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1. Wer geht ins Tor?

Mein Name ist Ulf, und ich möchte etwas erzählen, das mir vor einigen Jahren passiert ist. Damals war ich noch in der Grundschule.

In der 4b, um genau zu sein, und zwar in der Prima-Klima-Gesamtschule in Plappersdorf. Ulf, wie gesagt, und das ist auch schon das Problem: Ich hasse meinen Namen! Wahrscheinlich ist es eine Abkürzung: U-L-F. Das heißt „Ungeheuer Lustiger Forname“. Ja, ich weiß, dass Vorname mit ‚V‘ geschrieben wird. Das weiß ja jedes Kind und wahrscheinlich auch jeder Vogel. Es gibt nur eine Sache, die für mich noch schlimmer ist als mein Vorname, und das ist Fußball.

Unsere Klasse musste damals am städtischen Fußballturnier teilnehmen, ob wir wollten oder nicht. Alle vierten Klassen von ganz Plappersdorf mussten daran teilnehmen. Plappersdorf ist kein Dorf, auch wenn es so heißt. Es ist eine richtige Stadt mit einem Schwimmbad und einem großen Kino und es gibt dort mehrere Schulen. Als die Mannschaft unserer Klasse zusammengestellt wurde, war ich leider dabei.

Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich an diesem Tag im Bett geblieben. Ich hätte eine furchtbare Krankheit erfunden, zum Beispiel einen unheilbaren Schnupfen oder Knieschmerzen. Ich kann auch auf Befehl so heftig husten, dass jeder mich ins Krankenhaus bringen würde.

Aber ich wusste das mit der Fußballmannschaft nicht. Es traf mich vollkommen unvorbereitet. Herr Schäfer, unser Klassenlehrer, überfiel uns damit, wie ein Bankräuber eine Bank überfällt. Damit rechnet auch niemand. Nur, dass wir keine Bank waren, sondern harmlose kleine Kinder.

„Aus jeder Schule darf eine vierte Klasse an dem Turnier teilnehmen. Und wer das Turnier gewinnt, der kriegt irgendwas“, sagte Herr Schäfer.


Ich meldete mich: „Na, dann ist das Problem ja schon gelöst. Die 4a kann doch an dem Turnier teilnehmen. Die haben sowieso viel bessere Fußballer als wir.“ Einige meiner Mitschüler protestierten halblaut, andere nickten zustimmend.

Herr Schäfer sagte: „Es muss aber ein Ausscheidungsspiel stattfinden: 4a gegen 4b. Das sind die Regeln. Wer das Spiel gewinnt, darf beim Turnier gegen die anderen Schulen spielen.“

‚Na gut‘, dachte ich. ‚Das ist nicht meine Baustelle. Sollen die anderen Fußball spielen.‘

Aber es stellte sich heraus, dass es doch meine Baustelle war. Denn meine Zwillingsschwester Kathi wurde sofort hyperaktiv. Sie sprang begeistert auf und fing augenblicklich an, die Mannschaft zusammenzustellen. Zwei oder drei meldeten sich freiwillig, die meisten anderen hatten auch keine Lust.

„Ich darf nicht. Wegen meinem Asthma“, sagte einer.

„Wegen meineS AsthmaS“, verbesserte unser Lehrer.

„Nein, nein, es ist mein Asthma, nicht Ihres“, sagte mein Mitschüler eifrig.

„Ich weiß, ich weiß, ich meinte doch nur, dass es grammatikalisch falsch war“, erklärte Herr Schäfer, aber dann winkte er ab.

Ein anderer behauptete: „Ich hab ein Attest. Mein linkes Bein ist kürzer als das rechte. Ich darf nicht Fußball spielen.“ Ich wollte auch so ein Attest. Wo bekam man das her?

Irgendwie schaffte es meine Schwester, genügend Spieler zusammenzukriegen. Es fehlte nur noch ein Torwart, aber natürlich wollte keiner ins Tor. Nie will einer ins Tor! Kathi blieb vor mir stehen, sah mich streng an und sagte: „Das machst du!“

Ich lachte unsicher und sah mich um. „Äh, du meinst mich?“

„Exakt, lieber Bruder!“

Meine Schwester redet oft so komisch, nebenbei bemerkt.


„Das geht nicht, Kathi“, sagte ich. „Ich hasse Fußball. Außerdem ist mein eines Bein auch kürzer als das andere. Hier, schau mal.“

„Ich kenne dich von Geburt an“, sagte meine Schwester. „Sogar schon länger, und ich weiß, dass deine Beine gleich lang sind.“ Mist. Gegen meine Schwester kam man einfach nicht an. Ich musste wohl bei diesem blöden Spiel mitmachen.

„Aber warum ausgerechnet ins Tor?“, protestierte ich schwach. Kathi sagte: „Du kannst nicht dribbeln, du kannst nicht köpfen und du kannst nicht richtig schießen. Deshalb bleibt für dich nur das Tor übrig. Keine Widerrede!“

„Ich kann auch keinen Ball halten. Das ist ja genau das, was ein Torwart können muss.

Hab ich mal gehört“, murmelte ich.

Meine Schwester war fünf Minuten älter als ich. Vielleicht war sie deshalb so. Sie musste immer über mich bestimmen. Sollte sie doch selber ins Tor gehen!


Herr Schäfer klatschte in die Hände und strahlte übers ganze Gesicht. Er schien richtig glücklich zu sein. „Ganz hervorragend!“, rief er. „Außerordentlich prima! Die Mannschaft steht. Jetzt brauchen wir nur noch einen schönen Namen dafür. Hat jemand einen Vorschlag?“

„Fußballklub 4b!“, rief einer aus der letzten Reihe.

„Puh, langweilig!“, riefen alle anderen, auch die, die ein Attest oder ein zu kurzes Bein hatten. Die anderen Vorschläge waren auch nicht besser: 1. FC Prima Klima oder Atletico Plappersdorf.

Am Ende hatte natürlich auch meine Schwester wieder eine Idee: „Warum nennen wir uns nicht Die Coolen Kicker? Das wär’ doch toll, oder?“

Es gab ziemlich viel zustimmendes Gemurmel. Am südlichen Ende unseres Klassenraumes klatschte sogar jemand. Herr Schäfer reckte die Fäuste in die Luft, als wäre er Weltmeister geworden, und rief: „Exzellent! Das sieht mir ziemlich einstimmig aus. Dann nehmen wir Die Coolen Kicker. Toll!“


Ich meldete mich, und Herr Schäfer bewegte widerwillig seinen Zeigefinger in meine Richtung: „Ja, Ulf? Du möchtest noch etwas beitragen?“

„Es ist nicht einstimmig“, sagte ich.

„Es ist mindestens zweistimmig. Ich finde den Namen doof für eine Fußballmannschaft. Viel passender fände ich zum Beispiel 1. FC Unfähig oder Die lustigen Stolperer.“

Ich erntete viel Gelächter, aber trotzdem wurden meine Vorschläge abgelehnt. Dabei waren sie so gut. Mir war nämlich klar, dass wir gegen die 4a sowieso keine Chance hatten. Es sei denn, wir könnten Cristiano Ronaldo überreden, bei uns mitzuspielen. Das war aber unwahrscheinlich, denn niemand von uns hatte die Adresse oder die Telefonnummer von Cristiano Ronaldo. Also konnten wir ihn nicht fragen.

Auf dem Nachhauseweg lief ich stumm neben Kathi her. Sie schien aber gute Laune zu haben und trat gegen jedes Steinchen, das im Weg lag. „Das wird toll!“, sagte sie. „Das Spiel ist schon morgen. Der 4a zeigen wir’s, wirst du sehen. Und weißt du, was noch? Das Ziemlich Verrückte Schulradio ist auch dabei. Sie übertragen unser Spiel. Cool, was?“

‚Auch das noch. Wir kommen ins … Radio‘, dachte ich.

Unser Heimweg dauerte zu Fuß ungefähr zehn Minuten. Das wäre ein guter Zeitpunkt gewesen, Kathi mal richtig die Meinung zu sagen: „Du bist nicht älter und nicht besser als ich!“, hätte ich sagen können. „Du musst mir nicht immer sagen, was ich machen soll. Und du kannst mich nicht zwingen, Fußball zu spielen!“ Aber ich schwieg weiter. Weil ich sie ja doch sehr lieb hatte, meine Schwester. Deshalb sagte ich nichts.


Zu Hause ging ich trotzdem sofort in mein Zimmer und sortierte meine Sammelkarten. Ich ging nicht mal zum Abendessen, obwohl unsere Eltern mich zweimal riefen. Und ich muss sagen, so ein Leben als Ulf ist manchmal gar nicht so einfach.

Zwillinge im Doppelpass

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