Читать книгу Auch eine Liebe - Holger Kiefer - Страница 6
Оглавление1. Morgenstimmung
Der Himmel zeigte sich aquarellverschwommen: blaugraue Töne verschleierten sich mit hellgelben Nuancen. Und rosa Fetzen wanden sich durch das sich langsam nach Westen wabernde Wolkengewöll, durch das kein Sonnenstrahl hindurchstach. Das schwache Licht aus der Ferne diente wie in einem Schattentheater nur als Mittel zum Zweck und stand nicht im Zentrum des Geschehens.
Nur ein paar Menschen nahmen dieses Phänomen wahr. Sie waren zufällig darauf gestoßen, hatten aus dem Fenster ihrer Wohnung geschaut und waren mit ihrem Blick an dieser Pracht hängen geblieben oder hatten an einer Bushaltestelle gewartet und den Kopf frei für solche außergewöhnlichen und kurzzeitigen Erscheinungen. Zu ihnen gehörte auch Olos Enegard, der gegen Mittag aufgestanden war und seinen ersten Kaffee und seine erste Zigarette zu sich nahm, nachdem er sich an seinen Schreibtisch gesetzt hatte und verschlafen schweigend den ersten freien Tag des Wochenendes beginnen ließ.
Im Hintergrund hörte man nichts, denn die Musikanlage hatte er noch nicht eingeschaltet. Und es war ruhig im Mietshaus. Diese seltene Ruhe wollte er noch ein wenig genießen. Im Vordergrund war fast nichts zu hören. Nur ab und zu rauschte ein Auto vorbei, dessen Dezibel aber zu neunzig Prozent in den vollisolierten Fenstern hängen blieben. Er starrte in die ferne Atmosphäre und beobachtete die Geschwindigkeit der bunten Gase, suchte konkrete Formen auszumachen und ließ sich einige Momente lang bewusst farbtherapieren.
So saß er etwa eine halbe Stunde da: rauchend schauend und schweigend schlürfend. Nichts geschah für ihn, außer dass am Himmel gasförmige Gebilde in verschiedenen Farben sehr langsam ihren einmaligen Weg von links nach rechts zogen und außer Sichtweite geweht wurden. Ein kurzer Genuss. Die Wolken wurden dunkler, die Farben verschwanden ganz und mischten sich zu einem fast einheitlichen Dunkelgrau. Ein paar Schneeflocken sanken lautlos herab und lösten sich auf der Straße oder den Bäumen still auf, als wäre das ihre alleinige Aufgabe und letzter Auftrag gewesen.
In einer anderen Stadt lag Mona Kanzer neben ihrem noch schlafenden Freund in einem hellblauen Bett mit rosa Kissen und starrte gegen die Decke, an die ein kleines Schauspiel geworfen wurde: Das helle Licht der Sonne drang in Strahlen durch die Schlitze der herabgelassenen Rollläden und ließ die wankenden und zitternden Schatten der Blätter des Baumes, der sich vor dem Balkon befand, hin und her tanzen. Mona hatte die Arme hinter dem Nacken verschränkt und versuchte lächelnd herauszufinden, nach welchem Rhythmus sie sich bewegten. Es waren ein paar Tangoschritte zu entdecken. Aber dann wechselte der Takt und alles sah nach Rumba aus.
Nach einer halben Stunde etwa neigte sie ihren Kopf zu Jörg, der noch immer schlief, stand auf und zog langsam und vorsichtig die Rollläden hoch. Sie wollte diesen schönen Tag genießen und nicht an die Arbeit denken. In der Küche setzte sie Wasser auf und wartete neben dem Kocher, bis das Wasser sprudelte, goss einen Teil davon in ihren Becher und stellte sich ans Balkonfenster.
Auf der Straße waren ein paar Leute unterwegs – vielleicht auf dem Weg zum Markt oder zur U-Bahn. Mona phantasierte ein bisschen und schrieb den einzelnen Personen kleine Geschichten zu: Der alte Mann mit dem grauen Mantel macht seinen Morgenspaziergang. Er geht am Kiosk vorbei und kauft den Kölner Anzeiger. Seine Frau ist vor vier Jahren gestorben. Er macht immer um diese Uhrzeit seinen Morgenspaziergang. Und wenn er in seine Wohnung zurückkehrt ist, trinkt er seinen zweiten Kaffee und liest in der Zeitung – Todesanzeigen und lokale Meldungen. Amerikaner und Russen interessieren ihn nicht mehr.
Ein Mädchen (vielleicht fünfzehn) geht unten geschminkt und eine Zigarette rauchend auf Mona zu, sieht sie am Fenster aber nicht, weil sie auf ihr Smartphone starrt und zwischendurch darauf herumtippt. Russen und Amerikaner interessieren sie auch nicht. Mona lächelt. Fünfzig Meter dahinter eine Gruppe von drei männlichen Jugendlichen in breitbeinigem Schritt sich abwechselnd an die Schulter stoßend und dabei grinsend. Zwei Hunde begegnen und beschnüffeln sich, wedeln mit dem Schwanz und werden von ihren Frauchen weitergezogen.
Mona geht zur Musikanlage und legt ein Klavierkonzert von Mozart ein. Zeit auch für Jörg, um aufzustehen. Noch hat sie nicht entschieden, was sie machen wollen. Die Sonne scheint zwar, aber es ist auch etwas kalt. Vielleicht ein Spaziergang am Rhein? Oder ein Bummel durch die Stadt? Ein Eis, einen Kuchen, einen Kuss vor dem Dom? Der Tag ist offen.
2. Wahlverwandtschaften
Olos hatte geduscht, saß in Boxershorts und T-Shirt wieder am Schreibtisch, trank seinen zweiten Kaffee und löste ein dänisches Kreuzworträtsel, als Emily anrief und ihm ein unternehmungslustiges ‚Guten Morgen, mein Schatz‘ ins Ohr liebte. Ihr Mann sei für zwei Tage verreist – Konferenz in Oslo – und würde vor Sonntagabend nicht zurückkommen.
Eigentlich hatte Olos sich vorgenommen, sein Dänisch ein wenig aufzufrischen – ein paar grammatische Übungen, zehn oder zwölf Seiten in Høegs ‚Smilla‘ und vielleicht noch eine Stunde Dansk Radio hören. Aber die Zeit mit Emily war selten und kostbar. Daher änderte er seine Pläne und stimmte einem Treffen zu – in einer Stunde zum Frühstück im Rosencafé.
Emily war eine tolle Frau, zehn Jahre älter als er, hielt ihren Körper in Schuss, indem sie zweimal wöchentlich ins Fitnessstudio ging und die meisten Wege, wenn irgend möglich, mit dem Fahrrad erledigte. Zu arbeiten brauchte sie nicht, da ihr Mann eine Menge Kohle nach Hause brachte und beide sich auf die Rollenverteilung ‚Versorger – Versorgte‘ geeinigt hatten. Sie kümmerte sich darum, dass das Haus sauber blieb und der Garten gepflegt wurde, so dass sich Georg stets nach anstrengender Arbeit in die abgeschiedene Ruhe und wohltuende Gemütlichkeit ihres gemeinsamen Hafens zurückziehen konnte. Ihre zweite Aufgabe bestand darin, ihn hin und wieder zu Empfängen oder offiziellen Abendessen zu begleiten und ihre Schönheit und Eloquenz seinen Partnern, Kollegen und Vorgesetzten zu präsentieren, um ihm kleine, aber feine Vorteile im Berufsleben zu verschaffen.
Kennen gelernt hatte Olos sie vor drei Jahren im Rosencafé, als sie ihm am Nachbartisch gegenübersitzend im ‚Peer Gynt‘ las. Und da es nicht viele Menschen gibt, die in diesem Buch lesen, und sie ihn außerdem durch ihr schmales Virginia-Woolf-Gesicht anzog, wagte er es, möglichst beiläufig und unbefangen ein Gespräch zu beginnen. Zu seiner Überraschung ging sie sofort auf seine Fragen und Bemerkungen ein, forderte ihn auf an ihrem Tisch Platz zu nehmen und trug dazu bei, dass sie sich erst nach einer guten Stunde trennten, weil sie Vorbereitungen für eine häusliche Einladung zu treffen hatte. Später beichtete sie ihm, dass sie schon beim Betreten des Cafés auf ihn aufmerksam geworden sei und sich absichtlich in der Hoffnung von ihm bemerkt zu werden in sein Blickfeld gesetzt hätte. Was sie damals anzog, war angeblich sein abwesender Blick, der sie herausforderte. Seitdem hatten sie sich ein paar Mal wie zufällig dort wiedergesehen und waren auch irgendwann zum ersten Mal bei ihm in der Wohnung gelandet, um ein neues Terrain zu erkunden. Die geistigen und körperlichen Wechselspiele funktionierten wie geschmiert und einwandfrei, so dass sie keinen Grund sahen, diese Geschichte vorzeitig enden zu lassen. Sie befanden sich bereits in der dritten Staffel und sorgten immer noch für Überraschungen und Vergnügen.
Als er das Rosencafé betrat, war sie noch nicht da – wie immer. Und es war für ihn auch ganz natürlich, dass er auf sie warten sollte und nicht umgekehrt. Schließlich war sie die Dame und nicht er. Gemäß ihrer gemeinsamen stillen Übereinkunft nannte sie die Uhrzeit; er erschien pünktlich, und sie kam etwa eine viertel Stunde später. So auch dieses Mal. Die Tür ging auf. In schwarzem Mantel, schwarzer Pelzmütze und schwarzen Handschuhen trat sie herein und schritt langsam und lächelnd auf ihn zu, während sich ihr ein paar Männerköpfe wie hypnotisiert zuwandten und die Anna-Karenina-Erscheinung sprachlos mit ihren immer gieriger werdenden Augen verfolgend begleiteten. Aber es war hier kein Wettbewerb und affiges Streiten nötig; denn sie hatte bereits ihre Wahl getroffen und ließ die geifernden Verlierer links und rechts liegen.
Nach dem Frühstück gingen sie ins Museum Brandhorst und setzten sich mit neuen Materialien und Fertigungsmethoden auseinander, beschäftigten sich zunächst theoretisch mit einem neuen Körperbegriff in der statuellen Kunst, den sie zwei Stunden später in Olos‘ Wohnung in die Tat umsetzten, und überließen sich für den Rest des Tages, der am Horizont ausglühte, einer intuitiven Permanenz körperlicher Relevanz.
Am nächsten Morgen entdeckten sie, dass die Glut noch nicht ganz verloschen, der Durst noch nicht abschließend gelöscht war. Die Erde wandte sich erneut dem gleißenden Himmelskörper zu und wollte wieder erwärmt werden, hatte sich mit der dunklen Nacht nur notgedrungen abgefunden. Also verlängerte das Paar die magnetische Verschmelzung um weitere Stunden, bis Emily auf die Uhr sah und die vorläufige Unterbrechung mit dem Gang unter die Dusche einleitete. Ein sanftes Streicheln seines Kinns mit der linken Hand und ein ausgiebiger Kuss auf seine satten Lippen versprachen ihm ein baldiges Wiedersehen – irgendwann, bald, später, auf jeden Fall noch in diesem Leben. Er lächelte zufrieden.
Mona saß am Frühstückstisch und las in Jonas‘ ‚Prinzip Verantwortung‘. Jörg kauerte ihr gegenüber und schaufelte verschlafen sein Müsli in sich hinein.
„Dass du so früh morgens schon lesen kannst!“, wunderte sich Jörg immer noch, obwohl sie bereits seit zwei Jahren zusammen waren.
„Ich lese fast immer morgens. Solltest du eigentlich wissen.“
„Nein. Warum?“
„Weil wir schon zwei Jahre zusammen sind?!“
Jörg mmte mit geschlossenen Lippen.
Das war wieder solch ein Moment, in dem Mona einen Schatten über ihrer Beziehung zu Jörg wahrnahm. Er interessierte sich oft für ihre Gedanken nicht – oder nicht wirklich – tat nur so, verriet sich aber durch zu schnelles Wechseln des Themas.
„Worum geht es denn in diesem Buch?“, fragte er nachträglich.
„Das hast du letzten Samstag auch schon gefragt. Um unsere Verantwortung der Umwelt gegenüber – darum, dass wir als Menschen nicht mehr alles machen dürfen, was wir machen können.“
„Und was zum Beispiel?“
„Um unweltschädigende Technologien zum Beispiel – Atomkraft, Fracking und so weiter.“
„Und woher sollen wir die Energie nehmen, die wir brauchen?“
„Wir dürfen halt nicht mehr so viel Energie benötigen.“
Jörg mmte wieder mit geschlossenen Lippen. Er mümmelte sein Müsli aus und steckte sich, nachdem er gedankenlos ihre Schale heruntergezogen hatte, eine Banane in den Mund. Aber darüber wollte Mona jetzt nicht auch noch reden. Es war schließlich Samstag; die Sonne schien; und sie wollte den Tag genießen und nicht streiten.
„Hast du etwas dagegen, wenn ich mich heute Abend mit den Jungs treffe? Wir wollen Manchester gegen Real sehen.“
Mona dachte nach. Dachte an die vergangenen Samstage. Dachte daran, dass sie ihre Vorstellungen von einem gemütlichen Samstagabend wieder einmal aufgeben konnte.
„Schon wieder?! Wir wollten doch einmal wieder einen Samstag ganz für uns alleine verbringen – ohne Fußball, ohne die Jungs.“
„Ja, ich weiß. Aber heute spielt Manchester gegen Real. Nächsten Samstag machen wir was zusammen. Ich verspreche es dir. Okay?“
Dieses ‚Okay‘ ging ihr langsam auch auf die Nerven. Überhaupt wuchs die Anzahl der Dinge, die ihr auf die Nerven gingen. Dabei überlegte sie oft, ob es früher anders gewesen war, nachdem sie sich kennen gelernt hatten. Aber sie war überzeugt, dass es am Anfang nicht so war. Sie verbrachten oft die Samstage zusammen und hatten viele gemütliche Stunden auf dem Sofa; sie las in einem Buch und er entspannte, hatte die Augen geschlossen und schlief auch einige Male einfach ein. Sie blickte ihn zwischendurch kurz an und las daraufhin in Ruhe weiter, während ihr Kopf auf seinen Beinen lag. Irgendwann wachte er wieder auf, holte ein paar Salzstangen und ein zweites Bier und nahm wieder seine typische Sofaposition ein.
Er war nicht der Lektüretyp, interessierte sich nicht für Literatur. Er war Ingenieur und kam manchmal mit verschmutzten Klamotten nach Hause. Das fand sie toll, weil es nach Arbeit und Geldverdienen aussah. Sie flog ihm zu, küsste ihn auf den Mund und sog den Geruch von kaltem Mörtel und hartem Beton ein, was sie in gewisser Weise stimulierte. Sie war auch stolz auf seinen Beruf: Er baute Häuser und schaffte Menschen damit ein Zuhause. Er packte an und ließ etwas entstehen. Das war praktische und sinnvolle Arbeit. Das war gut. Aber das war leider auch quadratisch, mathematisch, physikalisch. Alles, was darüber hinaus ging, interessierte ihn nicht. Philosophie bedeutete für ihn sinnloses Geschwafel über unbedeutende Themen. Dass Philosophie auch dazu beitragen kann, Gerechtigkeit unter den Menschen entstehen zu lassen oder die Art und Weise des Denkens vervollkommnen kann, um weniger Fehler zu machen, war für ihn in gewissen Sinne ‚zu hoch‘. Das sagte er zumindest manchmal, wenn sie versuchte, ihm diese Vorteile der Philosophie zu erklären. Wahrscheinlich hatte er eine schwierige Kindheit.
Immer häufiger versuchte sie sich daran zu erinnern, warum sie eigentlich zusammengekommen waren und warum sie eigentlich immer noch zusammen waren. Sie waren sich in der Universität begegnet, als seine Firma einen Umbau des Eingangsbereichs der Romanistischen Fakultät vornehmen sollte. Eines Morgens waren die Türen zu den Seminarräumen mit Folie verhängt, und sie wusste nicht, ob sie trotzdem weitergehen sollte oder durfte, und ob ihr Seminar in einem der Räume stattfinden konnte. Jörg unterhielt sich gerade mit einem Bauarbeiter in zehn Metern Entfernung und schaute kurz zu ihr herüber. Daher fragte sie ihn, ob sie ihr Seminar hier noch abhalten könne. Er erklärte ihr lapidar, dass das alles hier eine Baustelle sei und es auch bald etwas lauter werden würde. Sie ging daraufhin ins Sekretariat und klärte die Angelegenheit. Sie mussten auf einen anderen Trakt der Fakultät ausweichen. Alles war in Ordnung. Doch Jörg begann damit, ihr mal nach dem Seminar, mal in der Kantine aufzulauern. Zweimal stand er auch wie zufällig vor dem Dozentenzimmer und sprach sie an. Nun: Sie verabredeten sich – mehrmals – schliefen irgendwann miteinander – und waren ab dem Zeitpunkt auch irgendwie zusammen.
Am Anfang war auch alles in Ordnung: Er Ingenieur, sie Dozentin für Romanische Literatur und Sprache. Er Mann, sie Frau. Er anders, sie anders. Er neugierig, sie neugierig. Er verliebt, sie verliebt. Er anspruchslos, sie anspruchslos. Er lieb, sie lieb. Er sexuell befriedigend, sie sexuell befriedigend. Er trug sie manchmal auf Händen, sie nahm auch manchmal seinen Schwanz in den Mund. Er brachte den Müll hinunter, sie verschonte ihn mit Freundinnengewäsch. Alles funktionierte.
Aber so war es eigentlich schon lange nicht mehr. Irgendwann kamen die Jungs dazu – und der Fußball wurde immer wichtiger. Irgendwann nahm sie sich auch immer öfter eine kleine Auszeit; wollte allein sein und lesen, besuchte ihre Eltern öfter als vorher, blieb länger im Seminar. Irgendwann verschwand alles dieses Verliebtsein, das Neue, das Neugierige, das Anspruchslose. Plötzlich wurde sie anspruchsvoller – er aber nicht. Er ließ seine verschwitzten Socken vor dem Bett liegen, nahm es für selbstverständlich, dass sie seine Wäsche mit wusch, beschwerte sich indirekt, wenn sie nicht rechtzeitig an frische Milch oder neues Müsli gedacht hatte.
Und jetzt? Jetzt führen sie eigentlich nur noch eine Beziehung. Das ist alles: In einer Wohnung wohnen. In einem Bett schlafen. Ab und zu den Trieb befriedigen. Das ewiggleiche Begrüßungsund Willkommensgelaber. Der erkaltete Kuss am Morgen und am Abend. Das verlorene Zuhören. Die gestorbene Neugier. Das geschwundene Interesse. Alles zusammen. Aber nichts mehr gemeinsam. Sie hatte ihn schon oft gefragt, was sie anders machen könnten, um Neues zu erleben – hatte Vorschläge gemacht. Er hatte daraufhin aber nur dumm und unwissend gefragt, was sie meine. Es sei doch alles wunderbar. Er fühle sich wohl.
3. Konzerte
Deshalb ging sie am Donnerstagabend auch allein ins Konzert. Zu den Rolling Stones oder 4you wäre Jörg mitgekommen, aber mit klassischer Musik konnte er nichts anfangen. Das war für ihn langweilig und ermüdend; da ginge nicht richtig die Post ab, wie er sich ausdrückte. Mona schaute ihn in diesen Augenblicken nur mitleidig an und bedauerte, dass er keine richtige Erziehung genossen hatte – also nur eine Erziehung, in der unter anderem auch klassische Musik fehlte.
Sie dachte zuerst daran, Pia zu fragen. Die würde wahrscheinlich mitgehen. Aber als sie vor dem Bildschirm ihres Laptops Karten bestellte, änderte sie die Anzahl von 2 auf 1 und freute sich, mal wieder allein zuhören zu können ohne Kommentare abgeben zu müssen. Die anderen Nichtalleinigen um sie herum würden eh genug Wortgesabber aus ihren Mündern fließen lassen.
Also saß sie im zweiten Rang in der dritten Reihe ganz links, hatte von dort einen freien Blick auf das Orchester; und der Flügel war so aufgestellt, dass sie der Pianistin auf die Finger sehen konnte. Glücklich über diese Fügung steckte sie sich ein em-eukal in den Mund. Das Licht erlosch – ein kurzer Moment der Aktionslosigkeit, bevor eine Seitentür hinter der Bühne geöffnet wurde und eine Frau in dunkelblauem Satinkleid in Richtung Flügel schritt und sich nach einer kurzen Verbeugung davor auf die Bank setzte. Wieder ein kurzer Moment der Aktionslosigkeit.
Die ersten Orchestertöne des 3. Klavierkonzerts von Beethoven erklangen. Mona schloss die Augen und ergab sich ganz der Harmonie und Rhythmik, die ihr im alltäglichen Leben so oft fehlten. So beruhigt und glücklich war sie, dass sie bis zum Ende des ersten Satzes vergaß, wo sie sich befand. Die endlich schweigenden Menschen um sie herum waren wie Pappfiguren, die sie nicht mehr störten und jetzt nur dazu dienten, der Akustik das Hohle eines leeren Raumes zu nehmen. Jörg war, auch was ihre Gedanken betraf, zu Hause geblieben; vergessen auch das, was sie sonst beschäftigte: Korrekturen, Gesichter, Lehrpläne, Zweitrangiges, Unwichtiges.
Erst im dritten Satz öffnete sie ab und zu die Augen, um der Pianistin auf die Finger zu schauen, um nachvollziehen zu können, mit welcher Leichtigkeit diese die schwierigen Passagen meisterte, die Mona selbst an der Tastatur verzweifeln ließen. Nach den Schlussakkorden das Negative, was diesen Akkorden leider immer folgt: Das gehörfickende Prasseln hunderter gegeneinanderschlagender Händepaare der Zuhörer, das meistens von schwindsüchtigem Husten und erleichterndem Hüsteln begleitet wird – als ob man sich in einem Lungensanatorium befände.
Nach dem überflüssigen Reinraus der Solistin und dem dieses Spiel begleitenden Klatschen der erfreuten Affenbande wieder der kurze Moment des Verdunkelns und der Aktionslosigkeit. Die Finger spielten den ersten c-moll-Akkord der 32 Variationen über ein eigenes Thema. Monas Augen schlossen sich diesmal nicht, sondern verfolgten jede Bewegung auf der Tastatur. Denn obwohl sie diese Variationen schon zweiunddreißig Mal gehört hatte, war es immer wieder ein neues Erlebnis, wenn sie erst einmal begonnen hatten.
Danach eine fünfzehnminütige Pause. Mona ging ins Foyer und kaufte sich ein Glas Rotwein – nicht der beste, aber dafür auch nicht billig. Sie stellte sich in eine Ecke vor einen dicken Pfeiler und blickte ziellos in der Menge umher ohne etwas oder jemanden zu suchen und nippte an ihrem Wein. Nach etwa fünf Minuten sprach sie ein Mann an und fragte sie, ob sie mit ihm auf seine Gesundheit anstoßen würde; er hätte heute das Blutuntersuchungsergebnis erhalten, auf dem ein fettes „negativ“ stände. Was sollte sie tun? Er stand mit erhobenem Weinglas vor ihr und blickte sie wartend, aber vor allem lächelnd an.
Sie war zu überrascht, um seine Frage abschlägig zu beantworten, wie sie es wahrscheinlich unter anderen Umständen getan hätte. Aber in diesem Augenblick fragte sie sich selbst insgeheim nur: Warum eigentlich nicht? Schließlich ist das für jeden eine freudige Nachricht, auch wenn sie den Menschen noch nie gesehen hatte.
„Das freut mich für sie.“, sagte sie ehrlich lächelnd. Und nach einer kurzen Pause: „Dann also auf ihre Gesundheit!“
Sie stießen an und vernahmen den nachhallenden Zweiklang der Gläser, der besser war als der Wein. Danach wusste Mona nicht, was sie sagen sollte. Ihr fiel hierauf keine passende Frage oder irgendetwas anderes Passendes ein. Eine Unterhalterin oder Small-Talk-Expertin war sie nicht, wollte es auch nie sein. Sie fand dieses ganze Worthülsengeschwalse zum Kotzen und wollte dieses schon tausendmal Erbrochene auch nicht erlernen. Es stank und schmeckte ekelerregend – wie Kotze eben.
Ihm ging es fast ähnlich, aber auch nur fast; denn sonst hätte er sie ja gar nicht erst angesprochen. Nach einer Pause des Wägens und lächelnden Blickens hob er zuerst an.
„Sie müssen entschuldigen, wenn ich Sie jetzt überfallen habe. Das wollte ich natürlich nicht. Aber ich bin allein hier, bin gleich vom Arzt hierher und wusste nicht, mit wem ich meine Freude teilen sollte. Ich stand dort hinten mit meinem Glas Wein und sah Sie hier alleine stehen. Ich habe zuerst gewartet, ob ihre Begleitung vielleicht noch auftaucht. Aber nach ein paar Minuten dachte ich: Nein, da taucht niemand mehr auf. Und sie ist auch alleine hier. Und Sie gaben mir die Zuversicht, dass ich es durchaus wagen durfte – gewagt habe.“
Nach dieser Ansprache hatte Mona auch wieder die Zuversicht zu sich selbst gefasst, selbstbewusst zu reagieren. „Und was gab Ihnen die Zuversicht – gerade bei mir?“
Der Mann zögerte, weil er überlegte. Danach antwortete er: „Sie haben auf mich den Eindruck gemacht, als ob Sie die Musik verständen – oder zumindest eine sehr persönliche Beziehung zu dieser Musik haben.“
Mona staunte. „Wie kommen Sie darauf?“
„Ich bin mir nicht sicher. Aber sie schauten genauso, wie ich manchmal schaue, wenn ich Beethoven gehört habe: Zufrieden, erleichtert, mit sich selbst im Reinen. Stimmt das?“
„Ja.“ Mona musste bei diesem ‚Ja‘ auflachen – spontan, ohne dass sie es erwartet hatte. Und das war ihr ein Zeichen.
Der Pausengong erklang zum dritten Mal. Sie mussten austrinken und sich auf ihre Plätze begeben.
„Darf ich Sie nachher noch zu einem Drink einladen?“, fragte er hektisch.
Mona überlegte kurz, dachte an Jörg, dachte an morgen, dachte an sein Blutuntersuchungsergebnis und sagte ‚Ja‘.
Nach der Pause hörten sie – getrennt, aber schon miteinander – die 3. Sinfonie von Beethoven. Deshalb hatte Mona sich auch so auf dieses Konzert gefreut, weil es endlich einmal wieder ein ganz normales Konzert war, in dem Werke eines einzigen Komponisten gespielt wurden wie zu seinen Lebzeiten – und nicht dieses ewige moderne Gedöns von oft wahllos oder falschwählerisch zusammengewürfelten Potpourris wie: Sonate von Brahms – Sinfonie von Huggendapf – Skizzen von Leckmichfett – und zum Abschluss eine Ode an die Gemütlichkeit.
Nein. Jetzt die Dritte – neben der Siebten eine ihrer liebsten.
Und nach einer dreiviertel Stunde die neue Begegnung – mit ihm. Mit wem? Das wusste sie nicht. Aber sie saß gedankenversunken auf ihrem Platz, lächelnd, mit geschlossenen Augen. Und niemand – nicht einmal sie selbst – hätte jetzt sagen können, woran sie dachte. Sie genoss wahrscheinlich die Harmonien und die Rhythmik der komponierten Musik Beethovens.
Der neue Mann – nennen wir ihn Alfred – stand schon lächelnd wartend am Eingang und suchte mit Blicken nach ihr, die auch das ewige Klatschen am Ende abgebrochen hatte, um schneller an die Garderobe zu kommen und somit schneller den Bums verlassen zu können.
„Hat Ihnen das Konzert gefallen?“, fragte er höflich
„Ja. Es war schön. Ich habe das lange vermisst.“
Zum Glück fing er jetzt nicht an sich im Einzelnen über die Musiker oder das Interpretationsgeseiere auszulassen, um Eindruck zu schinden oder einfach nur zu unterhalten. Nachdem sie ein paar Meter gegangen waren, schlug er eine sich in der Nähe befindende Bar vor, die Mona kannte. Man konnte dort in schummriger Abgeschiedenheit sitzen und bei Appetit auch eine Kleinigkeit zu essen bestellen. Aber vor allem war diese Bar an diesem Tag um diese Uhrzeit kaum besucht, so dass es ruhig sein würde, weil auch der Bartender eine Vorliebe für leise Musik hatte – nicht unbedingt Klassik, aber auf jeden Fall etwas Entspannendes.
Der Restabend verlief für beide sehr angenehm. Sie sprachen weder über die Arbeit noch über das Konzert; sie erwähnten auch nichts Banales oder Überflüssiges. Sie kamen oft auf unerwartete Themen wie bestimmte Bücher, die beide gelesen hatten, oder sprachen über ihre Vergangenheiten und erwähnten kleine Anekdoten, lachten gemeinsam und – für beide offensichtlich auch ein sehr wichtiges Bedürfnis – schwiegen gemeinsam; manchmal für ein paar Minuten, in denen sie ihren eigenen Gedanken nachhingen, auf den Wein in ihrem Glas schauten, es schwenkten und die Reflexionen des Lichts in ihm und dem Wein beobachteten – vor sich hinlächelnd.
Nachdem sie das zweite Glas geleert hatten, kündete Mona ihren Aufbruch an. Alfred bezahlte die Rechnung, während Mona ihm einen Zehn-Euro-Schein auf dem Tisch hinüberschob. Er schaute sie kurz an, sagte nach kurzem Überlegen aber nur: „Einverstanden.“ Er half ihr ins Jackett und hielt ihr die Tür auf, als sie das Lokal verließen. Mona nahm das goutierend zur Kenntnis. Vor der Tür fragte er nach einem weiteren Treffen und bot Mona seine Telefonnummer an. Sie lehnte ab, doch sagte sie zum Abschluss: „Wenn wir uns wiedersehen wollen, werden wir uns bestimmt einmal wieder hier treffen, im Konzert.“ Alfred schaute sie neugierig an und antwortete: „Gut. Dann also bis zum nächsten Mal!“ Daraufhin gingen sie in unterschiedlichen Richtungen ihrer Wege.
Am gleichen Abend saß Olos in der Philharmonie und lauschte der siebten Sinfonie Beethovens – schrieb während des zweiten Satzes ein paar Notizen an seinen älteren Bruder, was dieser bei Olos‘ Bestattung beachten sollte: Kremation in München und Überführung der billigsten Urne an die Nordsee; dort die Versenkung und ein Glas Tullamore auf den Verstorbenen. Keine Musik, kein Requiem und vor allem keine Tränen. Dessen Leben ginge weiter; sein Leben sei gelebt. Schlussaus und weiter gehts.
Das fünfte Klavierkonzert – wieder mit einem herausragenden zweiten Satz, für ihn der schönste langsame Satz der gesamten Klavierliteratur, obwohl er das Adjektiv ‚schön‘ nicht gern für die Beschreibung von Musik benutzte. ‚Schön‘ ist eventuell eine Frau oder eine Blume, ein Pferd oder die Reaktion auf die Mitteilung einer Schülerin, dass sie eine Prüfung bestanden habe. Aber ihm war bisher noch nichts Besseres eingefallen.
Sobald die Musik verklungen war, verfielen die Umsitzenden in dieses affenartig zuckende Aneinanderklatschen der Hände, was ihn immer öfter reizte. Und außerdem dieses Husten! Wie in einer Hustenburg (wie Eingeweihte Thomas Manns ‚Zauberberg‘ nennen). Der letzte Dreck, der um ihn herum saß. Und da ihn heute Abend zwei Damen in der Reihe hinter ihm besonders mit ihrem Geschwätz nervten, das sie erst nach den ersten Takten eines Satzes einstellten, sah er sich bemüßigt, sich umzudrehen und die Frage an sie zu stellen: „Hatte ihr Psychotherapeut heute Urlaub oder wurden Sie gestern nicht gefickt?“
Daraufhin sah er sie noch ein paar Sekunden lang streng an und gab ihnen die Möglichkeit zu antworten. Diese waren aber so geschockt von den Worten und wollten gerade etwas erwidern, als er sich umdrehte und die bereits begonnene Musik ihnen keine Gelegenheit mehr bot etwas vergleichbar Hartes zu entgegnen ohne sich den Anfeindungen der anderen Zuhörer auszusetzen. Man vernahm nur noch ein unterdrückt empörtes Tuscheln, das aber in der Musik erstickte.
Als zur Pause das Licht anging, erhob Olos sich, knöpfte sein Jackett zu und bewegte sich in Richtung Bar. Die zwei Weiber schauten ihn böse an, wagten aber nicht, den Streit noch einmal zu beginnen. Der ‚böse Blick‘ schien ihnen ein ausreichendes Mittel zu sein, diesen ‚unverschämten Kerl‘ zu bestrafen. Allein es half nichts und war ohne Wirkung.
Nach der Pause, in der Olos einen Wein nippend an einer Säule des Foyers gestanden hatte, begab er sich wieder auf seinen Platz und stellte fest, dass diese zwei Xanthippen wohl keine Lust mehr hatten, den zweiten Teil des Konzerts zu hören; denn ihre Plätze blieben frei, und damit auch Olos‘ Rücken, was er sehr begrüßte. Denn nun begann das Violinkonzert von Beethoven ohne einen Laut zweier übergewichtiger Faltenköniginnen – ein Moment, den er völlig entspannt und aufnahmebereit auf sich wirken lassen konnte. Auch hier wieder das Außergewöhnliche: Das schönste Violinkonzert der klassischen Musikliteratur. Und auch hier war ihm noch nichts Besseres eingefallen, außer dass es bisher noch kein Komponist geschafft hatte dieses Konzert zu übertreffen – auch Mendelssohn und Bruch nicht, und es auch keinen Komponisten mehr geben wird, der es übertreffen wird. Was für eine Feststellung! Was für eine Realität in einer Gesellschaft, in der die Menschen glauben, dass es immer noch weitergehen könnte; dass alles immer noch besser oder schneller oder bequemer oder angenehmer ablaufen könnte. Nein. Hier nicht. Das Optimum vor zweihundert Jahren erreicht und keine Steigerung mehr möglich. „Könnten sie das doch auch in anderen Zusammenhängen begreifen!“, dachte Olos immer öfter.
Das Konzert verließ er als Erster, als die Affenmeute mit dem Gegröle und dem Klatschgrinsen begann. Er holte seinen Mantel und nahm Kurs auf ‚Dianas Bar‘, um ein paar Absackern Gelegenheit zu geben einen Sinn zu erfüllen.
Diana hatte nicht viel zu tun, so dass sich wieder einmal ein Gespräch zwischen ihnen ergab, das sie nur unterbrach, wenn sie einen Besoffenen rausschmeißen oder einzelne Gäste, die ihr gesamtes Geld für diesen Abend an den Automaten verspielt hatten, abkassieren musste.
Wenn Olos mit Mantel und Krawattennadel das Lokal betrat, erriet Diana natürlich bereits beim Hereinkommen, woher er kam; schließlich kannten sie sich schon seit fast zehn Jahren. Und jedes Mal machte sie die Bemerkung, dass sie gerne einmal mit ihm zusammen ein Konzert besuchen würde – aber nur im Sommer – irgendwo draußen – im Botanischen Garten oder im Innenhof des Schlosses. Aber dabei blieb es auch. Denn Diana war eine Frau, die immer freundlich zu ihm war und immer Neues erdachte, allerdings nur wenig davon in die Wirklichkeit umsetzte. Dadurch war sie jedoch berechenbar. Und dafür liebte er sie. Er kam, sie lächelte. Er trank, sie lächelte. Er bezahlte, sie lächelte. Er verabschiedete sich, sie lächelte. „So einfach kann es sein.“, dachte er immer öfter.
Als er zu Hause ankam, legte er seine Konzertkleidung ab, zog die verwaschene Jeans und das kragenlose, weiße Hemd an und machte es sich in seinem Lesesessel gemütlich: Er öffnete den Rotwein, goss sich ein Glas ein, legte das vierte Violinkonzert von Vieuxtemps ein und hörte zu – das Wohnzimmer nur durch zwei Kerzen erleuchtet, alle Türen geschlossen – endlich allein und glücklich. Gegen zwei Uhr sagte ihm sein sich öffnender Mund, dass es Zeit sei ins Bett zu gehen – unausgesprochene Worte am Ende eines langen Tages.
4. Altersschwach und lebensmüde
Am nächsten Morgen rief ihn sein ältester Bruder an und teilte ihm mit, dass er ihre gemeinsame Mutter vor zwei Tagen auf die Demenzstation des Caritas-Stifts gebracht habe. Sie hatte es leichter akzeptiert als erwartet, und alles sei so weit in Ordnung.
Was ‚in Ordnung‘ ist, stellt sich für jeden als interpretationsfähig dar. Es war jetzt auch für Olos in Ordnung, dass seine Mutter die letzten Monate oder Jahre ihres Lebens hilf- und kraftlos sowie in Angst und Verzweiflung auf ihr Ende wartete – unfähig allein Körperpflege zu betreiben, unfähig auf regelmäßige Ernährung zu achten und immer öfter unfähig sich erinnern zu können, Dinge zu machen, denen kein Ziel abzugewinnen war, oder die sogar gefährlich waren, und Worte zu äußern, die keinen Sinn ergaben und niemand verstand. Es war ein generelles Nicht-Mehr, in dem sich seine Mutter nun befand. Nur Atmung und eine stark verminderte Art von Bewegung und Hirntätigkeit funktionierten noch. Und auch das würde sich kontinuierlich verringern.
Vor etwa zwei Jahren, nachdem ihm seine Mutter mitgeteilt hatte, dass der Arzt eine beginnende Demenz diagnostiziert hatte, die unweigerlich voranschreiten würde, hatte er das Gespräch auf das Thema gelenkt, dass er sich bei Sterbehilfe-Organisationen in der Schweiz erkundigt hätte und zu dem Schluss gekommen sei, dass er sein Ende selbst in die Hand nehmen werde, sollten sich ähnliche Anzeichen bei ihm bemerkbar machen. Abgesehen davon hatte er bereits mit fünfzehn, nachdem er Hemingways ‚Indian Camp‘ gelesen hatte, die Entscheidung getroffen, dass er seinem Leben auf jeden Fall selbst ein Ende setzt. Und im Laufe der folgenden fünfunddreißig Jahre hatte sich an diesem Entschluss nichts geändert.
Nun ging es aber zunächst um seine Mutter. Nach dem Abschluss des Studiums war er nach München gezogen, um möglichst weit entfernt von der Mutter und seiner Jugendliebe zu wohnen, die ihn, sobald er sie besuchte, immer wieder damit nervten und bedrängten, doch wieder gemeinsam zu wohnen und das Leben gemeinsam zu verbringen. Da er weder der einen noch der anderen ins Gesicht sagen konnte, dass er sie nicht liebe, verwies er sie regelmäßig auf seine Arbeit in München und war froh, wenn er wieder im Zug oder Flugzeug saß.
Was ihn während des Suizid-Gesprächs mit seiner Mutter aber doch erstaunte, war die kurze Bemerkung seiner Mutter: „Das will ich auch.“ Es bezog sich auf seine Darstellung der letzten Minuten seines Lebens, bevor er in Anwesenheit der Sterbehilfe-Mitarbeiter seine letzten zwei Getränke zu sich nehmen würde – das erste, um den Magen zu öffnen, das zweite, um seine Lebensfunktionen zu unterbinden.
Nun wusste Olos, dass es erst einmal eine unverbindliche Äußerung war. Ihm reichte es in diesem Moment seine Mutter auf diese Möglichkeit hingewiesen zu haben. Alles andere musste sie selbst überlegen und entscheiden. Schließlich wollte er sie nicht töten und als Mörder dastehen. Aber nach diesem Abend kam nichts mehr. Seine Mutter sprach ihn nicht mehr darauf an, lamentierte bei den folgenden Besuchen immer nur darüber, dass immer mehr nicht funktioniere, sie abgenommen habe und der Arzt ihr linkes Bein amputieren wolle. Ob das schon ins Reich ihrer Phantasie gehörte, wollte der Sohn nicht wissen. Er stellte nur fest, dass sie sich über einen Freitod keine Gedanken mehr machte und ihn auf dieses Thema nicht mehr ansprach. Er beließ es dabei, wie gesagt wollte er sie doch nicht erst dazu überreden müssen. Abgesehen davon hätte es eine Auseinandersetzung mit seinen älteren Geschwistern gegeben, die als gläubige Christen dieser Sache kategorisch ablehnend gegenüberstanden. Nein; das muss jeder mit sich selbst ausmachen und am besten mit niemandem darüber reden, wenn er nicht Freund ist, und so unerwartet wie möglich durchführen, so dass nicht mehr zu helfen ist – wie Michi, der seinen Hals eines Morgens nach einer Familienfeier auf die Schienen gelegt hatte, bevor der Regionalzug von Garmisch nach München ihn überrollte. Keine Diskussion, kein Abhalten, kein Psychoklempner und kein Notarzt mehr.
Olos dachte oft über das Leben seiner Mutter nach. Kurz vor dem Krieg geboren – ein strenger und ungerechter Vater, Mitläufer bei den Nazis – dementsprechende Erziehung. Sie war auch als Siebzigjährige noch stolz darauf, den rechten Arm beim Morgenappell in der Schule als Beste vorgestreckt zu haben. Ihre Ausländerfeindlichkeit blieb während ihres gesamten Lebens latent. Es mussten nicht gleich die Juden sein; die waren ja auch weitestgehend nicht mehr da. An ihre Stelle rückten aber sofort Russen und Russlanddeutsche, Türken und andere Individuen aus Galizien, Bessarabien, Siebenbürgen, der Bukowina und selbst Ostdeutsche. Das waren alles Menschen, die anders waren – in deren Anwesenheit sich seine Mutter anders fühlte, unwohl fühlte, bedroht fühlte, und die deswegen nicht hierher gehörten – nicht in ihre Welt, nicht in die Nähe ihrer Kinder, nicht nach Deutschland.
Nur gut, dachte Olos, dass seine Mutter nicht mehr mitbekam, wie viele Syrer, Afghanen und Schwarze jetzt einströmten.
Auf der anderen Seite stand sie auch unter dem Einfluss positiv und offen denkender Frauen: Ihre Mittelschullehrerin lud sie oft am Nachmittag oder Wochenende zusammen mit anderen Mädchen zu sich nach Hause ein, um gemeinsam Werke der klassischen deutschen und englischen Literatur zu lesen und darüber zu diskutieren. Die Schülerinnen durften sich Bücher von ihr ausleihen und konnten mit ihrer Lehrerin über private Probleme sprechen – Pubertät, Jungs, Eltern. Wo gibt es das heute noch?
Nach der neunten Klasse die Ausbildung zur Krankenpflegerin (damals sagte man noch Krankenschwester) in Hannover. Dort lernte sie die Schwester Oberin kennen und schätzen, weil sie gerecht und einfühlsam war. Sie hatte ihren Verlobten an der Ostfront verloren und blieb den Rest ihres Lebens ledig, wollte keinen anderen Mann mehr kennen lernen. Und auch sie war eine ältere Freundin. Da Olos‘ Mutter im Schwesternheim wohnen musste, entkam sie mit fünfzehn Jahren auch ihren Eltern und war froh sich ganz ihrem Job widmen zu können. Wollte nach Lambarene und mit Albert Schweitzer zusammenarbeiten, vielleicht auch ihm dienen. Dann, kurz vor der abgeschlossenen Ausbildung und dem Zertifikat, die Heirat mit Olos‘ Vater, einem elf Jahre älteren Ex-Soldaten. Fünf Kinder aufgezogen. Als die aus dem Gröbsten rauswaren, sich wieder mehr um den Mann gekümmert; durch ihn in die Kommunalpolitik eingestiegen (Schulpolitik, Versorgungspolitik, Wasserwirtschaft, Verkehr). Als ihr Vater bettlägerig wurde, jede Woche dreimal nach Celle. Als die Mutter eines ihrer Enkelkinder wegen Borderline keine Lust mehr auf Erziehung hatte, sprang sie ein und fuhr dreimal pro Woche nach Diepholz, damit der Junge nicht auf die schiefe Bahn geriet, was ihr auch glückte.
Olos stockte bei diesem Wort ‚dienen‘. Aber das war das, was seine Mutter eigentlich ihr ganzes Leben lang gemacht hatte. Sie hatte gedient wie ein Soldat. Ihr Vater Soldat – ihm gedient, danach den Kranken gedient, daraufhin dem Ehemann gedient, ihren Kindern gedient, der Politik gedient, anderen hilfsbedürftigen Frauen gedient. Gedient, gedient, gedient. Und hatte es ihr selbst gedient? Vielleicht. Oder sogar wahrscheinlich. Manche Menschen brauchen diesen Dien-Effekt, um sich wohl und nützlich zu fühlen – dem Leben einen Sinn zu geben. Was sollte man sonst machen? Was würde der Herrgott denken?
Auf der anderen Seite war da noch ihre Großmutter, der rettende Anker, wenn sie in den Sommerferien sechs Wochen lang in Eschershausen wohnen durfte – weit ab von ihren Eltern: Ein Leben voller Ausgelassenheit und Zufriedenheit: In den Wäldern spazieren gehen, der Großmutter freudig im Haushalt helfen, lobende Worte erhalten, ein Streicheln über die Wangen, einen Kuss, ein Lächeln bei jeder Begegnung – eine glückliche Kindheit für sechs Wochen im Jahr. Nur blieb die eine Antwort ihrer Großmutter so tief in ihren Gedanken und ihrem Gemüt stecken, dass sie vieles, was sie von ihrer Lehrerin oder der Schwester Oberin gelernt hatte, vergaß oder zumindest sträflich vernachlässigte; denn die Strafe ließ sich nicht abwenden. Auf die Frage, warum die Großmutter so zufrieden und glücklich war, antwortete diese:
„Nimm dir einen älteren Mann und habe sechs Kinder mit ihm wie ich. So machst du alles richtig und wirst glücklich.“
Als Olos‘ Vater nach der Gefangenschaft als Finanzbeamter im mittleren Dienst und Kollege ihres Vaters vor ihr stand und sie zu diesem Eins-achtzig-Mann aufschauen musste, war es um sie geschehen. Er groß und gerade gewachsen, elf Jahre älter als sie, blaue Augen, blonde Haare, und er sprach sie mit ‚wertes Fräulein‘ an. Weil sie weg von ihren Eltern wollte, aber nicht wusste, wie sie jetzt so schnell nach Lambarene entkommen konnte, ließ sie sich auf den Vorschlag des starken Mannes ein so schnell wie möglich zu heiraten – auch ohne anerkannte Ausbildung zur Krankenpflegerin. Und das wars dann.
Sie war eigentlich auf dem besten Weg, wurde aber doch zurückgehalten, besser zurückgezogen – ließ sich verführen von dem ewig betrügerischen Gedanken des Kinderglücks, wie es nicht nur die Nazis propagierten. Hatte also trotz der Bemühungen der Lehrerin und der Schwester Oberin versäumt, weiterhin selbst nachzudenken, selbst zu entscheiden und schließlich selbst ihr Leben zu führen und zu beenden. Wie auch, wenn sie es selbst nie gelebt hatte? Damals dachten viele anders. Nur war es noch nicht so lange her. Aber eigentlich hätte sie sich vor einem Jahr – nach der Diagnose des Arztes – das Leben nehmen müssen.
Mona wachte auf und dachte an diesen Mann, der da plötzlich während des Konzertes vor ihr gestanden hatte: Groß, blond, blauäugig und äußerst charmant. Sie lächelte.
Es war noch früh, erst sechs. Jörg schlief wie gewöhnlich. Und da kam sie plötzlich auf eine Idee und kramte aus den Fotokartons, die sie im oberen Fach des Schranks im Flur verstaut hatte, das Bild der Großmutter heraus. Mona hatte während des zweiten Satzes des Klavierkonzerts am gestrigen Abend an ihre Oma gedacht, weil diese ihr einmal dieses Stück vorgespielt und dazu gesagt hatte: „Wenn ich ganz bei mir bin und alle außer Haus sind, spiele ich dieses Stück – und alles ist wieder gut.“
„Was ist wieder gut, Oma?“, fragte Mona damals als Kind.
„Ach“, sagte die Oma nur und lächelte und spielte vor sich hin. „Das wirst Du vielleicht auch erleben.“ Dabei blieb es. Mona wollte ihre Oma beim Klavierspiel nicht stören und entschied sich fürs Zuhören.
Jetzt war Mona fünfunddreißig, und sie hielt ihre Oma immer noch für eine tolle Frau: Margarethe Luise von Lübben war in Memel, heute Klaipėda, aufgewachsen. Sie hatte dort eine glückliche Kindheit erlebt, hatte geliebt, gelacht, gespielt, Klavier gelernt. Dann kam der Krieg – und vieles verging, zuerst das Lachen, danach die Heimat. Ihr Vater und ihr Bruder überlebten die Kriegszeit nicht. Das Unbeschwerte war verloren; und in Westdeutschland musste sie von vorn anfangen – ohne Geld, ohne Schutz, ohne Träume. Es ging ums Überleben. Und es ging um die Zukunft.
Sie arbeitete zunächst als Dolmetscherin für die Engländer, lernte dabei George kennen und hatte plötzlich drei Kinder von ihm. Naja, sie kamen schon im Abstand von jeweils zwei Jahren und das erste auch erst, nachdem sie zwei Jahre zusammen gewesen waren und geheiratet hatten. Aber im Nachhinein erscheint vieles wie im Zeitraffer; und jedes Jahr vergeht schneller als das vorangegangene, als ob wir uns auf einer Zeitspirale befänden. Die Frage ist bei jedem nur, ob die Spirale nach oben führt oder nach unten. Im ersten Fall würden wir am Ende himmelhoch hinausgeschleudert werden; im zweiten Fall landeten wir mit Schmackes im heißen Dreck der Hölle.
Margarethe entschied sich für die erste Möglichkeit. Sie hatte sehr viel Schlechtes und Niederschmetterndes gesehen und erfahren. Aber sie wollte nicht diese ewige Traurigkeit mit sich herumschleppen. Dass die Menschen keine Engel waren, wusste sie ja. Aber dass man sie stets verteufeln sollte, wollte ihr nicht in den Kopf.
Mit George begann sie einfach ein neues, ihr eigenes Leben. Er war ein sehr zuvorkommender und einfühlsamer Mann, wenn auch manchmal in bestimmten Situationen ein bisschen zu rational denkend. So stellte er, als sie ihn von der dritten Schwangerschaft in Kenntnis setzte, nur lapidar fest: „I hope it won’t eat us out of house and home.“ Aber das war bei George natürlich nur ein Spruch. Er liebte seine Kinder, auch das dritte – und immer wieder Margarethe – über alles. Und sie liebte ihn und die Kinder. Und die Kinder liebten ihre Eltern. Alle waren glücklich.
Die Kinder wuchsen zweisprachig auf. Sie lebten in Deutschland, verbrachten aber fast alle Sommerferien in Wales an der Küste, wo Georges Eltern wohnten. Nach fünfzehn glücklichen Jahren begann jedoch die Zeit des Abschiednehmens. Zuerst starb Georges Vater. Er war ein begeisterter Jäger und ging jedes Wochenende auf Pirsch, auch wenn er eigentlich nichts erlegen wollte. Es gehörte einfach nur zu seinen Freizeitbeschäftigungen und Ausgleichsmomenten im Wald herumzustapfen und bei den Tieren – vor allem allein – zu sein. Beim letzten Mal allerdings fand man ihn, nachdem er nicht wie zur üblichen Zeit nach Hause gekommen war, erschossen neben seinem Jeep vor. Obwohl jede Möglichkeit untersucht worden war, kam die Polizei zu dem Ergebnis, dass es sich um Freitod handeln müsse. Er habe die Schrotflinte geladen, den Lauf in seinen Mund gesteckt und abgedrückt. Überlegt und endgültig.
Nachdem sich nach ein paar Wochen die Aufregung gelegt hatte und alle wieder normal zu denken anfingen, unterrichtete Georges Mutter ihre Kinder davon, dass ihr Mann es eigentlich angekündigt hatte. Es sei ihm unheimlich peinlich gewesen, dass er nachts ins Bett gemacht hatte und seine Frau es am nächsten Morgen bemerkte. Er habe über Erinnerungsprobleme geklagt und immer wieder davon gesprochen, dass er so ein Ende nicht hinnehmen werde. Es sei schwierig für sie; aber sie könne es akzeptieren. Ein Leben ohne Jagd und ohne Gedächtnis, womöglich im Rollstuhl unter anderen schwachsinnigen Mitbewohnern hätte auch sie ihrem geliebten Andrew niemals zugemutet. Er habe seine Entscheidung gefällt; aber sie sei jetzt unheimlich traurig.
Drei Monate später starb auch sie. Einfach so. Natürlich vermuteten die Kinder, dass auch sie sich das Leben genommen habe. Aber der Arzt versicherte ihnen, dass das Herz versagt habe. Ihre Mutter habe in den vergangenen Jahren zwei Male abgelehnt sich einen Stand setzen zu lassen, nachdem der Arzt ihr nach Herzanfällen dazu geraten hatte. „Und nicht sterben können, wenn der Kopf aussetzt? Oder haben sie fürs Gehirn auch einen Stand parat?“, hatte sie nur geantwortet.
„Wer so lange wie ihre Eltern zusammengelebt hat, ist auch körperlich in gewisser Weise abhängig“, erklärte der Arzt. „Es gibt Untersuchungen, nach denen bei Paaren nicht nur die Mundflora, sondern auch der Herzschlag von beiden identisch sind. Und ich bin sicher, dass dieses Phänomen auch auf andere Organe zutrifft. Ihre Mutter war, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich mich so ausdrücke – in gewisser Weise zum Leben ohne ihren Ehemann nicht mehr fähig oder nicht mehr willens. Was von beidem letztendlich zutraf, weiß nur sie selbst.“
Monas Großmutter hatte ihr halbes Leben über ihren eigenen Tod nachgedacht. In Ostpreußen hatte sie viele tote Leute gesehen: alte, friedlich in ihrem Bett gestorbene, den kleinen Jungen, der vom Heuboden gefallen und mit dem Kopf gegen die Egge geschlagen war; später Verhungerte und Erschossene. Manche hatten es selbst gemacht, bei anderen war es gemacht worden.
Als Andrew gestorben war, gingen ihr diese Gedanken natürlich auch wieder durch den Kopf. Doch fühlte sie genauso stark, dass sie jetzt noch nicht an der Reihe sei. Die Kinder waren zwar aus dem Haus, teilweise schon lange verheiratet. Aber da waren noch die Enkel, um die sie sich manchmal kümmerte, die sie besuchten und sich freuten, wenn die Oma ihren Lieblingskuchen backte und ihnen Geschichten von früher erzählte. Außerdem war sie noch fit, sowohl im Kopf als auch auf den Beinen. Es gab also keinen Grund auszuchecken.
Zum Schluss allerdings tat sie es doch. Sie hinterließ einen Brief, in dem sie es kurz erklärte: Die Zeit zu gehen und anderen Platz zu machen sei gekommen. Mit ihren achtundachtzig Jahren habe sie ein erfülltes Leben gehabt und sei jetzt auch zu müde, um sich noch an irgendetwas zu erfreuen. Und die letzten Monate wolle sie nicht nur darauf warten müssen – womöglich ans Bett gefesselt, bis es so weit sei. Das sei wertvolle Zeit für die anderen, die nicht ebenfalls an ihrem Sterbebett warten sollten, sondern Besseres zu tun hätten.
Sie hatte ein Fieberthermometer zerbrochen und das Quecksilber daraus geschluckt. Das hatte sie von einer Patientin gelernt, die einmal im Krankenhaus neben ihr lag, und der man nach einem Unfall beide Beine abgenommen hatte. Gift ist meistens Frauensache.
Mona blickte noch einmal auf das Foto, bevor sie Geräusche aus dem Schlafzimmer wahrnahm und den Karton wieder verstaute, sich in die Küche begab und Kaffee kochte. Sie überlegte, wie sie sich vielleicht einmal umbringen würde, wenn es so weit sei. Aber das blieb vorerst offen, da Jörg im Türrahmen der Küche erschien und ein müdes „Morgen“ murmelte.