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»Der Satz« – des Thales oder des Pythagoras?

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Was ist aber nun mit Thales als Mathematiker? Hier gibt es Anlass zur Sorge. Schon in der Antike bestanden ernste Zweifel an den Urheberrechten des Thales für den »Satz des Thales«. Der »Satz des Thales«, so heißt es, sei in Wirklichkeit ein »Satz des Pythagoras«. Das kann etwas verwirren, weil, wie man ebenfalls aus dem Mathematik-Unterricht weiß, Pythagoras doch schon seinen »Satz« hat, nämlich die folgende grundlegende Erkenntnis der Geometrie: In einem rechtwinkligen Dreieck ist der Flächeninhalt des Quadrates über der Hypotenuse c (also die Langseite des Dreiecks) gleich der Summe der Flächeninhalte der Quadrate über den Katheten (den Kurzseiten des Dreiecks) a und b – besser bekannt unter der Formel a2 + b2 = c2. Nun war Pythagoras, ein jüngerer Kollege des Thales, der im unteritalischen Kroton eine Gruppe von lernwilligen Schülern um sich geschart hatte, sicher noch mehr an Mathematik interessiert als der Gelehrte aus Milet. Mit seinem Namen sind unter anderem verbunden die Theorie der Proportionen und die Lehre von den geraden und den ungeraden Zahlen. Und so würde zu ihm durchaus auch die Entdeckung jenes nach Thales benannten Lehrsatzes passen, der sich ja ebenfalls mit den geometrischen Eigenschaften des Dreiecks beschäftigt: Wenn in einem Dreieck die Ecke gegenüber der Hypotenuse auf einem Halbkreis über dieser Seite liegt, dann bildet diese Ecke einen rechten Winkel, oder, anders formuliert: Die Scheitelpunkte aller rechtwinkligen Dreiecke liegen über dem auf der Hypotenuse errichteten Kreis.

Definitiv kann die Streitfrage nach dem Copyright auf den »Satz des Thales« nicht entschieden werden. Als Argument pro Thales wird kaum gelten, dass Pythagoras seinen »Satz« sicher hat und man deshalb auch Thales großzügig einen »Satz« überlassen sollte. Nicht zu unterschätzen ist die angesprochene Tendenz der antiken Schriftsteller, Thales mit allen möglichen – und auch mit ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden – Lorbeeren zu versehen. Vielleicht kann man sich salomonisch auf den Kompromiss einigen, dass Thales auf jeden Fall das intellektuelle Rüstzeug gehabt hat, um einen solchen »Satz« aufzustellen. Sein treuester antiker Anhänger, der im 3. Jahrhundert n. Chr. schreibende Philosophie-Historiker Diogenes Laertios, der unerschütterlich an Thales als Erfinder des Thales-Satzes festhielt, wusste sogar noch von weiteren mathematischen Aktivitäten zu berichten. Während eines Aufenthaltes in Ägypten soll er die Höhe der Pyramiden aufgrund der Länge ihrer Schatten bestimmt haben, »indem er den Zeitpunkt benutzte, zu dem unser Schatten ebenso groß ist wie wir selbst.« Andere Quellen erzählen, Thales habe sich auch um die Seefahrt Verdienste erworben, als er ein Verfahren entwickelte, das es ermöglichte, die Entfernung zwischen Schiffen auf dem Meer zu errechnen. Gelungen sei ihm dies durch die konsequente Anwendung des sogenannten Zweiten Kongruenzsatzes, wonach Dreiecke dann kongruent sind, wenn eine Seite und die beiden angrenzenden Winkel gleich sind.

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