, die mitten in der Stadt einen bestimmten Platz haben, wo sie sich versammeln und mit Eidschwüren betrügen. Sie sollen, bin ich anders bei gesundem Verstand, nicht von den Schicksalen der Ionier, sondern von ihren eigenen zu schwatzen bekommen." Diese Worte schleuderte Cyrus auf alle Hellenen, weil bei ihnen Märkte bestehen, wo sie Kauf und Verkauf halten. Denn bei den Persern selbst ist es gar nicht Sitte, Märkte zu halten, noch haben sie überhaupt einen Markt. Nach Diesem vertraute er Sardes dem Tabalus, einem Perser, an; das Gold aber, was er von Krösus und den Lydiern überkommen hatte, dem Paktyas, einem Lydier, zur Bestellung, und er selbst brach auf nach Agbatana (wohin er auch den Krösus mitnahm), ohne daß er die Ionier vor der Hand beachtenswerth fand. Denn es stand ihm Babylon im Wege und das Baktrische Volk; so wie auch die Saker und Aegyptier; und gegen Diese hatte er sich vorgenommen sein Heer selbst zu führen, gegen die Ionier aber einen andern Feldherrn zu schicken.

154. Sobald aber Cyrus aus Sardes aufgebrochen war, machte Paktyas die Lydier abtrünnig von Tabalus und Cyrus, ging an's Meer hinab; und da er alles Gold aus Sardes in Händen hatte, miethete er Hülfstruppen und bewog die Küstenbewohner, mit ihm in den Krieg zu gehen. Nun zog er nach Sardes und belagerte den Tabalus, der in die Burg eingeschlossen war.

155. Als Cyrus Das unterwegs vernahm, sprach er zu Krösus also: "Krösus, wie werde ich mit diesen Dingen zu Ende kommen? Unaufhörlich werden die Lydier - wie sie dazu den Anschein geben - zu schaffen machen, und zu schaffen haben. Ich bedenke mich, ob es nicht am besten wäre, sie in Knechtschaft zu versetzen? Denn dießmal, sehe ich, hab' ich e$ ebenso gemacht, wie wenn Einer den Vater umbringt und seine Kinder verschonen will. So führe auch ich Den, welcher den Lydiern noch mehr als Vater ist, dich führe ich gefangen fort; den Lydiern selbst aber überlasse ich die Stadt, und jetzt wundere ich mich, wenn sie von mir abfallen!" So redete er, wie er dachte; und darauf gab Jener folgende Antwort, aus Furcht, er möchte Sardes zur Wüste machen: "Mein König, es ist zwar richtig. Was du ausgesprochen hast; indessen folge nicht ganz deinem Zorn, und verwüste nicht eine alte Stadt, die unschuldig ist sowohl am Vergangenen, als am Gegenwärtigen. Denn das Vergangene habe ich gethan, und ich habe auch mit Recht es ausbaden müssen; in dem jetzigen Fall aber ist Paktyas der Frevler, dem du Sardes anvertraut hart, und ihn laß dafür büßen. Aber den Lydiern schenke Verzeihung und verordne ihnen nur Folgendes, damit sie nicht abfallen, noch sonst dir arg sind. Laß ihnen alles kriegerische Gewehr verbieten; dagegen sollen sie Röcke unter ihre Gewänder anziehen und sich Schnürstiefel anschnallen; endlich befiehl ihnen auch, daß sie zum Zitherspielen und Harfenschlagen und zur Krämerei ihre Söhne erziehen. So wirst du sie bald, König, aus Männern in Weiber verwandelt sehen, und gar kein Arg haben, sie möchten abfallen."

156. Dieses gab ihm Krösus an, da er es immer noch besser für die Lydier fand, als wenn sie in Knechtschaft perfekt würden; denn er wußte, ohne einen triftigen Grund vorzuschützen, könne er seinen Rathschluß nicht umstimmen; zugleich war ihm bange, die Lydier könnten, wenn sie dießmal durchkämen, künftig wieder von den Persern abfallen und ihnen Untergang finden. Cyrus war aber dieser Angabe froh, ließ reinen Zorn fahren und Versicherte, ihm folgen zu wollen. Hierauf berief er den Mazares einen Medier, und trug ihm auf, den Lydiern alles Das zu gebieten, was ihn selbst Krösus angegeben hatte; dazu die Andern alle in Knechtschaft au versetzen, die mit den Lydiern gegen Sardes gezogen waren; den Paktyas selbst aber durchaus lebendig ihm herzuführen.

157. Diesen Auftrag gab er noch unter Wegen, und zog fort in die Heimath der Perser. Paktyas aber, durch die Nachricht erschreckt, ein Heer sey nahe, das gegen ihn herankomme, flüchtete sich eilig nach Cyme. Nun zog Mazares, der Medier, mit einem gewissen Theil vom Heere des Cyrus nach Sardes; und als er den Paktyas mit seinen Leuten nicht mehr in Sardes fand, zwang er für's erste die Lydier, des Cyrus Befehle zu vollziehen; seit dessen Gebot nun auch die Lydier ihre ganze Lebensart umgeändert haben. Nach Diesem schickte Mazares Gesandte nach Cyme, mit dem Geheiß, den Paktyas herauszugeben; die Cymäer aber erkannten für gut, es dem Rathe des Gottes bei den Branchiden anheimzustellen. Denn daselbst war ein Orakel seit alter Seit gestiftet, dessen Sprüche sämmtliche Ionier und Aeolier einzuholen gewohnt waren. Diese Stätte ist aber im Milesischen, oberhalb des Hafens Panormus.

158. Also sandten die Cymäer an die Branchiden heilige Gesandte, mit der Frage, wie sie es mit Paktyas nach dem Wohlgefallen der Götter machen sollten? Auf diese Ans frage ward ihnen der Spruch, den Paktyas an die Perser herauszugeben. Als die Cymäer diesen Bescheid hörten, Schickten sie sich zur Auslieferung an. Während sich aber das Volk hiezu anschickte, hielt Aristodikus, Heraklides Sohn, ein ehrenhafter Mann unter den Bürgern, die Cymäer auf, aus Mißtrauen in den Spruch, und der Meinung, die Gesandten sagen nicht die Wahrheit; bis denn, um das zweitemal über Paktyas anzufragen, andere Gesandte abgingen, unter denen auch Aristodikus war.

159. Nach ihrer Ankunft bei den Branchiden bat, anstatt Aller, Aristodikus um den Götterspruch und that diese Frage: "Herr, es ist zu uns, als Schutzflehender, Paktyas, der Lydier, gekommen, um gewaltsamem Tode von den Persern zu entgehen; Diese aber fordern ihn heraus, und heißen die Cymäer ihn Preis geben. Wir aber, obwohl in Furcht vor der Perser Macht, haben uns bis jetzt nicht unterstanden, den Schützling heraus zu geben, bis daß uns von deiner Seite mit Bestimmtheit geoffenbart würde, Was wir thun sollen." So fragte er an; darauf erging wieder derselbe Spruch, mit Arm Geheiß, den Paktyas an die Perser herauszugeben. Demzufolge that Aristodikus mit Vorbedacht Folgendes. Er ging rings um den Tempel und nahm die Sperlinge aus, und was sonst für Gevögel im Tempel ausgeheckt war. Während er nun Dieses that, soll eine Stimme aus dem Allerheiligsten gekommen seyn, die auf Aristodikus ging und sich so vernehmen ließ: "Gottlosester der Sterblichen, was unterstehst du dich, Solches zu thun? Meine Schützlinge raubst du aus dem Tempel?" Aristodikus aber, nicht verlegen, habe darauf geantwortet: "Herr, du selber wehrst dich so für die Schützlinge, und den Cymäern befiehlst du, ihren Schützling herauszugeben ?" Und wieder habe der Andere entgegnet: "Ja, ich befehle es, damit ihr durch Sünde um so schneller zu Grunde gehet, auf daß ihr in's Künftige nicht wegen Auslieferung der Schützlinge vor das Orakel kommet."

160. Als die Cymäer dieser Bescheid hörten, und nicht durch Paktyas Herausgabe zu Grunde gehen, aber auch nicht um seiner Vorenthaltung willen belagert werden wollten, schickten sie ihn nach Mytilene hinweg. Die Mytilenäer aber, da Mazares Gesandtschaften nachschickte um Auslieferung des Paktyas, waren bereit um einen gewissen Preis; bestimmt kann ich es nämlich nicht angeben; denn es ward nicht ausgeführt. Die Cymäer nämlich, davon unterrichtet, was jetzt die Mytilenäer anstellten, schickten ein Fahrzeug nach Lesbos, und brachten von da den Paktyas nach Chios. Hier aber wurde er von den Chiern aus dem Heiligthum der Athene Poliuchos (Stadtwalterin) herausgerissen und ausgeliefert. Der Preis aber, um den die Chier ihn auslieferten, war Atarneus; das ist nämlich ein Ort in Mysien, gegenüber von Lesbos. So bekamen die Perser den Paktyas in ihre Gewalt und hielten ihn fest, um ihn dem Cyrus zu stellen. Es stand aber eine ziemliche Zeit an, daß kein Chier aus diesem Atarneus Gerstenkörner nahm, um sie einem Gotte darzustreuen, noch Opferkuchen backte aus der dortigen Frucht, überhaupt jeglicher Ertrag dieses Orts von allem Heiligen ausgeschlossen blieb.

161. So hatten nun die Chier den Paktyas ausgeliefert; Mazares aber zog hierauf gegen Die zu Felde, die den Tabalus mitbelagert hatten. Und erstens versetzte er die Prieneer in Knechtschaft; dann überfiel er die ganze Ebene des Mäander, um Beute für sein Heer, und Magnesia deßgleichen. Gleich darauf endigte er an einer plötzlichen Krankheit.

162. Nach dessen Tode kam nun Harpagus an, und trat in seine Feldherrnstelle ein, auch ein Medier von Geburt und Derselbe, den der Medierkönig Astyages mit unnatürlichem Mahle bewirthet hatte, und der dem Cyrus sein Königthum mitaufrichtete. Das war der Mann, welcher damals von Cyrus zum Feldherrn ernannt, nach Ionien kam; und er nahm die Städte durch aufgeworfene Schuttwälle. So oft er sie nämlich, auf die Mauern beschränkt hatte, führte er gleich an den Mauern Schuttwälle auf und eroberte sie. Den Anfang machte er mit einem Angriff auf Phocäa in Ionien.

163. Diese Phocäer haben zuerst unter den Hellenen weite Schiffahrten angestellt, und den Adria (das Adriatische Meer), wie auch Tyrrhenien und Iberien und Tartessus entdeckt. Ihre Schiffahrt war aber nicht auf runden Kaufmannsschiffen, sondern auf Fünfzigrudern. Und da sie nach Tartessus kamen, wurden sie dem König der Tartessier befreundet, dessen Name Arganthonius war und seine Herrschaft über Tartessus achtzig Jahre, sein ganzes Leben aber hundert und zwanzig Jahr dauerte. Diesem Manne wurden die Phocäer dermaßen befreundet, daß er zuerst verlangte, sie sollten Ionien verlassen und in seinem Lande wohnen, wo sie wollten; hernach aber, wie er dazu die Phocäer nicht vermochte, hingegen von dem Medier hörte, wie Dieser bei ihnen gewaltig werde, ihnen Geld gab, um ihre Stadt mit einer Mauer zu umziehen. Er gab aber nicht karg. Macht doch der Umfang der Mauer nicht wenige Stadien aus; und dabei ist sie ganz von großen, wohl zusammengefügten Steiner.

164. Auf diese Art wurde die Mauer der Phocäer aufgeführt. Harpagus aber zog mit seiner Heeresmacht heran und belagerte sie; doch sprach er dabei den Antrag aus, es genüge ihm, wenn die Phocäer nur eine einzige Schutzwehr von der Mauer einreißen wollten und ein einziges Haus angeloben. 47 Und die Phocäer, voll Erbitterung über die Knechtschaft, antworteten, sie wollten einen Tag sich berathen und sodann Bescheid geben; indessen sie aber sich berathen würden, hießen sie ihn sein Heer von der Mauer zurückführen. "Darauf antwortete Harpagus, er wisse wohl, was sie im Sinne hätten zu thun; gleichwohl lasse er ihnen zu, sich zu berathen. Während nun Harpagus sein Heer von der Mauer zurückführte, zogen derweil die Phocäer ihre Fünfzigruder heraus, setzten Weiber und Kinder und alle fahrende Habe hinein; dazu auch die Götterbilder aus den Heiligthümern und die sonstigen Weihgeschenke, außer was Erz, oder Stein oder Gemälde war; sonst Alles setzten sie hinein, und sie selber stiegen ein, und steuerten nach Chios. Phocäa aber, wie es jetzt verödet von Menschen war, nahmen die Perser in Besitz.

165. Die Phocäer, aber hätten gerne die Inseln gekauft, welche Oenussen genannt sind; da ihnen jedoch die Chier dieselben nicht verkaufen wollten, aus Furcht, sie möchten zu einem Handelsplatz werden und darüber ihre Insel den Handel verlieren, schickten sich die Phocäer zur Fahrt nach Cyrnus 48 an. Denn auf Cyrnus hatten sie zwanzig Jahre vor diesem, nach einem Götterausspruch, eine Stadt erbaut, mit Namen Alalia. Arganthonius aber war dazumal schon gestorben. Während sie nun sich zur Fahrt nach Cyrnus anschickten, schifften sie vorerst zurück nach Phocäa, und tödteten die Wache der Perser, die Harpagus, als Besatzung, in die Stadt gelegt hatte. Darauf, als sie Dieses vollbracht, sprachen sie eine schwere Verfluchung gegen Jeden aus, der sich ihrer Fahrt entzöge. Ueberdieß versenkten sie einen eisernen Klumpen in's Meer und schwuren, nicht eher nach Phocäa heimzukehren, bevor dieser Klumpen zum Vorschein käme. Aber als sie die Fahrt nach Cyrnus antraten, ergriff über die Hälfte der Bürger Sehnsucht und Jammer nach der Stadt und nach dem Heimathlande, daß sie meiniedig wurden; und schifften wieder heim nach Phocäa. Aber Diejenigen von ihnen, welche den Schwur hielten, liefen aus von den Oenussen in die See.

166. Nachdem sie nun auf Cyrnus angekommen waren, wohnten sie gemeinschaftlich mit den früher Hingekommenen fünf Jahre und richteten daselbst Tempel auf. Da sie aber auch auf Beute ausfuhren rings bei allen Nachbarn, zogen wider sie nach getroffener Uebereinkunft die Tyrrhener (Etrusker) und Karchedonier (Karthager), Beide mit sechzig Schiffen. Die Phocäer selbst bemannten nun auch ihre Fahrzeuge, sechzig an der Zahl, und fuhren ihnen entgegen in das sogenannte Sardonische (Sardinische) Meer. Aber in dem Sees treffen, das sie einander lieferten, erhielten die Phocäer einen Kadmeischen (theuer erkauften) Sieg. Denn ihrer vierzig Schiffe waren ihnen zu Grund gegangen und die übrigen zwanzig unbrauchbar, weil die Schnäbel abgestoßen waren. Jetzt schifften sie zurück nach Alalia, nahmen Weiber und Kinder auf, und sonst von ihrer Habe, so viel die Schiffe im Stand waren zu tragen, verließen Cyrnus, und steuerten nach Rhegium.

167. Aber von den Leuten der untergegangenen Schiffe fiel der größte Theil in die Hände der Karchedonier und Tyrrhener, welche Dieselben hinausführten 49 und steinigten. Darauf wurde den Agylläern Alles, was an der Stätte vorbeiging, wo die gesteinigten Phocäer lagen, verrenkt, verkrüppelt, vom Schlag gerührt, und zwar ohne Unterschied klein Vieh, Zugthiere und Menschen. Nun sandten die Agylläer nach Delphi und wollten ihre Sünde wieder gut machen. Und die Pothia hieß sie thun, was wirklich die Agylläer auch jetzt noch vollziehen, nämlich daß sie Jenen große Todtenopfer darbringen sollten, und Spiele anstellen mit Wettkämpfen und Wettrennen. Dieser Theil der Phocäer erlitt also einen solchen Tod. Die Andern aber, die nach Rhegium entflohen, zogen von da aus, und erwarben die Stadt im Lande Oenotria, die jetzt Hyela (Velia) genannt wird. Diese gründeten sie auf die Belehrung eines Mannes von Posidonia, daß nämlich Pythia in jenem Spruch von einer Gründung Cyrnus, den Heros, und nicht die Insel gemeint habe.

168. Beinahe ebenso, wie Diese, machten es auch die Tejer. So wie nämlich Harpagus von seinen Schuttwällen ihre Mauer einnahm, stiegen sie Allesammt in die Fahrzeuge und steuerten schleunig auf Thracien los, woselbst sie die Stadt Abdera gründeten; zu welcher schon früher Timasius von Klazomenä den Grund gelegt hatte, ohne jedoch Gewinn davon zu haben; weil ihn die Thracier vertrieben. Jetzt aber genießt er, unter den Tejern zu Abdera, die Verehrung eines Heros.

169. Das sind die einzigen Ionier, welchen die Knechtschaft so unerträglich war, daß sie ihre Heimathstädte verließen. Die andern Ionier, außer den Milesiern, ließen sich zwar mit Harpagus in Kampf ein, so gut, wie die Ausgewanderten, und zeigten sich als wackere Männer, Feder im Kampf für das Seine; aber geschlagen und in Feindes Gewalt, blieben sie in ihrem Lande und leisteten, Was ihnen auferlegt ward. Nur die Milester, welche, wie zuvor schon von mir bemerkt ist, mit Cyrus selbst ein Bündniß gemacht hatten, blieben ruhig. So kam also Ionien zum zweitenmal in Knechtschaft. Wie aber Harpagus die Ionier auf dem Festlande in seiner Hand hatte, da machte Dieß den Ioniern auf den Inseln so bange, daß sie selber dem Cyrus sich ergaben.

170. Als die Ionier in ihrem Unglück nichts desto weniger in Panionium sich versammelten, ertheilte, wie ich höre, Bias von Priene einen sehr guten Rath, welcher den Ioniern, hätten sie ihn befolgt, zur größten Blüthe unter den Hellenen würde verholfen haben; nämlich den Rath: sämmtliche Ionier sollten miteinander auslaufen nach Sardo (Sardinien), und dort eine Stadt für alle Ionier anlegen. So würden sie loskommen von der Knechtschaft und reich und blühend werden, im Besitz der größten aller Inseln und in Beherrschung Anderer. Blieben sie aber in Ionien: dann, versicherte er, sehe er ein, daß es mit der Freiheit aus sey. Das war der Rath des Bias von Priene an die Ionier, da sie schon verloren waren. Und einen andern guten Vorschlag ertheilte, ehe noch Ionien verloren ging, Thales von Milet (nach seiner weitern Abstammung ein Phönicier), den Vorschlag nämlich, die Ionier sollten einen eigenen Volksrath errichten, und zwar in Teos; denn Teos sey die Mitte Ioniens. Nichts desto weniger sollten die andern Städte, so gut, als wären sie Gemeinden, ihre gesetzliche Einrichtung beibehalten. Solche Vorschläge ertheilten diese beiden Männer.

171. Harpagus aber machte nach der Unterwerfung Ioniens einen Feldzug gegen die Karier, die Kaunier und die Lycier; wozu er auch die Ionier und Aeolier mitnahm. Unter ihnen sind die Karier von den Inseln auf das Festland gekommen. Denn vor Alters hatten sie die Inseln inne, unter dem Namen Leleger, als Unterthanen des Minos; ohne jedoch eine Abgabe zu leisten, wenigstens so weit mir immer noch möglich war mit der Sage zurückzugehen; nur daß sie, so oft es Minos begehrte, ihm die Schiffe bemannten. Und da Minos sich viele Lande unterwarf, und mit Glück Krieg führte, war das Karische Volk unter allen Völkern zu dieser seiner Zeit bei weitem das namhafteste. Die Karier haben auch dreierlei Erfindungen gemacht, die bei den Hellenen in Brauch kamen. Nämlich Büsche auf die Helme zu heften, davon sind sie die Erfinder; wie auch Abzeichen auf die Schilde zu machen. Auch Handhaben an den Schilden haben Dieselben zuerst gemacht, während bisher Schilde ohne Handhaben von Allen getragen wurden, die überhaupt der Schilde zu gebrauchen pflegten, indem sie ihnen die Richtung durch lederne Riemen gaben, die sie um den Hals und die linke Schuster hängen hatten. Hernach wurden die Karier in viel späterer Zeit von den Doriern und Ioniern aus den Inseln aufgejagt, und kamen so auf das Festland. Mit den Kariern nun, sagen die Kreter, sey es so ergangen. Indessen stimmen hiemit die Karier selbst nicht überein; sondern halten von sich, daß sie Ureinwohner des Festlandes seyen und denselben Namen immerdar geführt haben, so wie jetzt. Dazu weisen sie in Mylasa vom Zeus Karius ein altes Heiligthum auf, woran die Mysier und Lydier Theil haben, als Stammesbrüder der Karier. Denn Lydus und Mysus, sagen sie, seyen Brüder von Kar, Diese haben also Theil daran; Alle aber, welche, von anderem Stamm, mit den Kariern in der Sprache übereinstimmen, haben nicht Theil daran.

172. Die Kaunier aber sind, meines Dafürhaltens, Ureinwohner; sie selbst indessen behaupten, aus Kreta zu seyn. In der Sprache haben sie dem Karischen Stamme sich angeschlossen, oder die Karier dem Kaunischen; denn Das kann ich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Nach den Bräuchen aber sind sie viel verschieden von den übrigen Menschen sowohl, als von den Kariern. So ist es ihnen vornämlich anständig, nach Alter und Freundschaft schaarenweise, Männer, Weiber und Kinder, zum Trinkgelag zusammen zu kommen. Da ferner bei ihnen ausländische Heiligthümer bestanden, entschloßen sie sich hernachmals anders (sie beschloßen nämlich, blos die heimischen Götter sollten gelten); da legten alle erwachsenen Kaunier ihre Waffen an, fochten mit den Lanzen gegen die Luft, trieben Das bis zu den Kalyndischen Grenzen und behaupteten nun, sie verjagen die ausländischen Götter. Diese also haben solche Sitten.

173. Die Lycier aber sind ursprünglich aus Kreta gekommen. Ganz Kereta hatten nämlich in alter Zeit Barbaren inne. Da nun in Kreta Zwiespalt über das Königthum war zwischen den Kindern der Europa, Sarpedon und Minos, und in diesem Aufruhr Minos die Oberhand gewann, vertrieb er den Sarpedon sammt seinen Mitaufrührern; und diese Verstoßenen kamen nach Asien in das Land Milyas; denn eben Das, welches die Lycier im Besitz haben, war in alter Zeit Milyas. Diese Milyer aber wurden damals Solymer genannt.

Während nun über Jene Sarpedon herrschte, wurden Dieselben (wie sie den Namen schon mitgebracht hatten, und wie auch die Lycier jetzt noch von ihren Nachbarn genannt werden) Termilen genannt. Als aber aus Athen Lykus, Pandion's Sohn, auch er vertrieben durch seinen Bruder Aegeus, unter die Termilen zu Sarpedon kam, da geschah es, daß sie nach dem Namen des Lykus mit der Zeit Lycier genannt wurden. Ihre Bräuche sind theils Kretische, theils Karische. Aber das Eine haben sie ganz eigenthümlich im Brauch, und treffen darin mit gar keinen andern Menschen zusammen, daß sie nämlich nach den Müttern sich benennen, und nicht nach den Vätern. Fragt nun Jemand den Andern, Wer er sey, so wird er immer von der Mutter her über sich Auskunft geben, und weiter von seiner Mutter die Mütter herzählen. Und wenn einmal eine bürgerliche Frau mit einem Knechte haust, so gelten die Kinder für ebenbürtig; wenn aber ein bürgerlicher Mann, und wäre es der Vornehmste, eine Fremde oder ein Kebsweib hat, so sind seine Kinder unehrlich.

174. Nun wurden denn die Karier, ohne daß sie durch irgend eine That sich auszeichneten, von Harpagus zu Knechten gemacht; aber eben so wenig, als die Karier selbst, zeichneten al die Hellenen sich aus, welche jenes Land bewohner. Und das bewohnen unter andern auch Auswanderer der Lacedämonier, die Knidier, deren Land sich an's Meer zieht, woselbst es Triopion genannt wird. Da nun Knidien, welches von der Bubassischen Landzunge anfängt, bis auf ein Weniges ganz um flossen ist (gegen den Nord nämlich begrenzt es der Ceramikus-Busen, gegen Süd das Meer von Syme und Rhodus), so wollten eben dieses Wenige, beiläufig fünf Stadien, die Knidier in der Zeit durchgruben, da Harpagus Ionien unterwarf, um ihr Land zur Insel zu machen. Nämlich das ganze Knidische Land fiel diesseits der Landenge, die sie durchgruben; denn diese ist eben da, wo jenes in's Festland ausgeht. Und während wirklich die Knidier alle Hände in Bewegung hatten, da wurden die Arbeiter am ganzen Leibe, besonders aber an den Augen, beim Sprengen des Gesteins, so ungewöhnlich viel und sichtbar nach göttlichem Willen verwundet, daß man nach Delphi Gesandte schickte, um Das zu erfragen, was ihnen entgegen sey. Die Pythia aber gab ihnen, wie die Knitier selbst sagen, im dreigliedrigen Versmaße diesen Spruch:

Umthürmet nicht den Isthmos, noch durchgrabet ihn.

Zeus schuf die Insel selber, hätt' es ihm beliebt.

Da stellten die Knidier auf diesen Spruch der Pythia ihr Graben ein und ergaben sich dem Harpagus, der mit seinem Heere herankam, ohne Widerstand.

175. Weiter wohnten oberhalb Halikarnaß im Binnenlande die Pedasier. So oft Diesen etwas Mißliches bevorsteht, oder auch ihren Nachbarn, bekommt die Priesterin der Athene einen großen Bart. Dreimal schon ist ihnen Dieß vorgekommen. Diese allein unter den Bewohnern Kariens haben sich einige Zeit dem Harpagus widersetzt und ihm gar Viel zu schaffen gemacht, indem sie einen Berg verschanzt hatten, der Lida heißt. Indessen wurden die Pedasier doch nach einiger Zeit überwunden.

176. Die Lycier aber kamen gegen Harpagus, wie er sein Heer auf die Ebene des Xanthus führte, herausgezogen, und indem sie ihrer Wenige gegen Viele fochten, zeichneten sie durch tapfere Thaten sich aus; übermannt jedoch und in die Stadt zurückgedrängt, brachten sie ihre Weiber und Kinder, ihre Habe und ihr Hausgesinde zusammen in ihre Burg, und alsdann steckten sie die ganze Burg in Brand. Nachdem sie Dieß gethan und mit argen Eidschwüren sich verschworen hatten, zogen sie hinaus, und alle Xanthier starben fechtend. Die jetzigen Lycier aber, die sich für Xanthier geben, sind größtentheils, bis auf achtzig Häuser, Ankömmlinge. Diese achtzig Häuser nämlich waren gerade dazumal im Ausland und blieben so übrig. Die Stadt Xanthus also nahm Harpagus so in Besitz. Beinahe auf gleiche Art nahm er auch die Stadt Kaunus. Denn die Kaunier machten das Meiste wieder so, wie die Lycier.

177. Das vordere Asien nun überwältigte Harpagus, das hintere dagegen Cyrus selbst, der jegliches Volk sich unterwarf, ohne eines zu übergehen. Indessen wollen wir davon das Meiste übergehen; aber was ihm die größte Mühe gemacht hat und am erzählenswürdigsten ist, Dessen will ich gedenken.

178. Cyrus, wie er einmal Alles auf dem Festland unter seine Hand gebracht hatte, machte sich an die Assyrier. Assyrien hat viele große Städte; darunter war jedoch die berühmteste und stärkste, und, seit der Eroberung der Kinusstadt, auch der Sitz des Königthums, Babylon, welches also beschaffen war. Die Stadt liegt in einer großen Ebene, in der Größe von hundert und zwanzig Stadien an jeder Seite, und ist ein Viereck, so daß sich der Stadien ihres Umfanges zusammen vierhundert und achtzig ergeben. Das ist die Größe der Babylonischen Stadt. Dazu ward sie eingerichtet, wie keine andere Stadt, vor der wir wissen. Für's erste läuft um dieselbe ein tiefer, breiter und wasserreicher Graben, sodann eine Mauer, fünfzig königliche Ellen 50 in der Breite und in der Höhe zweihundert Ellen. Die königliche Elle aber ist größer als die mittlere, um drei Finger.

179. Nun muß ich hier auch noch angeben, wozu die Erde aus dem Graben verwendet, und auf welche Art die Mauer aufgeführt wurde. Indem sie den Graben ausstachen, machten sie zugleich Ziegel aus der Erde, die durch das Graben gewonnen ward, und nachdem sie die erforderlichen Ziegel geformt hatten, brannten sie dieselben in Oefen. Hernach bedienten sie sich eines Mörtels von heißem Erdpech, stopften immer zwischen dreißig lagen von Ziegeln Rohrflechten hinein, und bauten so zuerst den Rand des Grabens, und zweitens die Mauer selbst auf gleiche Art; aber oben an den beiden äußersten Seiten der Mauer bauten sie Thürme, die nur eine Wand hatten, 51 und einander gegenüber standen; und ließen zwischen diesen Thürmen einen Raum, daß ein Viergespann herumfahren kann. Auch brachten sie in der ganzen Ringmauer hundert Thore an, durchaus von Erz, und die Pfosten und Oberschwellen deßgleichen. Von Babylon liegt eine andere Stadt einen Weg von acht Tagen entfernt: Is ist ihr Name. Dort ist ein Fluß, nicht eben groß: Is ist auch der Name desselben; und diesen führt sein Lauf in den Euphratfluß. Dieser Isfluß nun treibt mit seinem Wasser viele Krumen Erdpech herauf, und daher wurde das Erdpech zur Babylonischen Mauer geholt.

180. Auf diese Art wurde Babylon ummauert. Dies selbe Stadt hat zwei Abtheilungen; denn in der Mitte scheidet sie ein Fluß, dessen Name Euphrat ist. Der strömt von den Armeniern her, groß, tief und reißend, und ergießt sich in's Erythräische (Persisch-indische) Meer. Nun läuft die Mauer mit ihren beiderseitigen Armen bis zum Fluß herum; von da an aber beugt sie sich auf jeder Seite zurück, und zieht sich als ein Wall von Backsteinen an beiden Ufern des Flusses hin. Die innere Stadt ferner, die voll von dreistöckigen und vierstöckigen Gebäuden ist, wird von lauter geraden Straßen durchschnitten, in der andern Richtung sowohl, als in der Quere, wo sie an den Fluß herüberreichen. Nun waren an jeder Straße, in dem Wal längs dem Flusse, Thüren angebracht; deren gab es also eben so viel, als Gassen. Auch diese waren von Erz und führten alle in eben diesen Fluß.

181. Diese Mauer also ist der Panzer. Noch läuft innen eine Mauer herum, nicht viel schwächer, nur schmaler, als die andere. Auch in jeder von den zwei Abtheilungen der Stadt steht ein Bauwerk. (In der einen befand sich die Königsburg, mit einer großen, starten Ringmauer; in der andern das Heiligthum des Zeus Belus mit ehernen Thoren, welches bis auf meine Zeit stand, ein Viereck, jederseits zwei Stadien lang. 52 Inmitten des Heiligthums aber war ein Thurm von festen Steinen erbaut, von eines Stadiums Länge und Breite; und auf diesen Thurm kam noch ein Thurm zu stehen, und wiederum ein anderer auf diesen, bis auf acht Thürme. Dahinauf ist außen eine Wendeltreppe um alle Thürme gezogen. Und ziemlich in der Hälfte der Treppe ist ein Rastort mit Ruhebänken, wo sich die Hinauf: steigenden niedersetzen, um auszuruhen. Auf dem letzten Thurm aber ist ein großer Tempel, und in den Tempel liegt ein großes Lagerpolster wohlgebettet, und davor ist ein Tisch gesetzt von Gold. Standbild ist darinnen aber keines aufgerichtet; auch übernachtet daselbst kein Mensch, außer einer Frau von den Einwohnern, die sich gerade der Gott aus Allen erwählt, wie die Chaldäer, die Priester dieses Gottes, sagen.)

182. Auch behaupten Ebendieselben, was sie mich nicht glauben machen, der Gott selbst besuche den Tempel und ruhe auf dem Lagerpolster aus, wie Das der Fall auch im Aegyptischen Theben ist, nach Aussage der Aegyptier; denn dort schläft auch eine Frau im Heiligthum des Thebischen Zeus; und von diesen Beiden heißt es, sie lassen sich nie in Umgang mit einem Manne ein; und wie Dasselbe in Patara im Lycischen mit der Weissagepriesterin des Gottes (Apollo) der Fall ist, welche, so oft es eben kommt (weil dort nicht immerdar ein Orakel ist), allemal über Nacht mit in den Tempel eingeschlossen wird.

183. Noch ist in dem Heiligthum zu Babylon unten ein anderer Tempel, worin ein großes Bild des Zeus von Gold sitzt, vor welchem ein großer Tisch von Golde steht, und dessen Fußgestell und Thron gleichfalls von Gold ist, was, wie die Chaldäer sagten, mit achthundert Talenten Goldes gemacht worden ist. Und außerhalb des Tempels ist ein Altar von Gold. Noch ist da ein anderer großer Altar, wo die vollkommenen Opfer vom Kleinvieh dargebracht werden. Denn auf dem goldenen Altar darf Nichts dargebracht werden, alt was noch Milch saugt. Auf dem größern Altar verbrennen auch die Chaldäer alljährlich tausend Talente Weihrauch,wenn sie gerade diesem Gott sein Fest feiern. Auch stand auf dieser heiligen Stätte zu jener Zeit noch eine Bildsäule von zwölf Ellen, schwer von Gold. Ich sah sie indessen nicht; und sage nur, was von den Chaldäern gesagt wird. Nach dieser Bildsäule trachtete Darius, Hystaspes Sohn, unterstand sich jedoch nicht, sie zu nehmen; aber Xerxes, Darius Sohn, nahm sie und tödtete auch den Priester, der ihm untersagen wollte, die Bildsäule anzutasten. So war denn dieses Heiligthum eingerichtet. Insbesondere sind auch viele Weihgeschenke da.

(Semiramis, v. Chr. 747 - 733)

184. Dieses Babylon hat viele Könige gehabt (deren ich in den Assyrischen Geschichten Erwähnung thun werde), welche die Mauern und die Heiligthümer verschönert haben; darunter besonders auch zwei Frauen. Die Eine, welche vorher herrschte, und fünf Geschlechter vor der Nachherigen kam, hatte den Namen Semiramis. Diese hat sehenswerthe Dämme über die Ebene hin aufgeführt, da vorher der Fluß über die ganze Ebene auszutreten pflegte.

(Nitokris, 604 - 561.)

185. Die andere Königin, welche nach Dieser kam, hatte den Namen Nitokris, und dieselbe (die noch verständiger war, als ihre Vorgängerin), hinterließ einmal die Denkmäler, welche ich anführen werde; sodann bemerkte sie auch das Reich der Medier, wie es so groß und ohne Ruhe war, und so viele Städte, besonders die Ninusstadt, wegnahm; und baute nun vor, so gut sie konnte. Zuerst machte sie den Fluß Euphrat, der vorher eine gerade Strömung hatte (den nämlichen, der mitten durch die Stadt strömt), durch Gräben, welche sie oberhalb einstach, dermaßen krumm, daß derselbe ganzer dreimal in einen Assyrischen Flecken zu fließen kommt. Dieser Flecken, in welchen der Euphrat kommt, hat den Namen Arderikka. Wenn nun Jemand von der Seite unsers (des mittelländischen) Meeres her nach Babylon sich begibt, so gelangt er, während er den Euphratfluß hinunterschifft, dreimal in ebendenselben Flecken, und das an dreien Tagen. Also einmal machte sie Dieses. Darin dämmte sie längs jedem Ufer des Flusses einen Damm auf, an dem es bewundernswürdig ist, was für eine Größe und Höhe er hat. Sie grub nämlich weit oberhalb Babylon ein Becken für einen See, indem sie es ein wenig seitwärts vom Strome zog, und so tief machte, daß sie allemal bis auf Wasser grub, und so breit, daß sein Umfang vierhundert und zwanzig Stadien maß; die Erde aber, die dabei ausgegraben wurde, dazu verwandte, um längs den Ufern des Flusses jenen Damm aufzuwerfen. Nachdem sie nun mit dem Graben fertig war, schaffte sie Steine herbei, und zog ringsherum eine Wand. Warum sie aber Beides, den Fluß krumm und den Graben zu einem großen Sumpf machte, das war, damit der Fluß, durch seine Brechung in viele Wendungen, langsamer und dabei die Fahrt nach Babylon krumm würde; endlich nach der Fahrt noch der lange See zu umwandern wäre. Auch führte sie dieß Wert eben in dem Theil des Landes auf, wo die nächsten Wege von Medien hereinführten, damit nicht die Medier in Verkehr kämen und so mit ihren Umständen bekannt würden.

186. Das war ihr die Hauptsache; aber zugleich nahm sie folgendes Nebenwert mit. Bei den zwei Abtheilungen der Stadt, wovon der Fluß die Mitte hielt, mußte unter den vorigen Königen; Wer immer aus der einen Abtheilung in die andere hinüberkommen wollte, auf einer Fahrzeug hinübersehen. Und Das war, wie ich meine, beschwerlich, aber auch hiefür sah diese Königin vor. Als sie nämlich das Becken für den See grub, wollte sie von demselben Werk dieses andere Denkmal hinterlassen. Sie hieb gewaltige Steine; und als sie diese fertig hatte, und der Behälter (für jenen See) ausgegraben war, leitete sie das ganze Strombett des Flusses in den gegrabenen Behälter; und jetzt, während dieser angefüllt und zugleich das alte Strombett ausgetrocknet war, übermauerte sie für's erste die Ufer des Flusses an der Stadt und den Stufen, die von der Thüren in den Fluß führten, ganz mit Backsteinen, auf dies selbe Weise, wie schon die Mauer war; zum andern baute sie gerade in der Mitte der Stadt, mit den Steinen, welche sie gehauen hatte, eine Brücke, wobei sie die Steine mit Eisen und Blei verband. Darauf legte sie mit jedem Tag viereckige Balken, auf welchen die Babylonier hinübergingen; aber die Nacht hindurch nahm man immer diese Balken weg darum nämlich, damit sie nicht bei Nacht sich hinüber machten und einander bestöhlen. Als aber der Graben durch den Fluß zu einem vollen See gemacht, und der Brückenbau im Reinen war, führte sie den Euphratfluß in's alte Strombett aus dem See zurück; und nun war der Graben, recht, was er sollte, ein Sumpf geworden, und den Bürgern war eine Brücke bewerkstelligt.

187. Eben diese Königin erfand auch folgenden Trug. Ueber dem volkreichsten Thor der Stadt errichtete sie selbst sich ein Grabmal, das oben an dem Thor hervortrat. Und in dieses Grabmal hieb sie eine Inschrift ein, die also lautete: "Wer von den mir nachfolgenden Königen Babylons einmal Mangel leidet in seinem Schatz, öffne das Grabmal und nehme Schätze, so viel er will. Allein er öffne es in keinem andern Fall, als wenn er wirklich Mangel leidet. Denn Das wäre nicht gut." Dieses Grabmal blieb unangetastet, bis das Königthum auf Darius überging. Darius ärgerte sich nun, daß er dieses Thor niemals benützen konnte, und dann, daß, während Schätze da liegen, und die Schätze selbst ihn einladen, er sie nicht nehmen sollte. Dieses Thor konnte er aber darum niemals benützen, weil er beim Durchfahren die Leiche über seinen Kopf bekommen hätte. Als er nun das Grabmal öffnete, fand er keine Schätze, aber die Leiche und eine Inschrift, die also lautete: "Wenn du nicht unersättlich, und nach Schätzen gierig wärest, so hättest du nicht der Todten Gräber geöffnet." Das ist es, was man von dieser Königin sagt.

188. Gegen den Sohn dieser Frau, der seines Vaters Namen, Labynet, und die Herrschaft über die Assyrier hatte, zog jetzt Cyrus in's Feld. Zieht aber der große König in's Feld, so geschieht es immer mit wohlbereiteten Speisevorräthen aus seinem Hause und mit Kleinvieh; ja, er führt auch Wasser mit sich vom Flusse Choaspes, der bei Susa strömt, und der einzige Fluß ist, aus welchem der König trinkt. Und das Wasser von diesem Choaspes wird, abgesotten, von gar vielen vierrädrigen Maulthierwagen, in silbernen Gefäßen hinter ihm nachgeführt, wohin er jedesmal zieht.

189. Cyrus kam denn auf dem Wege nach Babylon an den Fluß Gyndes, 53 der seine Quellen auf den Matianischen 54 Bergen, seinen Lauf durch das Land der Dardaneer und seine Mündung in einen andern Fluß, Tigris, hat, welcher bei der Stadt Opis 55 vorbeiströmt und in's Erythräische Meer mündet. Als nun Cyrus über diesen Gyndesfluß hinüber zu kommen suchte (und derselbe hatte wirklich eine Furth), da lief eines reiner heiligen, weißen Rosse aus Wildheit in den Fluß und suchte durchzukommen. Der aber riß es weg, und führte es unter dem Wasser fort. Cyrus war sehr erbost über diese Wildheit des Stromes, und drohte ihm, er wolle ihn noch so schwach machen, daß durch ihn künftig auch Weiber leicht, und ohne das Knie zu netzen, durchkommen sollen. Und nach dieser Drohung ließ er ab vom Heereszug nach Babylon, theilte sein Heer in zwei Hälften, und zog nach der Schwur hundert und achtzig Gräben an's beiderseitige Ufer des Gyndes in jeder Richtung; wo er dann sein Kriegsvolk herumstellte, und graben ließ. Da nur solch ein großer Haufe in Arbeit war, ging das Wert vor Statten; aber gleichwohl brachten sie daselbst den ganzen Sommer mit ihrer Arbeit hin.

190. Als sich nun Cyrus am Gyndesfluß gerächt hatte durch Vertheilung desselben in dreihundert und sechzig Gräben, und schon der zweite Frühling erschien, so zog er endlich gegen Babylon. Die Babylonier aber rückten heraus in's Feld und erwarteten ihn. Und als er nahe an die Stadt herangezogen war, stießen die Babylonier mit ihm zusammen und wurden in dieser Schlacht überwunden und in die Stadt zurückgedrängt. Da sie jedoch zuvor schon erkannt hatten, daß Cyrus nicht ruhig blieb, sondern vor ihren Augen ein Volk wie das andere angriff, hatten sie zum Voraus auf lange Jahre hin Nahrungsmittel eingebracht. So fragten nun Diese nichts nach der Belagerung; aber Cyrus war in Nöthen, je mehr Zeit darüber verstrich, ohne das seine Sachen einen Zug vorwärts thun wollten.

191. Nun mag ihm ein Anderer in seiner Noth entweder angegeben, oder mag er selbst gemerkt haben, wie er's zu machen hatte: genug ex machte es, wie folgt. Seine gesammte Heeresmacht stellte er am Einfluß des Stromes auf, wo er in die Stadt fließt; und wiederum hinter der Stadt stellte er Andere auf, wo der Strom aus der Stadt herauskommt; und gab nun dem Heere Befehl, wenn sie sehen würden, das Flußbett mache einen Durchgang möglich, so sollten sie hier in die Stadt eindringen. Da er nun so die Stellung geordnet und Dieß anbefohlen hatte, zog er mit dem schlechten Theil des Heeres zurück bis zu jenem See. Und was schon die Königin der Babylonier mit dem Fluß und dem See gemacht hatte, Das machte jetzt Cyrus zum andernmal. Indem er nämlich den Fluß durch einen Rinngraben in den versumpften See leitete, machte er, daß sich das alte Bett zum Durch gang eignete, da der Fluß ablief. Als Das auf diese Art geschehen war, drangen die hiezu aufgestellten Perser durch das Bett des Euphratstromes, der so weit abgelaufen war, daß er halb zur Hüfte eines Mannes reichen mochte - sie drangen durch dasselbe in Babylon ein. Wenn nun die Babylonier, was Cyrus anstellte, vorher erfahren oder gemerkt hätten, so würden sie die Perser, ohne sie so ruhig in die Stadt kommen zu lassen, gar übel zu Grunde gerichtet haben. Sie hätten nämlich alle die Pforten, die in den Fluß gehen, verschlossen, sich selbst auf die Steinwälle gestellt, die sich längs den Ufern des Flusses hinziehen, und Jene wie in einer Fischreuße gefangen. So standen aber die Perser ganz unversehens vor ihnen; und wegen der Größe der Stadt sollen sogar, während ihre äußersten Theile erobert waren, die in der Mitte wohnenden Babylonier ihre Eroberung nicht bemerkt haben (wie man von den dortigen Einwohnern hört), sondern, da sie gerade ein Fest hatten, ihre Reigen zur selben Zeit getanzt haben, und sich's wohl seyn lassen, bis sie es endlich des allergewissesten Weges erfuhren. Und so wurde Babylon damals zum erstenmal eingenommen.

192. Wie groß aber die Kräfte des Babylonischen Volkes sind, Das will ich auf vielerlei Art anzeigen, und namentlich mit Folgendem. Der große König hat, zu seinem und reines Heeres Unterhalt, neben der Abgabe, von einem jedem Lande, das er beherrscht, seinen Theil. Von den zwölf Monaten nun, die das Jahr hat, unterhält ihn vier Monate das. Babylonische Gebiet, und die acht andern das ganze übrige Asien. So hat also das. Assyrische Gebiet ein Drittheil der Kräfte von ganz Asien. Und die Herrschaft über dieses Gebiet, was die Perser Satrapie nennen, ist bei weitem unter allen Herrschaften die stärkste, sofern dem Tritantächmes, Artabazus Sohn, der vom König diesen Kreis bekam, jeglichen Tag eine volle Artabe Silber einging. Die Artabe aber, ein Persisches Maß, hält noch drei Attische Chönix mehr, als der Attische Medimnus. 56 Auch hatte er eigens, ohne die Kriegsrosse, achthundert Springhengste und sechzehntausend Stuten dazu; weil jeder Hengst zwanzig Stuten besprang. Und von Indischen Hunden unterhielt er eine solche Menge, daß vier große Flecken des Bereichs, im übrigen steuerfrei, diese Hunde zu füttern angewiesen waren. In solchen Umständen war der Statthalter von Babylon.

193. Der Assyrische Boden wird nur wenig beregnet; und was den Fruchtkeim großzieht, ist Dieses. Die Bewässerung durch den Fluß treibt nämlich die Saat in die Höhe und die Frucht in die Reife; ohne daß, wie in Aegypten, der Fluß selber auf die Felder austritt; sondern mit Händen und Pumpen wird gewässert. Denn das Babylonische Land ist, wie das Aegyptische, ganz zerschnitten in Rinngräben, und der größte darunter ist schiffbar, liegt gegen die Wintersonne, und reicht vom Euphrat bis in einen andern Fluß, den Tigris, an welchem die Ninusstadt gelegen war. Unter allen Landen aber, von denen wir wissen, ist dieses das beste im Ertrag der Demeterfrucht (Ceresfrucht, Getreide). Sonst nämlich, zum Baumwuchs hat es durchaus keinen Trieb, keinen Feigenbaum, keinen Weinstock, keinen Oehlbaum; aber im Ertrag der Demeterfrucht ist es so gut, daß es überhaupt zweihundertfältig ausgibt, in seinem höchsten Ertrag aber dreihundertfältige Ernte bringt. Ebendaselbst haben die Blätter von Weizen und Gerste eine Breite leichtlich von vier Fingern; und was Hirse und Sesam für einen Baum geben, will ich, so gut ich's weiß, nicht aufzeichnen, überzeugt, daß Dem, welcher nicht in's Babylonische Land gekommen ist, schon das Bemerkte, belangend die Feldfrucht, ganz in's Unglaubliche geht. Oehl haben sie feines, machen es vielmehr aus den Sesamschoten. Auf ihrem ganzen Bereich wachsen Palmen, zum größten Theil fruchttragende, woraus sie auch Speisen, Wein und Honig machen, und sie warten ihrer nach Art der Feigenbäume, insbesondere der männlichen Palmbäume (wie die Hellenen sie nennen), deren Frucht sie den (weiblichen) Datteln tragenden Palmen umbinden, damit die Gallwespe, welche in die Dattel kriecht, diese reif macht, und die Palmfrucht sich nicht löst. Wirklich tragen nämlich die männlichen in ihrer Frucht Gallwespen, wie die wilden Feigen.

194. Was mir aber dort im ganzen Land das Wunderbarste ist, will ich jetzt gleich angeben. Ihre Fahrzeuge, die den Fluß herab und Babylon kommen, von runder. Gestalt, sind alle aus Leder. Bei den Armeniern nämlich, die oberhalb der Assyrier wohnen, schneiden sie zuerst Weiden ab und machen die Rippen des Schiffs daraus; darüber spannen sie außen herum eine Decke von Häuten, als den Boden, ohne daran ein Hintertheil hervorzuheben oder einen Schnabel zu spitzen, sondern in der runden Gestalt eines Schildes. Jetzt füllen sie dieses ganze Fahrzeug mit Stroh und treiben so den Strom hinunter mit ihrer Ladung. Meistens führen sie Krüge von Palmwein darauf. Gelenkt wird es durch zwei Ruder von zwei aufrecht stehenden Männern; und wie der Eine das Ruder einwärts zieht, stößt es der Andere auswärts. Solde Fahrzeuge werden sowohl von bedeutender Größe gemacht, als auch kleinere, und die größten davon können selbst eine Last von fünftausend Talenten haben. Auch ist auf jedem Fahrzeug ein lebendiger Esel, auf den größeren mehrere. Sind sie nun auf ihrer Fahrt nach Babylon gekommen und haben ihre Waaren ausgestellt, so lassen Re immer auch die Rippen des Schiffes und all ihr Stroh feil bieten; die Häute aber packen sie den Eseln auf, und ziehen so zurück zu den Armeniern. Gegen den Strom zu fahren ist nämlich in der That keine Möglichkeit, wegen seines reißenden Laufes. Eben darum machen sie auch ihre Fahrzeuge nicht aus Holz, sondern aus Häuten. Haben sie nun ihre Esel wieder zurück zu den Armeniern getrieben, so machen sie andere Fahrzeuge auf dieselbe Weise. Solcher Art sind ihre Fahrzeuge.

195. Ihre Kleidung ist folgende: ein leinener Rock, der bis an die Füße reicht; darüber wird ein wollener Rock ans gezogen, und ein weißes Mäntelchen umgeworfen. Schuhe haben sie nach Landesart, nahezu wie die Böotischen Sochen. Ihr langes Haar tragen sie in einem Bund; ihr ganzer Leib ist gesalbt. Jeder hat auch einen Siegelring und einen geschnigten Stab; auf jedem Stab ist aber ein Apfel angebracht, oder eine Rose, eine Lilie, ein. Adler oder sonst Etwas. Denn einen Stab ohne Wahrzeichen zu haben, ist nicht Brauch bei ihnen. Das ist ihre äußerliche Tracht.

196. Ferner bestehen bei ihnen folgende Brände. Eins mal der, welcher, nach meiner Meinung der weiseste, auch, wie ich höre, unter den Tüyriern bei den Enetern 57 üblich ist. In jedem Flecken nämlich ist Folgendes alle Jahr einmal geschehen. Sobald ihre Jungfrauen reif zur Ehe waren, ließen sie dieselben erst zusammenkommen und dann brachten sie alle an einer Stelle zuhauf; um sie her aber stellte sich ein Haufe Männer. Nun ließ der Ausrufer Eine nach der Andern aufstehen und bot sie zum Verkauf, und zwar zuerst die Schönste von Allen; hernach, wenn erst diese ihren Käufer mit theurem Gold gefunden hatte, rief er eine Andere aus, die nach ihr die Schönste war. Sie wurden aber zu Hausfrauen verkauft. Alle vornehmen Babylonier nun, die da heirathslustig waren, überboten einander und kauften sich die ersten Schönen; die Leute vom Volk aber, welche heirathslustig waren, die begehrten nicht nach Wohlgestalt; dagegen nahmen sie Geld und häßlichere Jungfrauen. Denn wie der Ausrufer der Reihe nach die schönsten Jungfrauen verkauft hatte, ließ er jedesmal die anmuthlosesten, oder, wenn Eine darunter krüppelhaft war, aufstehen; und bei Dieser rief er aus, Wer am wenigsten Geld verlange, um sie zur Hausfrau zu nehmen; bis sie Dem zufiel, der sich zum Wenigsten verstand. Dieses Geld aber kam von den schönen Jungfrauen; und so wurden von den Anmuthigen die Anmuthlosen und Krüppelhaften ausgestattet. Seine Tochter selbst, für Ben man wollte, auszustatten, war Keinem erlaubt; aber auch Keinem ohne einen Bürgen die erstandene Jungfrau heimzunehmen; sondern nur, wenn Einer Bürgen gestellt hatte, daß er wirklich mir ihr hausen wolle, durfte er sie mitnehmen. Mochten sie aber nicht miteinander leben, so mußte, nach bestehendem Brauch, das Geld zurückgegeben werden. JE: war aber erlaubt, daß man auch aus einem andern Flecken komme, um einzukaufen. Ihr schönster Brauch also war dieser. Indessen hat er nicht bis jetzt fortgedauert. Und nun haben sie neuerlich, etwas Anderes aufgebracht, damit man ihren Töchtern kein Leid thue, noch sie in eine andere Stadt führe. Seit sie nämlich durch ihre Unterwerfung in's Unglück gekommen und um ihre Habe gebracht sind, macht Jeder aus dem Volk, dem es an Unterhalt mangelt, reine weiblichen Kinder zu Huren.

197. Folgendes aber ist der zweitweiseste Brauch, den sie eingeführt haben. Wer an einem Uebel leidet, den tragen sie auf den Markt. Denn bei ihnen gibt es keine Aerzte. Und nun gehen sie zu dem Leidenden hin, um über die Krankheit Rath zu ertheilen, wenn sie etwa selbst schon in solchen Umständen waren, wie sie der Leidende hat, oder einen Andern darin gesehen haben. Da geben sie denn ihren Rath und empfehlen dieselben Mittel, wodurch sie selbst der gleichen Krankheit entgangen sind, oder einen Andern entgehen sahen. Aber stillschweigend darf Reiner am Leidenden vorübergehen, ohne ihn zu fragen, was er für eine Krankheit hat.

198. Ihre Todten bestatten sie in Honig; ihre Klaglieder sind nahezu wie die Aegyptischen. So oft ein Babylonier mit seinem Weibe sich vermischt hat, setzt er sich zu einem Weihrauchfeuer, und anderswo thut die Frau das Gleiche. Und mit Tagesanbruch baden sich Beide; rühren auch kein Gefäß an, ehe sie gebadet haben. Das thun auf gleiche Weise auch die Araber.

199. Aber der häßlichste Brauch der Babylonier ist folgender. Es muß jede Frau des Landes sich in's Heiligthum der Aphrodite setzen, und einmal im Leben mit einem Fremden sich vermischen. Viele, denen es unter ihrer Würde ist, sich unter die Andern zu mischen, aus Stolz auf ihren Reichthum, fahren auch in bedeckten Wagen, und halten am Heiligthum, mit einem großen Gefolge von Dienerschaft. Zum größten Theil aber machen sie es so. Auf heiliger Stätte der Aphrodite setzen sich, das Haupt mit einem Strick umflochten, Weiber in Menge nieder, indem die Einen zu, die Andern abgehen. Und auf schnurgeraden Wegen, die in allen Richtungen zwischen den Weibern durchlaufen, gehen die Fremden herum und halten Auswahl. Sitzt einmal eine Frau da, so kommt sie nicht eher nach Hause davon, als bis ihr einer der Fremden ein Goldstück den Schoos geworfen und außerhalb des Heiligthums sich mit ihr vermischt hat. Während dem Hinwerfen muß er soviel sprechen: "Wohlan! im Namen der Göttin Mylitta." Mylitta nämlich heißt die Aphrodite bei den Assyriern. Das Goldstück sey nun groß oder klein, sie darf es nicht zurückweisen; denn sie hat dessen kein Recht, weil es jetzt ein heiliges Geld ist. Dem Ersten, der es hinwirft, folgt sie und verachtet Keinen. Und erst, wenn sie sich vermischt und der Göttin ihren Dienst gethan hat, kommt sie davon nach Hause; und von jetzt an ist kein Geschenk so groß, daß du sie damit gewännest. Alle aber, die begabt sind mit Schönheit und Größe, kommen schnell davon; aber die Anmuthlosen darunter verwarten eine lange Zeit, ohne das Gesetz erfüllen zu können; ja die Einen und Andern warten eine Zeit von drei und vier Jahren. An einigen Orten auf Cypern ist auch nahezu derselbe Brauch.

200. Das sind die Bräuche, welche bei den Babyloniern bestehen. Unter ihnen sind auch drei Stämme, die nichts essen, als nur Fische. Wenn sie dieselben gefangen und an der Sonne gedörrt haben, machen sie es also: sie werfen sie in einen Mörser, zerreiben sie mit den Keulen, und seihen sie durch Leinen. Wer nun will, rührt sich daraus eine Art Brei; ein Anderer backt es, als Brod.

201. Als nun Cyrus auch dieses Volk bezwungen hatte, verlangte ihn, die Massageten sich zu unterwerfen. Dieses Volk, sagt man, sey groß und tapfer und wohne gegen Morgen und Sonnenaufgang, jenseits des Araxesstromes, gegenüber von den Issedoniern. 58 Einige sagen auch, es sey ein Scythenstamm.

202. Von diesem Araxes (Wolga) sagt man, daß er größer und daß er kleiner sey, als der Ister, und behauptet, es seyen Inseln in ihm; nahezu von der Größe wie Lesbos, in ziemlicher Anzahl, und auf ihnen Menschen, die zu ihrer Nahrung des Sommers allerlei Wurzeln ausgraben, und von Früchten, die sie auf ihren Bäumen gefunden haben, einen Vorrath anlegen, wenn sie zeitig sind, zu ihrer Nahrung des Winters. Noch hätten sie andere Bäume gefunden, die solche Früchte tragen, daß sie dazu schaarenweise zusammenkommen, um ein Feuer anzumachen, sich ringsherum zu setzen, und dieselben in's Feuer zu werfen; dann aber, wenn sie unter'm Verbrennen der hineingeworfenen Frucht ihren Dunst einathmen, trunken werden vom Geruch, wie die Hellenen vom Wein; und je mehr sie von der Frucht darauf werfen, um so ärger trunken werden, bis sie zum Tanz aufstehen und in's Singen hineinkommen. Von Diesen also sagt man, daß sie eine solche Lebensweise haben. Der Araxesfluß aber strömt von den Matianern her, wie auch der Gyndes, den Cyrus in jene dreihundert und sechzig Rinngräben zertheilte; und bricht in vierzig Mündungen aus, die indgesammt, eine ausgenommen, in Sümpfe und Lachen ausgehen. Daselbst, sagt man, sind Menschen wohnhaft, die sich mit rohen Fischen nähren und bei denen Seehundsfelle die übliche Kleidung sind. Jene eine Mündung des Araxes aber fließt rein in das Kaspische Meer. Dieses Kaspische Meer ist für sich, und fließt nicht mit dem andern Meere zusammen. Das Meer nämlich, welches überall die Hellenen beschiffen, sowohl das jenseits der Säulen, das Atlantische genannt, als auch das Erythräische, ist wirklich nur eines.

203. Das Kaspische nun ist wieder ein anderes für sich, und seine Länge gibt eine Fahrt von fünfzig Tagen für ein Ruderschiff, seine Breite, wo es am ausgedehntesten ist, von acht Tagen. Da, wo ich dieses Meer gegen Abend zieht, läuft der Kaukasus an ihm hin, das größte Gebirg an Umfang und das höchste an Größe. Auch viele Menschenstämme von allerlei Art schließt der Kaukasus ein, die allermeist von wilder Holzfrucht leben. Unter ihnen, ragt man, gebe es auch Bäume, deren Blätter von einer Art sind, daß sie dieselben zerreiben, und mit Wasser vermischen und damit sich Bilder auf ihre Kleidung malen, welche sich nicht mehr herauswaschen ließen, sondern mit dem ganzen Zeuge altern, so gut, als wären sie von Anfang eingewoben. Endlich soll die Begattung bei diesen Menschen öffentlich seyn, wie bei den Vierheerden.

204. Gegen Abend also wird dieses Meer, das sogenannte Kaspische, vom Kaukasus begrenzt, gegen Morgen aber und Sonnenaufgang stoßt eine Ebene daran, von uns übersehbarer Weite. Und von dieser großen Ebene haben nicht den kleinsten Theil die Massageten inne, gegen welche Cyrus Willens war in's Feld zu ziehen. Denn es war Vieles, was ihn mächtig erhob und dazu antrieb. Erstlich seine Geburt, daß er mehr, als ein Mensch zu seyn schien; und dann das Glück in reinen Kriegen. Denn wohin einmal Cyrus einen Heereszug richtete, da war kein Rath, daß dieses Volk ihm entgehe.

205. Ueber die Massageten war aber eine Frau, nach dem Tod ihres Mannes, Königin, mit Namen Tomyris. Um Diese warb Cyrus vor der Hand durch Gesandte, und wollte sie zu seiner Frau. Doch Tomyris, welche verstand, daß er nicht um sie selbst, sondern um das Königthum der Massageten werbe, hieß ihn wegbleiben. Auf Das hin zog Cyrus, als er mit List nichts zu Wege brachte, an den Araxes, und ließ sich zum offenen Feldzug gegen die Massageten an, schlug Brücken über den Strom, zum Uebergang des Heeres, und baute Thürme auf den Fahrzeugen, die über den Strom setzen sollten.

206. In dieser Arbeit war er begriffen, als ihm Tomyris durch einen Herold sagen ließ: "König der Medier, laß ab, zu treiben, was du treibst; weißt du doch nicht, ob dir Solches ein gutes Ende nimmt; las also ab, und sey König über das Deine, und ertrag' es, zu sehen, daß wir herrschen, wo wir einmal herrschen. Doch magst du diese Vorschläge nicht annehmen, sondern lieber Alles, denn ruhig bleiben, nun – wenn du so groß Verlangen hast, an Massageten dich zu versuchen, wohlan, müde dich nicht weiter ab, den Strom zu überbrücken, und, während wir einen Weg von drei Tagen vom Strom zurückweichen, komm du herüber in unser Land. Wenn du aber lieber uns in deinem Land erwarten willst, so thue du das Gleiche." Als Cyrus Dieß angehört hatte, rief er die Ersten der Perser zusammen und legte ihnen die Sache zur Berathung vor, Was er thun solle. Die Meinung Aller traf darin zusammen, daß sie riethen, Tomyris mit ihrem Heere hier zu erwarten, wo sie selbst standen.

207. Aber Krösus, der Lydier, der auch dabei und mit dieser Meinung unzufrieden war, trug die derselben entgegengesetzte Meinung vor, mit solchen Worten: "König, ich habe schon früherhin dir zugesagt, weil mich einmal Zeus in deine Hand gab, jeden Anstoß für dein Haus, den ich sähe, nach Vermögen abzuwenden. Und meiner Schicksale Schwere ist mir geworden zur Lehre. Wenn du nun unsterblich zu seyn meintest und auch über ein solches Heer zu herrschen, dann wäre es keine Sache, dir meine Ansichten darzulegen. Wenn du aber erkannt hast, daß du selbst ein Mensch bist und über Andere deinesgleichen herrschest, so merke Das vor Allem, daß die menschlichen Dinge ihren Kreislauf haben, der in seinem Umlauf nicht immer Dieselben glücklich seyn läßt. Nun also ist meine Meinung über die vorliegende Sache das Umgekehrte, als wie diese. Denn wenn wir die Feinde auf unserem Boden erwarten wollen, so lässest du dich damit in die Gefahr ein, daß, im Fall du unterliegst, deine ganze Herrschaft mit verloren ist; offenbar werden ja, wenn sie siegen, die Massageten nicht rückwärts fliehen, sondern auf deine Reiche losgehen. Im Fall du aber liegst, so ist dein Sieg nicht so groß, als wenn du drüben auf ihrem Boden die Massageten besiegst, und auf ihrer Flucht verfolgen kannst; denn hier setze ich Dasselbe, wie auf der andern Seite, das du nach dem Siege über die Gegner geraden Weges auf die Herrschaft der Tomyris losgehst. Und außer dem Angeführten ist es ein unerträglicher Schimpf, daß ein Cyrus, des Kambyses Sohn, einem Weibe weicht und sich von seinem Platz zurückzieht. Darum halte ich dafür, daß wir hinübergehen, und so weit vordringen, als Jene uns immer einräumen; alsdann aber auf folgende Art versuchen, Jene zu übermannen. Wie ich höre, sind die Massageten mit all dem Guten, was die Perser haben, unbekannt, und nicht gewöhnt, köstlichen Ueberfluß zu ertragen. Für diese Männer also laß uns vollauf eine Menge Schafe abschlachten, zurichten und in unserem Lager hinsetzen zum Mahle, dazu auch Krüge vollauf mit lauterem Wein und Speisen aller Art. Haben wir es auf diese Art gemacht, so lassen wir den schlechtesten Theil des Heeres dort, und die Uebrigen ziehen sich wieder zurück an den Strom. Wofern ich nämlich nicht ganz irrig bin, so werden Jene, bei'm Anblick des vielen Guten, sich demselben zuwenden, und uns bleibt alsdann Auszeichnung durch große Thaten."

208. Diese Meinungen standen einander gegenüber. Cyrus gab die erstere Meinung auf, wählte die des Krösus, und sagte der Tomyris an, sie solle Platz machen, indem er zu ihr hin überkommen werde. Sie machte wirklich Platz, wie sie gleich Anfangs versprochen hatte. Cyrus führte jetzt den Krösus in die Hände seines Sohnes Kambyses, dem er auch das Königthum gab, trug ihm ernstlich auf, ihm Ehre und Wohlthaten zu erweisen, falls der Uebergang gegen die Massageten nicht geriethe; und während er Diese mit solchen Aufträgen nach Persien abschickte, ging er selbst mit seinem Heere über den Strom.

209. Als er nun über den Araxes gesetzt, und es Nacht geworden war, hatte er ein Gesicht, während er im Lande der Massageten schlief. Es kam nämlich dem Cyrus im Schlummer vor, er sehe von des Hystaspes Söhnen den Aeltesten, mit Flügeln an den Schultern, so daß er mit dem einen Asien und dem andern Europa überschatte. Hystaspes aber war Arsames Sohn, ein Achämenide, und sein ältester Sohn Darius, der damals ungefähr in's zwanzigste Jahr seines Alters ging. Und Derselbe war in Persien zurückgelassene worden, weil er noch nicht das Alter zum Kriegsdienst hatte. So wie nun Cyrus erwacht war, gab er sich selbst Rechenschaft über sein Gesicht. Und da es ihm wichtig vorkam, berief er den Hystaspes, nahm ihr allein bei Seite und sprach: "Hystaspes, dein Sohn ist über Anschlägen wider mich und meine Herrschaft betreten worden. Und daß ich Dieses bestimmt weiß, will ich dir jetzt beweisen: die Götter sorgen für mich, und zeigen mir Alles vorher an, was mir droht. Nun habe ich in der vergangenen Nacht im Schlafe deinen ältesten Sohn gesehen mit Flügeln an den Schultern, so daß er mit dem einen Asien, und mit dem andern Europa überschattete. Das ist also fest und gewiß nach diesem Gesicht, daß er Anschläge wider mich macht. So reise du nun eiligst zurück nach Persien, und mache, daß du mir, wenn ich nach Unterwerfung dieses Landes dorthin komme, deinen Sohn vor Gericht stellest."

210. Das sagte Cyrus in der Meinung, Darius mache Anschläge wider ihn; allein die Gottheit wollte ihm offenbaren, daß er selbst, wo er war, endigen müsse und sein Königthum auf Darius übergehen würde. Hystaspes aber antwortete ihm Dieses: "König, Das sey ferne, daß ein Perser Anschläge gegen dich mache! Wer es aber könnte, müsse alsbald verderben! Du hast ja aus Knechten die Perser zu Freien, aus Beherrschten zu Herrschern über alle Welt gemacht. Und wenn dir nun ein Gesicht ankündigt, daß mein Sohn Neuerungen gegen dich stiftet, so überlaß ich dir Das gänzlich, was du ihm anthun willst." Nach dieser Antwort ging Hystaspes über den Araxes und nach Persien, um für Cyrus seinen Sohn Darius zu bewachen.

211. Cyrus aber drang eine Tagereise weit vom Araxes vor, und befolgte die Angabe des Krösus. Nachdem er aber mit dem guten Kriegsvolk sich wieder an den Araxes zurückgezogen, und das schlechte zurückgelassen hatte, kam ein Drittheil vom Heere der Massageten heran, und erschlug die zurückgelassenen Kriegsleute des Cyrus nach einigem Widerstand, sah dann auch das Mahl vor sich; und nach Ueberwältigung der Gegner lagerten sie sich und schmausten, wurden endlich voll Speise und voll Weines, und schliefen ein. Die Perser kamen nun heran und erschlugen Viele von ihnen, nahmen aber noch viel mehr lebendig gefangen; worunter auch der Sohn der Königin Tomyris war, der die Massageten anführte, mit Namen Spargapises.

212. Als aber die Königin erfuhr, wie es mit dem Heer und mit ihrem Sohn ergangen war, sandte sie einen Herold an Cyrus und ließ ihm sagen: "Unersättlich-blutgieriger Cyrus, überhebe dich nicht dieses Vorgange. Denn durch die Rebenfrucht, deren Vollmaß euch selber so bethört, daß der Wein, sobald er hinabkommt in den Leib, euch schlimme Reden heraufschwemmt, durch solch ein Gift hast du mit List meines Sohnes dich bemeistert, nicht aber im Kampf mit Stärke. So laß nun, Was ich dir jetzt zum Guten rathe, dir gesagt seyn. Gib mir den Sohn wieder und gehe dann ungestraft aus diesem Lande, nach Ueberwältigung eines Drittheils des Massagetenheeres. Wo du aber Das nicht thun wirst, schwöre ich dir bei der Sonne, dem Gebieter der Massageten, ich will dich wahrlich, so unersättlich du bist, mit Blut sättigen."

213. Cyrus fragte indessen nichts nach diesen Reden, die ihm hinterbracht wurden. Als aber Spargapises, den Sohn der Königin Tomyris, der Wein verließ, und er inne ward, in welches Unglück er gerathen, that er an Cyrus die Bitte um Befreiung von seinen Fesseln; und sobald sie gewährt, er befreit und seiner Hände mächtig war, brachte er sich selbst um. Der also endigte auf diese Weise.

(Cyrus Tod, 530 vor Chr.)

214. Aber Tomyris sammelte, da ihr Cyrus kein Gehör gab, ihre ganze Macht und stieß mit Cyrus zusammen. Diese Schlacht war unter allen Schlachten, die es jemals unter den Barbaren gab, meines Urtheils die gewaltigste; und zwar höre ich, daß Dieses der Hergang war. Zuerst rollen sie aus der Entfernung auf einander geschossen haben, hernach, als ihre Pfeile verschossen waren, zum Handgemenge mit Spießen und Dolchen zusammengerannt seyn, und so eine lange Zeit gefochten und einander Stand gehalten haben, ohne daß ein Theil fliehen mochte, bis endlich die Massageten die Oberhand gewannen. Da kam der größte Theil des Persischen Kriegsvolkes an Ort und Stelle um; ja auch Cyrus selbst fand sein Ende, nachdem er im Ganzen neunundzwanzig Jahre König gewesen. Jetzt füllte Tomyris einen Schlauch mit Menschenblut, und suchte unter den Todten der Perser die Leiche des Cyrus. Als sie diese gefunden hatte, tauchte sie seinen Kopf in den Schlauch, ließ ihren Sohn am Leichnam aus und sprach Dich dabei: "Du hast mich, bei meinem Leben und meinem Siege über dich, zu Grund gerichtet durch listige Gefangennahme meines Sohnes; und ich will dich nun, wie ich gedroht habe, mit Blute sättigen." So habe ich über das Lebensende des Cyrus unter den mancherlei Geschichten, die man hört, die angegeben, welche mir am glaubwürdigsten ist.

215. Die Massageten haben eine der Scythischen ähnliche Kleidung und Lebensweise. Sie sind Reiter und Fußvolk; denn Beides ist ihre Sache; sind Bogenschützen und Speerkämpfer, und haben auch Doppelbeile im Gebrauch. Bei ihnen ist durchaus Gold und Erz gewöhnlich. Nämlich zu den Speeren, den Pfeilspitzen und Doppelbeilen ist durchaus Erz gewöhnlich, und am Kopf, an Gürteln und Achselbändern ist Gold ihr Schmuck. Gleichfalls legen sie ihren Pferden um die Brust eherne Panzer an; an den Zügeln aber, am Gebiß und Vorderschmuck haben sie Gold. Aber Eisen und Silber ist gar nicht bei ihnen gewöhnlich, ja sie haben es nicht einmal in ihrem Sande; dagegen Erz und Gold in Ueberfluß.

216. Ferner sind ihre Bräuche folgende. Jeglicher heirathet ein Weib; doch bedienen sie derselben sich gemeinschaftlich. Was nämlich die Hellenen von den Scythen behaupten, Das thun nicht die Scythen, sondern die Massageten. Hat nämlich ein Massagete Luft zu einem Weibe, so hängt er seinen Köder vorn an ihrem Wagen auf, und vermischt sich mit ihr ungescheut. Die Lebensgrenze setzen sie sonst nicht fest; wenn aber Einer gar alt geworden ist, kommen alle seine Angehörigen zusammen, um ihn zu schlachten und sonst noch Kleinvieh dazu; dann kochen sie das Fleisch und schmausen es auf. Das gilt ihnen für das größte Glück. Endigt Einer an Krankheit, Den essen sie nicht auf, sondern bergen ihn in der Erde, mit großem Leid, daß er nicht bis zur Schlachtung gekommen ist. Sie säen gar nicht, sondern leben von Heerden und Fischen. Die letztern bekommen sie in reichlichem Maße aus dem Araxesfluß. Ihr Getränt ist Milch. Von den Göttern verehren sie einzig die Sonne, welchem Gott sie Pferde opfern. Mit diesem Opfer halten sie es nämlich so, daß sie dem schnellsten Gott von allen Geschöpfen das schnellste darbringen.

1 Man sehe Herod. V, 36. 125.

2 Ebend. II, 143., VI, 137.

3 Ebend. II, 21 — 23. (Vergl. auch Diod. v. Sicilien II, 47.) IV, 36.

4 Sein Vater hieß Lyxes, die Mutter Dryo. In achten Buch reiner Geschichten Cap. 132. nennt er einen Chioten Herodot, Basilides Sohn, vielleicht einen Verwandten.

5 Man sehe Herod. VII, 99. VII, 93. 103.

6 Dieser soll auch Herodot's Vater- oder Mutterbruder, den Epiker Panyasis, hingerichtet haben.

7 V. Chr. 444. Ol. LXXXIV, 5., Herodot's vierzigstes Jahr.

8 S. Plutarch de malignitate Herodoti 26. 31. und Dio Chrysostomus orat. 37. tom. II. pag. 103. edit. R. Von Beiden wird Herodot zum feilen, lügenhaften Geschichtschreiber, vom Letztern nebenbei zum Schulmeister gemacht.

9 S. oben S. 11.

10 S. Plutarch. an seni ger. resp. III.

11 Marcellin, vit. Thucyd. S. 18.

12 V, 32, VII, 107, 137, 151. III, 160.

13 Einige wollen Dieß dem Erben Herodot's, Plestrrhous, einem Thessalier von Geburt und Hymnendichter, zuschreiben. Von Demselben soll auch das kurze Vorwort zu Herodot's Wert herrühren. Daß dieß Letztere wenigstens gewiß unrichtig ist, beweist die Art, wie das erste Capitel anhebt.

14 Unter dem rothen Meer versteht Herodot das ganze Südmeer

15 Kolchis, südlich vom Kaukasus an der Ostküste des schwarzen Meeres, wo jetzt Mingrelien.

16 Jetzt Fasch oder Rioni.

17 Jetzt Kisil-Irmak.

18 Ober sechsfüßigen. Denn zwei Versfüße galten im Griechischen Jambus als Ein Maß.

19 Die Insel Chios (Scio) gegenüber dem, auf dem Festland gelegenen, Erythrä, gehörte auch zum Ionischen Bund. Siehe Cap. 142.

20 Arion ist nicht sowohl für den Erfinder des Dithyrambus zu halten, als daß er vielmehr diesen chorisdien Kreistänzen im Allgemeinen eine bestimmtere Form, im Einzelnen verschiedenen Inhalt und besondere Titel gegeben zu haben scheint.

21 Die hohe Weise (Nomos Orthios) im Spondeen-Rhythmus und in hohem, scharfen Tone, hatte besonders den Charakter des Muthigen, Kriegerischen.

22 Welchen Werth der Goldstater des Krösus (der älteste, der vorkommt) gehabt hat, läßt sich nicht bestimmen. Die Persischen Goldstartern, von Darius Hystaspis geschlagen, Dareiten genannt, und die ihnen gleichgeltenden Attisoen, wurden auf 20 Silbersrachimen angeschlagen, ungefähr 4 Rthlr. 16 ggr.

23 Es sind hier die Lyrrhener (oder auch Pelasger, denn es ist ein Stamm), die sich am Athos angesiedelt, gemeint. Von ihnen nordwärts, an Thracien grenzend, wohnte der Krestonische Stamm. Dessen Stadt Kreston kommt sonst nicht vor.

24 Die (Tyrrhenischen) Pelasger, ein alter Griechenstamm, warenaus Theben nach Athen geflohen, ungefähr siebzig Jahre nach Troja's Eroberung, vor Christus ungefähr 1150 Jahre. Von den Athenern wurden sie aber nach ein oder zwei Jahrzehnten vertrieben, und verbreiteten sich nun über die Inseln Scyros, Lemnos, Imbros, Samothrace und die Nordküsten des Aegäischen Meeres überhaupt. Man vergl. II, 51, und VI, 137. ff.

25 Vergl. VII, 70.

26 Die Geschwornenschaar (Enomotia) war nach Thucydides (V,68.) der vierte Theil von der Fünfzigerzahl (Pentecostys), so daß 12 – 13 Mann auf Eine kämen; nach Andern war sie fünfundzwanzig Mann stark, so daß zwei Geschwornenschaaren eine Pentecostys, sechzehn eine Mora bildeten; wieder Andere geben ihr zweiunddreißig oder sechsunddreißig Mann.

27 Daß gemeinschaftliche Speisungen in Sparta Statt fanden, ist bekannt. Allein die kleinern Speisegesellschaften der Spartaner sind von den hier genannten Mahlgemeinschaften wohl zu unterscheiden. Daß diese eine Militärabtheilung waren, lehrt der Zusammenhang, wie auch Polyänus über die Lacedämonier II, 3, 11. : "Sie haben ihre Felhordnung nach kleineren (Lochen) und größeren Schaaren (Moren), nach Geschwornenschaaren und Mahlgemeinschaften eingeteilt." Diese militärische Eintheilung war gegründet auf die von Stämmen und Geschlechtern.

28 Wenn man nämlich ganz Kleinasien als eine große Landzunge Asiens oder ein vorstehendes Haupt ansehen will, das südlich an Syrien, nördlich an Großarmenien (Haikia) angewachsen ist, so kann man das Östliche Ende Kleinasiens von seiner südlichen Grenze, vom Cyprischen Meere bis zum schwarzen, der nördlichen Grenze, seinen Hals nennen, weil hier die Landzunge am schmalsten ist. Und in diesem Theil hat der Halys (Kisil-Irmak) seinen Lauf von Süden nach Norden, gleichsam als eine Ader dieses Halses.

29 Wahrscheinlich nicht persönliche Namen, sondern Königstitel, wie Pharao u. a.

30 Stadt in Karien, nach Andern in Lycien.

31 Jetzt Sarabas, Sardes jetzt Sart.

32 Cybele, die Phrygische Göttermutter, verehrt auf dem Berge Dindymus (oder Didymos, Zwilling) bei der Stadt Pessinus; aber auch in Troas und Mysien kommt derselbe Berg vor.

33 Eigentlich des vierten von Krösus rückwärts. Denn die Griechen pflegten Den, von welchem wir anfangen zu zählen, mit einzurechnen. Die Abstammung ist: Gyges, Ardys, Sadyattes, Alyattes, Krösus. Vergl. Cap. 15. 16.

34 Name des Apollo, der Krumme oder Sprüche von dieser Art waren. Zweideutige, weil seine Sprüche von dieser Art waren.

35 Das Stadium (oder der Stadios) sechshundert Fuß, daß Plethrum hundert.

36 Dies ist eine historische Fabel über die Abstammung der italischen Tyrrhener (Etruster), durch Verdrehung des Namens Torrhebus in Tyrrhenus schlecht begründet.

37 Auf einem Theil der Kaukasuskette, wo das heutige Hamedan an einem Steppenfluß, im westpersischen Irak liegt.

38 Vergl. 193. und II, 150.

39 Das Asovische Meer.

40 Sonst auch Scythinen genannt, Völker Tatarischen Stammes, in den Gegenden, wo jetzt die Kurden streifen.

41 Vergl. I, 184. Nach diesen Stellen scheint Herodot entweder eine Episode des vorliegenden Werkes im Sinn gehabt zu haben, die unterblieb; oder gab es gar Assyrische Geschichten von ihm, die verloren gegangen sind.

42 So ließen die Räthe des Medischen (Persischen) Königs.

43 Das Wort Herodot's drückt nämlich eine solche Strafe ans, für die es keine wahre Genugthuung mehr gibt, kann aber auch allgemeiner gefaßt werden.

44 Man vergl. Cap. 142.

45 Beiname des Gottes von der Stadt Helice im Peloponnesischen Achaja, einem Hauptort seiner Verehrung.

46 Die Feste Der Griechen sind zwar nach den verschiedensten Rücksichten benannt, z. B. nach den Namen der Feiernden, wie hier Panionia (Fest aller Ionier), oder im vorherigen Capitel Apaturia (Fest aller Stammgenossen), oder nach den Namen der Götter, Poseidia (Fest des Poseidon, Neptun), Dionysia (Fest des Bacchus), oder nach Objecten des Festes, z. B. Anthesteria (Blumenfest), Haloa (Fest bei dem Fruchtdreschen, Erntefest) u. s. w. Sie sind aber gewöhnlich. der Wortbildung nach, neutra pluralis, und endigen sich deßhalb im Griechischen auf den Buchstaben Alpha.

47 Wahrscheinlich dem Persischen König.

48 Korsika.

49 Bei Agylla.

50 Persische. Diejenige Elle, welche Herodot seinen Angaben zu Grunde legt, betragt, nach seiner eigenen Angabe (II, 149.), sechs Handbreiten (zwei Spannen oder anderthalb Griechische Fuß).

51 Die andere Hand war die Mauer selbst.

52 Das Stadium zu sechshundert Fuß.

53 Wohl derselbe Fluß, der auch Gorgos (der Wilde) hieß, jetzt Diala.

54 Das Land Matiana grenzte an das nördliche und westliche Klein-Medien oder Atropatene (jetzt Aderbitschan).

55 In der Landschaft Apolloniatis.

56 Der Attische Medimnus faßte ungefähr 11/16 des Berliner Scheffels, und hielt achtundvierzig Chönix.

57 Die Eneter (Veneter, Venetianer) in der Gallia Transpadana. Sie sollen aus Phrygien stammen. Illyrien ist hier im weitern Sinne genommen.

58 Vergl. IV, 26.

Herodots Historien (Buch 1-9)

Подняться наверх