Читать книгу Der Frauenmörder - Hugo Bettauer, Hugo Bettauer - Страница 5
»Idylle an der Havel«
ОглавлениеDer »Berliner Generalanzeiger« war das Blatt der Heiratsannoncen. Der Jüngling, der Seelenfreundschaft braucht, der reifere Mann mit Bedarf nach Mitgift, die einsame Jungfrau, die Witwe, der Vater, der anders seine Töchter nicht anbringen kann, sie alle pflegten ihre Schmerzen, Sehnsüchte und Hoffnungen dem »Generalanzeiger« anzuvertrauen und viele tausend Ehen waren vielleicht im Himmel geschlossen, aber im »Generalanzeiger« angebahnt worden.
Zeitlich morgens, als noch wenige Leute die Annoncenschalter des »Generalanzeigers« belagerten, begab sich Krause dorthin. Seine Arbeit wurde wesentlich dadurch erleichtert, daß jeder Schalter nur bestimmte Gruppen von Anzeigen behandelte. Hier konnte man nach Hauspersonal inserieren, dort seine alten Sachen anpreisen und der Schalter Nummer fünf war den Heiratsannoncen reserviert. Krause zeigte der ältlichen, mit einer Hornbrille bewaffneten Dame, die hier den Liebesgott spielte, sein Abzeichen und bat sie um eine kurze Unterredung. Mit kurzen Worten erklärte er ihr, um was es sich handelte, und stellte dann seine präzisierte Frage:
»Der Mann, den ich suche, dürfte im Laufe des Monats Juni, vielleicht auch noch etwas früher, seine Annoncen aufgegeben haben. Diese Annoncen dürften sehr verlockend gewesen sein, da es ihm ja um möglichst viele Antworten zu tun war. Sicher hat er auch schockweise Briefe bekommen. Außerdem war dieser Mann blond, hatte einen Kneifer und machte einen recht guten Eindruck. Mehr weiß ich nicht und alles Weitere hängt von Ihrem guten Gedächtnis ab.«
Fräulein Lieblein war Feuer und Flamme, ballte die Fäuste und schoß Wut aus den kurzsichtigen Augen.
»So ein Schuft, so eine Bestie! Oh, wenn ich etwas dazu tun könnte, ihn aufs Schafott zu bringen, wäre ich direkt glücklich!«
Sie stemmte die Bleifeder gegen das spitze Kinn und dachte angestrengt nach.
»Gerade der Juni ist ein starker Monat gewesen, weil der Frühling so spät kam. Da werden ja die Menschen wie toll und möchten um jeden Preis heiraten!«