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Einleitung Canones Hippolyti

1. Über Verfasser und Alter der Canones.

Es ist kein Zweifel, daß Hippolytus ein Werk über die apostolische Überlieferung bezüglich der kirchlichen Ämter geschrieben hat, da eines solchen auf der ihm zu Ehren errichteten Marmorstatue erwähnt wird. Dort kommt es unter dem Titel [peri tōn charismatōn]* περὶ τῶν χαρισμάτων*1 „über die Charismen“ vor, die nach I. Kor. 12, 8–10 den Gläubigen vom hl. Geiste verliehen werden, und zu denen, wie Cave2 bemerkt und Hyppolytus3 selbst angedeutet hat, auch die Ämter und Dienste in der Kirche gehörten. In den apostolischen Constitutionen4 scheint die Schrift unter dem Titel: „Lehre der hl. Apostel über die Charismen“ Aufnahme gefunden zu haben; wenigstens halten viele Gelehrte den Anfang des achten Buches der apostolischen Constitutionen für identisch mit der erwähnten Schrift des Hippolyt. Hier werden die Apostel in der ersten Person redend angeführt und geben jeder eine besondere Verordnung.5 Diese Form würde freilich nicht von Hippolytus, sondern von dem Verfasser der Constitutionen den ursprünglichen Verordnungen oder Canones des Hippolytus gegeben sein. Fabricius theilt deren sechsundzwanzig mit.6

Ausser diesen hat in jüngster Zeit der gelehrte Sprachenkenner v. Haneberg aus römischen Codices achtunddreissig Canones von Hippolytus, „dem obersten Bischof von Rom,“ aus dem Arabischen in’s Lateinische übersetzt.7 Sie stimmen nur in sehr Wenigem mit den bei Fabricius sich findenden überein, wie die der Übersetzung beigefügten Bemerkungen zeigen werden.

Es fragt sich nun, ist der Presbyter und Martyrer Hippolytus, der Antagonist des Papstes Kallistus, dessen Leben wir früher mitgetheilt haben, auch der Verfasser dieser Canones? Haneberg ist dieser Ansicht und führt dafür folgende schlagenden Gründe an.8

1. In den römischen Codices wird als Verfasser der hl. Patriarch Hippolytus, der erste Patriarch der Stadt Rom und der oberste Bischof von Rom, genannt. Einige haben nun, wie Assemani,9 in diesem Hippolytus einen Bischof von Portus Romanus (Aden) in Arabien finden wollen. Allein diese Conjectur zerfällt schon dadurch in ihr Nichts, daß es sich nicht erklären läßt, wie ein so bedeutender Schriftsteller dem ganzen Oriente unbekannt bleiben konnte, wozu ferner noch kommt, daß die Codices den Hippolytus nicht Bischof von Portus, sondern Patriarchen und Summepiskopus von Rom nennen, ein Titel, der nur auf unsern Hippolytus, den die Orientalen für den rechten Bischof von Rom hielten, bezogen werden kann.

2. Ferner weist der Herausgeber nach, daß das Arabische nicht die Ursprache, sondern eine Übersetzung aus dem Griechischen sei, die einen des Griechischen nicht sehr kundigen Verfasser verrathe. Doch will er nicht entscheiden, ob der arabischen Übersetzung nicht eine aus dem griechischen Urtexte erflossene koptische zu Grunde gelegen habe.10

3. Der Inhalt der Canones läßt auf ein sehr hohes Alter schließen, auf eine Zeit, in welcher die Christen Nichts so sehr scheuten, als sich mit heidnischen Gebräuchen zu beflecken. So verbietet der dreizehnte Canon den christlichen Soldaten, den Siegeskranz zu tragen, was, wie Tertullian nachweist, gegen die christliche Disciplin verstoße,11 der eilfte Canon die Anfertigung von Götzenbildern, worüber Tertullian sagt12, daß das, was immer der Götzendienst durch die Bilder sündige, nothwendig auf den Künstler zurückfalle; es erlaubt der zwölfte Canon nur dann einem Lehrer, heidnische Kinder zu unterrichten, wenn er auf andere Weise seinen Unterhalt nicht erwerben könne. Hierhin gehören ferner Canon zweiunddreissig und fünfunddreissig über die Agapen oder Liebesmahle, Canon dreiunddreissig über die Todtenvigilien, sowie Canon dreissig über das Verbot, bei Verfolgungen zu fliehen13 und zu schwören. Wenn ferner Civilbeamten sowie Soldaten, denen Todesstrafen zu vollziehen oblag,14 die Aufnahme in die christliche Kirche verweigert werden soll, so weist das auf jene Zeiten hin, wo die Letzteren vorzüglich zu Henkersdiensten verwendet wurden. Auch paßt der achte Canon über die Charismen nur in die ersten christlichen Jahrhunderte.

4. Der sechste Canon, welcher den standhaften Blutzeugen ohne Weiteres in den Priesterstand erhebt, ohne daß derselbe der bischöflichen Ordination bedarf, entspricht ganz der Zeit des hl. Hipppolytus, der Zeit nämlich, wo das Ansehen der Martyrer noch nicht durch die von ihnen in Karthago veranlaßten Wirren, worüber sich Cyprian so bitter beklagt, getrübt war.15

5. Selbst das Rigoristische, was sich in verschiedenen Canones zu finden scheint, wenn z. B. leichtfertige Schwörer, Lügner, Verläumder16 entweder nicht zum Katechumenat zugelassen oder, wenn sie in der Kirche sind, ausgeschlossen werden sollen (C. 15), wenn Jemand, der eine Konkubine verstößt, die ihm einen Sohn geboren hat, ein Menschenmörder genannt wird (C. 16), ein Kleriker, der nicht zum täglichen Gebet in die Kirche kommt, ausgestoßen werden soll (C. 21 u. a.), entspricht ganz dem strengen, stoischen Charakter des Hippolytus.17

Allein diese Gründe genügen nicht, die Autorschaft Hippolyt’s für die fraglichen Canones unverbrüchlich festzustellen; sie geben vielmehr nur ein Recht darauf, sie ihm vindiciren zu können. Den Hauptbeweis liefern immerhin die Auf- und Nachschrift, welche beide den Hippolytus von Rom als Verfasser bezeichnen.

Übrigens scheint Manches den bekannten strengen Ansichten des Hippolytus und der Disciplin der alten Kirche zu widersprechen. So der siebente Canon, der die Enthaltsamkeit der ehelosen Kleriker zu verdächtigen scheint, und der Zusatz zum achten Canon, daß ein Priester, dessen Frau geboren habe, nicht ausgeschlossen werden solle, worin offenbar eine Bevorzugung des Ehestandes vor dem ehelosen angedeutet ist. Vergleichen wir dagegen, was Hippolytus (C. 30) sagt, daß ein Christ, der zu himmlischer Vollkommenheit strebe, sich von den Weibern ganz und gar ferne halten, sie nicht ansehen und mit ihnen essen solle, so scheinen die obigen Sätze sich als Interpolation herauszustellen. Dagegen dürfte darin, daß die fraglichen Canones in der occidentalischen Kirche nicht bekannt waren, weniger ein Grund liegen, sie unserem Hippolytus abzusprechen, und zwar nicht, 1) weil sie wie alle übrigen Schriften des Hippolytus in griechischer Sprache verfaßt waren, 2) weil Hippolytus sich den Vorwurf der Ketzerei und des Schismas zugezogen hatte, wie wir früher gezeigt haben.

Jedenfalls gehören diese Canones in ritueller, disciplinärer und dogmatischer Hinsicht zu den kostbarsten Monumenten der vorconstantinischen Kirche. Dogmatisch ist besonders merkwürdig, daß sie den Ausgang des hl. Geistes von dem Vater und dem Sohn auf das Unzweideutigste aussprechen (K. 19). Des Näheren müssen wir auf die Prolegomena von Haneberg verweisen.

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