"Tanz der Lemminge" erzählt, wie es rebellisch begann und in Anpassung an Industrie und Marktgesetze endete. «Tanz der Lemminge» erzählt von den ersten Lightshows und Auslandsreisen, den ersten Festivals, Plattenverträgen und Deutschrock-Labels. Amon Düül waren über Jahre immer eine der wichtigsten und stilprägendsten deutschen Gruppen, und mit ihrer Geschichte erzählt Ingeborg Schober zugleich ein wichtiges Stück deutscher Rockmusikgeschichte. In Interviews und Gesprächen werden Versäumnisse und Schwierigkeiten deutlich, Rockmusik in Deutschland zu machen, zu verkaufen und davon zu leben. "Wenn Amon Düül begriffen hätten, was sie eigentlich konnten, nämlich diese Form von teutonischer Rockmusik mit ungeheurem Pathos, die sie eigentümlicherweise mit der Psychedelic-Musik zusammenbrachten, hätten sie es schaffen können. Aber die Düüls waren halt ein ausgeflippter Haufen. Dabei wären sie geradezu prädestiniert gewesen, das Deutschlandbild im Ausland zu verkörpern: Vergangenheit, Kant, Wagner, germanische Roots, tiefe Denker und 30er Jahre Berlin." Was Bern Brummbär in einem Gespräch bilanzierte, hatte 1967 mit Hoffnung und Aufbegehren begonnen. Aus der Drogenmusik der Grateful Dead und Jefferson Airplane und der Rebellion der Studenten in Berlin, Prag und Paris machten Amon Düül eine Musik, die neu und einzigartig war. Wie sonst nie wieder in der deutschen Rockmusik verschmolzen hier Lebensgefühl, politische Ziele und elektrisch verstärkte Musik. Was in der Münchner Szene Ende der 60er-Jahre begann, war die eigentliche Geburt einer eigenständigen und selbstbewussten deutschen Rockmusik.
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Ingeborg Schober. Tanz der Lemminge
VORWORT
For what it’s worth?
Aufforderung zum Tanz
Die Medien erwachen
London - es muss noch viel bunter werden!
Aus Bonbons werden Bomben
Notstandskinder
Baby, du hast nichts zu verlieren als den Verstand!
Those Were The Days ..
Knallvoll mit einem Beat, wie er in Deutschland nicht möglich schien
Mama Düül und ihre Sauerkrautband spielt auf
Desperados - With A Little Help From My Friends
Aufregende Anfänge mit Sixty-Nine
Street Fighting Man
Amon Düül II spielt Phallus Dei: Eine elektronische Oper
Underground-Explosion in Hof
Amon Düül II spielt Phallus Dei: Eine LP
Jeder Tag ein Festival
New Year’s Resovolution
Marsch aus den wilden 60er Jahren
Internationale Maßstäbe
Hungerfahrt im Cadillac
Easy Rider in Düren
Solidarität
Zu viel, zu wenig
Tanz der Lemminge
Gammler-Treffen in Landshut
Un Opera Des Ombres
Chaos in Babylon
Wolf City & Utopia
Die Gegen-Olympiade
Größte internationale Hoffnung?
Nichts hat mehr Gültigkeit!
For Your Pleasure
Je weiter, desto besser
Nostalgisches Großreinemachen
Immer noch Pioniere
Und sonst?
Trans Europa Express
Vive La Trance!
Vom Phänomen zum Phantom und zurück
Lemmingmania
La Krautoma & King Ludwig II
Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die
Die Zehnte
Almost Alive & Blick zurück in den Zorn
Straße der Erinnerung
Danksagung
Bibliografie der für mich wichtigen Bücher:
Diskografie-Links
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Отрывок из книги
Ingeborg Schober
TANZ DER LEMMINGE
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Wir lebten schnell, alle hatten es eilig, nichts von dem zu versäumen, was man nicht kannte. Jimi Hendrix trat zum ersten Mal im Münchner Big Apple auf, auf der Frankfurter Buchmesse kam es erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Amon Düül hatten inzwischen landauf, landab bereits Hunderten von Jugendlichen den Kopf verdreht. So erinnert sich der Maler und Illustrator Bernd Brummbär: »Ich kam am 1. Januar '68 nach Frankfurt. Da hab ich bei P. G. Hübsch gewohnt und hatte wahnsinnig viel vor. Ich dachte, das kannst du alles in drei Monaten machen, dann hat es ungefähr fünf Jahre gedauert. Unter anderem war da dieses Projekt mit dem Head-Shop ›Heidi Loves You‹. Da hab ich dann die Düüls zum ersten Mal getroffen, das muss so im Sommer gewesen sein. Da kamen sie mit einem großen Armeebus angefahren und hatten die Kinder dabei. Das war ein kleiner Laden, und als die aufgebaut hatten, war der halbe Laden in Anspruch genommen. Als sie spielten, hat mich das wirklich dermaßen überzeugt und begeistert, weil die damals noch so etwas ganz Ur-Germanisches hatten. Das war Walhalla, die Germanen, die Mädchen an den Pauken und der Chris, der hieß damals noch ›Karajani der Teufelsgeiger‹, der dann ab und zu mit diesem arabischen Instrument spielte, wie so ein Schlangenbeschwörer. Ich bin total ausgeflippt, das war dermaßen laut. Und dann diese mantraähnlichen Geschichten. Ich kann meinen damaligen Musikgeschmack nicht mehr so richtig zurückverfolgen, aber wir hatten die besten Platten im Laden, weil wir ja auch Platten kauften, da gab’s die ersten beiden von Zappa, die Jefferson Airplane, Grateful Dead, Pink Floyd, Jimi Hendrix, ja und die Beatles und die Stones«.
Dass nicht nur die Musik der Amon Düül chaotisch war, sondern auch sie selbst, hatte mittlerweile eine Reihe von Leuten erfahren, mal wurde ein Kabelkoffer für den Auftritt vergessen, mal gar ein Mitglied der Gruppe selbst. Mal wurde gut gespielt, mal schlecht, bisweilen auch gar nicht. Auch waren in der Kommune Meinungsverschiedenheiten über Musik- und Lebensformen entstanden. Die Gruppe zerfiel allmählich in zwei Lager. Aus einem weiteren Gedächtnisprotokoll: