Читать книгу KOEHLER - Die Kammern der Qual - H.P. Karr - Страница 5

Dienstag, 5. August 2003, 13.58 Uhr

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Mannheimers Espressomaschine war ein stahlglitzerndes Gerät mit genug Knöpfen und Hebeln, um damit zum Mond zu fliegen. Mannheimer, wie üblich von Kopf bis Fuß in Armani, bediente sie souverän, während er nebenbei zwei Designer-Tässchen von der Wärmefläche auf der Maschine angelte. Schließlich sackte er in seinen Freischwinger und zog die Jiffy-Tasche heran. »Et voilà!« Er begann, die Tackerklammern aufzuknibbeln. Schließlich zog er ein dickes Manuskript und einen USB-Stick heraus.

»Der neue Konoppke!« Er strich über das Titelblatt. »Der letzte Konoppke! Der beste Konoppke, den es je gab!«

Koehler entzifferte in Courier New 24 Punkt: »Die Kammern der Qual«.

Mannheimer holte seinen ledernen Tabaksbeutel heraus, verteilte mit flinken Fingern Tabak im Blättchen, bastelte einen Filter dazu und leckte alles zusammen. Mit seinem unschuldigen Bubi-Gesicht unter dem akkurat gezogenen blonden Scheitel wirkte er wie Muttis Liebling. An der Wand prangte Mannheimers Partybildersammlung: Der schnellste Literaturagent der Welt Arm und Arm mit den Autoren, die er mit seiner Agentur MAGMA vertrat. Von A wie Albert Albertsen bis Z wie Vera Zimmt.

»Konoppke?« Seit Koehler vor zwei Stunden in Düsseldorf aus dem ICE gestiegen war, pochte ein dumpfer Schmerz über seinem rechten Ohr. »Oswald Konoppke? Ist der nicht tot?«

Mannheimers Blick schweifte durch die schräggestelltem Blätter der Vertikaljalousie über die Stadt. Von seinem Büro im Stadttor regierte er bundesweit in Sachen Literatur, während sich der Ministerpräsident in seiner Staatskanzlei zwei Etagen unter ihm mit Nordrhein-Westfalen begnügen musste.

»Ja, freilich...« Die Zigarette im Mundwinkel, strich Mannheimer zärtlich über das Manuskript. »Aber sein Werk lebt. Das ist Unsterblichkeit, Koehler! Diese neue Geschichte von ihm ist so was von stark... ein Serienkiller, der hier zwischen Düsseldorf, Kleve, Wesel und Nimwegen tötet. Sohn einer Scharfrichter-Dynastie, die bis ins 11. Jahrhundert zurückreicht. Vergangenheit und Gegenwart in einem großen Wurf zusammengefasst. Der Henker als Diener des Despoten, von den Scharfrichtern des Mittelalters über die KZ-Mannschaften im Dritten Reich bis zu den Special Forces von George W. Bush, die im Irak nach Saddam Hussein jagen.«

Koehler massierte sich den schmerzenden Punkt überm Ohr. »Und seit Konoppke tot ist, bleibt ihr übers Bahnhofsschließfach in Kontakt?«

Mannheimer sah auf. Asche fiel auf das Manuskript. Er blies sie behutsam weg. »Was meinst du, warum ich dich geholt habe? Jemand schickt dir eine Email, dass in deinem Briefkasten ein Schließfachschlüssel liegt. Das ist doch genau die Sorte von komischer Geschichte, mit der du dich auskennst.«

Das konnte man so oder so sehen. Koehlers Karriere beim Fernsehen war gerade wegen so einer komischen Geschichte geknickt. Ein Top-Informant hatte über Insider-Deals an der Börse geplaudert und Koehler hatte es in seinem Magazin gesendet - und dann zu spät herausgefunden, dass der Kerl ein Bluffer gewesen war, der die Börse nie in seinem Leben von innen gesehen hatte.

Mannheimer schlürfte seinen Espresso. »Letztes Jahr auf der Buchmesse in Leipzig hat Konoppke mir gesagt, dass er an den ›Kammern der Qual‹ sitzt und sich überlegt, ob er das Buch nicht mal von mir vertreten lassen soll. Klang irgendwie danach, als ob er sich mit seinem Busenfreund Stobbe zerstritten hatte.« Das Fax auf Mannheimers Schreibtisch spuckte eine Seite aus. Er überflog die Nachricht und legte sie mit einem angewiderten Zug um die Mundwinkel weg. »Pfennigfuchser, alle zusammen. Ich sag dir, Koehler, Literatur ist nichts mehr wert in diesem Land!«

Koehler machte neben dem Kopfschmerz auch ein leises Rauschen im rechten Ohr aus. Waren das nicht Symptome für einen Hörsturz? Er fing an zu schwitzen. Redete Mannheimer eigentlich immer noch? Ja. Koehler riss sich zusammen. »Komm endlich zu Potte!«

Mannheimer verstummte. Oder war das der Hörsturz? Diskretes Telefonzirpen kam aus dem Vorzimmer. Koehler entspannte sich. »Okay«, sagte Mannheimer. »Ich sag dir, warum ich dich geholt habe.«

KOEHLER - Die Kammern der Qual

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