Читать книгу Die Bestie vom Schlesischen Bahnhof - Horst Bosetzky, Uwe Schimunek - Страница 7
Zwei
ОглавлениеRichard Jerxheimer saß in seinem Laden in der Kreuzberger Adalbertstraße, wartete auf Kundschaft und kam sich albern vor. Wer kaufte sich in diesen lausigen Zeiten schon was Neues zum Anziehen! Hoffen und Harren macht manchen zum Narren. Recht hatten die Leute. Nu, hatte er Zeit zu lesen. Im Regal stapelten sich die Ausgaben des Berliner Tageblattes. Am 13. März war es losgegangen. »Natürlich am 13.«, murmelte Jerxheimer. Aber schon am Tag davor, in der Ausgabe vom Freitag, dem 12. März 1920, hatte es entsprechende Überschriften gegeben: Vereitelung eines reaktionären Putschversuchs. Alarmbereitschaft der Berliner Garnison. Mehrere Beschuldigte in Schutzhaft genommen. Jerxheimer las die amtliche Bekanntmachung Satz für Satz:
Von zuständiger Stelle wird mitgeteilt: In Berlin hat seit einiger Zeit das Treiben einer rechtsradikalen Clique eingesetzt, deren Bestrebungen auf gesetz- und verfassungswidrigen Umsturz hinauslaufen, und die versucht hat, auch militärische Stellen für ihre Pläne zu gewinnen. Es kann festgestellt werden, dass die in Opposition gegen die Regierung stehenden Rechtsparteien der Nationalversammlung sowie der preußischen Landesversammlung dieser Sache fern stehen. Selbst weite Kreise altkonservativer Richtung lehnen die Desperadopolitik dieser rechtsspartakistischen Clique restlos ab.
Das aber konnte die Putschbewegung nicht stoppen, und so lautete die Schlagzeile im Berliner Tageblatt am nächsten Tage denn auch: Bedrohung Berlins durch einen Militärputsch. Etwa 8000 Mann gegenrevolutionärer Truppen, die sich in Döberitz um die Brigaden von Lüttwitz und von Löwenfeld gruppiert hatten, marschierten nach Berlin und versuchten, Dr. Wolfgang Kapp, den ostpreußischen Generallandschaftsdirektor, an die Macht zu bringen. Die Tage der Säbelherrschaft, wie sie das Berliner Tageblatt nennen sollte, hatten begonnen. Das Erste, was der Reichskanzler Dr. Kapp dann anordnete, war die militärische Besetzung der Berliner Zeitungsredaktionen, und auch das Berliner Tageblatt musste seinen Betrieb einstellen. Dann hatte es den Generalstreik und die vielen Straßenkämpfe gegeben. Ein Nachbar, der Polizeibeamter war, hatte ihm erzählt, dass fast 150 Tote registriert worden waren.
Heute nun, am Mittwoch, dem 24. März 1920, bot Berlin ein ganz anderes Bild als an den Vortagen. Das geschäftliche Leben hatte fast in vollem Umfang wieder eingesetzt, und Verkehr wie Wasser-, Gas- und Elektrizitätsversorgung kamen langsam wieder in Gang. Am glücklichsten war Jerxheimer aber, dass er endlich wieder sein geliebtes Berliner Tageblatt in den Händen halten konnte. Was hatte man seit einer Woche gehabt, wenn man wissen wollte, was in Berlin geschah? Nur Flugblätter und die Gerüchteküche. Geradezu begierig las er die Meldungen. Man jubelte über den Siegestag des Volkes, und es hieß unter anderem:
Die Truppen, die sich in den Dienst der reaktionären Verschwörung gestellt, an der Überrumpelung Berlins teilgenommen hatten, zogen ab. Eine Gruppe ehrgeiziger, auf Volk, Recht und Freiheit dreist herabnäselnder Gewaltmenschen hat durch einen Handstreich die Macht an sich zu reißen versucht.
Der politische Generalstreik war für beendet erklärt worden. Jerxheimer ließ die Zeitung wieder sinken. Da waren sie ja noch einmal glimpflich davongekommen. Abgesehen vom Verdienstausfall und der Tatsache, dass die Putschmänner angeordnet hatten, das Mehl, das die alte Regierung für die Juden zu Ostern reserviert hatte, zu beschlagnahmen und an die Arbeiter zu verteilen.
»Das hätte ja was gegeben, wenn die ans Ruder gekommen wären«, sagte er mit einem Seufzer zu Leah, seiner schönsten und einzigen Schaufensterpuppe. Seit dem Tode seiner Frau war sie dazu bestimmt, sich anzuhören, was ihm durch den Kopf ging. »Müssen wir den Kommunisten und den Rotgardisten Dank sagen, dass sie gekämpft haben gegen die Reaktionäre, schön aber auch, dass se nich ganz nach oben gekommen sind. Obwohl, is se ja feige gewesen, unsere Regierung.« Reichspräsident Ebert und mehrere Mitglieder der Regierung waren nach Dresden und weiter nach Stuttgart geflohen. »Und was mir noch so auffällt, Leah, das ist, dass se so viele Offiziere und Soldaten ins Wasser geschmissen haben. Das scheint so ne richtje Mode gewesen zu sein.« Und er las Leah beim Überfliegen des Berliner Tageblattes die entsprechenden Passagen vor:
In den Mittagsstunden wird der Leutnant Barth, der zur Besatzung der Reichsdruckerei gehörte, überfallen und von der Ritterbrücke ins Wasser geworfen … Als darauf eine Patrouille der Reichswehr erschien, umringte sie die Menge und warf mehrere Soldaten ins Wasser … Von der Adalbertbrücke warf die Menge einen Offizier ins Wasser; der Offizier ertrank … Aus dem Landwehrkanal wurde die schwer verstümmelte Leiche eines Reichswehroffiziers gelandet … Am Kottbusser Tor wurden ein Offizier und ein Soldat ins Wasser geworfen …
Darüber philosophierte er noch eine Weile – was es bedeutete, dass die Menschen ihre Opfer ins Wasser warfen. Sie taten es, um ihnen die letzte Ehre zu nehmen. Katzen ertränkte man. Und nichts war schlimmer, als wenn ein Mensch als Wasserleiche endete. So aufgedunsen wie ein Tierkadaver. Wenn die Verwesung langsam einsetzte. Jerxheimer schüttelte sich.
Der Vormittag verging quälend langsam, und kein Kunde ließ sich blicken. Die Leute hatten heute anderes im Sinn, als sich neue Sachen zu kaufen. So beschloss er, sein Geschäft schon um 16 Uhr zu schließen und die gewonnene Zeit zu nutzen, ein paar Gänge zu erledigen. Es gab Leute, die vergaßen, ihre Kledasche abzuholen, wenn sie nach dem Kauf noch zu ändern war. Meistens waren die Hosen unten zu lang und oben zu weit. Bei einem gewissen Gustav Witzke aus der Langen Straße war es genau umgekehrt gewesen. Aber nicht nur deswegen war ihm der Mann in Erinnerung geblieben, sondern auch wegen seines Auftretens. Er hatte ihn ganz genau taxiert: Das war einer, der mit allen Wassern gewaschen war und bald nach oben kommen würde. Den hatte er sich als Kunden warm zu halten, und sicherlich würde es ihm Witzke dankbar anrechnen, wenn er ihm den geänderten Anzug persönlich nach Hause brachte.
Also packte er das gute Stück in eine Tüte und machte sich auf den Weg zum Schlesischen Bahnhof. Weit war es nicht. Er brauchte nur die Adalbertstraße hinaufzugehen, kurz rechts in die Köpenicker Straße abzubiegen, um dann links zur Schillingbrücke zu gelangen. Hinter der Spree begann die Andreasstraße, die dann gleich nach Unterquerung der Stadtbahn die Lange Straße kreuzte. Er wäre zwar gern mit dem Auto gefahren, doch er hatte keines mehr. Zu schlecht gingen die Geschäfte. Nun, es würde wieder aufwärts gehen, wenn die neue Regierung erst gekommen war.
Die Straßen waren frei von sämtlichen Militärs, doch überall standen die Leute zusammen und diskutierten leicht hysterisch. Reichswehrminister Noske sollte zurückgetreten sein, und auf Anordnung des Generals von Seeckt seien Admiral von Trotha und General von Lüttwitz festgenommen worden. Man erwäge die Bildung einer reinen Arbeiterregierung, unter Berücksichtigung der Gewerkschaften. Das fanden die einen gut, die anderen aber regten sich fürchterlich darüber auf.
»Das ist doch nur eine Minderheit, und deren Versuch, die Regierung an sich zu reißen, ist doch gerade am Widerstand des Volkes gescheitert.« Ein anderer schrie, dass man die radikale Gefahr ebenso abwehren müsse wie die reaktionäre. Gott, der Gerechte, dachte Jerxheimer, die Berliner sind so abgehärtet, dass sie bei jedem Straßengefecht die Ruhe bewahren, aber am Durchdrehen sind, wenn statt der Kugeln Gerüchte durch die Lüfte schwirren.
Mit diesen Gedanken kam er in die Lange Straße und suchte nach dem Haus mit der Nummer 88. Besonders anheimelnd war die Gegend nicht, und er beeilte sich, in den Hausflur zu treten. Der Stille Portier verriet ihm, dass die Witzkes im vierten Stock des Seitenflügels wohnten. Auch das noch. Jerxheimer hasste das Treppensteigen wegen seines beginnenden Asthmas und verfluchte seinen Einfall, Witzke den Anzug nach Hause zu bringen. Außerdem gab es über ihm erheblichen Lärm. Hoffentlich geriet er in keine Prügelei hinein. Als er näher kam, konnte er jedes Wort verstehen, das oben gesprochen wurde. Offenbar kam die Frau, die da redete, von der Sozialkommission.
»Ich sage Ihnen, Herr Wachtmeister, so kann das nicht weitergehen. Dieser Großmann ist ein Unhold. Die tollsten Dinge passieren hier in seiner Kochstube. Jede Menge Frauenzimmer von der Straße bringt er her. Und zumeist gibt es Lärm bei diesen Besuchen. Man hört Schreien und Stöhnen, auch lautes Weinen in der Wohnung. Eben jetzt hat dieser Mensch ein ganz junges Mädchen bei sich, das wimmert und schluchzt.«
Richard Jerxheimer war von Hause aus zu neugierig, um sich das entgehen zu lassen. Man musste immer etwas Spannendes haben, was man seinen Kunden erzählen konnte. So näherte er sich auf leisen Sohlen dem dritten Stock, wo die Frau vom Magistrat und der Polizeibeamte bei offener Wohnungstür verhandelten. Auf dem Türschild, das aus Messing gefertigt war, stand der Name M. ITZIG, und darunter auf einem angehefteten Zettel: Karl Großmann. Das musste also eine Art Untermieter sein, wahrscheinlich der, in dessen Kochstube groß verhandelt wurde.
Jerxheimer schaffte es, dort hineinzusehen, ohne dass sie ihn bemerkten. Im Bett lag ein halbes Kind, eine kleine, gänzlich verlumpte Herumtreiberin von vielleicht 15 Jahren. Hinten an der Kochmaschine lehnte ein auffallend hässlicher Mann von vielleicht 60 Jahren.
Der Beamte fragte das Mädchen, was ihm fehle. »Hat dir der Herr Großmann etwas zuleide getan?«
»Er hat mir zwischen die Beine gefasst und wollte mir dann …«
»Da sehen Sie es!«, rief die Frau von der Sozialkommission.
»Der Mann gehört hinter Gitter, aber sofort.«
Karl Großmann fuhr auf. »Is det nun die Dankbarkeit, die ein Mensch kann erwarten, wenn er anderen helfen tut, wenn se in der Gosse liegen! Uff der Straße hab’ ick die Suse jefunden, und halb verhungert is se jewesen. Da bin ick jekommen und hab’ se satt gemacht, det Meechen. Keina hat sich jekümmert um sie. Nie hab’ ick dran jedacht, ihr Böset zu tun, aba jewaschen hat sie werden jemusst, so wie sie bei mir oben jekommen is. Wo se hat so ville Angst vor’t Wasser, da hab’ ick se selba waschen jemusst. Eina muss det ja ma tun. Nicht Sie vom Amt – wo sind Se denn jewesen die ganze Zeit üba? Und wat hat se uff’m Leib jehabt? Lumpen hat se uff’m Leib jehabt. Da liegen se noch. Möchten Se vielleicht in solche Lumpen rumlaufen? Welcha Mensch möchte det schon. Kleida machen Leute, wissen Se doch, Se sind doch beidet jebildete Menschen. Ick kenne doch die Menschen, kommen doch alle bei mir und koofen wat. Der Direktor will ’ne Wurst, der Bettler will ’ne Wurst. Der eene hat ’n jroßes Portemonnaie, der andre holt die Jroschen aus’m Hut, aba Menschen sind se alle. Und alle Menschen ham Hunger, auch die Suse hier. Und alle Menschen müssen Kleidung ham, sonst erfrieren se. Jetzt in März is et ja noch bitterkalt draußen. Da hab’ ick die Kleider von meine verstorbene Frau aus’m Schrank jeholt und se jeschenkt der Suse hier. Und wegen die Sache werd ich nun behandelt wie ’n Verbrecher! Da möchte man ja vor Wut die Wände hochgehen. Aber so isset nu mal: Undank ist der Welt Lohn.«
Die Frau von der Sozialkommission trat jetzt an das Bett und lächelte der 15-Jährigen aufmunternd zu. »So, du stehst jetzt mal auf …«
Jetzt sah man, dass das Mädchen Kleider trug, die einer großen und ziemlich fülligen Frau gehört haben mussten. Sie schlotterten nur so um den elenden Kinderkörper und fielen weit über die Füße auf den rotbraun gestrichenen Boden. Suse starrte auf ihre hervorlugenden Zehenspitzen. »Darf ich die Sachen trotzdem behalten?«
»Ja, und du kommst jetzt mit zur Jugendfürsorge, wo man sich um dich kümmern wird.« Dann wandte sie sich an den Polizisten. »Und Sie nehmen bitte den Großmann mit.«
»Warum denn das?«
»Weil er gar nicht verheiratet war. Die Kleider, die da in der Ecke liegen, müssen also auf andere Art und Weise hergekommen sein. Wie, das überlasse ich Ihrer beruflichen Phantasie.« Der Polizist machte eine abwehrende Geste. »Ich kann doch nicht so einfach einen unbescholtenen Bürger …«
Weiter konnte Richard Jerxheimer die Szene leider nicht verfolgen, denn in diesem Augenblick kam Gustav Witzke die Treppe herunter, und nun hatten die geschäftlichen Dinge absolut Vorrang. Der dicke Witzke freute sich, dass er seinen geänderten Anzug gratis ins Haus geliefert bekam, und versprach, in seinem großen Bekanntenkreis für den Händler zu werben. Zufrieden lief Jerxheimer wieder nach Hause.
»Hallo, Papa, da bist du ja endlich!«, rief Sarah. Überraschend früh war seine Tochter heute nach Hause gekommen. Im Hotel Excelsior hatte es nicht viel zu tun gegeben, und da hatte man sie ein paar Stunden früher nach Hause geschickt. Sie setzte das Teewasser auf, und bald saßen sie plaudernd in der guten Stube. Zuerst ging es um den gescheiterten Putsch, doch dann musste Sarah noch etwas anderes loswerden: »Du, ich glaube, ich habe heute früh Fritzi Massary gesehen, bei uns am Anhalter Bahnhof.«
Wie sehr verehrte Sarah die Massary, den großen Operettenstar aus Österreich! 1904 hatte sie noch nicht im Metropol-Theater sitzen können, als Fritzi Massary mit ihrem berühmten Chanson Im Liebesfalle, da sind sie nämlich alle ein bisschen trallala Berlin eroberte. Doch seit sie die Diva zum ersten Mal auf der Bühne erlebt hatte, 1917, mitten im Krieg, in Die Rose von Stambul, war sie ein ausgemachter Fan. Noch vor kurzem hatte sie die Schauspielerin in Oscar Straus’ Der letzte Walzer und in Leo Falls Die spanische Nachtigall im Berliner Theater in der Charlottenstraße bewundert. Doch nun hatte Sarah zu ihrem Bedauern gehört, dass die Massary und ihr Mann, der Charakterschauspieler Max Pallenberg, mit Max Reinhardt nach Österreich gehen wollten.
»Auch da gibt’s keinen Kaiser mehr«, sagte Jerxheimer.
»Wenigstens ist uns der Kapp erspart geblieben.« Sarah war froh, dass es in Deutschland keinen Bürgerkrieg gegeben hatte.
»Aber sie haben so viele Offiziere ins Wasser geschmissen.« Jerxheimer kam gar nicht mehr los von diesen Bildern. »Was haben wir uns das damals gewünscht, auf dem Kasernenhof, als sie uns geschurigelt haben! Doch so was dann wirklich zu machen, ist doch etwas ganz anderes.«
»Es war ’ne Gegenrevolution.« Den Begriff hatte Sarah im Hotel gehört. »Und auch ’ne Gegenrevolution ist ’ne Revolution – und bei ’ner Revolution, da … da …« Sie kam nicht auf den richtigen Vergleich, und ihr Vater brachte den Satz zu Ende.
»… da geht’s nicht zu wie im Mädchenpensionat. Recht haste.« Jerxheimer blickte auf die Uhr. »Nu, was hältste davon, dass wir noch ’nen kleinen Abendspaziergang machen?«
»In’n Tiergarten? Das ist mir noch zu gefährlich.«
»Nein, nur hier einmal ums Karree. Mal sehen, ob wir im Engelbecken nicht noch ’n Offizier finden, den sie da reingeworfen haben.« Jerxheimer erfreute sich an seinem schwarzen Humor. »Es muss ja nicht immer der Landwehrkanal sein, wo ’ne Leiche schwimmt. Die toten Roten schwimmen im Landwehrkanal – und die toten Schwarzen im Engelbecken.«
»Vater, du bist makaber.«
»Nu …« Wieder schmunzelte Jerxheimer. »Ist das ’n Wunder, wo meine Vorfahren Makkabäer gewesen sind!«
Dann zog er sich seinen guten Mantel an und trat mit seiner Tochter auf die Straße hinaus. Ihre Lieblingsroute war die Strecke um den Luisenstädtischen Kanal, der den Landwehrkanal mit der Spree verband. Sie kamen zur Waldemarstraße, blickten rechts auf das riesige Areal des Bethanien-Krankenhauses und wandten sich nach links. Bald standen sie am Engelbecken und bedauerten, kein altes Brot für die schwirrenden Möwen und die begierig heranschwimmenden Enten mitgebracht zu haben. Kein Wunder, dass die Tiere Hunger hatten, denn heute kam kaum einer, sie zu füttern. Die Leute hatten noch immer anderes im Kopf. Jerxheimer und seine Tochter waren die einzigen Menschen weit und breit.
»Sind wir ganz allein«, stellte er fest.
Worauf Sarah – nicht ohne Ironie – den Spruch zitierte, der an der nahen Emmaus-Kirche zu lesen stand und Zuversicht vermitteln sollte: »Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden.«
»Das gilt nur, wenn einer ’n Goi ist, nicht für uns.« Jerxheimer wollte gerade zu einem längeren religionswissenschaftlichen Exkurs ansetzen, da stutzte er. »Sieh mal, da kommt was angeschwommen.«
Sarah konnte nicht anders, als loszukichern. »Ja, dein toter Offizier, den sie ins Wasser geschmissen haben.«
Doch ihr sollte in den nächsten Minuten das Lachen vergehen, denn was da im Engelbecken trieb, war in der Tat ein Leichnam, wenn auch nicht der eines Offiziers, sondern der einer Frau. Und vollständig war die Leiche auch nicht, Kopf und Gliedmaßen fehlten.