Читать книгу Das Labyrinth im Irrgarten - Ilse M Seifried - Страница 13

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Rose Ausländer32 überlebt. Überlebt und schreibt weiter.

Mein Atem

In meinen Tiefträumen

weint die Erde

Blut

Sterne lächeln

in meinen Augen

Kommen Menschen

mit vielfarbnen Fragen

Geht zu Sokrates

antworte ich

Die Vergangenheit hat mich gedichtet

ich habe

die Zukunft geerbt

Mein Atem heißt

jetzt

Die Welt als Labyrinth. Die Welt als Irrgarten. „Sackgasse“ statt „dead end“. Sackgasse gefällt vielleicht besser? Ein Sack hat nur eine Öffnung. So gesehen ist das Labyrinth eine Sackgasse. Anders betrachtet ist ein Irrgarten voller Labyrinthe!

Welche Konsequenz diese Sichtweise hat? Am Ende werden Sie es vielleicht wissen…

Bleiben wir jetzt im Jetzt. Bei der Vermessung der Welt. All die Fragen: Wie lang ist der Äquator? Wie weit ist es bis zum Mond? Wie tief ist der Mariannengraben? Wie viele Chromosomen haben Menschen? Wie schnell können Daten weitergeleitet werden? Wie schwer ist das schwerste Element? u.v.a.m. sind beantwortet. Die Welt ist vermessen. (Achtung! Beachten Sie auch hier die Doppeldeutigkeit des Wortes!)

Und was kommt danach? Was kommt nach der Vermessung der Welt?

Wer vermisst sie aus welchem Grund? Daniel Kehlmanns Buch mit diesem Titel erzählt von zwei Männern und deren männlichen Ergänzungsfiguren. „Gauß zum Beispiel springt schon in der Hochzeitsnacht eines mathematischen Einfalls wegen aus dem Bett und vergisst später den Geburtstermin seines ersten Sohnes; für den Kontinentdurchquerer Humboldt bleiben Frauen ein Leben lang terra incognita. In einem Dialog mit seinem Bruder wird jedoch schließlich auch auf die vermutete Homosexualität Humboldts hingewiesen.“33

Ich frage mich manchmal, ob Männer und Frauen wirklich zueinander passen. Vielleicht sollten sie einfach nebeneinander wohnen und sich nur ab und zu besuchen.

(Katherine Hepburn)

Vermessen Frauen ebenso die Welt? Vermessen sie anders? Verstehen sie anderes unter Vermessung? Die Genderfrage ist eine zentrale Frage, die sich bereits vor Adam und Eva stellte, da die Bibel ja ältere Mythen vereinnahmte. 34In der sumerischen Kultur wurden von der Göttin Nammu (das Urmeer) die Erdgöttin Uraš und der Himmelsgott An erschaffen. Danach folgten Enlil und Ninlil und viele andere GöttInnen, ehe Menschen erschaffen wurden.

Wie auch immer der Beginn gewesen sein mag, die Beziehungs- und Machtverhältnisse von Frauen und Männern, Frauen und Frauen, Männern und Männern (sowie dem Dritten Geschlecht) durch die Jahrtausende blieben und bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Gegenwart, die Zukunft.

Matriarchat – Patriarchat – wie heißt das Neue? Gleichberechtigung? Gleichwertigkeit?

Ludwig Wittgenstein35: Die Arbeit an der Philosophie ist – wie die in der Architektur – mehr die Arbeit an einem selbst. An der eigenen Auffassung. Daran, wie man die Dinge sieht. (Und was man von ihnen verlangt.)

WissenschaftlerInnen und Künstlerinnen haben nicht nur ihre Spuren hinterlassen, sie konnten/können nicht mehr ignoriert werden. Exemplarisch36 seien hier einige Frauen genannt:

 Marie Sklodowska Curie ist die einzige Frau, die zwei Nobelpreise erhielt. Sie entdeckte die Elemente Radium und Polonium.

 Emmy Noether arbeitete acht Jahre lang ohne Anstellung und ohne Entlohnung am Mathematischen Institut in Erlangen. Erst in den USA erhielt sie die ihr als eine der bedeutendsten AlgebraforscherInnen zustehende Anerkennung.

 Lise Meitner war jene, die als Erste das als Kernspaltung erkannte, wofür Hahn – alleine – 1944 den Nobelpreis erhielt.

 Maria Goeppert-Mayer erhielt als 24-Jährige den Doktorgrad in Physik und arbeitete in Baltimore ohne Anstellung oder Gehalt zu erhalten. 1963 erhielt sie für das Modell des Atomkerns den Nobelpreis.

 Georgia O’Keeffe wird in den USA als die erste Malerin von Bedeutung gefeiert. In ihren über 2000 Werken entwickelte sie ihren Stil, der sie weltberühmt machte.

 


Die Daten der Vermessung der Welt werden notiert, gespeichert, zugänglich gemacht, ausgetauscht, weiterverwendet etc. Auf der Informationswoge surfen, damit uns diese nicht die Atemluft nimmt. Womit werden wir nicht tagtäglich überschüttet? Überschütte ich Sie? Es bedarf Ordnung in der Informationsflut. Es bedarf einer Einschätzung, einer Bewertung, einer Prioritätensetzung. Was ist wichtig? Was ist unwichtig? Was kann noch mal relevant werden? Was lösche ich? Aus meinem Speicher, aus meinem Gedächtnis?

Das Tempo wird rasanter. Innehalten erst im Tod oder schon davor durch Krankheit, Burnout, Herzinfarkt? Oder doch ganz freiwillig? Innehalten. Es ist keine Kunst, innezuhalten. Es ist eine Frage des Mutes. Der Wunsch ist da, langsamer zu werden. Doch dieser Wunsch ist begleitet von der Angst.37 Die vertraute „Action“ kann einer Leere und Stille weichen, die flucht- und reflexartig zurück zum ganz normalen Wahnsinn führt bzw. in alte Identitätsmuster.

Für manche ist ein leeres Blatt vor Augen ein Horror. Der Horror vacui. Abscheu vor der Leere. Für manche ist diese Leere eine Chance, sie mit Vergnügen zu füllen.

Wie auch immer: Die Leere verfügt über Potenzial.

Ich kann meine Urlaubstage mit Reisen und Aktivitäten füllen. Ich kann die Urlaubstage im Kalender auch leer lassen im Vertrauen, dass das, was kommt, passt. Was immer es ist. Ob ein Anruf, eine Idee, die zu einem Buch führt …

Wahrnehmen. Spüren. Spüren: Wohin will das Leben mich führen?

„Es ist so. Es könnte auch anders sein“, schrieb Helga Nowotny38 und verkündete damit das Ende eines singulären und linearen Wissenschaftsverständnisses. Wir können uns nicht auf einen geraden Weg zu neuem Wissen verlassen, Wissenschaft braucht Diversität, sie muss auch Umwege gehen, sie muss auf vielfältige Inputs reagieren, sie braucht den beständigen Austausch unterschiedlicher Ideen, sie muss die kulturelle Heterogenität der Forschenden selbst berücksichtigen und als Potenzial erkennen.

Dazu bedarf es der Erprobung neuer Modi wissenschaftlichen Arbeitens, dazu bedarf es neuer Wissenschaftskulturen. Sie orientieren sich an Fragen wie diesen: Wie organisiert sich Forschung über die Grenzen einzelner Disziplinen hinweg? Wie tauschen sich dabei die Menschen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft aus? Welchen Stellenwert hat Teamarbeit und intergenerationelle Kooperation? Wie kann ethnische Vielfalt in einen produktiven Kommunikationsprozess umgesetzt werden? Und –nicht zuletzt: Kann durch die verstärkte Einbindung von Frauen in die Konzeption und Leitung von Forschungsprojekten nicht nur brachliegendes Potenzial der Forschung aktiviert, sondern auch eine neue Qualität der Forschung erreicht werden?

Forschen Frauen anders?

Diese Frage beantwortete Susanne Bührer39 eindeutig aufgrund ihres Forschungsprojektes: „Ja, Frauen forschen anders!“

1) Inhaltlich

 Deutliche Orientierung an Problemlösungsaspekten

 Hohe Relevanz von Interdisziplinarität und Arbeit an disziplinären Schnittstellen

 Forschung oftmals in risikoreichen, noch nicht etablierten Feldern

2) Strukturell

 Herausragende Bedeutung von funktionierenden Teamstrukturen

 Fachliche Wertschätzung und Akzeptanz als zentrale Erfolgsfaktoren

 Eigenverantwortung und Entscheidungsspielräume für Motivation sind entscheidend.

Interessant ist auch das Ergebnis bzgl. der individuellen Bedeutung von Persönlichkeitsfaktoren für hohe Leistungsfähigkeit:

 Persönliches Engagement und Interesse sind absolut essentiell um eine forscherische Tätigkeit auszuüben

 Auch die spezifische Qualifikation ist eine wichtige Basis

 Karriereplanung. Planung im Irrgarten? Planung im Labyrinth?

Das Labyrinth im Irrgarten

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