Читать книгу Seoul, I will miss you - Ina Herms - Страница 4

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I.

„Rose, beeil dich, wir kommen zu spät!“, hetzte mich Anna. Anna war meine ältere Schwester. Mit ihren 19 Jahren war sie zwar irgendwo klug, jedoch in schulischen Angelegenheiten übertrieben faul. Entweder musste ich ständig ihre Hausaufgaben für sie erledigen oder diese korrigieren. Vom Optischen her, war sie sehr hübsch, groß und besaß einen trainierten Körper, für den sie sich die größte Mühe gab. Man könnte sagen, sie wäre besessen von jeglicher Art an Sport und Fitness. Vier bis fünf mal die Woche hing sie im Fitnessstudio ab und powerte sich dort aus. Wenn sie schlechte Laune oder Probleme in der Schule hatte, war das der Ort, an dem sie sich frei von allem machen konnte. Annas langes Platinblondes Haar, ihre grünen Augen und ihr kantiges Gesicht ließen die Jungs schon von Kindesalter verrückt nach ihr werden. Nur die wenigsten konnten ihrem Aussehen widerstehen. „Warte doch bitte, ich suche mein Handy. Ah, hab es gefunden. Jetzt können wir können los!“ Es war ein ganz besonderer Tagfür meine Schwester Anna und mich, denn nach diesem Tag würden nicht nur die Sommerferien beginnen, sondern es war der letzte Schultag für mich in der 10ten Klasse. In derselben Schule, in der Anna zu dem Zeitpunkt ihr Abitur machte, plante ich nach den Sommerferien auch mein Abitur zu starten. Die Freude auf diese Sommerferien war ganz besonders groß, weil wir gemeinsam mit unseren Freundinnen Stella, Lola und Jennie in den Harz fahren wollten. Stella und Lola waren schon von der Grundschule auf mit mir in derselben Klasse. Die beiden waren wie ich 18 Jahre alt. Am Anfang unserer Bekanntschaft fiel es mir schwer, sie von einander zu unterscheiden, denn sie waren Zwillinge. Nachdem wir uns besser kennenlernten und sie sich mir gegenüber öffneten, wurde es einfacher sie von einander zu unterscheiden. Lola und Stelle hatten dunkelblondes, dünnes, schulterlanges Haar und Ozean blaue Augen. Von der Größe her erreichten sie gerade mal die 155cm. Deren Figur war eher so der Standard, weder zu dünn noch zu dick. Sportlich konnte man beide nicht nennen. Sie gefielen mir vom Charakter sehr, locker, offen und ehrlich. Jennie ging in meine Schwesters Abi Klasse. Selbstverständlich war sie im selben Alter wie Anna. Jennie hielt sich sehr an meine Schwesters Stil, was die schulische Leistung anbetraf. Doch in Sachen Sport und Fitness lebten die beiden auf verschiedenen Planeten. Anna, die Sport besessene und Jennie, die sich zu schade war einen Finger zu krümmen. Vielleicht lag es auch daran, dass es ihr einfach nur schwer fiel, sich zu bewegen, weil sie von der Figur her eher pummeliger war. Ihr kurzes brünettes Haar und ihre braunen Augen schmeichelten ihrer runden Gesichtsform. Zu meiner Wenigkeit, muss ich gestehen, besaß ich auch nicht gerade die super Größe, um genau zu sein läppische 160cm. Auf mein langes, Po langes dunkelbraunes Haar war ich überaus stolz, denn für diese Länge musste ich hart arbeiten. Meine starken dunkelbraunen Augen fand ich eher blöd und trug deshalb des öfteren farbige Kontaktlinsen. Von der Figur her war ich der sportliche Typ. Mich begeisterten sämtliche Spiele wo ein Ball mit im Spiel war, Volleyball, Basketball, Fußball, Tennis, einfach alles. Meine Schwester und ich lebten bei unserer Tante in Deutschland. Unsere Mutter und mein Vater, Annas Stiefvater, lebten in Korea, Seoul. Anna und ich hatten verschiedene Väter. Ihr biologische Vater verließ unsere Mutter, als sie ihm beichtete, das sie von ihm schwanger war. So wie er verschwand, so ließ er sich in all den Jahren nicht blicken. Mein Vater, Kim Jong-Hun war ein überaus bekannter und einflussreicher Chefarzt in Seoul. Ihm gehörte das größte und beste Krankenhaus der Stadt. In seiner Klinik gab es alles an Behandlungen und Methoden zu finden, von normal bis sehr ungewöhnlich. International sehr beliebt waren jedoch seine plastischen Operationen. Mein Vater konnte echt alles am Körper verändern. Die Patienten, die mal bei ihm gewesen sind, sagten, Kim Jong-Hun hatte Hände aus Gold. Jeder einzelne war hin und weg von ihm. Für diesen Ruf gab er sich auch äußerst viel Mühe. In seiner Jugend schon besaß er den Traum, Chirurg in der plastischen Chirurgie zu werden. Darauf hin arbeitete er mit all seiner Kraft, mit Schweiß und Tränen, bis er endlich sein Ziel erreichte. Dieses Krankenhaus gehörte mal einem anderen Koreaner, dessen Ruf jedoch nicht der Hit war, später kaufte mein Vater ihm das Krankenhaus ab. Mit größter Mühe und Sorgfalt suchte er sein Personal aus. Mit ihm konnten lediglich die besten und erfahrensten Leute arbeiten. Vom Typ her konnte man meinen Vater einen Perfektionisten nennen, äußerst stur, sehr seriös und überaus fleißig. Durch den Erfolg meines Vaters konnten sich meine Mutter und er einen unglaublichen Luxus leisten, von dem manche Menschen nur träumen könnten.

Kennengelernt hatten sich die beiden in Deutschland, als mein Vater aus Beruflichen Gründen nach Deutschland reiste. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie trafen und verliebten sich über beide Ohren. Da sich deren Nationalitäten unterschieden, mein Vater Koreaner und meine Mutter Deutsche, waren meine Großeltern, beider Seiten, gegen deren Hochzeit. Meine koreanischen Großeltern sagten damals zu Vater, wenn er die koreanischen Traditionen und seine Eltern ehrte, dürfe er keine Ausländerin heiraten. Es musste unbedingt eine koreanische Frau sein. Meine deutschen Großeltern waren bloß dagegen, weil sie mitbekamen, wie die koreanischen Großeltern negativ über die ganze Sache eingestellt waren. Charakterlich waren meine Mutter und mein Vater sich sehr ähnlich. Wenn sie sich eine Sache in den Kopf gejagt hatten, so zogen sie es bis zum Ende durch, ganz besonders ins Sachen Liebe. Sie wollten und konnten einander nicht aus solchen läppischen Gründen aufgegeben. Meine Mutter war eine sture, intelligente und ziemlich hübsche Frau. Als sie dann mit mir schwanger wurde, zogen wir alle nach Seoul. Natürlich kamen meine Großeltern, von Vaters Seite, nicht zu meiner Geburt, auch von den aus Deutschland hörten wir nichts. Somit verloren wir völlig den Kontakt zu denen. In Seoul arbeitete sich Mutter soweit hoch, dass sie den Posten der Leitung in einer Bank übernahm. Zudem leitete sie sämtliche Spenden- und Hilfsaktionen. Zusammen sind Mutter und Vater ein unschlagbares Team. So viel, wie ich damals, als Kind mitbekam, waren einige Menschen ziemlich neidisch auf deren Erfolg und den Zusammenhalt zwischen den beiden. Viele Männer beneideten meinen Vater, weil er so eine hübsche und kluge Frau abgekommen hatte, und die Frauen beneideten meine Mutter. Anna und ich besuchte hier den Kindergarten und gingen auch hier zur Grundschule. Dadurch, dass bei Mutter und Vater der Erfolg im Beruf anstieg, blieb wenig, bis gar keine Zeit mehr für uns. Wir wuchsen mit unserer Haushälterin Sumi auf. Sie kochte für uns, half uns bei den Hausaufgaben und las uns vor dem Schlafengehen etwas vor. Sie unternahm so gut wie alles mit uns. Genau aus diesem Grund krachte es an Annas 13ten Geburtstag gewaltig zwischen Anna und unseren Eltern. Vor Wut wünschte sich Anna dann als Geburtstagsgeschenk von unseren Eltern, die Erlaubnis zu unserer Tante, von meiner Mutters Seite, nach Deutschland ziehen zu dürfen. Vater und Mutter überlegten und diskutierten lange und besprachen auch viel mit unserer Tante. Im Endeffekt bekam Anna die Erlaubnis und das Einverständnis. Als meine kleinen Ohren dies hörten, war ich außer Rand und Band. Ein Leben ohne meine große Schwester in der Nähe? Ne, dass ging gar nicht! Also ergriff ich die Chance und bettelte wie eine verrückte danach, mit Anna mit zu dürfen. So zogen wir beide zu meiner Tante nach Deutschland, die echt happy darüber war, weil sie selbst keine Kinder hatte. In Finanzieller Hinsicht unterstützten Mutter und Vater uns unglaublich. Sie unterstützten Tante so sehr, dass sie nicht einmal mehr arbeiten müsste, doch sie tat es trotzdem. Anna und mir mangelte es nie an irgendetwas.

Jedenfalls in der Schule ging es chaotisch her. Die Schüler platzten fast vor Aufregung und berichteten einander von ihren Plänen für die Sommerferien. Unsere Klassenlehrer verabreichten uns die Abschlusszeugnisse, dafür versammelten sich alle Schüler wie auch die Lehrer in der Schulaula. Der Direktor hielt eine kurze Rede und dann wurden die Abschlussschüler festlich verabschiedet. Viele der Eltern brachten selbstgemachtes Essen mit, wir Schüler wollten uns selbst um die Getränke kümmern. Die Feier in der Schulaula wurde kurz gehalten. Danach versammelten sich die meisten in Gruppen und feierten wo anders weiter. Stella, Lola und ich trafen uns mit Anna und Jennie in unserem Stammcafé. Von außen sah das Gebäude des Cafés, durch das Wandgekritzel und das Sprayern eher alt aus. Draußen, vor dem Café standen Tische mit Stühlen und man konnte es sich dort bequem machen. Von innen fand ich es sehr hübsch, denn die Atmosphäre war bombastisch. Man fühlte sich dort so Wohl, wie im eigenen Heim. Die Wände waren mit einem warmen grau gestrichen, die Tische und Stühle weiß lackiert. Es hingen viele Bilder von bekannten Persönlichkeiten, die das Café mal besucht hatten, an der Wand. An jedem Tisch standen Vasen mit frischen Blumen drin. An diesem Abend war es nicht so voll wie sonst gewesen. „Lasst uns auf uns anstoßen! Darauf, dass wir alle bald dieselbe Schule besuchen und unser Abitur erfolgreich absolvieren!“, erhob Jennie ihr Glas mit Rotwein drin. „Auf uns! Das wir uns demnächst selbst in den Pausen sehen können.“, fügte Lola hinzu. Die Stunden vergingen und wir aßen und tranken so viel, sodass mir hätte der Magen platzen können. Während wir fröhlich unseren Urlaub planten, unterbrach uns mein Handy. „Da muss ich ran gehen, es ist meine Mutter!“ Ich stand von meinem Stuhl auf und ging an die frische Luft. Da zwischen Deutschland und Korea ein gewaltiger Zeitunterschied lag, musste es bei Mutter etwa 7 Uhr morgens gewesen sein. „Hallo Mama, wie geht’s dir ?“ „Hallo Liebes. Wie ist dein Abschlusszeugnis? Ich hoffe doch, dein Vater und ich dürfen stolz auf dich sein?“ „Was für eine Frage! Ihr dürft mehr als nur stolz auf mich sein. Ich bin, als die Jahrgangsbeste von der Schule abgegangen!“ „Das freut mich zuhören! Weswegen ich dich so spät störe ist, ich möchte gerne mit dir etwas wichtiges besprächen! Dein Vater hat dir ein Flugticket nach Seoul gebucht. Du müsstest den heute per E-Mail bekommen haben. Übermorgen geht dein Flieger. Es ist wirklich wichtig, dass du kommst! Es handelt sich um eine ernste Familiäre Angelegenheit, über die ich nicht mit dir am Telefon sprechen möchte. Ich muss mich leider kurz fassen, da ich jetzt noch ein wichtiges Meeting habe. Bitte, mach dich auf den Weg zu uns.“, forderte Mutter mich auf. Ihre Stimme klang seriös. Sofort verstand ich, das es wirklich ernst sein musste. Denn würde es um eine Kleinigkeit gehen, hätte sie es nicht in diesem Ton gefordert. Selbstverständlich folgte ich ihrer Anweisung, packte meinen Koffer und flog nach Incheon los. Von dort aus, würde mich der Chauffeur meiner Eltern mit dem Auto abholen. Der Flug an sich war für meinen Körper überaus anstrengend. Obwohl mein Vater für mich ein Erste Klasse Ticket buchte, fand ich einfach keinen Schlaf. In all den Stunden versuchte ich mich in Filme, die ich mir davor heruntergeladen hatte, zu vertiefen. Total verstrahlt und mit dicken Augenringen landete endlich das Flugzeug. Ich holte meinen Koffer ab und suchte draußen den Chauffeur, der genau vor meinen Augen stand. Da ich zu übermüdet war, erkannte ich ihn nicht auf den ersten Blick. „Fräulein Kim Rose? Hier bin ich!“, lächelte er mich freundlich an. Er hielt mir die Autotür auf, ich setzte mich herein und wir fuhren nach Seoul los. Der Verkehr war der Wahnsinn um diese Uhrzeit. Jeder musste irgendwohin fahren. Vor dem Haus meiner Eltern öffneten sich die schwarz gefärbten Tore, die mit kringeligen Mustern verziert waren. Der Chauffeur parkte vor der Garage. Früher kam mir das Haus nie so riesig vor wie dieses mal. Von außen hatte die Villa wohl einen neuen weißen Anstrich bekommen. Im Garten blühten die verschiedensten Blumen und Pflanzen, weiße, rote und gelbe Rosen. Erdbeerbüsche, Apfelbäume, Pflaumenbäume, weiße und rote Amaryllis. Im Teich schwammen mehrere verschieden farbige Fische. Vor der Eingangstür angekommen, öffnete mir die Haushälterin Sumi eiligst die Tür „Willkommen Daheim, Rose.“ Wie immer ist Sumi freundlich und gut gelaunt gewesen. Meine Mutter erwartete mich schon im Wohnzimmer. „Hallo Mama, schön dich zu sehen.“ „Meine Kleine, willkommen Zuhause! Ich hoffe, du hattest einen angenehmen Flug. Du bist bestimmt sehr müde von der langen Reise. Gerne kannst du in dein Zimmer hoch gehen, ein Bad nehmen und dich erst einmal etwas ausruhen! Deine Koffer sind schon oben.“ „Wo ist Vater? Ist er noch auf der Arbeit?“ Nein, dein Vater ist in seinem Zimmer und ruht sich auch etwas aus! Später werden wir über alles wichtige sprechen!“ Mein müder Körper verdiente sich wirklich ein warmes Bad und etwas ruhe. Mein Zimmer sah immer noch so aus wie früher. Es wurde echt nichts verändert. In meiner Kindheit liebte ich die Farbe Pink abgöttisch. Dementsprechend ließ Mutter damals mein Zimmer pink-weiß streichen. Dort hatte ich ein pinkes Himmelbett stehen, daneben eine weiße, kleine Nachtkommode mit einer Nachtlampe. Gegenüber von meinem Fenster stand mein Lerntisch, mit all meinen Lieblingsbüchern und meinem damaligen Krimskrams. Mein Kleiderschrank stand rechts von meinem Bett. An den Wänden hingen unsere alten Familienfotos, die mich jedes mal aufs neue emotional berührten. Mein Zimmer besaß auch ein eigenes Badezimmer, mit einer großen Badewanne, einem luxuriösen Waschbecken, darüber ein langer Spiegel, der über die komplette Wand ging und zu guter Letzt die Toilette. Nachdem ich ein Bad genommen hatte, wollte ich mich für wenige Minuten hinlegen und fiel in Tiefschlaf. „Rose? Liebes? Das Abendessen ist fertig, komm runter!“, weckte Mutter mich mit ihrer sanften Stimme auf. Mein Vater saß schon am Tisch. Mit einer Umarmung begrüßte ich ihn. „Lasst uns mit dem Essen beginnen! Rose, nimm ein bisschen mehr vom Bibimbap.“ Wie immer achtete Mutter fürsorglich darauf, dass ich gut und genug aß. „Was möchtest du morgen Unternehmen? Hast du irgendwelche Pläne?“ „Nein, Papa, ich habe keine genauen Pläne. Wahrscheinlich gehe ich etwas spazieren, die Gegend ein bisschen erkunden und nebenbei etwas shoppen. Aber in erster Linie, erklärt ihr mir vielleicht, weswegen ich so eilig hierher kommen musste?“ „Okay, aber gerate jetzt nicht in Panik und mache dir nicht allzu große Sorgen, in Ordnung?“ Ich ahnte schlimmes. Wenn in dieser Familie ein Gespräch mit diesem Satz begann, war die Katastrophe los. „Gut, schließt los!“ „Es geht darum, dass dein Vater ernste gesundheitliche Probleme bekommen hat. Zwar sind diese Probleme schon seit einiger Zeit da, wird es jedoch von Tag zu Tag immer schlimmer. Er hatte schon zwei Herzinfarkte! Der Arzt hat gesagt, dass er zu viel Stress auf der Arbeit hat. Sein Körper ist nicht mehr der Jüngste und das zeigt sich auch. Der nächste Herzinfarkt könnte tödlich enden!“ Meine Mutters Stimme wurde immer ruhiger und ruhiger, als ob sie gleich anfangen würde zu weinen. Vater fuhr das Gespräch fort. „Es geht um das Krankenhaus Rose! Ich möchte, dass du nach meinem Tod meinen Platz einnimmst. Ich weiß, dass du intelligent genug bist, um meinen Platz zu besetzten! Ungern möchte ich es an fremde weiter reichen. Ich habe mein ganzes Leben dafür gearbeitet, den Ruf zu bekommen, den das Krankenhaus jetzt hat. Ich bitte dich Rose, schlag mir diesen Wunsch nicht ab!“ „Wieso habt ihr nicht Anna gefragt? Sie hat nur noch ein Jahr Schule und dann wäre es die perfekte Zeit, sich einzuarbeiten und das Medizinstudium zu beginnen.“ „Wir alle wissen, wie Anna zum Thema lernen steht. Sie wird den Druck und den Stress nicht ertragen können! Du Rose, bist jedoch wie ich. Wenn du etwas anpackst, dann ziehst du es bis zum bitteren Ende durch!“ „Papa, wenn ich mich dazu entschließe, dir diesen Wunsch zu erfüllen, wie wird das alles aussehen?“ „Ich werde dich von deiner Schule aus Deutschland abmelden und dich hier an der Schule für Hochbegabte anmelden! Du wirst zwei Jahre lang diese Schule besuchen und einen Abschluss machen. Stell dir das so vor, wie dein Abitur, bloß in der koreanischen Hochbegabten Schule. Nachdem du diese erfolgreich beendet hast, beginnst du dein Medizinstudium. Während deines Studiums wirst du in deiner Freizeit bei mir im Krankenhaus aushelfen und nebenbei etwas dazu lernen. Und wenn alles nach Plan verläuft, werde ich dich nach deinem Studium als meine Nachfolgerin ernennen!“ So sah also meine berufliche Zukunft in Mutters und Vaters Augen aus. In unserer Mentalität war es nicht angebracht, den Wunsch der Eltern abzuschlagen, doch eine klare Zusage konnte ich ihnen nicht sofort geben. Für mich wäre es eine gewaltige Umstellung. Um einen klaren und neutralen Gedanken fassen zu können, ging ich einen kleinen Spaziergang machen. An der frischen Luft dachte es sich besser. Im großen und ganzen hörte sich deren Wunsch realistisch an. Koreanisch konnte ich fließend sprechen, ohne einen einzigen Fehler und ohne jeglichen Akzent. Meine Intelligenz würde ausreichen, um mit den Schülern hier mit halten zu können. Die große, und aller wichtigste Frage war, möchte ich es überhaupt? Wünschte ich mir so ein Leben zu führen? Eigentlich wäre es der Wunsch meiner Eltern und nicht meiner! Würde ich in der Zukunft mit diesem Leben zufrieden sein können, oder würde ich es bereuen, diesen Weg gegangen zu sein? Ich hatte nie vor gehabt, in die Fußstapfen einer meiner Eltern zu treten. Im Grunde wusste ich selbst noch nicht, was ich genau mit meiner Zukunft anstellen sollte, aber... was sollte ich bloß tun? In den ganzen Gedanken versunken, lief ich die Straßen entlang mit dem Blick auf die Sterne. Plötzlich knallte es gewaltig. Aus Versehen lief ich gegen einen Menschen. Da ich mein Handy die ganze Zeit über in meiner Hand hielt, fiel dieses beim Zusammenprall auf den Boden. „Es tut mir so leid, entschuldigen Sie mich bitte!“, flehte ich die Person um Vergebung an. Er bückte sich und hob mein Handy vom Boden auf. Ein Junge, ungefähr in meinem Alter war. Groß, schlank, dunkel braune strahlende Augen, die einem direkt ins Auge fielen. Sein dunkel braunes, gestyltes Haar, dass von der Länge her bis zu den Ohren ging, stand ihm überaus gut. Seine Oberlippe war schmal, seine Unterlippe etwas dicker, diese perfekte Nase, nicht zu groß, nicht zu klein, alles in seinem Gesicht sah optimal aus. Auf den ersten Blick haute mich dieser Junge vollkommen aus den Socken mit seiner Schönheit. „Ist mit dir alles in Ordnung? Hast du dir wehgetan?“, erkundigte sich der fremde Junge freundlich. „Nein. Alles gut, danke!“ Ich verspürte wie die Hitze in meinem Gesicht anstieg. Sein kurzes Lächeln ließ mein Herz dahin schmelzen. „Na, dann pass beim nächsten mal besser auf wo du hinläufst! Lauf nicht mit geschlossenen Augen durch die Weltgeschichte. Du kannst doch nicht jeden, der dir über den Weg läuft so umhauen!“ Und plötzlich änderte sich sein Ton von lieb auf arrogant und unhöflich. Mit schockiertem Gesichtsausdruck starrte ich ihn an. „Was ist denn mit dir los? Du bist genauso in mich rein gerannt, wie ich in dich! Also bleibt mal locker, ja! Es tut mir natürlich leid, dass ich nicht auf die Straße geachtet habe, jedoch bist du genauso schuld wie ich. Also benimm dich nicht so unhöflich und arrogant, klar!“ Ihm schnellen Tempo ging ich weiter und dachte mir nur: wie konnte so ein hübscher Mensch so einen dreckigen Charakter haben? Wie konnte ein Mensch so schnell von charmant und freundlich auf arrogant und unhöflich umschalten? Was dachte er sich, wer er wäre? Ich hatte mich doch höflich bei ihm entschuldigt. Okay, es war zum Teil meine Schuld, ich hätte besser aufpassen müssen, aber auf der anderen Seite, hätte er auch besser aufpassen müssen, schließlich rannten wir ineinander und nicht anders. Nach einigen intensiven Überlegungen suchte ich das Gespräch mit meinem Vater.„Darf ich herein kommen?“, klopfte ich an der Schlafzimmertür meiner Eltern. „Bitte, komm herein, Rose!“ „Papa, ich habe über alles gründlich nachgedacht und bin zu einem Entschluss gekommen. Ich bin bereit, dir deinen Wunsch zu erfüllen, jedoch nur unter einer Bedingung! Du stellst jemanden ein, eine sogenannte rechte Hand, der dir die meiste Arbeit, zum Beispiel den Papierkram, abnimmt. Du sollst so wenig Stress wie nur möglich haben. Du wirst dich schonen und mehr auf deine Gesundheit achten! In dieser Zeit verspreche ich dir, mit voller Kraft und vollem Einsatz die Schule hier zu beenden und einen erfolgreichen Abschluss zu absolvieren.“ „Abgemacht! Aber sei dir bewusst, die Hochbegabten Schule wird kein Zuckerschlecken für dich werden! Die anderen Schüler sind nicht ohne Grund dort.“ „Ich verstehe es und werde kämpfen, bis ich mein Ziel erreicht habe!“ „In Ordnung. Gleich morgen werde ich alles in die Wege leiten!“ Vater und ich hatte nun einen Deal. Nach unserem Gespräch ging ich in mein Zimmer und nahm ein heißes Bad. Gleich danach legte ich mich auch schlafen. Die Nacht kam mir viel zu kurz vor. Durch den enormen Zeitunterschied zwischen Deutschland und Korea kam ich nicht so ganz klar. Dies würde wohl noch eine Weile so weiter gehen. Wie jedes mal, übertraf Sumi sich selbst. Für mich alleine bereitete sie ein Frühstück vor, das womöglich für Zehn Personen gereicht hätte. Brötchen, Croissants, Toast, Frühstücksflocken, Tee, Saft, Wasser, Früchte und Obst standen vor mir auf dem Esstisch. „Rose, ich wusste nicht genau, was du jetzt gern frühstückst.“ „Sumi, ich bitte dich, mach dir bloß nicht so viel Mühe! Ich esse einfach alles, was du mir zubereitest.“ Über meine Komplimente freute sie sich am meisten, denn sie wusste, das ich sie niemals anlügen würde. Kurz vor der Mittagszeit entschied ich mich einen Spaziergang zu machen. Nebenbei schlenderte ich an alten Orten vorbei, an denen Anna und ich früher gewesen waren. Zuerst ging ich nach Myeongdong, eine Straße die sehr bekannt war, ganz besonders bei Touristen. In dieser Straße konnte man alles bekommen, sei es Kosmetik, Bekleidung, K-Pop Artikel oder sonstiges, in Myeongdong war man gut aufgehoben. Außerdem gab es dort unglaublich leckeres Street Food, was ich sehr gerne futterte. Zu jeder Uhrzeit waren die Straßen in Myeongdong voll von Menschen. In Myeongdong zu sein und nichts einzukaufen wäre total unrealistisch. Denn dort gab es einfach alles, was das Menschenherz begehrte. Zuerst schaute ich in einigen Bekleidungs- und Kosmetikläden herein. Im Bekleidungsgeschäft gefiel mir ein schwarzer A-Linien Rock aus dünnem, sommerlichem Stoff. In meiner Garderobe fehlten neue weiße, wie auch schwarze T-Shirts. Zu guter Letzt kaufte ich mir noch einen cremefarbigen Cardigan. In den Kosmetikgeschäften hinterließ ich so einiges von meinem Geld. Es war schon lange her, das ich in meinen Lieblingskosmetikläden so richtig, aus vollem Herzen einkaufen konnte. Ich schnappte mir eine Gesichtscreme, eine Creme extra für die Augen, einen neuen Toner, denn gerade ging meiner zu ende, und einige Gesichtsmasken. Die Geschichtsmasken aus Korea waren meine absolut liebsten. Das Personal in den Läden war ungeheuer freundlich und überhaupt nicht aufdringlich. Schon lange wurde ich nicht mehr so gut beraten worden. Da ich so viel bei ihnen im Geschäft kaufte, legten sie mir einige Geschenke und Proben in die Tüte. So machte mir Shoppen Spaß. „Ich bin wieder Zuhause! Jemand da?“ „Rose. Ich bin im Wohnzimmer!“ „Was machst du da, Mama?“ „Ich packe meine Handtasche! Ich dachte, wir beide verbringen den Rest des Tages zusammen. Was hältst du davon? Außerdem habe ich eine Überraschung für dich.“ „Ja, sehr gerne! Was für eine Überraschung? Du weißt doch, ich mag keine Überraschungen!“ So etwas wie Überraschungen mochte ich noch nie, denn Situationen oder Dinge, die ich nicht unter Kontrolle hatte, konnte ich nicht leiden. „Kein Kommentar! Lass dich einfach überrasche. Es wird dir wirklich gefallen.“ Was hatte meine Mutter jetzt schon wieder vor? Ein mulmiges Gefühl tauchte in meinen Magen auf. Zuerst schleppte sie mich in ein Spa, dann zur Maniküre und Pediküre. Als nächstes brachte sie mich zu den edelsten Bekleidungsgeschäften Seouls, in denen sie selber ständig einkaufte. Dies artete vollkommen aus. Aus ein bisschen Shopping wurde ein kompletter Großeinkauf. Sie überredete mich Kleidung zu kaufen, in denen ich mich nicht wirklich wohl fühlte. Mein Kleidungsstil bezog sich mehr auf schlichtes und unauffälliges. Desto weniger ich auffiel, desto mehr gefiel es mir. Doch das war hier überhaupt nicht der Fall. In Korea war es vollkommen normal sich auffällig und luxuriös zu kleiden. Zum Schluss gingen wir in einen Laden herein, der, wie es aussah, nur Uniformen verkaufte. „Was wollen wir hier?“ „Ich hatte doch gesagt, dass ich eine Überraschung für dich habe! Dein Vater telefonierte heute morgen mit der Direktorin der Hochbegabten Schule. Sie möchte dich mit Freude an ihrer Schule aufnehmen. Deswegen müssen wir jetzt deine Schuluniform abholen!“ Dass war etwas, was ich vollkommen vergaß. In Korea war es nämlich so, jede Schule besaß ihre eigene Schuluniform. In der Grundschule konnte man noch in normaler Straßenkleidung auftauchen, ab der Mittelschule musste man eine Schuluniform tragen. „Guten Tag! Ich bin Kim Sarah, wir haben heute morgen miteinander telefoniert.“ „Hallo Frau Kim Sarah! Ja natürlich, ich erinnere mich. Ich bringe Ihnen Ihre Schuluniform. Ihre Tochter ist wirklich ein bezauberndes Mädchen. Ich wünsche dir ganz viel Erfolg in der neuen Schule!“, umgab mich die Dame mit Komplimenten. Mein Gesicht lief knallrot an. Jedes mal, wenn mir jemand ein Kompliment machte, geschah genau das. Wahrscheinlich lief mein Gesicht so rot an, weil ich es nicht gewohnt war solche Worte zu hören. Wir bedankten uns höflich, indem wir uns verbeugten, und verließen den Laden. Von dem ganzen Einkaufsbummel knurrten unsere Mägen. Für Mutter war dies die Chance, mir ihr Lieblingsrestaurant zu zeigen. Sie sprach so oft von diesem Restaurant, dass ich ganz neugierig war. Gerade als wir bestellen wollten, entdeckten Mutters Freundinnen uns. Selbstverständlich bat Mutter ihre Freundinnen sich zu uns an den Tisch zu setzten. Jede der drei Damen war schlank, eher nicht besonders groß, aber sie alle waren hübsch. Ihre Gesichter waren makellos und perfekt. Deren Kleidung und ihre Accessoires sahen übelst teuer aus. Alle drei starrten mich mit neugierigen Augen an. „Sarah, möchtest du uns die junge Lady nicht vorstellen?“ „Oh, selbstverständlich. Das ist Rose, meine jüngste Tochter! Sie wird von nun an wieder in Seoul leben und auch hier demnächst zur Schule gehen.“ Natürlich lächelten sie mir alle höflich zu, doch ihre Augen sprachen etwas anderes. Die Frauen hatten viele Fragen an mich, wie ich in Deutschland lebte, welche Schule ich besuchte, wie meine Noten waren ect. Für sie stand es schon fest, dass ich in Korea scheitern würde. Über Anna hatte weder meine Mutter noch ihre Freundinnen ein Wort verloren. Da klingelte von einer der Frauen das Telefon. Es schien wohl ihr Sohn zu sein. „Ja Yeol, dann musst du her kommen! Wir sind in unserem üblichen Restaurant.“, sagte sie streng und beendete das Gespräch. Kurz bevor wir das Dessert bestellen wollte, da tauchte ihr Sohn auf. Ich traute meinen Augen nicht. Es war derselbe unhöfliche und freche Junge von vor einigen Tagen. Aus Peinlichkeit drehte ich mein Gesicht in Richtung Fenster, in der Hoffnung, er würde mich nicht erkennen. „Yeol, ich möchte dir Rose vorstellen! Das ist die jüngste Tochter von Kim Sarah und Kim Jong-Hun. Rose, das ist mein zweiter Sohn Chung Yeol.“,stellte sie uns einander vor. Von uns beiden kam nur eine stumpfe Verbeugung, mehr nicht. Es schien, dass nicht nur er mir unsympathisch war, sondern auch ich ihm. Sein Gesichtsausdruck sah verdammt abgeturnt aus. Dann musste meine Mutter einen Satz heraus hauen, der mich halb sterben ließ. „Chung Yeol wird auch immer hübscher, findest du nicht auch Rose? Ein sehr attraktiver junger Mann!“ Meine Hautfarbe im Gesicht änderte sich innerhalb von Sekunden von weiß auf knallrot. „Bring Rose doch nicht so in Verlegenheit, Sarah.“ Alle lachten um mich herum. Am liebsten wäre ich in diesem Moment geflüchtet. Natürlich baten sie ihn auch noch, sich zu uns an den Tisch zu setzten. Ich schämte mich in Grund und Boden. Um mich noch mehr in Verlegenheit zu bringen, lehnte er seinen Kopf an seine Hand und begann mich wie bescheuert anzustarren. Wäre das alles in Deutschland gewesen, hätte ich schon längst gefragt, was er mich so hässlich anstarrte, nur leider war das hier nicht angebracht. Die Zeit verging viel zu langsam, um genau zu sein, wie in Zeitlupe. Sie quatschten über die Hochbegabten Schule, die Chung Yeol ebenfalls besuchte, was für perfekte Noten er bekam, und wie toll er im großen und ganzen eigentlich war. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. „Mama, ich fühle mich nicht so gut, ich werde nach Hause gehen! Es hat mich sehr gefreut Sie alle kennenlernen zu dürfen.“ So schnell wie ich verschwand, mussten sie sonst was über mich gedacht haben, aber das war mir schnurz piep egal. Zuhause probierte ich aufgeregt die neue Schuluniform an. Sie bestand aus einer weißen, am Körper eng anliegenden Bluse, einer Schwarzen Fliege für Mädchen, einem grauen Blazer, einem kurzen grauen Rock, lange schwarze Overknee Socken und schwarze, vorne offene Schuhe. Dazu gab es für den Sommer eine weiße Bluse mit kurzen Ärmeln. Und für kalte Tage noch einen weißen Pullover mit einem V- Ausschnitt. Die Schuluniform sah an mir verdammt gut aus. Darin konnte ich mich wohl fühlen. Erschöpft von dem anstrengenden Tag sprang ich in mein kuscheliges Bett. Bald würde die Schule los gehen. Wie schnell die Zeit doch verging. In meinem Kopf häuften sich die Fragen. Wie würden wohl die anderen Schüler auf mich reagieren? Was würden sie über mich denken oder sagen? Würde ich es schaffen, neue Freundinnen zu finden? Wie würde wohl der Unterricht aussehen? Für die Anfangszeit müsste ich mir bestimmt einen Nachhilfelehrer besorgen. Ich wusste zwar, wie es in der Grundschule aussah, jedoch hatte ich absolut keinen Plan von der Oberschule. War mir überhaupt bewusst, worauf ich mich da einließ? Könnte ich mich an das Leben hier gewöhnen? Bei uns Zuhause mussten weder meine Eltern noch ich etwas selber machen, alles erledigten entweder die Haushälterin, der Gärtner oder sonst noch jemand. Früher war es für mich kein Problem, weil ich hier nie länger als drei Wochen verbrachte. Jetzt fühlte sich das alles so komisch an. Ich persönlich war ein Mensch, der gerne alles selber erledigte. Dieses Luxusgirl, dass keinen Finger krumm machen musste, dass war nicht ich. Auch am nächsten Morgen ließ mich die Unruhe und die Ungewissheit nicht in Ruhe. Um mich abzulenken, nahm ich mir vor, meinen Vater im Krankenhaus zu besuchen. „Hallo! Wo finde ich Kim Jong-Hun?“, erkundigte ich mich bei einer der Schwester. „Hallo. Er ist gerade in seinem Büro! Haben Sie einen Termin bei ihm? Oder kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“ „Ich bin seine Tochter Kim Rose.“ „Ah, verstehe! Sie können einfach hoch gehen, er wird sich freuen. Wissen Sie, wo sein Büro ist? Wenn nicht, ich kann Sie gerne hin führen!“ „Danke, ich weiß, wo sich sein Büro befindet!“ Aus dem Büro meines Vaters kam ein Mann heraus, der meiner Meinung nach, eine sehr unsympathische Aura ausstrahlte. „Hallo Papa, ich wollte dir mal einen Besuch abstatten! Mit was beschäftigst du dich gerade? Wer war der Mann, der aus deinem Büro heraus gekommen ist?“ „Es freut mich sehr dich hier zu sehen! Der Mann ist, wie du gerne sagst, meine rechte Hand, Kang Joon-Ho.“ Mein Vater und ich hielten einen kleinen Plausch und schon musste er wieder zurück zu seinen Patienten. So würde wohl auch später mein Leben aussehen, ein Leben für die Arbeit. Die nächsten Tage vergingen wie im Flug, Vorbereitungen hier und dort. Meinem Vater schien es jeden Tag besser zu gehen, durch die Entlastung auf der Arbeit. In wenigen Stunden würde der erste Schultag starten. Um frisch auszusehen nahm ich ein schönes heißes Bad, machte mir eine Feuchtigkeitsmaske auf mein Gesicht, legte mir meine Schuluniform zurecht und packte in meine Tasche Stifte und Hefte herein. Meine Bücher würde ich erst am ersten Schultag bekommen. In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu. Meine Nervosität, die Aufregung und die Gedanken machten mich fertig. Erst einige Stunden vor dem aufstehen schlief ich ein. Das klingeln meines Weckers ließ mich erschrocken aufspringen. Schnell putzte ich meine Zähne, wusch mein Gesicht und zog die Schuluniform an. Meine Haare lies ich offen. In der Küche hatte Sumi für mich schon eine Lunchbox für die Schule fertig gemacht. „Kleines, iss eine Kleinigkeit, bevor du zur Schule gehst!“ „Sumi? sehe ich so aus, als würde ich nur einen kleinen Bissen herunter bekommen? Meine Aufregung steht mir bis zum Hals!“ „Rose, mach dir keine Sorgen, es wird alles gut gehen, vertrau mir! Du hast keinerlei Grund, um nervös zu sein. Du hast so eine schöne, aufrichtige Aura. Die Mädchen werden sofort mit dir Freundschaft schließen wollen.“ Sumis nette Worte gaben mir etwas Kraft. Anscheinend gingen viele Schüler, die in meiner Gegend wohnten, in dieselbe Schule wie ich, weil sie alle die gleiche Schuluniform an hatten. Die Sache mit den Uniformen war gar nicht mal so schlecht. So konnte man von Anfang an sehen, wer zu welcher Schule gehörte. Die anderen Schüler waren direkt in ihre Klassen herein gegangen, ich musste in Richtung Lehrerzimmer. „Guten Morgen! Du musst Kim Rose sein?“, sprach mich einer der Lehrer an. „Guten Morgen!“, verbeugte ich mich. „Genau. Heute ist mein erster Tag an dieser Schule.“ „Das ist schön. Ich bin Lee Sun-Chul, dein Klassenlehrer! Komm mit, ich bringe dich in deine Klasse.“ Gemeinsam gingen wir in meine neue Klasse. Die anderen Mitschüler standen in Gruppen aufgeteilt und plauderten über ihre Erlebnisse in den Ferien, wer wo war, mit wem und was alles unternommen wurde. „Setzt euch bitte auf eure Plätze!“, legte Lehrer Lee Sun-Chul sein Buch auf den Pult. „Ich möchte euch eure neue Klassenkameradin vorstellen! Sie ist neu an unserer Schule, also seid freundlich zu ihr. Stell dich bitte vor!“ Alle Augen, sowie Aufmerksamkeit richtete sich nur auf mich. Die Neugier hatte ich förmlich an meinem Körper gespürt. „Hallo, ich bin Kim Rose und bin 18 Jahre alt. Ich hoffe, wir werden uns gut verstehen. Bitte kümmert euch um mich!“, verbeugte ich mich vor ihnen. Ihnen fiel das Zittern in meiner Stimme direkt auf. „Rose, setz dich bitte ganz hinten hin, beim freien Platz!“ Mit gesenktem Kopf ging ich in die Richtung, in die mir der Lehrer mit dem Finger zeigte. Von allen Seiten hörte ich die Mitschüler tuscheln. „Sie ist doch keine volle Koreanerin, oder?“ „Sie hat was Europäisches an sich!“ „Wie kommt es, dass jetzt auch Ausländer in unsere Schule gehen können?“ „Ich würde zu gerne wissen, wer ihre Eltern sind, dass sie sich diese Schule leisten kann.“ „Ich habe gehört, dass sie die Tochter von Kim Jong-Hun und Kim Sarah ist.“ „Dann hat Papa wohl viel Geld hingeblättert, dass sie hier zur Schule gehen kann!“ „Wie will sie denn mit uns mithalten?“ So reagierten die Mädchen auf mich. Die Jungs ganz im Gegenteil. „Wow, ist sie hübsch!“ „Ihre Figur sieht echt gut aus, vielleicht ist sie Sportlerin.“ „Vielleicht wird sie jetzt die neue Schulschönheit?“ „Die Mädels haben Konkurrenz bekommen!“ „Ich bin mal gespannt, ob sie auch so Intelligent ist, wie sie aussieht.“ „Verdammt ist sie attraktiv!“ „Vielleicht geht sie mit mir auf ein Date.“ Von den Emotionen her, hätte ich jede Sekunde los heulen können. Vor meinem Platz blieb ich stehen und vor mir saß der schönste Junge, den ich je in meinem Leben gesehen hatte. Das musste dann wohl mein Tischnachbar sein. Sein volles, schwarzes, nach hinten gekämmtes Haar ließ sein helles Gesicht, das einen leichten Femininen Touch hatte, aussehen, wie das von einer perfekten Puppe. Seine dunklen Augen funkelten wie die Sterne am Himmel. In seine vollen, rosaroten Lippen mochte man am liebsten rein beißen. Seine Figur war ebenso perfekt, wie der Rest von ihm. Außerdem war er ungefähr eineinhalb Köpfe größer als ich. Und dann diese Schuluniform an ihm, einfach nur göttlich. Sie stand ihm so gut wie keinem anderen Jungen. Die Art wie er mich in dem Moment anlächelte, ließ mich alles um mich herum vergessen. „Hi! Ich bin Jeong Min-Ho.“ „Hi, ich bin Kim Rose.“ „Rose, ich bin der Klassensprecher in unserer Klasse. Bei der nächsten Gelegenheit möchte ich dir gerne unsere Schule, wie auch die Räume zeigen, in denen wir Unterricht haben. Danach können wir deine Schulbücher holen. Wenn du sonst irgendwelche Fragen oder Probleme hast, hab keine Hemmungen und sprich mich einfach an!“ Dieses mal zwinkerte er mir zu und in mir entfachte es ein Feuerwerk an Gefühlen. Während des Unterrichts fiel mir ein, auf dem Tisch schlafender Junge auf. So auffällig wie er dort schlief, wunderte es mich, dass der Lehrer nichts dazu sagte. Vielleicht hatte er so gute Noten, sodass er sich es leisten konnte. Die ersten zwei Unterrichtsstunden vergangen ziemlich schnell. Während des Lehrerwechsels schnappte sich Min-Ho mich und zeigte mir in eiligem Tempo die wichtigsten Räume. Er war so freundlich und aufmerksam zu mir. Nach der Führung besorgten wir mir meine Bücher. In der Klasse hatten sich wieder Gruppen gebildet. Mich überkam das Gefühl, als hätte die ganze Klasse nur mich als Thema gehabt. Sogar die Schüler, von anderen Klassen kamen zu uns rüber, um mich anzugucken. Wie einen Affen im Zirkus. Zwei meiner Klassenkameradinnen näherten sich meinem Tisch.

Ersteinmal dachte ich, es würde gleich Stress geben oder so etwas ähnliches. Eingestellt war ich auf alles mögliche. „Hallo Rose. Es freut uns sehr, dich kennen zu lernen! Ich bin Mika und das ist Juna. Wollen wir Freundinnen sein? Hast du Lust mit uns zusammen nachher in die Cafeteria zu gehen und dort zu essen?“ Mika war ein super süßes Mädchen, von der Körpergröße war sie ungefähr 150cm groß, hatte langes dunkel braunes Haar, das sie jeden Tag zu zwei Köpfen band. Von der Figur her, war sie nicht so schlank wie die anderen Mädchen aus der Klasse, aber auch nicht dick, eher so eine normale Standard Figur. Das erste, was mir an ihr ins Auge sprang, waren ihre großen Brüste. Die Jungs geierten wie die bescheuerten auf ihren Busen, aber irgendwo konnte ich es ihnen nicht verübeln, ich musste selber ständig drauf schauen. Vom Charakter her, war sie eher die ruhigere und auch sehr schüchtern, sich durch zusetzten gehörte nicht zu ihren Stärken. Juna war das Gegenteil von Mika, eher eines des frecheren Typ Mädchen. Wenn ihr etwas nicht passte, dann sollte man sich gut festhalten. Sie sagte immer alles direkt ins Gesicht und sie kümmerte es nicht, was die Leute davon hielten. Sie ließ sich absolut nichts gefallen. Ich konnte den Grund, weshalb die beiden so gute Freundinnen waren sehr gut nachvollziehen, denn bekanntlich zogen sich Gegensätze an. Durch diese Gegensätze glichen sie einander völlig aus. Vom Aussehen her war Juna mehr der lässige Typ. Lockere Kleidung bevorzugte sie, obwohl sie es mit ihrer schlanken Figur gar nicht bräuchte. Sie könnte echt alles an Kleidung tragen und es würde super an ihr aussehen. Ihr Seitenpony verdeckte zur Hälfte ihre Stirn. Ihre hellbraunen Haare trug sie meistens offen, damit man ihre leicht unauffälligen Karamellligen Strähnchen sehen konnte. „Ich würde mich freuen, mit euch in der Cafeteria zu essen!“ Mir fiel ein Stein vom Herzen, dass wenigstens zwei meiner Klassenkameradinnen mich nicht verurteilten, sondern eher Interesse an mir zeigten. Jedoch wusste ich auf der anderen Seite nicht genau, ob dieses Interesse an mir positiv oder negativ war. Was wäre, wenn hinter diesem Interesse, eine hinterhältige Aktion stecken könnte? Diese Welt war für mich eine unbekannte. Die Schüler hier, konnte man unter keinen Umständen mit denen, aus meiner alten Klasse, in Deutschland vergleichen. Doch selbst in Deutschland musste mich Anna in der Anfangszeit vor so einigen Idioten beschützen. Hier war ich ganz auf mich alleine gestellt. Wenn ich Freundinnen finden wollte, musste ich ihnen blind und naiv vertrauen und schauen, wohin dies führen würde. Unser Klassensprecher, Jeong Min-Ho, stellte sich vor den Lehrerpult hin. „Hey, alle mal herhören! Wir haben die nächsten zwei Stunden Zeit, um uns selbstständig zu beschäftigen. Unser Englischlehrer hat ein spontanes, wichtiges Gespräch mit der Direktorin. Ich würde vorschlagen, dass wir diese Zeit nutzen und lernen! Dies könnten wir in Gruppen aufgeteilt machen. Dafür habe ich schon etwas vorbereitet. Es sollen spontan zusammengestellte Gruppen werden. Es kommt bitte einer nach dem anderen nach vorne und zieht aus diesem Karton einen farbigen Zettel heraus! Alle mit der gleichen Farbe gehören in eine Gruppe. Let‘s go!“ Der Karton war aus Pappe, nicht gerade groß, und man konnte definitiv nichts durch sehen. Nach und nach ging ein Schüler nach dem anderen nach vorne. Einige waren mit dieser Idee nicht zufrieden, weil sie mit Schülern in derselben Gruppe gewesen waren, die in dem Fach eher durchhingen. Wahrscheinlich war genau das der Sinn von Min-Hos Idee. Mich verwundert es, dass, obwohl die anderen mit dieser Idee nicht zufrieden waren, machten sie trotzdem mit. Klassensprecher Min-Ho behielt seine Klasse voll im Griff. Nun war ich an der Reihe. Mit einer Hand griff ich in den Karton und hoffte, in eine gute Gruppe zu kommen, in der ich kein Außenseiter sein würde. „Gelb!“ Nach mir zogen noch weitere Mitschüler und als letztes zog Min-Ho. Er zog einen gelben Zettel. „Wer ist noch alles in der gelben Gruppe?“ Voller Freude, Min-Ho in meiner Gruppe zu haben, stand ich als erstes auf. Nach mir zwei weitere Jungs. Neugierig schaute ich zu den beiden Jungs. Einer von ihnen saß in der zweiten Sitzreihe, bei dem anderen fiel mir fast das Gebiss aus dem Mund heraus. „Das kann doch nicht wahr sein! Ich bin mit ihm in einer Klasse? Der schlafende Junge war er?“, flüsterte ich vor mich hin. Meine Laune rollte in Blitzgeschwindigkeit den Bach herunter. Die beiden Jungs setzten sich zu Min-Ho und mir an den Tisch. „Hey? Sag mal stalkst du mich oder so? Egal, wo ich auch auftauche, ständig bist du auch dort!“, stellte sich Chung Yeol besonders wichtig dar. „Als hätte ich es nötig dich zu stalken! Wer bist du überhaupt? Denkst du, du bist ein Idol? Fame oder wie? Nein, das bist du nicht! Du bist ein einfacher, kleiner Schüler genauso wie ich. Also stell dich nicht so wichtig dar!“, platzte es aus mir heraus. „Oh! Was für eine Überraschung. Ihr beide kennt euch?“ „Nein Jae-Min. Dieses Mädchen scheint einfach nur verrückt nach mir und meinem verführerischen Charme zu sein.“ Jae-Min, der andere Junge aus unserer Gruppe, schüttelte den Kopf und lachte nur über Chung Yeols Gelaber. Mir war in diesem Moment überhaupt nicht nach lachen zumute. Min-Ho öffnete sein Englischbuch. „Weniger Diskutieren, mehr lernen, wenn wir besser sein wollen als die anderen Gruppen!“ Verträumt und verknallt, verharrte mein Blick bei Min-Ho. Diese männliche und zugleich sanfte Stimme, die Art wie er sprach, wie er etwas erklärte, die Wortwahl, diese Intelligenz, alles an diesem Jungen ließ mein Herz höher schlagen. Tief versunken in den Augen meines Traumprinzen, verspürte ich einen Tritt gegen mein Fuß. „Chung Yeol! Was soll das?“ „Wisch dir das Sabber aus dem Mundwinkel! Du bist so damit beschäftigt, Min-Ho mit deinen Augen aufzufressen, dass du gar nicht mitbekommst, dass du wie ein Hund sabberst! Darauf wollte ich dich lediglich aufmerksam machen. Denn, wenn es so weiter geht, schwimmen unsere Bücher noch drauf los. Kim Rose, ich bin bloß fürsorglich.“ Ich traute meinen Ohren nicht. Was tat dieser Idiot mir da bloß an? Min-Hos Wangen erröteten leicht und ihn packte das Grinsen. „Gefalle ich dir wirklich so sehr?“ „Äh, nein, nein, doch, also nicht in dem Sinne, ähm... Chung Yeol, du bist echt nicht ganz klar im Kopf!“ „Ist okay, Rose, ich verstehe schon!“, senkte Min-Ho sein Kopf in Richtung des Englischbuches. Mein Gesicht wurde roter und roter, sodass mir von dieser Hitze schlecht wurde. Ich wusste nicht, wie ich diese Situation noch retten konnte, also ließ ich es so stehen. Ohne weitere Ablenkungen überlebte ich die Hölle des Tages. Gemeinsam mit Mika und Juna liefen wir in die Cafeteria. Chung Yeol und Min-Ho schienen sehr beliebt bei den Mädchen in der Schule zu sein. Die beiden Jungs waren umzingelt von ihnen. Doch mir entging auch nicht, dass Min-Ho und Chung Yeol einander nicht ausstehen konnten. Das machte sich ganz besonders während der Gruppenarbeit bemerkbar. Vielleicht war es wegen dem Konkurrenz Kampf, um die besten Noten.Vielleicht war es der Optische Konkurrenz Kampf oder auch etwas völlig anderes. In der Cafeteria stellten sich die Schüler mit ihren Tabletts brav in eine Reihe. Eine Gruppe von fünf Mädchen drängelten einfach vor. Alle anderen nahmen es so hin und taten glatt so, als wäre es ihnen nicht aufgefallen. „Entschuldigung? Wie wäre es, wenn ihr euch genauso anstellt, wie wir alle auch!“, schlug Juna es ihnen in normalem Ton vor. Sie drehten sich in unsere Richtung. „Wer zum Teufel bist du, dass du meinst, uns etwas vorschreiben zu können? Weißt du überhaupt, wer wir sind? Wir sind die Schulschönheiten! Uns ist hier alles erlaubt!“ „Mich interessiert nicht, wer ihr seid! Schulschönheit hin oder her, wir haben alle Hunger und begrenzte Zeit! Also stellt euch gefälligst hinten an.“ Juna sprudelte vor Wut. In dem selben Moment ging ein Junge, aus unserer Nebenklasse, vorbei. Er war groß und muskulös, braunes kurzes Haar, kantige Gesichtszüge. Er sah verdammt gut aus, jedoch nicht so gut wie mein Prinz Min-Ho. „Na, wer weiß, ob ihr auch weiterhin die Schulschönheiten bleibt. Also ich persönlich, finde Rose um Hunderttausende Male hübscher als euch alle zusammen genommen!“ Der Typ haute den Satz heraus und verließ stumpf die Cafeteria. In meinem Kopf machte es Klick. Woher kannte er meinen Namen? Wer war dieser Junge? Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals zuvor gesehen zu haben. Durch seinen Spruch, den alle hörten, fühlten sich die Schulschönheiten blamiert und bloßgestellt. So verschwanden sie aus unserem Blickfeld. Mika, Juna und ich waren so gut wie fertig mit dem Essen, da kippte jemand Milch über mein Kopf aus. Alle, die in der Cafeteria saßen, machten riesig große Augen. Mich schockte die Handlung des Mädchens, mit der Juna vorher in einen Konflikt geraten war. „Das unterstreicht nur noch mehr deiner königlichen Schönheit! Legt euch nie wieder mit uns an, ist das klar! Ansonsten wird es beim nächsten mal nicht so harmlos ausgehen.“, meinte das Mädel uns zu drohen. Ich verkniff mir voller Kraft meine Tränen. Unter keinen Umständen wollte ich vor ihnen los heulen. Diese Genugtuung hätte ich ihnen nicht gegönnt. Das musste wohl Eifersucht gewesen sein, oder einfach nur gekränkter Stolz. Aber wieso musste es ausgerechnet so kommen? Wieso wurde man für die Gerechtigkeit bestraft? Was konnte ich für mein Aussehen? Wir hätten auch einfach die Klappe halten sollen, wie die anderen Schüler auch. Feinde, dass war das letzte, was ich brauchte. Schnell begab ich mich auf die Toilette, um den ganzen Mist aus den Haaren zu bekommen. So gut es ging, bekam ich das meiste aus meinen Haaren heraus gewaschen. Meine Uniform bliebt voller Flecken. „Toll, jetzt werden meine Klassenkameraden noch mehr zu tratschen haben.“, begutachtete ich mich im Spiegelbild. Vor der Klassentür erwischte mich Chung Yeol. „Neuling? Was ist mit dir geschehen? Wolltest du einer Kuh die Milch stehlen?“ „Ach, hau einfach ab! Ich habe keinen Nerv für deinen Schwachsinn.“ Er griff mich an meinem Handgelenk, und drückte mich gegen die Wand. Damit ich nicht abhauen konnte, lehnte er seinen Arm in der Höhe meiner Schultern gegen die Wand. Sein Gesicht kam dem meinem näher. „Ich frage noch einmal, was ist passiert? Wer war das?“ Sein Stimmenklang wurde tiefer und sein Gesichtsausdruck ernster. Um weitere Probleme zu vermeiden, blieb ich still und drehte meinen Kopf zur Seite. „Das waren unsere School Queens!“, und da tauchte wieder der fremde Junge aus der Cafeteria auf. „So ist das also!“ Herr Lee Sun-Chul kam uns entgegen und bat alle in die Klasse zu gehen. Plötzlich machte Chung Yeol die Biege. Der Koreanisch Unterricht begann und es fehlte immer noch jede Spur von ihm. „Hey, schaut mal aus dem Fenster! Was tun die da?“ „Das sind doch Yeol und Nam-Joon!“ „Was haben die vor?“ Jetzt kannte ich wenigstens den Namen des Fremden. „Und da sind die Schulschönheiten!“ „Streiten sie etwa miteinander?“ „Oh mein Gott! Seht nur was die Jungs mit ihnen anstellen!“ Erstmal führte Chung Yeol alleine ein Gespräch mit den Schulschönheiten. Anscheinend kamen diese nicht auf den selben Nenner. Chung Yeol drehte sich zu Nam-Joon und die beiden Jungs begannen die Mädchen mit Eiern zu bewerfen. Stumpf öffnete Jae-Min das Fenster, damit wir deren Gespräch einiger maßen besser hören konnten. Herr Lee Sun-Chul verbat es und rannte zu den beiden Jungs herunter. „Und, gefällt es euch, wenn man mit euch so einen Mist abzieht?“, brüllte Chung Yeol die Mädchen an. Nam-Joon blieb ebenfalls nicht ruhig. „Findet ihr es angenehm? Unterstreicht dies auch eurer Schönheit?“ Einige Minuten später kam auch Lehrer Lee bei ihnen an. Lehrer Lee schimpfte und schrie so laut, sodass wir oben im Klassenraum jedes einzelne Wort problemlos mitanhören konnten. Nam-Joon und Chung Yeol wehrten sich mit Argumenten und ließen sich nicht unter kriegen. Dann kamen sie alle wieder hoch und blieben vor der Klassentür stehen. „Rose, komm bitte raus!“, forderte der Lehrer. „Ist das wirklich wahr, was die Jungs mir erzählt haben? Haben die fünf Mädchen über dich Milch gekippt?“ Mein Blick wanderte in Richtung Boden. „Das sehen Sie doch.“, mischte sich Chung Yeol wieder ein. „Verstehe. Geht bitte zurück in die Klasse!“ Ich setzte mich auf mein Platz. „Chung Yeol, was sollte das? Wieso habt ihr das getan?“ „Niemand legt sich mit unserer Klasse an! Es ging weniger um dich, als darum, dass sie jemanden gedemütigt haben, der in unsere Klasse geht. Bilde dir nichts darauf ein!“, antwortete er eiskalt. Nach dem der erste Schultag vorbei war, fiel mir eine fette Last von den Schultern. An einem einzigen Tag war so viel geschehen. Bei jedem Gedankengang wusste ich, ich muss da jeden Tag wieder und wieder hin gehen. Ein Gefühlschaos überkam mich und mir fielen die Tränen herunter. Es löste eine schreckliche Sehnsucht nach Anna, nach meinen Freunden aus Deutschland und vor allem nach meinem alten Leben aus. Warum musste ich Vater so ein Versprechen geben? Wie sollte ich das bloß durchhalten? Dies war gerade mal der erste Tag gewesen. Diese ganzen schrecklichen Gefühle powerten mich so aus, dass ich auf meinem Bett einschlief. Am nächsten Morgen, auf dem Weg zur Schule, traf ich meine zwei neuen Freundinnen. „Die Jungs scheinen Hammer hart hinter dir zu stehen! Dass, was Chung Yeol gestern gesagt hat, war eine komplette Lüge. Es gab schon öfters Vorfälle, wo jemand aus der Klasse angemacht wurde, und keiner von den beiden hatte daran gedacht zu helfen, geschweige denn zu beschützen. Zu Hundert Prozent ging es ihnen nur um dich!“ „Was? Chung Yeol kann mich nicht ausstehen! Er würde mich nicht mal in den schlimmsten Fällen beschützen. Das kann nicht sein! Was ist eigentlich zwischen Chung Yeol und Min-Ho? Ich hatte den Anschein, als ob die beiden nichts mit einander zu tun haben wollen und sich nicht leiden können?! Und was hat es mit diesem Jungen auf sich? Diesen Nam-Joon?“ Die Mädels kicherten. „Das ist zum Teil richtig! Min-Ho und Chung Yeol sind halb Brüder. Deren Vater war untreu. Er war mit Min-Ho seiner Mutter verheiratet, und hatte nebenbei eine Geliebte, die Mutter von Chung Yeol. Beide wurden zur selben Zeit schwanger. Nach Chung Yeols Geburt nahm der Vater ihn zu sich.Wie du ja selber weißt, ist das normal, dass die Kinder beim Vater leben und aufwachsen. Min-Hos Mutter musste sich damit abfinden. Die beiden Jungs können sich wirklich nicht ausstehen! Es herrscht Zuhause auch großer Druck wegen den Noten. In der Schule sind sie knallharte Konkurrenten. Mal hat Chung Yeol bessere Noten und mal Min-Ho. Und zu deinem anderen Beschützer, Choi Nam-Joon. Er ist ebenfalls 18 Jahre alt, ist an unserer Schule ein Stipendium Kind. Seine Eltern sind weder Reich noch sonst irgendwie erfolgreich. Sie besitzen ein ganz kleines Restaurant, 15 Minuten von hier entfernt. Mehr wissen wir auch nicht, nur halt diese kurze Information. Nam-Joon gibt in der Schule nicht viel von sich Preis. Es haute uns von den Socken, als er den Spruch in der Cafeteria brachte.“ Ich verstand nicht, weshalb die beiden Jungs das taten. Und was mir am meisten Kopfzerbrechen bereitete, war Chung Yeol. Wir beide konnten uns von Anfang an nicht leiden, wieso beschützte er mich dann? Noch vor der ersten Unterrichtsstunde entschied ich mich, vor dem Klassenraum auf Chung Yeol zu warten, um noch einmal mit ihm über das Geschehene zu sprechen. „Hey Chung Yeol? Können wir reden?“ „Was willst du wieder, Neuling?“ Wir gingen um die Ecke, wo sich keiner mehr aufhielt. „Ich wollte mich noch einmal bei dir bedanken für gestern! Mir ist bewusst, dass du eine menge Ärger hättest kriegen können, und ich bin dir wirklich sehr dankbar, aber ich möchte nicht, das du so etwas noch einmal tust. Und eins verstehe ich nicht ganz. Wieso hast du es überhaupt getan? Du hast die Konsequenzen dafür gekannt und hast es trotz allem gemacht, warum? Ich habe eher das Gefühl, dass wir beide uns nicht ausstehen können!“ „Erstens, erlaube ich dir, mich einfach nur Yeol zu nennen! Zweitens, wer hat dir denn gesagt, dass ich dich nicht ausstehen kann? Ich stehe nicht auf dich, aber das heißt noch lange nicht, dass ich dich nicht leiden kann. Drittens, ja, ich kenne die Konsequenzen! Nichtsdestotrotz werde ich nicht zu lassen, dass man jemanden fertig macht, der neu in unserer Schule ist und niemanden hat oder kennt. Sie es mal so, meine Mutter ist mit deiner befreundet. Wie soll das aussehen, wenn deine Mutter davon Wind bekommt, dass ich in dieselbe Klasse gehe, und nichts unternommen habe? Es fällt negativ auf mich zurück! Viertens, bilde dir nichts darauf ein. Ich werde zwar immer ein Auge auf dich haben, aber sobald du dich hier eingefunden hast, bist du mich los!“ So beendete Yeol unser Gespräch und ging zurück in die Klasse, wo die Mädchen in wieder umzingelten. Ich fühlte eine Erleichterung, als ob mir tonnenschwere Steine vom Herzen gefallen waren. Die Doppelstunde Mathe hatte begonnen. Während des Unterrichts schob mir Min-Ho einen Zettel rüber:

Was läuft zwischen dir und Yeol? Ich

möchte nicht, dass du mit ihm zu tun hast!

Glaub mir, er ist kein guter Junge!

Die beiden waren doch Brüder, zwar nur halb, aber trotzdem Brüder. Warum hatte er so eine schlechte Meinung von ihm? Obwohl, er müsste Yeol in und auswendig kennen. Vielleicht war an seiner Meinung doch etwas dran? Bis auf diese Beschützerseite an ihm, gab es nichts positives über ihn zu sagen.

Nichts läuft zwischen ihm und mir! Er

hat mich gestern ausnahmsweise

beschützt, weil unsere Mütter

Freundinnen sind, mehr nicht.

Während der fünf Minutenpause übergab mir eine Klassenkameradin eine Geburtstagseinladung. „Ich habe am Samstag Geburtstag, alle aus unserem Jahrgang werden kommen, da darfst du nicht fehlen! Es wird ein Dresscode geben, elegant aber auffällig. Die Adresse steht auf der Einladung drauf.“ „Danke, ich werde auf jeden Fall kommen.“ Was sollte ich bloß anziehen? Wie meinte sie es: elegant aber auffällig? Mutter, sie müsste es wissen! Unsere nächste Unterrichtsstunde war Sport. Der Sportlehrer erwartete uns bereits auf dem Fußballfeld. Die Aufwärmübungen waren die Härte gewesen. Er ließ uns mehrere Runden um das Fußballfeld rennen. Joggen gehörte zwar zu einer meiner Lieblingsbeschäftigungen, jedoch tat ich dies mit kleinen Unterbrechungen. Hier ließ er uns keine Unterbrechung durchgehen, wir mussten so durchziehen. Keuchend und nach Luft schnappend, lag ich auf dem Rasen. „Teilt euch in zwei Mannschaften auf, Fußballzeit!“, befahl der Lehrer. Die Mannschaften bildeten sich relativ schnell. In meiner Mannschaft war unterdessen Jae-Min und Min-Ho. Der Anfang des Spiels kam langsam in Schwung. Plötzlich standen sich Min-Ho und Yeol gegenüber und dann legten sie richtig los. So viel Energie, so viel Wut und Aggressivität in einem Spiel hatte ich schon lange nicht mehr gesehen. Der Ball flog in meine Richtung und ich lief mit ihm zum gegnerischen Tor los. Im Ausweichen bin ich ein wahres Ass gewesen. Keiner vermutete, dass ich ein so guter Spieler war. Die meisten der Mitspieler blieben mit schockierenden Gesichtern stehen und beobachteten mich. „Tooor!“ „Wow, Rose ist bombastisch im Fußball! „Wahnsinn, habt ihr das gesehen?“ „Rose, beim nächsten mal gehörst du zu meiner Mannschaft!“ Meine Tore wurden von vielen positiv kommentiert. Selbstverständlich freute ich mich saumäßig darüber. Vielleicht wäre es möglich, durch den Sportunterricht einige Freundschaften mehr schließen zu können. „Wie ich gehört habe, hast du dich noch für keinen Club eingetragen. Wie wäre es mit Fußball, oder Basketball? Wir haben in beiden Vereinen gute Leute, dort würdest du super rein passen!“ „Herr Lehrer, ich weiß noch nicht genau, wo ich mich eintragen werde. Ich dachte eher an den Kunstclub.“ „Denk nicht zu lange nach! Mit deinem Talent solltest du etwas mit Sport nehmen. Es würde gut in deinem Zeugnis aussehen!“ „Juna, Mika! In welche Clubs seid ihr beigetreten? Ich bin so Planlos.“ „Wir sind beide im Theaterclub.“ „Ich bin noch zusätzlich im Tanzclub. Wenn du Talent zum tanzen hast, komm auch!“, schlug Juna vor. „Hm, Theater ist nicht so mein Ding, tanzen kann ich auch nicht so gut. Wenn ich tanze, dann sieht es eher aus, als wenn ein Stein versucht sich zu bewegen. „Dann wird es wohl doch einer der Sportclubs!“ „Wenn du Interesse hast, kannst du nach Unterrichtsschluss mit mir zur Mathe Nachhilfe mitkommen. Uns unterrichtet einer der besten Lehrer aus ganz Seoul.“, sprang Min-Ho zu unserem Gespräch dazu. „Oh, ja gerne. Nachhilfe in Mathe wäre gar nicht mal so schlecht. Ich bin dabei!“ Eigentlich waren meine Noten in Mathematik ziemlich gut, doch die Vorstellung mit Min-Ho auch nach der Schule Zeit zu verbringen, machte mich ganz verrückt. Man sagt doch, desto öfter man einen Menschen sieht und mit ihm Zeit verbringt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich in einander verliebt. Dafür lohnte es sich, sich auf dumm zu stellen. Wie vereinbart gingen wir nach Unterrichtsschluss gemeinsam zur Mathe Nachhilfe. Der Raum, in dem wir die Nachhilfestunde hatten war voll. Viele aus unserem Jahrgang gingen dort hin. Der Lehrer wirkte auf mich sehr streng und seriös. Bei ihm durfte man sich keine Scherze erlauben, ansonsten würde man hochkantig den Unterricht verlassen müssen. Seine Liste von interessierten Schülern war nämlich ziemlich lang, und jeder, der den Unterricht nicht ernst nahm, musste gehen. Um Min-Hos Aufmerksamkeit zu bekommen, stellte ich mich ein bisschen unbeholfen an. „Hier guck mal, mach das lieber so! So kommst du schneller und einfacher zum Ergebnis.“ Wir saßen sehr nah nebeneinander. Unsere Schultern berührten sich einige Male. Er roch so gut. Jedes mal, wenn er mir etwas erklärte, leckte er seine Lippen an. So landete meine Aufmerksamkeit ständig bei seinen Lippen. Die Art, wie er mich ansah, wenn er mir etwas erklärte, so ernst und voll im Thema drin, ließ mich dahinschmelzen. Am liebsten hätte ich ihm erklärt, wie er zum schnellsten Ergebnis kommen könnte, doch diesen Moment wollte ich mir selbst nicht ruinieren. Oft erwischte ich mich bei dem Gedanken, ihn küssen zu wollen. Seine Lippen wirkten so weich und anziehend auf mich. Wie konnte ein Mensch bloß so sexy sein? So wunderschön, so unwiderstehlich! Es gab oft Jungs, die ich attraktiv fand, jedoch war ich noch nie so verknallt. Bei jedem Klang seiner Stimme, bei jeder Berührung meiner Schulter oder meiner Hand ließ mein Puls rasen. „So das war‘s für heute!“, beendete der Lehrer den Unterricht. „Rose, hast du Lust mit mir essen zu gehen?“ „Ja klar! Also ich meine, ja, gerne.“ Er lachte laut. „Alles klar, los geht’s!“ Von großem Hunger überwältigt, entschieden wir uns etwas einfaches und schnelles zu essen. In einem Kiosk kaufte Min-Ho sich und mir Instant Ramennudel. Draußen, vor dem Kiosk machten wir es uns bequem und genossen das köstliche Essen. „Wen haben wir denn da? Das erste Date?“,tauchten Yeol und Nam-Joon wie von Zauberhand auf. „Nein, und selbst wenn, ich wüsste nicht, was es dich angehen würde.“ Eiskalt und mit scharfer Stimme konterte Min-Ho. „Lasst euch bloß nicht von uns stören!“ Die beiden Jungs setzten sich genau hinter uns hin. Mich überkam das Gefühl, das es volle Absicht war. Die Atmosphäre wurde anstrengend. „Min-Ho ich denke, ich sollte langsam nach Hause. Meine Eltern machen sich bestimmt schon Sorgen, wo ich stecke.“ „Ich werde dich bringen!“ „Oho, was für ein Gentleman: Rose ich werde dich bringen. Da erwartet wohl jemand einen Gute Nacht Kuss.“, hänselte Yeol seinen Halbbruder. „Halt bloß deine Fresse! Im Gegensatz zu dir, besitze ich Anstand und sorge mich um Menschen, die mir wichtig sind! Irgendwann wird deine Macho Maske fallen und dann wird jeder deinen verdorbenen Charakter erkennen.“ Auf dem Weg zu mir, ergriff ich die Gelegenheit, um etwas mehr über die beiden zu erfahren. „Was ist bloß mit euch beiden los? Wieso seid ihr so zu einander? Verhaltet ihr euch Zuhause etwa auch so?“ „Ich habe dir doch schon einmal gesagt, Yeol ist ein schlechter Mensch! Er schlägt sich, hängt mit komischen Leuten ab, sucht ständig Streit, nimmt sich ein Mädchen nach dem anderen und schmeißt sie dann wie Müll weg. Er hat nicht einmal richtige Freunde. Zum ersten mal habe ich ihn heute mit diesem komischen Nam-Joon gesehen. Wahrscheinlich sind sie jetzt, seid ihrer letzten gemeinsamen Aktion miteinander befreundet. Yeol mag Menschen, die nach seiner Nase tanzen und genauso drauf sind wie er. Dieser Nam-Joon sucht bloß seine Aufmerksamkeit und seine Freundschaft. Was anderes kann ich mir da nicht vorstellen. Ich kenne dich zwar noch nicht so lange, aber du bedeutest mir jetzt schon eine Menge, deswegen möchte ich nicht, dass du zu viel Kontakt zu Yeol hast. Er ist ein schlechter Einfluss! Du bist ein reines Mädchen, du sollst nicht leiden, nicht wegen diesem Dreckskerl.“ Ich bedeutete ihm eine Menge, sagte er. Mein Herz machte Freudensprünge. Vor dem Eingangstor standen wir einige Sekunden sprachlos herum und starrten blöd durch die Gegend. „Ich werde mal rein gehen.“ „Ähm, Rose!“ Aus heiterem Himmel gab er mir einen sanften Kuss auf die Wange. Mit weit geöffneten Augen blieb ich erstarrt stehen und konnte gar nicht fassen, was gerade geschehen war. Dieser Moment kam für mich überrascht, denn ich hätte nie vermutete, dass ich ihm genauso gefalle, wie er mir. Im siebten Himmel schwebte ich in mein Zimmer herein. An meiner Wange füllte ich immer noch seine weichen, sanften Lippen. „Oh mein Gott, wie soll ich ihm morgen in die Augen schauen, ohne rot zu werden? Sobald ich ihn sehe, werde ich doch rot anlaufen wie eine Tomate.“ Seitdem ich ihn Seoul angekommen war, war dies, eines der schönsten Tage für mich. Im Hof hörte ich ein Auto parken, dass musste wohl Mutter gewesen sein, die gerade von der Arbeit zurück kam. „Mama, Mama! Ich brauche deine Hilfe! Was verstehst du unter elegant aber auffällig? Eine Klassenkameradin hat am Samstag Geburtstag und sie hat mich eingeladen. Dresscode ist: elegant aber auffällig.“ „Das ist doch eine tolle Neuigkeit! So hast du die Gelegenheit deine Mitschüler besser kennenzulernen! Für diesen Anlass, habe ich schon die Perfekten Kleider im Auge. Ich werde morgen bei einem Bekleidungsgeschäft anrufen und dir einige Kleider raus hängen lassen, welche zu dem Dresscode passen. Die Adresse des Ladens schicke ich dir dann per SMS.“ „Danke, Mama. Du bist die Beste!“ „Ich habe Vater schon lange nicht mehr gesehen. Arbeitet er wieder so viel?“, erkundigte ich mich. „Ja Kleines, er hat wieder viel zu tun!Leider ist es nun mal so in diesem Beruf, das wirst du früher oder später auch erkennen und verstehen. Er kann nicht einfach verschwinden, nur weil er Feierabend hat.“ „Wofür ist denn dann dieser Kang Joon-Ho da? Seine Aufgabe ist es doch, Vater stressige Arbeit abzunehmen! Vater verfällt wieder in seinem vergangenen Muster. Was ist, wenn sich sein Gesundheitszustand dadurch wieder verschlechtert?“ „Kleines, ich verstehe deine Sorge, aber leider können wir nichts dagegen unternehmen. Wir müssen die Entscheidungen deines Vater akzeptieren und ihn so gut wir können unterstützen. Ich rechne jeden Tag damit, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtern könnte, und ich habe verdammt große Angst vor diesem Tag! Aber seine Arbeit gehört zu seinem Leben, er kennt nichts anderes und wenn er plötzlich ganz aufhören würde, könnte dies genauso für seine Gesundheit schädlich sein. Seine Psyche könnte dadurch einen gewaltigen Knacks nehmen. Du solltest dich erst mal ganz auf dich konzentrieren und einen perfekten Schulabschluss hinlegen!“ Wie immer hatte meine Mutter Recht gehabt, ich musste mich auf mich konzentrieren, um Vaters Wusch später erfüllen zu können. Sehr früh legte ich mich schlafen, damit ich frisch für den nächsten Tag aussah. Wie von Mutter versprochen, schickte sie mir die Adresse des Bekleidungsgeschäftes. Nach der Schule schnappte ich mir Mika und Juna und zusammen gingen wir zum Laden. „Guten Tag, mein Name ist Kim Rose. Meine Mutter Kim Sarah hat bei Ihnen angerufen.“ „Hallo junges Fräulein, ich habe schon einige Kleider für Sie heraus gehängt.“ Sie zeigte mir ein Kleid nach dem anderen. Eins war schönes als das andere. Es waren so richtige Prinzessinnenkleider, aber auch sehr elegant gehalten, ohne viel Glitzer und Krimskrams. Als erstes probierte ich ein rosafarbenes Kleid, dass Schulterfrei war, viel Tüll umgab dieses Kleid. Juna lehnte dieses Kleid direkt ab. Dann ein weißes, kurzes Kleid mit kurzen Ärmeln. Das gefiel beiden Mädels. Als letztes, ein Sandfarbenes, beiges, langärmeliges Kleid aus dünnem, leichten Stoff. Es erreichte von der Länge her gerade so meine Knie. Obenrum hatte es ein Schiffsausschnitt, an der Taille eine kleine Schleife. Am Rockteil waren noch leichte Kreise als Muster. „Aw, das ist ideal! Perfekt! Du wirst sie alle umhauen.“, waren Mika und Juna vor Begeisterung hin und weg. Die Verkäuferin brachte mir noch weiße Perlenohrringe, eine Kette, weiße, matte High Heels und eine weiße, matte Klatsch. Das Outfit war perfekt für den Geburtstag, wie meine Klassenkameradin es haben wollte, elegant aber auffällig. Ob ich den anderen gefallen würde oder nicht, war mir irrelevant. Meine einzige Sorge war, ob ich Min-Ho gefallen würde. Eine ganz besondere Sache, wusste ich jedoch noch nicht. Nachdem wir das Kleid für mich gekauft hatten, besorgte ich noch ein Geburtstagsgeschenk für Su-Bin. Da ich sie nicht gut kannte und somit auch nicht wusste, was ihr gefiel oder was sie mochte, dachte ich an eine Handtasche. Jede Frau würde sich über eine Handtasche freuen. Bei Chanel entdeckte ich eine Limitierte Edition von einer Handtasche. Sie war schwarz-braun und würde zu jeden Outfit passen. Diese würde ihr mit Sicherheit gefallen. In der Schule trat ich dem Mädchen Basketballclub bei. Erstmal waren die anderen Mädchen nicht begeistert, dass ich beitreten wollte, doch nachdem sie mich spielen sahen, wollten sie mich nicht mehr gehen lassen. Der Samstag stand nun vor der Tür. An diesem Tag schlief ich aus, frühstückte in aller Ruhe und ging in mein Zimmer zurück. Die Zeit raste wie verrückt an mir vorbei. Die Vorbereitungen für den Abend starteten. Zuerst nahm ich ein Bad, steckte danach meine Haare zu einer Hochsteckfrisur zusammen und begann mit meinem Abend Make-Up. Mit einem flüchtigen Blick schmiss ich ein Auge auf die Uhr. Ich war spät dran. Eiligst schlüpfte ich in mein Kleid, zog die Accessoires an, griff mir meine Klatsch und schnappte mir noch das Geschenk. Draußen erwartete mich schon mein Chauffeur. Das Haus meiner Klassenkameradin, Su-Bin, war auch groß, sah aber schon älter aus. Ich nahm an, das Haus gehörte einst ihren Großeltern. Vor ihrer Eingangstür stand ein Security, dem jeder einzelne, der dort rein wollte, seine Einladungskarte zeigen musste. Drinnen, in ihrem Haus sah es sehr hübsch aus. Schlichte weiße Wände, ein paar Familienfotos und ein ganz großes gemaltes Porträt von Su-Bin. Die Feier fand in ihrem riesigen Wohnzimmer statt. Dieser war so groß, sodass man genügend Platz zum tanzen und zum herum stehen hatte. Außerdem gab es ein überaus großes Buffet. Es waren unglaublich viele Leute da. Einige kannte ich vom sehen aus der Schule. „Happy Birthday Su-Bin! Das ist mein Geschenk für dich. Nochmal vielen Dank für die Einladung!“ Obwohl es Su-Bins Geburtstag war, wirkte sie auf mich nicht gerade glücklich. Sie verhielt sich noch kälter als in der Schule, ihr Benehmen ließ auch zu wünschen übrig. „Danke. Du kannst es zu den anderen Geschenken stellen, drüben an den Tisch!“ Ihr Desinteresse an meinem Geschenk konnte ich kaum übersehen. Der Tisch mit den Geschenken war voll gestellt. Es lagen dort Geschenke jeglicher Form und Größe. Min-Ho entdeckte mich schneller als von mir erwartet. „Wow! Du siehst fantastisch aus, Rose! Mir fehlen die Worte.“ „Oh, vielen Dank! Es freut mich sehr, dass dir mein Outfit gefällt.“ Durch Min-Ho hindurch, entdeckte ich, in einer weiten Ecke, Yeol sitzen, der von dort aus alles beobachtete. Wie immer kreisten um ihn herum alles nur Weiber. „Rose, Rose, wir sind hier!“, winkten mir Juna und Mika zu. „Endlich! Hatte schon Angst, dass ihr nicht kommt.“ „Hier, nimm etwas zu trinken!“, übergab mir Juna ein Glas mit Saft, da in Su-Bins Haus Alkohol tabu war. Juna trug ein braunes, glitzerndes Kleid, das ihren ganzen Körper verdeckte. Dazu hatte sie schwarze High Heels an. Sie sah überragend aus. Mika war auch nicht ohne gewesen. Sie trug ein Bodenlanges, dunkelblaues, A Linien Kleid, das ein V-Ausschnitt hatte, und mit Perlen besetzt war. Ihre großen Brüste kamen darin super zur Geltung. Nur kurze Zeit verging, da wurden die beiden von zwei Jungs zum tanzen aufgefordert. Ich stellte mich in die Nähe der Tür hin und beobachtete alles. Rein zufällig hörte ich ein Gespräch zwischen zwei Mädchen und einem Jungen. „Du hast dich für den heutigen Tag richtig schick gemacht! Wie kannst du dir denn so einen teuren Smoking leisten? Wie wir wissen, sind deine Eltern doch arme Menschen oder nicht?“ „Meine Eltern sind nicht arm!“, flüsterte der Junge. „Ich arbeite neben der Schule.“ „Erzähl doch nicht! Ich denke nicht, dass du so viel Geld von einer Halbstelle kriegst. Sei doch ehrlich, der ist doch geliehen. Geliehene Kleidung ist echt widerlich! Was soll man von einem Stipendium Kind auch erwarten.“ Bei dem Wort ‚Stipendium Kind‘musste ich mich einfach dahin drehen und schauen, wer diese Personen waren. Die zwei Mädchen waren aus unserer Schule gewesen und der Junge war, wie ich schon annahm, Choi Nam-Joon. In dieses Gespräch musste ich einfach meine Nase reinstecken. An meinem ersten Schultag hatte mich Choi Nam-Joon vor den Schulschönheiten beschützt und nun war ich an der Reihe ihn zu beschützen. „Was erlaubt ihr euch überhaupt? Wo ist der Unterschied, ob reich oder arm? Wir sind alle gleich! Geld ist lediglich Papier, es kommt und geht. Wer hat eigentlich gesagt, das Nam-Joons Eltern arm sind? Was bildet ihr euch ein, über Menschen zu urteilen, die ihr gar nicht kennt?!“ Selbstverständlich hielten die Mädchen nicht ihre Klappe. „Wer hat dich eigentlich nach deiner Meinung gefragt? Gehörst du nicht auch zu den super reichen? Geld kommt und geht? Was ist das für eine Aussage? Was würdest du denn ohne das Geld deines Vaters tun? Du bist einfach nur erbärmlich! Stellst dich dar wie Mutter Teresa und bist nicht besser.“ „Und du denkst, du würdest mich kennen? Du weißt absolut nichts über mich! Ich kenne beide Seiten, sowohl die reiche als auch die arme. Und ihr habt kein Recht so über Choi Nam-Joon zu sprechen! Wer erbärmlich ist, seid ganz alleine ihr! Ohne Geld wärt ihr ein nichts! Choi Nam-Joon ist ein wundervoller, ehrlicher Mensch. Er hat wenigstens Persönlichkeit und ein aufrichtiges Herz, im Gegensatz zu euch Hexen! Komm Choi Nam-Joon, wir verlassen dieses dumme Gespräch!“ In der Wut vertieft, vergaß ich vollkommen, dass man hier gewisse Berührungen ernster nahm, als bei uns in Deutschland, so griff ich seine Hand und zog ihn von den Mädchen weg. „Warum hast du dich da eingemischt, Rose? Du hättest es nicht tun müssen! Ich bin an so etwas schon gewohnt und mir macht es nichts mehr aus.“ „Bist du verrückt? Wie kann man sich an so etwas gewöhnen? Ich werde dich immer beschützten, genauso wie du mich an meinem ersten Schultag beschützt hast! Damals hast du dich für mich eingesetzt, obwohl du mich nicht einmal gekannt hast.“ In seinen Augen sah ich die Dankbarkeit und die Freude darüber, dass ihn jemand in Schutz genommen hatte, mehr als nur deutlich, denn seine Augen strahlten, und ich könnte schwören, er hatte Tränen in den Augen. „Choi Nam-Joon? Ist bei dir alles in Ordnung? Was war da los?“, interessierte sich urplötzlich Yeol für die Angelegenheit. „Wo warst du überhaupt? Wieso hast du ihn nicht verteidigt? Du bist doch sein Freund oder tust du bloß so? Für nichts zu gebrauchen ein Freund wie du!“, überkam es mich. „Du hast meinen Platz ziemlich gut eingenommen!“, und schon ging er beleidigt davon. „Würdest du mir die Ehre erweisen, Rose, und mit mir tanzen?“ „Ja, sehr gerne. Aber ich warne dich, ich bin ein grottenschlechter Tänzer!“ In Wahrheit hatte ich den ganze Abend darauf gewartet, dass Min-Ho mich zum tanzen auffordern, oder wenigstens ein Gespräch zu mir suchen würde, jedoch passierte nichts davon. Er beschäftigte sich die ganze Zeit mit anderen Mädchen, suchte das Gespräch zu jeder anderen, nur nicht zu mir, im Gegensatz zu Choi Nam-Joon, der mir nicht einmal von der Seite wich. Selbst, wenn ich zum WC ging, stand er vor der Tür und wartete auf mich. Das wurde mir allerdings etwas zu viel. Ein Gefühl des Unwohlseins überkam mich. „Choi Nam-Joon, es ist relativ spät, ich werde mich auf den Weg nach Hause machen! Wir sehen uns in der Schule. Wünsche dir noch einen angenehmen Abend.“„Warte! Darf ich dich nach Hause begleiten? Du solltest so spät nicht alleine nach Hause gehen, dass ist gefährlich!“ „Ist nicht nötig! Mein Chauffeur holt mich ab. Aber danke, dass du dir Sorgen um mich machst! Bis dann.“ Mir tat es leid, ihn anlügen zu müssen, denn in Wahrheit holte mich mein Chauffeur nicht ab. Ich wollte lediglich alleine nach Hause gehen. Kurz vor meinem Haus traf ich auf Yeol. „Was suchst du hier?“ „Ich habe auf dich gewartet! Können wir reden?“ „Ja, aber lass uns ein bisschen weiter weg gehen! Ich möchte nicht, dass uns jemand von meiner Familie hier zusammen sieht.“ „Ich finde nicht, dass man sich für mich schämen müsste. Aber ich komme mal direkt zur Sache! Das mit Nam-Joon heute, hast du eigentlich überlegt, was du da tust? Machst du dir keine Gedanken darüber, dass er das alles in den falschen Hals bekommen kann? Du hast ihn so energetisch und voller Kampfgeist verteidigt, es erweckt glatt den Anschein, als wärst du in ihn verliebt.“ „Nein, ich bin nicht in ihn verliebt! Ich mag jemand anderen. Für mich persönlich gab es keinen Grund, sich darüber Gedanken zu machen! Er beschützt mich und ich ihn. Das ist meine Art sich bei ihm zu bedanken. Du kannst dich nicht in seine Situation hinein versetzten, an dir kleben die Mädchen von morgens bis abends! Du bist beliebt, reich und gutaussehend, was sollst du davon verstehen?! Er ist das komplette Gegenteil, er sieht zwar gut aus, aber das er, seine Familie nicht reich ist, macht viel aus, in unserer Schule. Denkst du, es ist schön für ihn, Stipendium Kind genannt zu werden? Du bist sein Freund, wie es den Anschein macht, wieso lässt du so welche Geschehnisse zu? Was ist das für eine Freundschaft? Oder bist du so egoistisch, und denkst nicht an die Gefühle von anderen?“ „Rose, ich bin sein Freund, aber nicht so wie du denkst! Wir sehen uns in der Schule, begrüßen uns, haben Kurse zusammen und haben uns einmal nach der Schule getroffen, mehr auch nicht. Warum sollte ich jemanden beschützen, den ich kaum kenne? Außerdem, du weißt gar nichts über mich und meine Persönlichkeit! Im Grunde, wollte ich dich nur warnen, nicht das deine ganze Mühe nach hinten los geht! Pass auf dich auf!“ Vielleicht hatte Yeol nicht ganz unrecht. Was wäre, wenn Choi Nam-Joon meine Taten wirklich falsch interpretiert? Allerdings lieferte ich ihm keinerlei Gründe, um falsche Züge daraus ziehen zu können. Diese Nacht fühlte sich für mich unendlich lang an. Jedes mal, wenn ich einschlief, wachte ich genau eine Stunde später wieder auf. So ging es die ganze Nacht über. Zum Frühstück bereitete Sumi Pancakes zu, dazu gab es noch Früchte und Obst.

Mutter und Vater hatten einen freien Tag von der Arbeit. Vater überkam die Lust, die Zeit mit uns Zuhause zu verbringen und Spiele zu spielen. Solche fantastischen, gemeinsamen Zeiten hätten Anna und ich uns in der Kindheit gewünscht. Nach einigen Spielen wurde mein Vater etwas blass im Gesicht. Er legte sich hin. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich wieder. Es fühlte sich schrecklich an, mit anzusehen wie es deinen liebsten Menschen schlecht ging und du konntest absolut nichts dagegen unternehmen. Ich fühlte mich in solchen Momenten schwach, machtlos und nutzlos. Es war wieder Montag. Auf dem Gang zu meiner Klasse tuschelten die Schüler. Irgendetwas musste wieder los sein. Auf meinem Tisch stand ein wunderschöner Strauß Rosen mit Pralinen daneben. In dem Strauß steckte eine kleine Karte:

Rose, ich bin dir für gestern überaus

dankbar! Mit diesen Rosen möchte ich

dir meine Gefühle offenbaren. Du bist

Mitabstand das tollste Mädchen, dass

ich kenne. Möchtest du mein Mädchen

sein?

Ich liebe dich!

Was zum Teufel war nun los? Das konnte doch nicht wahr sein, das er meine Handlungen doch falsch verstand. Mit den Rosen und den Pralinen in der Hand machte ich mich auf den Weg zu Choi Nam-Joons Klasse. „Hey Choi Nam-Joon, komm mal bitte mit raus! Ich möchte mit dir reden.“ Er grinste voller Freude, weil er sowohl die Blumen wie auch die Pralinen in meiner Hand sah. „Ich hoffe, sie gefallen dir! Rose, möchtest du mit mir zusammen sein? Ich meine es wirklich ernst! Ich bin seit deinem ersten Schultag in dich verliebt. Das mit uns muss Schicksal sein. Seit dem du hier bist, fühle ich mich wie ein ganz anderer Mensch. Lass uns zusammen sein! Ich weiß, dass du mich auch gern hast. Gestern hast du meine Hand genommen, als du mich weg gezogen hast. Das hatte doch etwas zu bedeuten, denn ich spürte förmlich deine Gefühle zu mir.“ „Nein Nam-Joon! Das hatte nichts zu bedeuten. Ich wollte dich dort einfach nur weg holen, mehr auch nicht. Bitte nimm die Blumen und die Pralinen zurück! Tu so etwas nie wieder, das hat mich sehr in Verlegenheit gebracht und ich fühle mich gerade nicht wohl. Lass uns einfach Freunde bleiben, nicht mehr und nicht weniger!“ Mit diesen Worten legte ich ihm die Blumen und die Pralinen in die Arme und ging weg. „Ich hab es dir doch gesagt! Man, bin ich gut. Ich sollte Hellseher werden.“, stand Yeol angelehnt an der Wand und belauschte uns von der Ecke aus. „.ich hat niemand gefragt! Außerdem, es ist eine schlechte Angewohnheit fremde Menschen zu belauschen! Dir sollten die Ohren abfallen!“ Vom Mathe Unterricht bekam ich kaum etwas mit. Meine Gedanken kreisten um die Sache mit Nam-Joon. Ich fühlte mich schlecht und hoffte, dass ich nicht zu hart und streng zu ihm gewesen bin. Folgend hörte ich, wie es die anderen belustigte, dass er einen Korb kassiert hatte. Zu Anfang der Pause brachte mir ein Junge, aus Nam-Joons Klasse, einen Zettel:

Komm bitte auf das Dach hoch! Ich

muss mit dir reden. Wenn du nicht

kommst, wirst du es ein Leben lang

bereuen!

Choi Nam-Joon

Das hörte sich nicht nach Nam-Joon an. Diesen drohenden Ton kannte ich nicht von ihm. Um genaueres zu erfahren, ging ich hoch auf das Dach. Die Dächer von den Schulen Seouls waren flach, sodass man dort hinauf konnte. Von den Lehrern aus, war es verboten dort hoch zu gehen, die meisten Schüler jedoch taten es trotzdem. Dort konnte man seine Ruhe finden, wenn man sie brauchte, sich verkriechen, manche aßen sogar auf dem Dach. Nam-Joon stand dort alleine. „Was ist los? Warum muss unser Gespräch ausgerechnet hier oben stattfinden?“ „Ich möchte dich nochmal bitten, bitte Rose, sei mein Mädchen, meine feste Freundin! Du kannst mir nicht einfach einen Korb geben! Seit dem ich dich kenne, ist mein Leben viel besser geworden. Ich bin endlich glücklich, so ein Gefühl hatte ich noch nie in meinem Leben. Dank dir, komme ich endlich aus mir heraus. Ich weiß genau, dass du mich auch liebst. Du hast es mir gestern vor allen Menschen auf der Geburtstagsfeier von Su-Bin bewiesen. Jeder hat verstanden, dass du und ich Gefühle für einander haben. Du hast mir doch gestern gesagt, du beschützt mich und ich dich. Das sagen nur Menschen zu einander, die sich wahrhaftig lieben! Weißt du eigentlich, wie mein Leben vor dir aussah? Es war die Hölle! Niemand hat sich für mich interessiert, niemand hat sich je in meinem Leben so für mich eingesetzt. Plötzlich bist du da und es haben einige Schüler angefangen sich mit mir zu unterhalten. Weißt du, wie es ist, nicht mal einen Namen zu haben und nur das Stipendium Kind zu sein? Weißt du, wie es ist, in eine Schule zu gehen, wo es von reichen Kindern nur so wimmelt? Sie schmeißen mit Geld um sich als wäre es bloß Papier mit dem sie die Welt regieren. Als heraus kam, dass ich nicht reich bin und meine Eltern niemand bekanntes sind, war ich durch bei allen Schülern. Und dann sah ich dich das erste mal. Innerlich spürte ich so eine starke Kraft in mir, so eine Selbstsicherheit. Ich habe Selbstbewusstsein bekommen, Stärke, und mir war es plötzlich egal, was die anderen von mir hielten. Ich wollte lediglich, dass du mich bemerkst. Von Anfang an, wusste ich, du bist nicht wie die anderen Mädchen. Du bist etwas besonderes. Deswegen habe ich mich damals in diesen Konflikt eingemischt! Deswegen bin ich mit Yeol mit gegangen, um dich vor den Mädchen zu beschützen. Du warst in diesem Moment meine Stärke, meine Kraft.“ „Nam-Joon, ich verstehe deine Situation! Was denkst du, was ich für eine schwere Zeit hatte, als ich mit meiner Schwester, in jungen Jahren, zurück nach Deutschland gekommen waren und dort das erste mal zur Schule gingen. Es war auch nicht besser als das, was dir widerfahren ist. Es gab auch Kinder, die uns gehänselt haben, aber wir haben uns nicht unterkriegen lassen, weil wir an uns selbst geglaubt haben! Ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass du mich verteidigt hast und ich danke dir für deine ehrlichen Gefühle, aber ich erwidere diese nicht. Es tut mir leid! Bitte lass uns dabei stehen bleiben und einfach nur Freunde sein.“ „Du willst es also auf die normale Art und Weise nicht verstehen, dann halt anders!“ Er machte kleine Schritte in Richtung Dachende und in mir eine tauchte höllische Angst auf. „Rose... wunderschöne Rose... willst du ernsthaft dafür verantwortlich sein, dass ein junger Mensch Suizid begeht? Wenn du nicht mit mir zusammen sein willst, dann werde ich springen müssen!“ Mein ganzer Körper fing an zu zittern. Die Angst stieg immer höher, in mir tauchte Panik auf. „Nam-Joon macht keinen Blödsinn! Ich flehe dich an, geh da weg! Lass uns erst einmal uns emotional beruhigen und später weiter reden. Es gibt genügend Menschen um dich herum, die dich lieben und brauchen. Du kannst doch nicht ernsthaft wegen einem Mädchen, das deine Gefühle nicht erwidert, dein einziges und kostbares Leben aufs Spiel setzten.“ „Nein! Wir werden es hier und jetzt klären! Die Liebe von anderen brauche ich nicht, ich will deine Liebe. Wenn du nicht willst, dass ich sterbe, dann musst du mit mir zusammen sein. Gib mir die Chance, dir meine unendlichen Gefühle zu beweisen! Ich liebe dich mehr als alles andere auf dieser Welt. Ohne dich hat mein Leben keinen Sinn! Sei meine feste Freundin. Du und ich sind für einander bestimmt!“ „Okay, okay, aber kommt da bitte runter!“ „Auf diese Weise versuchst du die Frau, die du über alles liebst, für dich zu gewinnen? Willst du das ernsthaft wahre Liebe nennen? Wie erbärmlich! Spring doch! Wenn du wirklich sterben willst, dann tu es doch! Wieso willst du es auf Rose Gewissen hängen? Bist du wirklich so ein Arschloch, dass du deiner geliebten Rose das Leben ruinieren möchtest? So viel ist dir ihr Glück wert? Deine Taten und Handlungen haben nichts mehr mit Liebe zu tun! Das ist lediglich purer Egoismus., erschien der Retter in der Not. „Was weißt du schon über meine Gefühle zu Rose, Yeol?“ „Ich weiß rein gar nichts darüber. Das, was ich weiß ist, dass das was du da tust egoistisch ist! Hast du dich mal in Rose Situation hinein versetzt? Wie fühlt sie sich in dieser Sekunde? Du drohst ihr mit deinem Leben! Denkst du, Rose ist das Typ Mädchen, die du damit beeindrucken kannst? Wenn du so über sie denkst, dann kennst du sie falsch! Rose ist ein Mädchen, die nicht jeden nimmt, sie muss einen Mann erst mal richtig kennenlernen, und das läuft für sie am besten durch Freundschaft. Den Mann, den sie sich an ihrer Seite wünscht, muss gleichzeitig ihr bester Freund und ihr fester Freund sein. Sieh sie dir mal an! Sie ist voller Angst und Panik. Denkst du, nach dieser Aktion wird sie überhaupt noch mit dir befreundet sein wollen? Sie wird dich aus reiner, verständlicher Angst nicht einmal mehr begrüßen wollen! Los, sieh sie dir genau an, schau in ihre verängstigten Augen!“ „Yeol, du bist so ein falscher Typ! Du willst sie doch nur ganz alleine für dich haben, ist es nicht so? Du versuchst sie mir weg zu nehmen mit deiner Besserwisserei, deinem Geld, und deinem Aussehen.“ „Soll ich dir etwas verraten? Rose gehört schon längst mir! Genau aus diesem Grund kann sie deine Gefühle nicht erwidern. Unsere Eltern haben das schon lange arrangiert. Nachdem wir die Schule beenden werden, wird sie meine Frau!“ „Du liebst sie doch gar nicht! Ständig bist du von anderen Frauen umgeben.“ „Ich liebe Rose! Vertrau mir, ich liebe meine zukünftige Frau. Was denkst du, warum ich sie ständig beschütze? Warum ich mich ständig in ihrer Nähe aufhalte? Keiner fängt Probleme mit meiner Frau an! Ich werde sie immer beschützen, auch wenn ich nicht immer in Sichtweite bin, bin immer in ihrer Nähe. Das sieht man zum Beispiel daran, dass ich jetzt hier bin, und sie wieder einmal vor Idioten beschützen muss. Nam-Joon, ich sage dir das von Mann zu Mann, mach dich nicht lächerlich, komm da runter und die Sache ist vergessen! Wir können sowieso nichts daran ändern, unserer Eltern haben es schon abgemacht.“ Ich war schockiert über das, was aus Yeols Mund kam. Liebte er mich wirklich? War das alles wahr, was er sagte? Mich überkamen fremde Gefühle, die ich noch nie zuvor gespürt hatte. Was war das? „Was ist mit dir, Rose, liebst du ihn? Willst du wirklich so einen Ehemann wie Yeol an deiner Seite haben?“ Für lange Überlegungen blieb mir keine Zeit. „Ja, ich liebe Yeol! Er ist der Mann, mit dem ich mein Leben verbringen möchte! Ich weiß nicht genau, ob du es verstehen wirst, aber Yeol und ich sind wie Seelenverwandte. Wir brauchen nicht mit einander zu sprechen, um zu wissen, was der andere fühlt oder denkt. Wir sind eins, wenn der andere Hilfe benötigt, oder in Not ist, spürt es der andere. Ich kann nicht ohne Yeol, genauso wie er nicht ohne mich kann. Yeol hat keinen einfachen Charakter, ich aber auch nicht! Wir ergänzen uns in allem.“ Bei jedem einzelnen Satz, den ich von mir gab, schaute ich Yeol tief in die Augen. Nam-Joon verstand wohl, das es keinen Sinn machte weiter zu kämpfen, und wollte gerade wieder von dem Dachende heruntersteigen, da rutschte er mit einem Fuß ab. Yeol besaß eine unglaubliche Reaktion. Er packte Nam-Joon am Arm und hielt ihn voller Kraft fest. Ich schloss mich an und nahm Nam-Joons anderen Arm. Gemeinsam besaßen wir die Kraft ihn wieder hoch zu ziehen. „Fasst mich nicht an, lasst mich einfach in Ruhe!“, lief Nam-Joon wütend davon. Vor Angst, dass er hätte wegen mir sterben können, sammelten sich in meinen Augen die Tränen. Yeol nahm mich sanft in den Arm. Seine Körperwärme ließ mich langsam wieder beruhigen. Die nächsten Unterrichtsstunden schwänzten wir auf dem Dach. Wir legten uns auf dem Boden und schauten zum Himmel hoch. „Sag mal Yeol, das, was du vorhin zu Nam-Joon gesagt hast, im Bezug auf deine Gefühle zu mir, war das die Wahrheit?“ Yeol antwortete nicht sofort, er zögerte aus irgendeinem Grund. „Was ist mit dir? War das, was du gesagt hattest, im Bezug auf deine Gefühle zu mir, die Wahrheit? Deine Worte kamen mir so erst rüber, sodass ich sie dir fast abgekauft habe.“ „Nein, es war nicht die Wahrheit. Ich wollte nur, dass Nam-Joon es denkt und mit diesem Mist aufhört. Jetzt deine Antwort!“ „Warum Min-Ho? Was ist an ihm so toll? Du bist doch Hals über Kopf in ihn verliebt.“ Er überraschte mich aufs neue. „Woher weißt du das?“ „Du bist zu auffällig! Ich sehe, wie du ihn anhimmelst, wie du versuchst ihm zu gefallen, wie du ihm hinterher schmachtest. Ich sehe alles!“ „Warum er, möchtest du wissen? Er sieht fantastisch aus, er ist nett und höflich. Er war noch nie gemein zu mir, ganz im Gegenteil, er versucht mir immer zu helfen. Er hat Manieren, er ist das perfekte Boyfriend Material. Wieso beantwortest du eigentlich nicht meine Frage?“

„Hm, ich verstehe! Ähm, nein natürlich war das nicht die Wahrheit, was ich zu Nam-Joon gesagt hatte.“ Komischerweise wurde seine Stimme bei dieser Antwort etwas leiser, nicht so selbstbewusst wie er sonst sprach. Irgendwie kam es mir so vor, als hätte ich etwas falsches zu ihm gesagt, was ihm nicht gefallen hatte. Nach der Schule ging ich mit Min-Ho zur Nachhilfe. Während der Lehrer uns eine Aufgabe erklärte, schrieb er mir auf seinem Heft eine Nachricht.

Wo warst du die letzten

Unterrichtsstunden? Warst du mit

Yeol? Er war nämlich auch nicht

anwesend.

Ja, ich war mit Yeol! Wir hatten etwas

zu klären.

Eins war mir klar, desto öfter ich mit Yeol war, desto wütender wurde Min-Ho. Oder war es Eifersucht?

Lass uns ins Kino gehen! Samstag

Abend?Damit es verständlich ist, es

soll ein Date sein.

Bäämm, so war es also möglich Min-Ho herumzukriegen. Was trieb ihn zu dieser Einladung? Es konnte nicht einfach nur deswegen gewesen sein, weil Yeol angeblich ein schlechter Mensch sein sollte. Ich war in dieser Sekunde das glücklichste Mädchen auf Erden. Der Junge, den ich so sehr begehre, lud mich endlich auf ein Date ein. Meine Hände schwitzten und zitterten, während ich versuchte ihm eine Antwort zu geben. Mein Herz pochte so laut, ich dachte, es würde die ganze Klasse hören.

Ja, Samstag ist super. Ich freue mich drauf!

Wir schauten uns grinsend in die Augen. Hatten wir in diesem Moment dieselben Gefühle? Es machte zumindest den Anschein. Den Weg nach Hause hüpfte, tanzte und sang ich vor Glücksgefühlen. Gerade sah es noch so aus, als wäre mein Leben ein totaler Müllhaufen und dann tauchte ein Licht am ende des Tunnels auf. „Hallo Mama, du bist ja Zuhause.“ „Hallo Liebes, setz dich! Ich habe wundervolle Neuigkeiten.“ Was kam nun auf mich zu? Könnten ihre Neuigkeiten meine Stimmung gefährden? „Ich habe heute mit Anna telefoniert. Sie hat sich den rechten Arm beim Sport gebrochen. Sie ist nun für die nächsten Wochen Krankgeschrieben. Da gerade die Möglichkeit besteht, wollte sie hierher kommen um dich zu besuchen. Sie hat starke Sehnsucht nach ihrer kleinen Schwester! Übermorgen geht ihr Flieger.“ „Wahnsinn, dass ist echt toll. Ich vermisse sie auch so sehr! Dann kann ich ihr meine Schule zeigen und meine Freunde vorstellen.“ „Genau, dann könnt ihr einander wieder in die Arme schließen, zwar nur für eine kurze Zeit, aber besser als gar nichts!“ Nun hatte mein Tag den Höhepunkt an Freude erreicht. Ein Date mit meinem Traummann und meine geliebte Schwester würde hierher kommen. Konnte es noch besser werden? Mit einem Lächeln im Gesicht schlief ich ein. Den nächsten Schultag konnte ich kaum abwarten. „Guten Morgen Rose!“ „Guten Morgen ihr zwei!“ „Wo warst du gestern in den letzten beiden Stunden?“ „Ich hatte eine Sache zu klären.“ „Lehrer Lee hat gestern verkündet, dass nächste Woche ein Basketball Turnier ansteht. Ihr spielt gegen unsere gegnerische Schule.“ „Mika! Das sagst du mir erst jetzt? Wieso hast du mich gestern nicht angerufen? Dann muss ich mich jetzt echt ins Zeug legen, um unsere Schule gut aussehen zu lassen.“ „Fighting, Rose!“ Im Unterricht lief alles glatt. In der kurzen Zeit kam ich vom Unterrichtsstoff hervorragend hinterher. Min-Ho und ich quatschten und kicherten den ganzen Unterricht lang. Öfters sah ich, wie Yeol zu uns rüber schaute. Ich bin froh darüber gewesen, dass ich mit jemanden über meine Gefühle zu Min-Ho sprechen konnte. Falls ich mal über ihn etwas wissen wollte, konnte ich einfach seinen Bruder fragen, der alles über ihn wusste. „Jeong Min-Ho, Kim Rose! Ruhe dahinten!“, warf Lehrer Lee Kreide in unsere Richtung. „Für das Basketball Turnier brauchen wir einige Dekorationen, damit unsere Schule positiv ins Auge fällt. Rose, du bist aus dem Team, du wirst dich darum kümmern! Such dir noch eine Person aus, die dir dabei helfen soll.“, befahl mir Lehrer Lee. Nachdem er das Klassenzimmer verließ, stellte ich mich vorne neben den Lehrerpult hin. „Hey Leute? Wer möchte sich mir anschließen?“ Plötzlich war das Klassenzimmer wie leergefegt. Keiner von ihnen wollte mir helfen, nicht mal Mika oder Juna. „Gut, dann erledige ich es selber!“, führte ich Selbstgespräche. Im Supermarkt suchte ich nach hübschen Dekorationen, die zum Thema passen könnten. Viel fand ich nicht, lediglich ein paar Pompons, Ballons in Form von Basketbällen, Luftschlangen, und große selbstklebende Basketballstecker für die Tribüne. An der Kasse bezahlte ich vom Geld, das mir Lehrer Lee gab. Völlig ausgehungert spazierte ich nebenbei an einem Kiosk vorbei. Mich überfiel die Lust auf Kimchi Ramen. In den meisten Kiosks konnte man sich das Essen an Ort und Stelle zubereiten, und zwar mit einer Maschine und es dann dort verspeisen. Wie man sich das vorstellen sollte? Die Kimchi Ramen sind Instant Nudeln und in manchen Kiosks stehen extra sogenannte Ramen Maschinen. Man kauft sich diese Instant Nudeln, scannt den Barcode an der Maschine, drückt auf „Kochvorgang starten“und es beginnt die Arbeit. Es wird automatisch gekocht. Das einzige, was man selber machen müsste, wäre die Nudeln ein wenig zu rühren, und fertig wäre das Essen. Für jemanden, der es schnell mochte, war es super bequem, lecker und total einfach hergerichtet. In dem Kiosk saß ich mit dem Gesicht zum Fenster. „Min-Ho?“ Ich sah ihn durch das Fenster. Er stand auf der anderen Straßenseite und das nicht alleine. Ein unglaublich hübsches Mädchen war mit ihm. Es schien, als würden sie diskutieren. Er nahm ihre Hand und sie zog sie wieder weg. Was war da los? Tief versunken in diesem Bild, das ich sah, bemerkte ich nicht, dass sich jemand neben mir hingesetzt hatte. „Schockiert dich das, was du da siehst? Dein Traumprinz mit einem unbekannten Mädchen unterwegs.“ „Hä, oh... ähm nein! Wieso sollte es mich schockieren? Es ist ja nicht so, dass wir zusammen wären oder so. Er kann tun und lassen, was er möchte!“ „Oh, doch so kalt, aber irgendwie riecht es hier nach Eifersucht.“ „Yeol, lass den quatsch bitte! Wer ist sie?“ „Keine Sorgen, sie ist eine gute alte Freundin von ihm. Sie hat am Samstag Geburtstag und er hat ihr abgesagt. Nun ist sie sauer auf ihn.“ „Was? Er hat ihr abgesagt? Was hat er gesagt, hat er vor?“ „Er hat gesagt, dass er etwas sehr wichtiges zu tun hat. Ich denke, du kennst den Grund, weswegen er ihr abgesagt hat?“ „Beim Nachhilfeunterricht hatte er mich gefragt, ob ich mit ihm ins Kino gehe. Es soll ein Date werden, kannst du dir das vorstellen?“ Mir stand das Glück im Gesicht geschrieben und noch mehr freute es mich, dass er seiner guten alten Freundin wegen mir abgesagte. Er hatte definitiv Gefühle für mich, denn, wäre ich nur ein Mädel von vielen, hätte er seine alte Freundin nicht an ihrem Geburtstag stehen gelassen. Mit meinen Einkäufen ging ich nach Hause. In meinem Zimmer lernte ich bis in den späten Abend. An dem kommenden Tag, in der Nacht, sollte Annas Flugzeug landen. Mutter ließ Annas Zimmer frisch beziehen und Sumi bereitete einige Leckereien für sie vor. Anna liebte Süßes. Vor Schulbeginn traf ich mich mit den Mädels vom Basketballverein, um fleißig zu üben und beim Spiel zu siegen. Wir trainierten in jeder freien Minute, die wir besaßen, vor dem Unterricht, in der Pause und in der Freizeit. Es gab keinen Zweifel, wir waren super vorbereitet. In der Nacht fuhr ich mit unserem Chauffeur meine Schwester Anna vom Flughafen abholen. „Aaaannnaaa!“ „Roooseeee!“ Wir fielen übereinander her wie kleine Kinder. Umschlungen standen wir da und weinten vor Freude. „Was ist mit deinem Arm passiert? Wie geht es dir im Großen und Ganzen? Wie läuft die Schule? Was machen Stella, Jennie und Lola? Wie geht es Tante?“ Ich war so neugierig und dabei fühlte ich, wie sehr mir mein altes Leben doch fehlte. „Ich habe es beim Sport ein bisschen übertrieben und den Arm gebrochen. Den Mädels geht es bestens. Stella hat jetzt einen Freund, mit dem sie Tag und Nacht abhängt. Lola ist immer noch die Alte, hat jetzt angefangen neben der Schule zu arbeiten. Jennie hockt nur noch am lernen. Wir sehen uns in der Freizeit seltener als früher, wo du noch da warst. Bei mir läuft die Schule ganz in Ordnung, nur leider habe ich niemanden mehr, der meine Hausaufgaben für mich erledigt.“, zwinkerte sie mir zu. „Was läuft hier bei dir? Wie lebt es sich in Seoul? Hast du einen Freund? Wie ist die neue Schule? Was hat sich in unserem Elternhaus alles verändert? Sind sie immer noch besessen von ihrer Arbeit, oder kriegst du sie ab und zu zu Gesicht?“ „Die neue Schule ist super cool, nur du fehlst hier! Ja, Mutter und Vater arbeiten immer noch viel. Vater geht es Gesundheitlich nicht gut, aber ich denke, Mutter hat dir schon davon erzählt. Ein Freund habe ich nicht, aber ich möchte dir jemanden vorstellen. Er ist einfach wundervoll und sieht traumhaft aus!“ „Oh, ich bin ganz gespannt auf Mr. Unbekannt!“ Solange wir nach Hause fuhren, erzählten wir uns alles, was bisher in unserem Leben geschehen war. Zuhause aßen wir mit der ganzen Familie, danach gingen alle zu Bett. Kurz nach Sonnenaufgang weckte mich Anna energisch auf. Wie litt sie nicht am Jetlag? Heute war der Tag, an dem Min-Ho und ich unser erstes offizielles Date haben würden. Anna und ich frühstückten gemeinsam und gingen etwas nach Draußen. Sie war froh wieder in Seoul zu sein, da sie das Essen hier sehr mochte und vermisst hatte. Wir aßen so viel, sodass mir der Bauch hätte platzen können. Jede einzelne Bewegung danach war eine Zumutung. Am Nachmittag begann ich mit meinen Vorbereitungen für den Abend. Anna half mir meine Haare zu Glätten und mehr Volumen hinein zu bekommen, ebenfalls machte sie mein Make-up und suchte das passende Outfit für mich heraus. Ich hatte ihr nicht erzählt gehabt, das es ein Date sein würde. Sie suchte mir einen kurzen, schwarzen, glatten Rock aus, mit einem Bauchfreien, rosafarbenen Top, der das Dekolletee verdeckte. Für einen Kinobesuch sah es ideal aus. „Was soll ich in der Zeit machen, solange du nicht da bist?“ „Mach einen Spaziergang! Seoul hat viel zu bieten.“ „Darf ich vielleicht mit dir mit kommen? Ich werde auch mucksmäuschenstill sein, bitte,bitte, bitte?“ Bei ihrem Hundeblick konnte ich ihr einfach nicht absagen. „Okay, aber sei unauffällig und still, klaro?“ „Geht klar, Chef!“ Sie machte sich etwas frisch und wir gingen los. Min-Ho stand schon vor dem Kino. „Hi, Min-Ho! Wartest du schon lange hier?“ „Hallo Ro... Anna?“, sein Gesichtsausdruck veränderte sich rasend schnell. „Min-Ho? Jeong Min-Ho?“ Die beiden starrten sich wie eingefroren an. Min-Ho bemerkte mich nicht einmal mehr. Aber wichtiger war es, woher kannten sich die beiden? „Ihr seid einander bekannt?“ „Du erinnerst dich nicht? Wir haben als Kinder gemeinsam gespielt. Auf dem Spielplatz, wenn du und ich uns gestritten haben, hat Min-Ho mich immer auf seinem Rücken nach Hause getragen.“ Das war wie ein Schlag mitten ins Gesicht. „Ja, und erinnerst du dich noch daran, als wir mit den Nachbarskindern gekämpft haben?“ „Ja natürlich erinnere ich mich! Ich erinnere mich an jede noch so kleinste Kleinigkeit.“ In ihren Erinnerungen schwelgend, vergaßen sie mich komplett. Anstatt ins Kino zu gehen, wie es eigentlich geplant war, gingen wir spazieren. Die beiden liefen vor mir, lachend, kreischend, erzählten sich irgendwelche vergangenen Kindheitsgeschichten. Eine Bande von Jungs liefen an uns vorbei und streiften Anna dabei an der Schulter. „Hey, kannst du nicht aufpassen?“ Min-Ho wurde so wütend und aggressiv, diese Seite von ihm kannte ich gar nicht. „Es tut mir leid, junge Dame.“ Hinter dem Typen kam ein anderer hervor, dessen Gesicht uns allen bekannt war. „Bleib mal locker, Bruderherz! Was gehst du so auf ihn los? Das war doch nicht mit Absicht!“ Anna fiel um Yeols Hals. „Kleiner Freund, du bist so groß geworden!“ Er nahm ihre Arme sofort von sich weg und machte einen Schritt zurück. „Kennen wir uns?“ Yeol warf einen Blick hinter Anna und entdeckte mich. „Rose? Wer ist dieses aufdringliche Mädel?“ Anna grinste ihn an. „Darf ich dir meine ältere Schwester Anna vorstellen! Du erinnerst dich ganz bestimmt an sie, genauso wie Min-Ho.“ An meiner Stimme konnte man sofort verstehen, dass ich beleidigt war. „Ne, ich erinnere mich nicht! Hey Jungs, geht vor, ich komme später nach!“Yeol schickte seine Freunde weg und ging mit uns mit. Er wich mir nicht einmal von der Seite. „Hast du nicht eigentlich ein Date mit Min-Ho?“ „Ja, Eigentlich, aber siehst du ja was daraus entstanden ist! Meine Schwester wollte unbedingt mitkommen. Ich hatte keine Ahnung, dass die beiden sich kennen. Diese Situation habe ich bis jetzt noch nicht richtig ganz realisiert.“ Anna bekam Hunger, so lud uns Min-Ho in ein nettes kleines Restaurant ein. Yeol und ich saßen mit offenen Mündern, schockierten Gesichtern dar und beobachteten, wie Min-Ho Anna fütterte und ihr dazu etwas zu trinken gab, weil ihr rechter Arm mit einem Gips umhüllt war. Sie sahen wie ein altes, aber immer noch frisch verliebtes Ehepaar aus. Mein Herz brach von Sekunde zu Sekunde. Eigentlich sollte ich doch an ihrer Stelle sein! Was war nun mit mir und ihm? Dieses Theater konnte ich mir irgendwann nicht mehr mitansehen. Es interessierte weder ihn noch sie, als ich aufstand und die Flucht ergriff. Die beiden waren so sehr miteinander beschäftigt, sodass es ihnen nicht einmal auffiel, dass ich weg war. „Rose, warte doch mal auf mich!“ „Lass mich in Ruhe, ich will alleine sein!“ Yeol packte mich am Handgelenk und zog mich an sich heran. Da er mich mit so viel Kraft an sich zog, prallte ich volle Wucht gegen seinen Körper. Er umarmte mich fest, sehr fest. Es war fast so, als würde er mit mir fühlen. „Wein, wenn dir danach ist! Ich kann deine Gefühle gut nachvollziehen. Ich weiß genau, wie dir zumute ist.“ Noch bevor er den Satz beenden konnte, flossen die Tränen aus meinen Augen. „Wieso musste es so kommen? Warum sie und nicht ich?“, schluchzte ich. „Vielleicht hast du die Situation nur anders interpretiert. Was ist, wenn die beiden einfach nur Freunde sind? Sie haben sich viele Jahre nicht gesehen und haben sich einfach gefreut. Überlege mal, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich daten würden? Mach dir nicht solche negativen Gedanken! Warte ab, was er dir bei eurem Wiedersehen sagen wird.“ Im Endeffekt hatte Yeol recht. Ich müsste geduldig abwarten und schauen, wie es zwischen ihm und mir weiter gehen würde. Es wäre auch eine Möglichkeit Anna einfach zu beichten, dass ich für Min-Ho etwas empfand. „Danke für solche aufbauenden Worte! Du bist ein wahrer Freund.“ „Ja... genau... Freund... Ich werde immer für dich da sein, merk dir das!“ Er begleitete mich bis nach Hause. In Annas Zimmer wollte ich auf sie warten. Es wurde spät und immer noch keine Spur von ihr. Erst gegen Mitternacht kam sie zurück. Sie wirkte auf mich so glücklich, wie schon lange nicht mehr. „Oh, was machst denn in meinem Zimmer?“ „Ich habe auf dich gewartet. Wie war euer Abend?“ „Der Abend war himmlisch! Wir hatten so viel Spaß. Min-Ho ist, wie in meiner Erinnerung, noch immer derselbe Typ, bloß noch besser. Meine Güte sieht er gut aus! Rose, kann ich dir etwas anvertrauen?“ „Natürlich, danach muss ich dir auch etwas wichtiges beichten!“ „Okay, ich fange an! Als wir noch kleine Kinder waren, waren Min-Ho und ich sehr ineinander verliebt. Damals schworen wir einander, dass wir mal heiraten, wenn wir erwachsen sind. Heute Abend sind meine alten Gefühle zu ihm hochgekommen. Ich schwebe nicht nur auf Wolke sieben, eher auf Wolke siebzehn! Wir gehen morgen ins Museum, unser so gesagtes erstes Date. Und was wolltest du mir beichten?“ Diese Information gab mir endgültig den Rest. Was sollte ich nun tun? Sollte ich meiner schwer verliebten Schwester das Herz brechen und alles knall hart auf den Tisch legen? Oder sollte ich meine Klappe halten und sehen, was sich zwischen ihnen entwickeln würde? Aber was wäre dann mit meinen Gefühlen? Könnte ich das alles ertragen, ohne daran zu zerbrechen? „Was ich dir beichten wollte? Ähm... ach, ist nicht so wichtig. Ich bin müde und werde schlafen gehen. Gute Nacht!“

„Warte mal! Rose, wann stellst du mir eigentlich deinen Freund, von dem du mir am Flughafen erzählt hast, vor? Wenn er für dich so eine wichtige Persönlichkeit ist, sollte ich ihn kennenlernen.“ „Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werde ich euch einander vorstellen.“

Am Tag vor dem Basketballturnier trainierte ich wie eine verrückte, aber nicht, weil ich Angst hatte zu verlieren, sondern, weil ich mich Zuhause nicht aufhalten konnte. Annas verliebten Geschichten trieben mich noch in den Wahnsinn. Ich ging so früh wie möglich aus dem Haus und kam so spät ich konnte zurück. Das Wetter spielte auch nicht mit, es begann zu Regnen. Doch das störte mich kein bisschen. „Neuling, was treibst du da im Regen? Du erkältest dich noch! Oder ist es dein Plan, um nicht am Turnier teilnehmen zu müssen?“ „Hm? Mach dir mal um mich keine Sorgen, ich bin schon ein großes Mädchen! Ha, genau wegen dem Turnier mache ich das alles doch.“ „Gut! Brauchst du vielleicht einen Gegner? Alleine zu spielen ist doch langweilig.“ „Okay, zeig mir, was du drauf hast!“ Aus welchem Grund wurde Yeol plötzlich so nett zu mir? Hatte er etwa Mitleid mit mir? Wir spielten Basketball wie richtige Gegner, wir fielen, wir schubsten und drängelten. Es bereitete mir wahnsinnig viel Spaß. Endlich konnte ich mich so richtig auspowern. Meiner Wut und den restlichen Gefühlen in mir freien lauf lassen. Der Regen ließ nicht nach. Es goss wie aus Eimern. Komplett klitschnass machten wir eine kleine Pause. „Erzähl mir, was mit dir los ist? Wieso bist du ständig hier? Egal um welche Uhrzeit ich hier vorbei gehe, du bist immer da. Ich weiß genau, dass du nicht wegen dem Basketballturnier so hart arbeitest!“ „Ich kann nicht nach Hause, dort ist Anna. Ich versuche ihr aus dem Weg zu gehen, denn ich kann ihre Geschichten über Min-Ho und sie nicht mehr länger mit anhören. Weiß du, als meine Mutter mir erzählte, dass Anna her kommt, habe ich mich übelst gefreut, doch jetzt wünschte ich, sie wäre niemals hierher gekommen. Na ja, außerdem ist das extra Training gut für mich, bald ist das Spiel.“ Yeol war ein wundervoller Kumpel, der immer da war, wenn ich ihn brauchte oder wenn es mir schlecht ging. Es war, als ob er ein Engel wäre, der mich ständig bewachte, der mir sein Ohr leite, an dessen Schulter ich mich aus heulen konnte. „Ich verstehe, wollen wir weiter machen?“ „Klar!“ Wieder zu Kräften gekommen ging das Training weiter. Yeol fehlten nur noch zwei Punkte zum Sieg. Ich hatte den Ball, er rannte auf mich zu und wollte ihn mir weg nehmen. Ich wollte an ihm vorbei und knickte mit dem Fuß unglücklich um. Yeol wollte mich halten und fiel mit mir zu Boden. Er lag auf mir drauf. Dieser Moment fühlte sich seltsam an. Unsere Münder waren nur zwei Millimeter von einander entfernt. Wir spürten den Atem des anderen. So blieben wir eine gefühlte Ewigkeit, doch dann stand er eiligst auf. „Hast du dich verletzt?“ „Ich weiß nicht genau.“ Langsam versuchte ich aufzustehen, doch es funktionierte nicht. Mein Fußknöchel schmerzte heftig. Yeol kniete sich auf den Boden mit dem Rücken zu mir. „Los, komm hoch, ich trage dich!“ Ich stieg auf seinen Rücken. Er fühlte sich so warm. Mein Herz schlug doll, ich war sehr nervös. Im Krankenhaus meines Vaters wurde mein Fuß geröntgt. Es war eine Prellung. „Mist, dass hat noch gefehlt!“ Mich ärgerte meine Dummheit und Tollpatschigkeit grün und blau. „Rose, das tut mir so leid! Ich wollte nicht, das so etwas passiert. Jetzt habe ich ein sehr schlechtes Gewissen.“ Yeol schien wirklich besorgt um mich zu sein. „Alles gut, du hast keine Schuld, ich hätte besser auf mich aufpassen müssen. Wird schon alles gut gehen!“ Der Arzt gab mir Krücken mit. Mit einem Taxi fuhren Yeol und ich zu mir nach Hause. „Wenn du etwas brauchst, oder ich dir bei irgendetwas helfen kann, bitte sag mir Bescheid! Hier hast du meine Handynummer.“ „Yeol, es ist wirklich alles gut. Das ist bloß eine Prellung und kein Bruch. Bald bin ich wieder Top fit!“ Was blieb mir anderes übrig, als über die Situation zu lachen? Auch ich schrieb ihm meine Handynummer auf, für den Fall der Fälle. Leise wie ein Kätzchen schlich ich mich in mein Zimmer und schloss die Tür ab. Wie sollte ich morgen den Mädchen von Basketballverein erklären, dass ich nicht spiele? Sie würden ausflippen!

So schnell klopfte auch der nächste Morgen an die Tür. Gott sei Dank trugen wir eine Schuluniform mit Overknee Socken, so sah man nichts von meinem Verband am Knöchel. Vor der Halle stand ich dann dar. Ich traute mich gar nicht rein zu gehen. „Rose, wir sind da! Wir drücken dir ganz fest die Daumen! Sind schon ganz gespannt auf dein Spiel.“ Auf Mikas und Junas Unterstützung war immer verlass. Im Umkleideraum sprachen alle Mädels davon, wie aufgeregt sie waren. Ich konnte es einfach nicht über mich bringen, ihnen zu erzählen, dass ich nicht spielen konnte. Deshalb schwieg ich. Von einem Moderator wurden die Teams Aufgerufen. Die Mädchen von der gegnerischen Mannschaft sahen ernst zu nehmend aus. Mir blieb nur die Wahl zu beten und zu hoffen. Das Spiel begann...

Die gegnerische Mannschaft hatte den Ball. Ich versuchte mein Knöchel nicht allzu sehr zu belasten. Ein Mädchen aus meiner Mannschaft schnappte sich den Ball und warf ihn mir zu. Ich lief los, mein Fuß schmerzte so sehr, dass mir der Schweiß von der Stirn lief. „Los Rose, hau ihn rein! Ich glaube fest an dich!“, hörte ich Yeols Stimme von der Tribüne zu mir herüber schreien. Mit seinem Zuruf zauberte er mir ein Grinsen in mein Gesicht. Seine Anwesenheit und sein Glaube an mich, verleite mir so viel Kraft und Energie, sodass ich den Schmerz wegdenken konnte. Mit zwei Punkten Vorsprung gewannen wir das Spiel. Viele der Zuschauer gratulierten uns zum Sieg. „Herzlichen Glückwunsch, Neuling! Ich bin stolz auf dich!“ „Danke Yeol. Heute warst du meine Stütze, deine Worte haben in mir eine unglaubliche Kraft erweckt! Danke dafür, dass du da warst.“ Er wurde knallrot und super verlegen. „Rose, Herzlichen Glückwunsch!“ „Oh Min-Ho, Dankeschön.“ „Hier nimm die, als Geschenk zu deinem großartigen Sieg.“ Er übergab mir einen dicken, bunten Strauß Blumen. Selbstverständlich freute ich mich über diese Geste, jedoch fühlte ich in diesem Augenblick gemischte Gefühle. Min-Ho hatte das Spiel verpasst, er hatte mich nicht spielen gesehen, im Gegensatz zu meinem guten Freund Yeol, der immer zum richtigen Zeitpunkt auftauchte. Doch auf der anderen Seite freute es mich, dass er mich nicht vollkommen vergaß. „Da unser Date letztens gescheitert ist, hast du vielleicht Lust und Zeit es jetzt nachzuholen?“ „Natürlich, sehr gerne!“ „Ist nicht dein ernst? Du willst wirklich, nach allem was geschehen ist, noch mit ihm auf ein Date?“ Yeol wurde sauer. „Ja! Ich denke, dass ist beim letzten mal so gewesen, weil er Anna so lange nicht gesehen hat und sich einfach freute, sie wieder zu treffen.“ „Eben, genauso ist es gewesen! Das verstehst du sicherlich. Aber verrate mir eine Sache Yeol, wieso wirst du so sauer, wenn Rose mit mir auf ein Date geht?“ „Ich sauer? Weswegen sollte ich? Geht doch auf euer Date! Das interessiert mich kein Stück!“ Wieder kam Yeols kalte Seite zum Vorschein und er zog wütend davon. Zuerst lud Min-Ho mich zum Essen ein. Ich hatte So-Bulgogi bestellt. Min-Ho hatte Kimchi-Bokumbab. Das Essen war einfach herrlich und wir haben uns fantastisch Unterhalten. Später machten wir einen kleinen Spaziergang durch den Park. „Ich stelle dir jetzt mal eine direkte Frage und hoffe, das du sie mir offen und ehrlich beantwortest. Was ist zwischen dir uns meiner Schwester?“ „Zwischen Anna und mir? Hm, es ist kompliziert! Als Kinder waren wir beide ineinander verliebt. Ich wollte jede Sekunde mit ihr teilen, das klingt bescheuert, weil wir noch Zwerge waren und was verstanden wir damals schon von Liebe. Wir haben uns damals versprochen, dass wenn wir groß sind, einander heiraten werden. Weißt du, für mich war das ein sehr ernstes Versprechen gewesen, aber nachdem Anna von Seoul weg zog, ging für mich eine Welt kaputt. Ich hatte große Schwierigkeiten mich mit anderen Mädchen zu unterhalten, ihnen zu glauben oder mich ihnen zu öffnen. Jetzt wo sie wieder da ist, auch wenn nur für eine kurze Zeit, meine Gefühle sind dieselben geblieben. Für mich wird es immer Anna sein, egal ob wir mal zusammen kommen sollten oder nicht. Sie wird immer meine Traumfrau bleiben. Doch dich finde ich auch ganz süß! Du gefällst mir mit dieser Art, wie du jetzt bist.“ „Wie kann das denn sein? Man kann doch nicht zwei Menschen gleichzeitig mögen!“ „Bei dir ist es doch auch so! Du bist in mich verliebt, aber Yeol gefällt dir auch.“ „Das stimmt nicht! Yeol und ich sind wirklich nur Freunde.“ Seine Aussagen gaben mir zu denken. Wie konnte es sein, dass Min-Ho Anna und mich wollte? Sie würde immer seine Traumfrau bleiben und mich fand er lediglich süß? Außerdem waren meine Schwester und ich zwei verschiedene Charaktere. Und wieso dachte er, dass mir Yeol gefiel? Verhielt ich mich etwa so, sodass man den Eindruck hatte es wäre so? „Angenommen, ich würde dich jetzt auf den Mund küssen... Hättest du etwas dagegen?“ Was zum Henker war das für eine Frage? „Versuch es doch, dann wirst du es sehen!“, provozierte ich es. Er kam mir näher, sehr nah, legte eine Hand um meine Taille und zog mich zu sich heran. Mein Herz pochte immer schneller, meine Wangen wurden rot, ich wurde nervös. Steif wie ein Brett stand ich da. Seine Lippen waren nicht mehr weit von den meinen. Dann, unsere Lippen berührten sich. Seine Lippen waren weich, etwas feucht und geschmeckt hatte er nach Sprite, welches wir vorhin getrunken hatten. Es war ein schöner Moment, doch zugleich fühlte es sich so verdammt falsch an. Was war bloß mit mir gewesen? Mein Traum wurde endlich wahr, Min-Ho hatte mich geküsst! Ein Kuss auf den Mund bedeutete für mich, dass wir jetzt ein Paar waren. Doch wieso war dieses schreckliche Gefühl in mir? Hatte ich Schuldgefühle Anna gegenüber? Oder waren meine Gefühle zu Min-Ho nicht echt? In diesem Moment war ich glücklich und unglücklich zugleich. Ich brach den Kuss ab und machte mit gesenktem Kopf einen Schritt zurück.

Anschließend brachte er mich nach Hause. „Rose, kann ich dich um einen Gefallen bitten?“ „Selbstverständlich, schieß los!“ „Erzähl bitte Anna nichts von unserem Treffen! Sag ihr nicht, dass du mich heute gesehen hast, okay?“ „Oh, okay.“ Ohne mir großartig darüber den Kopf zu zerbrechen tat ich, was er von mir verlangte. Wieder Daheim nahm ich ein heißes Bad und träumte vor mich hin. Im Grunde war dieser Kuss der Wahnsinn, weshalb brach ich diesen ab? Was lief bloß falsch mit mir? Ich stellte mir oft die Situation mit dem Kuss vor, jedoch war die Realität besser wie jede Vorstellung, die ich je davon haben könnte.

Am nächsten Morgen, in der Schule, wechselte Yeol weder mit mir ein Wort noch mit sonst jemandem. Die Mädchen, die sonst ständig um ihn herum flogen, scheuchte er von sich. War er immer noch wütend auf mich gewesen? In der Pause aßen Mika, Juna und ich draußen. Das Wetter spielte voll mit, schön sonnig und es gab keine einzige Wolke zu sehen. Aus heiterem Himmel rannten viele Jungs in eine bestimmte Richtung. „Was ist denn da los?“, erweckte es Junas Neugier. „Keine Ahnung.“ „Lasst uns mal hin gehen und gucken!“ Juna fand keine Ruhe, jedes Ereignis in der Schule interessierte sie. Wir packten unsere Lunchboxen zusammen und gingen auch hin. Sehr viele Schüler bildeten einen Kreis um irgendetwas. Es wurde geschubst und gedrängelt. „Los mach ihn fertig!“ „Yeol, Yeol, Yeol!“, schrien die meisten. Sobald ich seinen Namen hörte, musste ich mich einfach da durch quetschen und sehen, was da geschah. Durch die Menge hindurch, sah ich, wie Yeol sich mit einem anderen Jungen heftig prügelte. Selbstverständlich musste ich Yeol da raus holen. Ich ging auf ihn zu und kassierte von dem anderen Jungen eine Faust. Sofort lag ich auf dem Boden und blutete aus dem Mund. Als Yeol mich so sah, drehte er richtig durch. Er schlug auf den Jungen wie verrückt ein, bis einer der Lehrer dazwischen kam. Juna und Mika brachten mich zur Krankenstation in der Schule. Yeol und der andere Junge wurden zur Direktorin geschickt. „Meine Güte, wer hat dich so zugerichtet?“, schaute mich die Krankenschwester erschrocken an. „Alles gut, ist halb so wild!“ Sie verarztete mich und ich konnte gehen. Sie meinte, es könnte noch doll anschwellen und das ich meine Wange gut kühlen solle. In der Klasse hatten die Schüler nur über diese Schlägerei gesprochen. Dann kam Yeol endlich wieder, in direkter Richtung zu mir. „Ist alles okay mit dir? Tut es doll weh?“ „Nein, alles gut! Warum hast du dich geschlagen? Wieso verhältst du dich so?“ „Kümmere dich beim nächsten mal um deinen eigenen Mist, kapiert!“ Er nahm seine Schultasche und ging wieder fort. Wie ich von den anderen Schülern hörte, wurden beide Jungs von der Schule suspendiert und ihre Eltern wurden zu einem Gespräch eingeladen. So ein Verhalten wurde an dieser Schule nicht geduldet. Ich machte mir große Sorgen. Was wäre, wenn sie Yeol jetzt von der Schule schmeißen würden? Die ganze Zeit spürte ich ein stechen im Herzen, als ob man eine Nadel ins Herz pickte. Auch am Abend ging es nicht weg. Meine Gedanken kreisten nur noch um diesen dummen Jungen. So überwand ich mich und schrieb ihm eine Nachricht.

Hallo Yeol!

Ich mache mir Sorgen um dich,

ist bei dir alles in Ordnung? Gab es

Zuhause großen Ärger? Bitte melde dich!

Rose.

Selbst nach Stunden kam keine Nachricht von ihm zurück. Ich versuchte ihn anzurufen, doch er ging nicht an sein Telefon. Mich ließ es nicht ihn Ruhe, das ich nicht wusste, wie es ihm ging, ob mit ihm alles in Ordnung war. „Anna? Hast du die Handynummer von Min-Ho?“ „Ja, wozu brauchst du sie?“ „Ich wollte ihn etwas wichtiges fragen.“ „Ja, hier nimm.“ Ich rief Min-Ho an, um von ihm Auskunft über Yeol zu erhalten. „Hallo Min-Ho, hier ist Rose. Tut mir leid für die späte Störung, aber ich wollte wissen, wie es Yeol geht. Ich habe versucht ihn anzurufen, aber er geht nicht an sein Handy. Kannst du mir etwas berichten?“ „Wie soll es ihm gehen? Er hat die Strafe bekommen, die er verdient hat! Meiner Meinung nach, war das noch zu wenig. Er hat sich geschlagen, wie auch unvernünftig Verhalten und dafür soll er jetzt gerade stehen!“ Ich konnte nicht fassen, was ich da hörte. Hatte Min-Ho denn absolut kein Mitleid mit ihm? Wie konnte er so voller Hass über seinen Bruder sprechen? „So ist es also. Kommt er denn morgen wieder zur Schule?“ „Nein, er ist für eine Woche suspendiert. Danach wird noch geklärt, ob er bleibt oder geht.“ „Danke für die Information. Wir sehen uns morgen.“ Ich legte mein Telefon weg und überlegte, wie ich Yeol bloß helfen könnte. Viele verschiedene Ideen gingen mir durch den Kopf, jedoch würde ihm keine davon helfen. In der Schule sprach ich mit meinen beiden Mädels darüber und Mika machte mir einen Vorschlag. „Wieso bittest du nicht Min-Ho um Hilfe? Er ist sein Bruder und der Klassensprecher. Er könnte ihm helfen, indem er bei der Direktorin ein gutes Wort einlegt. Er könnte auch vorschlagen Yeol zu bestrafen, indem er einen Monat lang die komplette Schule säubert oder sonstiges.“ „Würde das denn etwas bringen?“ „Natürlich! Min-Ho ist noch nie bei den Lehrern negativ aufgefallen, sie lieben ihn. Wenn er das tun würde, würde Yeol zwar eine Strafe bekommen, jedoch würde er nicht von der Schule geschmissen werden.“ Während des Unterrichts nahm ich meinen Mut zusammen und fragte ihn.

Würdest du mir einen Gefallen erweisen?

Bitte, sprich mit der Direktorin, damit sie

Yeol nicht von der Schule schmeißt! Bitte

leg ein gutes Wort für ihn ein!

Warum sollte ich das tun? Er muss für

seine Taten gerade stehen! Ich werde es

nicht machen! Das geschieht ihm recht,

wenn er so einen Scheiß macht.

Jedes mal aufs neue schockierte mich diese Art an Min-Ho. Wie sollte ich ihn davon überzeugen, Yeol doch zu helfen. Plötzlich traf mich ein Geistesblitz.

Ich habe dir doch auch einen Gefallen

getan! Wenn du Yeol nicht hilfst, werde

ich Anna von unserem Treffen und vom

Kuss erzählen! Entscheide!

Wenn er seinem Bruder nicht auf die normale Art helfen wollte, dann auf diese! Meine Gefühle ihm gegenüber musste ich in diesem Augenblick abschalten. Für mich war es wichtiger, dass Yeol an unserer Schule bleiben konnte.

Soviel zum Thema, er bedeutet dir

nichts! Gut, ich werde ihn da raus

holen, aber danach will ich seinen

Namen nicht mehr aus deinem Mund

hören.

Für mich war es kein Problem, mit Min-Ho spach ich eh nicht über Yeol. So wie Min-Ho es mir versprach, so tat er es auch. Yeol musste vierzehn Tage lang die Schule sauber halten und weitere vierzehn Tage unsere Klasse. Außerdem durfte er in keinen weiteren Zwischenfall geraten. Eine falsche Bewegung und für ihn würde es das Aus bedeuten. Weder Min-Ho noch ich erzählten ihm davon, wie es dazu kam, dass er immer noch an unserer Schule sein konnte. In der Zwischenzeit standen bei uns in der Schule die Prüfungen an. Jeder einzelne Schüler lernte wie und wann er nur die Möglichkeit dazu fand. Ich verbrachte die meiste Zeit, so wie viele andere, in der Bibliothek. Bis in den späten Abend büffelte ich. Auch Zuhause hatte ich für nichts anderes mehr Augen. Ich musste schließlich die Nummer eins werden. Mein Vaters Wunsch stand ständig vor meinen Augen. Die Tage vergingen wie im Flug und schon musste Anna wieder zurück nach Deutschland. Bei ihrem Abschied übergab sie mir einen Brief für Min-Ho, den sollte ich ihm übergeben.

Kurz vor den Prüfungstagen war in der Schule noch mehr los. Viele standen unter einem enormem Druck durch ihren Eltern, jeder wollte die Nummer eins an der Schule sein. Von dem ganzen lernen wurde mir schon fast schwindelig, so machte ich eine Pause. An einem Fenster angelehnt, schaute ich nach draußen. „Hm, wer ist er denn?“ Die Mädchen aus meiner Klasse hörten es und kamen auch zum Fenster rüber. „Oh mein Gott, er ist wieder da!“, kreischten sie alle drauf los. Alle, wirklich alle Mädchen aus unserer Schule rannten nach draußen um diesen Jungen zu sehen. „Hey Mika, wer ist der Typ? Warum sind sie alle so scharf auf ihn?“ „Das ist Chang Yong-Ho. Er ist ein Idol, singt in einer Boyband, die Gruppe nennt sich F.S.S - First Seventh Sky. Die sind sehr beliebt in ganz Asien. Er kommt immer kurz vor denPrüfungen zur Schule und nach den Prüfungen sieht man ihn hier eher seltener. Dieses Jahr macht er seinen Abschluss.“ „Wow, nicht schlecht! Aussehen tut er auch gar nicht mal so schlecht.“

„Rose?! Gar nicht mal so schlecht? Hast du keine Augen im Kopf? Der Typ ist heiß! Du müsstest ihn mal mit blonden Haaren sehen.“, schwärmte selbst Mika von ihm. Auch Juna war ihm verfallen. Chang Yong-Ho war vom Aussehen her tatsächlich sehr hot. Schwarzes, längliches Haar, schöne große Augen, so weiße Zähne, man könnte sich darin spiegeln, groß, muskulös, volle Lippen, und sein Kleidungsstil war der Hammer. Klar, was sollte man sonst von einem Idol erwarten?! Zu meinem Vorteil hatten nun die anderen Mädchen Schwierigkeiten sich zu konzentrieren. Würde dies so bleiben, müsste ich in den Prüfungen nur noch besser abschneiden als die Jungs. In der Cafeteria waren außer den männlichen Schülern keiner da. Alle hockten draußen bei ihrem Idol. „Lasst uns auch raus gehen! Komm schon Rose!“ „Ihr nervt! Geht selber.“ Juna nahm Mika an die Hand und die beiden rannten nach draußen zu den anderen, nach dem Idol schmachtenden Mädchen. „Und du bist nicht fasziniert von dem Typen?“ „Nein ganz bestimmt nicht. Er ist nicht mein Fall.“ „Ach ja? Wer ist denn dein Fall? Ach, lass mich raten, Bruder Min-Ho?“ „Hey Putzteufel, hast du deine Arbeit schon erledigt? Quatschst hier ziemlich viel!“ Ich machte einen großen Bogen um seine Frage, weil ich meinen Gefühlen nicht mehr ganz bewusst war. In der letzten Zeit ließ mich Min-Ho zu viele negative Charakterzüge sehen, sodass ich nicht mehr wusste, ob ich immer noch dieselben Gefühle für ihn empfand wie davor. In meiner Vorstellung war Min-Ho ein anderer Mensch, ein lieber, positiver und hilfsbereiter Junge. Allerdings war es in der Realität nicht ganz der Fall. Zudem zog es mich nicht mehr so sehr in seine Nähe wie früher. Aufgrund des vielen Lernens, vergaß ich ganz Annas Brief an Min-Ho, den ich in meiner Schultasche mit mir herum trug. „Hier Min-Ho, den Brief hat mir Anna gegeben, bevor sie zurück nach Deutschland ist. Tut mir leid, dass ich ihn dir so spät gebe, ich habe es total vergessen.“ „So ist es also! Und ich dachte schon, sie ist wieder ohne ein Wort verschwunden.“ Er holte den Brief aus dem Briefumschlag heraus. Vom Seitenblick aus, konnte ich nicht viel lesen, bis auf die dekorativen Herzchen. Es musste ein Liebesbrief gewesen sein. Für mich schien es an der Zeit zu sein, Min-Ho zur Rede zu stellen, für wen er sich letztendlich entschied. Während die anderen weiter lernten, bat ich ihn, mit mir aufs Schuldach hoch zu gehen. „Min-Ho ich möchte nicht mehr Katze und Maus spielen! Du lädst mich auf ein Date ein und dann lässt du mich für Anna stehen. Du bittest mich um ein weiteres Date und küsst mich, jedoch sollte ich Anna davon nichts erzählen. Ich möchte nun eine Entscheidung von dir haben! Entweder sie oder ich!“ „Kurz und schmerzlos, es ist Anna! Sie war es schon immer und sie wird es immer bleiben! Es tut mir leid, dass ich dich so an der Nase herum geführt habe, allerdings kann ich dir das erklären! Ich wollte nicht, dass du dich in Yeol verliebst! Ich habe gesehen, dass ihr beide euch schon kanntet, und am Anfang hatte ich wirklich Interesse an dir, bis ich Anna wiedergesehen habe. Trotz den Gefühlen zu Anna wollte ich dich vor ihm beschützen. Hättest du dich in ihn verliebt, hätte er dir das Herz gebrochen. Du kennst ihn nicht so gut wie ich!“ „Verarschst du mich? Rede nicht so über Yeol! Der, der mir mein Herz gebrochen hat, bist ganz alleine du! Du hast mich an der Nase herum geführt, hast zugelassen, dass ich mich immer mehr in dich verliebe, obwohl du wusstest, dass aus uns nichts werden kann! Wieso bist du so weit gegangen und hast mich geküsst? Du hast mir meinen ersten Kuss genommen! Der einzige, der mich ständig vor allem beschützt hat, war Yeol und nicht du! Rede nie wieder in meiner Gegenwart schlecht über ihn, klar! Und ich Idiot habe tatsächlich geglaubt, bin mit der Hoffnung hier hoch, dass du dich für mich entscheidest. Lass uns dabei stehen bleiben! Ich wünsche dir viel Glück mit Anna! Außerdem, wenn wir schon so offen sprechen, ich habe die ganze Zeit nur so getan, als bräuchte ich Nachhilfe in Mathe. Eigentlich läuft es genau in diesem Fach ziemlich gut bei mir. Deshalb werde ich dort auch nicht mehr auftauchen!“ Kaum drehte ich mich um, liefen mir die Tränen herunter wie aus einem Wasserfall. Mit aller Kraft die ich noch besaß, versuchte ich diese zurück zu halten, doch ich schaffte es nicht. „Was bin ich doch für ein Idiot! Wie naiv, zu glauben, es würde anders laufen.“ Mitten auf der Treppe verlor ich die Kraft in den Beinen und setzte mich auf die Treppe hin. Irgendwie versuchte ich mich wieder in den Griff zu bekommen. „Neuling? Wo steckst du? Lehrer Lee sucht dich!“ Yeol sah mich völlig fertig da sitzen. „Was ist passiert? Hat dir jemand etwas getan? Sag mir wer es war und ich bringe ihn um!“ „Lass mich alleine! Bitte Yeol, geh! Geh einfach!“, schrie ich mit der letzten Kraft, die sich noch in meiner Stimme befand. „Nein! Ich lasse dich nicht alleine, nicht in so einem Zustand. Ich bleibe bei dir!“ Er nahm mich fest in seinen Arm. Mein Gesicht an seinem Hals vergraben, brach ich noch mehr zusammen. Ich spürte, wie er zitterte. Vielleicht war es die Sorge um mich. Vielleicht war es die Wut, weil er dachte, jemand hatte mir etwas angetan. Oder vielleicht war es etwas ganz anderes? Einige Minuten später kam Min-Ho die Treppen herunter spaziert. „Du? Du warst mit ihr oben? Was hast du mit ihr gemacht? Was hast du ihr gesagt?“ Yeol war auf 360 Grad. Ich erschrak, versuchte Yeol von ihm fern zu halten, doch er hatte so eine Kraft, wo ich keine Chance hatte, ihn zurück zu halten. „Ich habe nichts mit ihr gemacht! Wir haben lediglich geredet. Was machst du so einen Fass auf? Du willst mich schlagen, los! Tu es doch! Dann bist du endlich raus aus dieser Schule. Wie ich dich hasse, das kannst du dir nicht vorstellen!“ „Yeol. Bitte hör auf, bitte, tue es für mich! Min-Ho geh! Dich will hier keiner sehen!“ Yeol wurde langsam ruhiger, als er spürte, dass ich ihn von hinten umarmte. Er nahm meine Hände in die seine und drehte sich zu mir um. „Egal um was du mich je bitten wirst, ich werde alles für dich tun!“ Diese Aussage sprengte alles in meiner Gefühlswelt. „Yeol!“ „Rose, weißt du noch, wo wir auf dem Dach mit Nam-Joon standen? Wo ich über meine Gefühle zu dir gesprochen habe?“ „Ja?“ „Es war nichts davon gelogen! Ich habe alles ernst gemeint, von Anfang bis Ende. Ich liebe dich! Ich liebe dich seit unserem ersten Zusammenprall auf der Straße. Mit jeder Stunde, mit jedem Tag liebe ich dich mehr und mehr. Ich liebe dich so sehr, das es schon fast weh tut. Ich war ständig auf Min-Ho eifersüchtig, weil er deine Aufmerksamkeit hatte. Zu hören, dass ich nur ein Freund für dich bin, hat mir den Rest gegeben. Doch ich wollte und konnte nicht aufgeben. Zu wissen, dass du in meinen Bruder verliebt bist, machte mich noch verrückter. Ich will dich für mich alleine! Ich will mit dir zusammen sein, mit dir die Schule beenden, dich meinen Eltern vorstellen, mit dir eine Zukunft aufbauen! Für mich gibt es nur dich! Ich weiß, das du nicht so fühlst und ich nehme es so hin. Ich wollte nur, dass du es weißt.“ „Sie fühlt doch genauso wie du! Sie versteht es nur noch nicht!“, belauschte Min-Ho unser Gespräch. „Man, verpiss dich endlich!“, schrie Yeol ihm entgegen. War es tatsächlich so wie Min-Ho es sagte? War es nicht die ganze Zeit er, in den ich verliebt war, sondern Yeol? Wollte ich es wirklich einfach nicht wahr haben? Hatte ich versucht meine Gefühle zu Yeol zu unterdrücken und fokussierte mich stattdessen auf Min-Ho? Es war schon was dran, wenn ich zurück dachte. Ständig nahm ich Yeol in Schutz, ständig machte ich mir Sorgen und versuchte alles, damit er nicht von der Schule flog. War Yeol der Grund für mein Herzstechen, als er suspendiert wurde? Hatte ich da so große Angst ihn zu verlieren? Er war immer meine Stütze! Jedes mal, wenn ich Probleme oder Schwierigkeiten hatte, war Yeol für mich da. War das, was ich zu Nam-Joon sagte, etwa auch wahr? Als ich über meine Gefühle zu Yeol erzählte, wieso schaute ich da nicht zu Nam-Joon sondern zu Yeol? War auch er der Grund, weshalb ich bei dem Kuss mit Min-Ho so ein schlechtes Gefühl hatte und diesem im Endeffekt abbrach? Wenn ja, wie konnte ich das alles unterdrücken? „Yeol, bitte lass mir etwas Zeit. Ich bin gerade in einem Gefühlschaos und verstehe nichts mehr! Es ergibt alles einen Sinn und Wiederrum klingt alles so verwirrend.“ „Rose, ich dränge dich zu nichts! Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst! Ich werde auf dich warten! Du sollst noch wissen, ich werde dich nicht aufgeben, ich werde um dich kämpfen und wenn es sein muss, ein Leben lang!“ „Yeol! Rose! Was tut ihr hier? Ich habe schon die ganze Schule nach euch abgesucht.“, unterbrach Lehrer Lee unser Gespräch. „Rose, komm bitte mit, du hast ein Gespräch mit mir offen!“ Lehrer Lee und ich gingen in das Lehrerzimmer. „Erzähl mir Rose, was hast du nach der Schule vor? Zu welcher Universität möchtest du gehen und welche Richtung möchtest du einschlagen?“ „Mein Arbeitsleben ist schon durchplant, Lehrer Lee! Ich werde nach meinem Abschluss zur Universität gehen und Medizin studieren. Während des Studiums kann ich nebenbei einige Erfahrungen im Krankenhaus meines Vaters sammeln.“ „Das hört sich wirklich sehr durchgeplant an! Wenn ich fragen darf, ist es dein Traum oder das deiner Eltern?“ „Das ist ein Wunsch meines Vaters, den ich respektiere und dem ich folgen möchte.“ „Okay, ich wünsche dir auf deinem Weg viel Erfolg! Falls du bei irgendetwas Hilfe benötigst, kannst du dich gerne an mich wenden.“ „Vielen Dank Lehrer Lee!“ Verstrahlt setzte ich mich zurück an meinen Platz. Min-Ho saß still neben mir. Nach dem ganzen hin und her war er mir bis aufs übelste unsympathisch geworden. „Rose, wie soll dein Beruflicher Werdegang aussehen?“, holte mich Mika aus meinen Gedanken heraus. „Ich möchte in mein Vaters Fußstapfen treten! Wie sieht es bei dir aus?“ „Ich dachte, du möchtest Basketballprofi werden.“, lachte sie und fuhr fort. „Ich möchte Schauspielerin im Theater werden. Im realen Leben bin ich schüchtern und zurückhaltend, jedoch sobald ich auf der Bühne stehe, verändert sich irgendetwas in mir und ich komme aus mir heraus, lasse alle Hemmungen fallen und kann meine Persönlichkeit neu gestalten.“ „Das hört sich fantastisch an, Mika! Was ist mit dir Juna? Für was hast du dich entschieden?“ „Ich möchte Regisseurin werden! Auf der Bühne zu stehen macht zwar Spaß, doch ein Konzept für eine Szenenfolge zu entwickeln ist viel interessanter. Dann ein Stück mit Schauspielern zu besetzten, die Arbeit mit den Bühnen-und Kostümbildnern fasziniert mich. Im Grunde die komplette Tätigkeit finde ich toll.“ „Na, du bist wirklich voller Begeisterung!“ Gerne hätte ich auch gewusst, für was Yeol sich entschieden hatte, doch ich traute mich nicht ihn zu fragen. Die nächsten Fächer, Englisch und Koreanisch war ich seelisch nicht anwesend. Egal wie sehr ich mich anstrengte abzuschalten, landete ich trotzdem wieder bei meinem Gefühlschaos. Wie ich Min-Ho versprochen hatte, tauchte ich nie wieder mehr beim Nachhilfeunterricht auf. So fand ich noch mehr freie Zeit für mich. Ausnahmsweise war Mutter mal sehr früh Zuhause. „Hallo Mama, ich bin wieder da!“ „Rose, wir haben schlechte Neuigkeiten! Dein Vater liegt im Krankenhaus, ihm geht es wieder schlechter.“ Ich legte meine Tasche ab und lief direkt zu ihm hin. Konnte der Tag noch schlechter enden? „Hallo, ich bin Kim Rose, die Tochter von Kim Jong-Hun. Können Sie mir sagen, wie der Zustand meines Vaters ist?“, kam mir seine Rechte Hand Kang Joon-Ho entgegen. „Ich war gerade bei ihm. Es geht ihm nicht gut. Er hatte wohl wieder zu viel Stress und das hat sich schnell auf sein Herz übertragen.“ „Für was sind Sie eigentlich da? Sie sollten ihm doch die stressige Arbeit abnehmen!“ Innerlich kochte ich vor Wut. „Fräulein Kim Rose, ich gebe mein bestes! Die Aufgaben, die er mir überträgt, erledige ich Sorgfältig. Mir tut es sehr leid für Sie, jedoch kann ich nichts dran ändern. Ihr Vater könnte zum Beispiel auch zurücktreten und mir alles überlassen! Wenn er es aus gesundheitlichen Gründen nicht schafft, es selbst zu erledigen.“ „So etwas lasse ich mir nicht sagen! Das ist immer noch das Krankenhaus meines Vaters! Oder versuchen Sie an sein Posten zu kommen?“ „Fräulein Kim, diese Diskussion sollte hier enden! Sie können gerne zu Ihrem Vater ins Zimmer rein gehen.“ Sein hinterhältiges Grinsen hinterließ ein schlechtes Gefühl in mir. Was war das bloß für ein merkwürdiger Typ? Mein Vater sollte zurücktreten? Der war doch nur scharf auf seinen Platz. „Papa, wie fühlst du dich?“ „Hallo kleines. Ich bin in Ordnung, mach dir keine Sorgen!“ „Papa,wie kommt es, dass du hier liegst? Du hast mir versprochen, dass du weniger arbeiten wirst!“ „Ich weiß, ich weiß! Später, wenn du meinen Platz einnimmst, wirst du verstehen, dass man hier nicht einfach kommen und gehen kann, wann man will. Das ist ein harter Beruf, der viel Aufmerksamkeit benötigt.“ Obwohl mein Vater so ein kluger Mann war, konnte oder wollte er es nicht begreifen, dass sein Leben auf dem Spiel stand. „Ich freue mich, dass du mich besucht hast, aber geh jetzt nach Hause und lerne! Bald sind die Prüfungen, du musst sie erfolgreich bestehen.“ Ich folgte mein Vaters Anweisung und ging nach Hause lernen. Wie sollte ich lernen, wenn so viel Last auf meinen Schultern lag? Bis nach Mitternacht versuchte ich es trotzdem.

Seoul, I will miss you

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