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Kapitel 1:

Lean Administration

Bestandteil modernen Managements

Äußere Rahmenbedingungen zwingen die Unternehmen, nach der Produktion nun auch die administrativen Bereiche effizienter auszurichten. Lean Administration ist ein Führungsprinzip, mit dem die Mitarbeiter befähigt werden, ihre Leistung eigenständig zu organisieren und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.

1.1 Lean Administration: Ein MUSS im modernen Management

Die Symptome: den Handlungsbedarf erkennen

Seit Anfang der ’90er Jahre wurden zahlreiche Unternehmen erfolgreich auf ‚Lean’ umgestellt. Auf Seminaren und Kongressen zum Thema Lean Management berichten gestandene Führungskräfte, wie durch die Anwendung intelligenter Tools aus dem Lean-Baukasten Durchlaufzeiten reduziert, Bestände gesenkt und die Produktivität gesteigert werden konnte. Viele Unternehmen haben dabei bereits die zweite und dritte Welle der Erhöhung der Wertschöpfung hinter sich gebracht und die letzten Prozente der Optimierung herausgeholt. Allerdings haben sich die meisten bisher nur an die Produktion herangetraut.

In den meisten Unternehmen ist der Ansatz, Verschwendung zu vermeiden, jedoch entweder an der Tür zur Verwaltung steckengeblieben, oder die Bemühungen in den administrativen Bereichen sind nicht über das Aufräumen der Büros hinausgekommen. Als Grund dafür benennen die betroffenen Unternehmen, dass es in der Verwaltung viel schwieriger ist als in der Produktion, Prozesse zu verschlanken. Als Grund wird gerne ‚schwieriger‘ genannt, obwohl eigentlich ‚unangenehmer‘ gemeint ist. Was an Lean Administration schwierig bzw. unangenehm ist, werden Sie in diesem Buch lesen. Das ist gut zu wissen, hilft aber nicht viel. Daher werden Sie auch erfahren‚ wie Sie diese Schwierigkeiten angehen und mit welchen Ansatzpunkten Sie die Effizienz auf den Teppichetagen nachhaltig erhöhen. Die ‚Teppichetagen‘ sind keineswegs despektierlich gemeint, sie beschreiben aber genau das, was viele Mitarbeiter allgemein immer noch unter ‚Administration‘ verstehen.

Dass in administrativen Bereichen viele Potenziale schlummern, werden nur die Wenigsten bezweifeln. Das wirkliche Ausmaß der Verschwendung ist aber selten offensichtlich. Denn hohe Gemeinkosten sind lediglich das Ergebnis ineffizienter Strukturen. Verschwendung ist mehr als unaufgeräumte Schreibtische, unübersichtliche Ablagestrukturen oder ausufernde Besprechungen. Verschwendung sind Fehler, unflexible Abläufe mit langen Liege- und Wartezeiten oder nicht definierte Schnittstellen. Wenn eines dieser Symptome auf Ihr Unternehmen zutrifft, sollten Sie über Lean Administration nachdenken.

Gemeinkosten im Blick

Wurden die Herstellkosten im Unternehmen in der Vergangenheit weitestgehend optimiert, rücken die Gemeinkosten zunehmend in den Fokus. Gemeinkosten sind die monetär bewerteten Aufwände in einem Unternehmen, die nicht unmittelbar einem Kostenträger zuzuordnen sind. Hierzu gehören Kosten für die IT, für den Personalbereich, die Unternehmensleitung, das Finanz- und Rechnungswesen oder der Einkauf. Dass das zunehmende Interesse an den Gemeinkosten nicht unbegründet ist, zeigt die Statistik des VDMA-Kennzahlen-Kompass, nach der 2009 nahezu 39% der Gesamtkosten im Maschinen- und Anlagenbau auf die Gemeinkosten entfielen (Bild 1-1).


Bild 1-1: Anteile der Gemeinkosten an den Gesamtkosten im deutschen Maschinen- und Anlagenbau im Jahr 2009 (Quelle: VDMA-Kennzahlenkompass 2009)

Der Anteil der Gemeinkosten ist dabei in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestiegen, wofür im Wesentlichen die folgenden drei Gründe verantwortlich zeichnen:

• Die Fertigungstiefe und damit der Anteil der direkt beschäftigten Mitarbeiter sind immer weiter zurückgegangen. So ist beispielsweise zwischen 1980 und 2000 im Maschinenbau die Fertigungstiefe um 17 Prozent, in der Automobilindustrie um 21% zurückgegangen (Arnold 2004). Ursächlich hierfür ist, dass sich die Unternehmen zunehmend auf ihre Kernkompetenzen wie Vermarktung und Entwicklung konzentrieren, während Produktionsleistungen extern zugekauft werden – bekanntermaßen auch immer öfter im Ausland.

• Eine marktgetriebene Produktdiversifizierung hat durch einen erheblichen Anstieg der Variantenvielfalt dazu beigetragen, dass die Aufwände in Auftragsabwicklung, Konstruktion, Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung nachhaltig gestiegen sind. Die hieraus resultierende Notwendigkeit der Standardisierung hat in vielen Unternehmen noch nicht stattgefunden, so dass mehr Varianten nahezu gleichbedeutend mit mehr Personalressourcen sind.

• Zunehmende behördliche Auflagen und wirtschaftliche Erfordernisse haben dazu geführt, zusätzlich erforderliches Expertenwissen im Unternehmen vorzuhalten. Umwelt- und Compliance Management oder das Claim Management im Projektgeschäft sind nur einige Beispiele für zusätzliche administrative Tätigkeiten, die früher nicht erforderlich waren, aber heute den Gemeinkostenbereich zusätzlich aufblähen.

Die zusätzlichen Aufgaben der Administration begründen alleine aber nicht den signifikanten Anstieg der Gemeinkosten. Tatsache ist vielmehr, dass die Administration mit der Produktivitätsentwicklung der Produktion nicht Schritt gehalten hat. Sie werden in diesem Buch lesen, wie viel offene und versteckte Verschwendung in den ‚verwaltenden Bereichen‘ immer noch alltäglich ist‚ so dass die Mitarbeiter zwar beschäftigt, aber nicht wertschöpfend tätig sind.

Wertschöpfung muss richtig definiert werden

Apropos Wertschöpfung: Nach derselben Statistik des VDMA beträgt die Pro-Kopf-Wertschöpfung im deutschen Maschinen- und Anlagenbau € 78.800 pro Mitarbeiter. Dieser Wert bedeutet anders formuliert die eingebrachte Arbeit eines Mitarbeiters als Beitrag zum Unternehmensergebnis. Eine Aussage, was davon wirklich wertschöpfend und wie hoch der Anteil der Verschwendung ist, wird damit jedoch nicht getroffen. Und das ist das Problem: Das wahre Ausmaß an Verschwendung und Wertschöpfung lässt sich in der Produktion vielleicht noch über Ausschuss- und Nacharbeitskosten ermitteln, in der Administration ist dies mit einer undifferenzierten Betrachtung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen nicht möglich. Die betriebswirtschaftliche Definition der Wertschöpfung als Betriebsertrag abzüglich Vorleistung reicht im Sinne des Lean Management also nicht aus. Bei Lean Administration geht es um den Teil der Arbeit, bei dem wertschöpfend an einem Produkt der Administration gearbeitet wird. Welche Produkte dies konkret sind, beschreibe ich in Kapitel 3 ausführlich.

Die offensichtlichen Potenziale der Administration

Es gibt Potenziale in der Administration, die sofort offensichtlich sind, sobald man durch die Büros und Besprechungsräume europäischer Industrieunternehmen geht: Besprechungen mit viel zu vielen Leuten ohne Ergebnis, fluchende Sachbearbeiter, die dringend benötigte Unterlagen suchen oder überquellende E-Mail-Posteingangsfächer. Fasst man alleine dies in Zahlen, wird einem schnell klar, wie viel Verschwendung auf den Teppichetagen tatsächlich vorhanden ist:

• Bis zu zwei Stunden beschäftigen sich europäische Manager täglich mit der Bearbeitung von E-Mails, 32 Prozent dieser E-Mails bezeichnen sie als irrelevante und reine Zeitfresser (Handelsblatt vom 28.06.2007).

• Mitarbeiter in europäischen Unternehmen verbringen täglich durchschnittlich 67 Minuten ihrer Zeit mit der Suche nach Informationen (Informationbuilders.de vom 12.07.2007).

• Europäische Finanz- und Personalmanager halten 31,5 Prozent aller Meetings wegen ungenügender Vorbereitung, fehlender, aber relevanter Ansprechpartner und ausufernden Diskussionen für überflüssig (Financial Times vom 13.11.2009).

• Durchschnittlich dauert es 15 Minuten, bis ein Sachbearbeiter wieder durch externe Einflüsse (E-Mail, Telefon etc.) von seiner Arbeit abgelenkt wird (Umfrage von uSamp im Auftrag von Harmon.ie)

Hinzugekommen ist die neueste Errungenschaft des Internets: Social Media, Facebook, Twitter & Co. tragen nachhaltig zur Ablenkung der Mitarbeiter bei. Laut der Studie von uSamp resultieren inzwischen 9 Prozent aller Arbeitsunterbrechungen aus Mitteilungen von sozialen Netzwerken, SMS sind hier nicht eingerechnet. Die IT, die eigentlich entwickelt wurde, um Zeit zu sparen, bewirkt also genau das Gegenteil davon.

Noch schlimmer: Die versteckte Verschwendung in der Administration

Wenn sich die offensichtlichen Potenziale schon dramatisch anhören, ist es die Verschwendung, die nicht auf den ersten Blick offenkundig wird, erst recht. Nicht zuletzt deshalb, weil häufig endkundenrelevante Probleme entstehen, die nachhaltige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit haben. Dies wird anhand folgender Fragestellungen deutlich:

• Wie viel Aufwand stecken Sie in die nachträgliche Ermittlung der Kundenanforderungen, weil diese zuvor nicht ausreichend spezifiziert wurden und wie oft müssen Sie dafür beim Kunden rückfragen?

• Wie viele Komponenten werden von der Konstruktion neu entwickelt und von der Arbeitsvorbereitung neu geplant, weil das Produktspektrum nicht ausreichend standardisiert ist?

• Wie oft beschäftigen sich Mitarbeiter mit Aufgaben, die eigentlich nicht in ihren Verantwortungsbereich gehören, beispielsweise der ‚einkaufende Konstrukteur‘, und welche Probleme ergeben sich daraus im Tagesgeschäft?

• Wie oft bekommen Sie vom Kunden keine vollständigen Zahlungen, weil die Technische Dokumentation nicht frühzeitig fertig war und mit den auszuliefernden Enderzeugnissen ausgeliefert werden konnte?

Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden und resultiert aus Problemen im Prozess, nicht richtig definierten Schnittstellen sowie unklaren Verantwortlichkeiten. Versteckt ist diese Art der Verschwendung deshalb, weil sie je nach Unternehmen und Branche unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann, weil sie in der Regel im Unternehmen nicht gemessen wird und weil es im Gegensatz zur offensichtlichen Verschwendung kaum Studien gibt, die das Ausmaß solcher Probleme quantifizieren. Dafür bedarf es schon einer detaillierten Analyse, die die Kernthemen administrativer Prozesse individuell auf den Punkt bringt und die hieraus resultierenden Potenziale in Zahlen bewertet. Hierauf werde ich im Kapitel 2 zu sprechen kommen.

Warum kurzfristige Produktivitätsprogramme keine Lösung sind

Das Resultat offener und versteckter Verschwendung sind hohe Gemeinkosten. Völlig unvorbereitet trifft ein Unternehmen die Erkenntnis, dass diese häufig erhebliche Potenziale beinhalten, nicht – und die Notwendigkeit, gegenzusteuern, ist auch hinlänglich bekannt.

Demzufolge gibt es auch andere Ansätze, um Gemeinkosten zu reduzieren: Die Gemeinkostenwertanalyse, das Target Costing oder das Zero-base-budgeting sind wohl die gebräuchlichsten Methoden, wenn es darum geht nicht direkt zuzuordnende Kosten in den Griff zu bekommen.

Das Problem mit diesen Verfahren ist, dass es sich in den vielen Fällen um einmalig angewandte ‚Hauruck-Ansätze‘ handelt, die zwar kurzfristig signifikante Einsparungen bringen, denen letztendlich aber die Nachhaltigkeit fehlt. Nehmen wir das Beispiel der Gemeinkostenwertanalyse. Hierbei werden, wie der Name schon sagt, die entstehenden Gemeinkosten hinsichtlich ihres erzeugten Wertes hinterfragt. Konkret werden dazu zunächst Inhalt und Aufwand der Tätigkeiten sowie die daraus resultierenden Kosten ermittelt und anschließend mit den Leistungsempfängern abgestimmt, welche dieser Leistungen zukünftig in welchem Umfang benötigt wird. Durch diese Abstimmung werden Tätigkeitsinhalte entweder vollständig gestrichen oder nach bestem Wissen und Gewissen optimiert. So weit so gut, denn ein systematischer Ansatz der Lean Administration, wie ich ihn in Kapitel 2 beschreibe, verfolgt grundsätzlich die gleiche Zielrichtung. Mit den klassischen Ansätzen zur Reduzierung der Gemeinkosten ist jedoch das Problem verbunden, dass sich die Einstellung der involvierten Mitarbeiter nicht grundsätzlich ändert. Die Anwendung einer solchen Maßnahme als reines ‚Kostenmanagement-Hilfsmittel‘ hat wenig damit zu tun, nachhaltig die Prozesse in Vertrieb, Einkauf, Buchhaltung & Co. zu verschlanken und das dringend erforderliche ‚Lean Thinking‘ bei den Mitarbeitern zu verankern. Letzteres und der fehlende Ansatz der kontinuierlichen Verbesserung sind deshalb die Gründe dafür, warum solche Produktivitätsprogramme häufig nur einen kurzfristigen Erfolg bringen und regelmäßig wiederholt werden müssen, um die Gemeinkosten immer wieder auf ein verträgliches Niveau zu heben.

Lean-Prinzipien erfolgreich auf die Gemeinkostenbereiche anwenden

Im Gegensatz zu den klassischen Produktivitätsprogrammen ist Lean Administration hingegen ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Führungsprinzip. Hierbei werden die Lean-Prinzipien auf die Gemeinkostenbereiche angewandt, ohne bewährte Methoden aus dem Produktionsumfeld dogmatisch und unreflektiert auf die verwaltenden Bereiche zu übertragen. Es geht darum, die vorhandene Verschwendung eindeutig zu identifizieren und zu eliminieren.

Ergebnisse erzielen statt beschäftigt zu sein

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in den meisten Unternehmen die administrativ eingesetzten Mitarbeiter durchaus sehr gut mit dem Tagesgeschäft ausgelastet sind. Das trifft in der Regel auch auf das Management zu, das sich auch nur selten über zu wenig Arbeit beschwert. ‚Beschäftigt zu sein‘ hat aber nicht unbedingt etwas mit ‚Ergebnis erzielen‘ zu tun. Ein Mitarbeiter kann durchaus den ganzen Tag beschäftigt sein, ohne am Ende des Tages ein brauchbares Ergebnis erzielt zu haben. Man denke nur an interne Besprechungen, die Suche nach benötigten Informationen oder Reibungsverluste bei der Abstimmung mit anderen Abteilungen. Hieraus leitet sich auch der geflügelte Spruch ab, dass man ab 70 Mitarbeitern keine Kunden mehr braucht, damit alle Kollegen beschäftigt sind.

Ein ‚Ergebnis erzielen‘ setzt zwei wesentliche Aspekte voraus: Einerseits muss das erwartete Ergebnis zuvor eindeutig beschrieben werden. Es müssen die Anforderungen und die Erwartungshaltung des internen bzw. externen Kunden bekannt sein, damit das erwartete Ergebnis durch die nachfolgende Abteilung oder den Nachfolgeprozess überhaupt erbracht werden kann. Hier ist von Schnittstellendefinitionen und Übergabespezifikationen die Rede, auf die ich in Kapitel 3 genauer zu sprechen kommen werde.

Andererseits müssen die Mitarbeiter befähigt werden, ihre Arbeit so zu organisieren, dass sie in der zur Verfügung stehenden Zeit diese Anforderungen erfüllen können. Die Aufgabe des Managements liegt nicht darin, die Mitarbeiter möglichst effizient einzusetzen, sondern sie in die Lage zu versetzen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, die richtigen Prioritäten zu treffen und selbständig an der kontinuierlichen Verbesserung ihres Handelns zu arbeiten. Im Idealfall bedarf es keines Anstoßes mehr von außen, um die Gemeinkosten langfristig auf einem niedrigen Niveau zu halten.

Erlaubt ist, was wirkt!

Auf die unterschiedlichen Methoden, mit denen man die Prozesse der Administration nachhaltig verschlankt, werde ich im Verlauf des Kapitels 5 ausführlich zu sprechen kommen.


Bild 1-2: Die klassischen Methoden des Lean Management sind alleine nicht ausreichend, um Lean Administration vollständig zur Wirkung zu bringen

Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten, dass Lean Administration nicht bedeutet, den Baukasten des Lean Management bedingungslos auf verwaltende Prozesse anzuwenden. Es geht darum, Art und Ausprägung der Verschwendung zu verstehen und daraus die richtigen Maßnahmen abzuleiten.

Wenn Sie in diesem Buch also nach Maßnahmen suchen, mit denen Sie Effektivität und Effizienz auf den Teppichetagen erhöhen, werden Sie diese finden. Sie werden diese aber nicht alle zwingend den Ihnen bekannten Werkzeugen aus dem Lean-Baukasten zuordnen können. So werden Sie beispielsweise feststellen, dass eine saubere Produktstruktur zwingende Voraussetzung für die Reduzierung der administrativen Komplexität ist und die Aufwandstreiber in Konstruktion, Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung signifikant reduzieren kann. Auch werden Sie lesen, dass ein Auftragszentrum ein ideales Instrument ist, um im Rahmen der internen Auftragsabwicklung Durchlaufzeiten zu reduzieren – allesamt bekannte Ansätze, die in der heutigen Literatur nicht zwingend als Lean-Tools bekannt sind. Zusätzlich werden Sie aber auch darüber informiert, wie Sie Poka Yoke, Kanban, FIFO & Co. sinnvoll im Büro anwenden. Letztendlich gilt: Erlaubt ist, was wirkt! Lean Administration ist ein Führungsprinzip, mit dem die Mitarbeiter befähigt werden, ihre Arbeit richtig zu organisieren. Und dazu gehört auch, die richtigen Methoden korrekt anzuwenden.

Lean Administration: Der Weg zur Business Excellence

Wenn ein Unternehmen das Ziel verfolgt, an der Gemeinkostenschraube zu drehen und die Ursachen systematisch anzugehen, kommt es an Lean Administration nicht vorbei. Erst durch den hieraus resultierenden ganzheitlichen Ansatz, mit dem Strukturen verändert und Prozesse optimiert werden, kommt man dem Idealzustand einer verschwendungsfreien Administration näher. Und auch wenn dies in der Realität immer ein Zielzustand bleiben wird, sorgen Werkzeuge wie Kaizen dafür, dass es auf dem Weg zur Business Excellence permanent vorangeht.

1.2 Lean Administration als Führungsprinzip

Wertschöpfung ist Wertschätzung durch den Kunden

Lean Administration ist ein Führungsprinzip. Davon gibt es reichlich, wenn man nur an die unterschiedlichen „Management by…“-Konzepte denkt. Einzelne dieser Prinzipien sind im Sinne des Lean Management auch sinnvoll und sogar erforderlich. Man denke nur an das Management by Objectives (Drucker 1998; Odiorne 1971), also dem Führen durch Zielvorgaben, das den Mitarbeitern Orientierung bieten soll, ihre Arbeit an den Gesamtzielen des Unternehmens und ihren persönlichen Zielen auszurichten. Der österreichisch-amerikanische Managementtheoretiker Peter F. Drucker hat dies bereits in den 60er Jahren als eines der zentralen Führungsprinzipien definiert und Management by Objectives hat heute nach wie vor seine Berechtigung. Lean Administration ist aber mehr. Bleibt man in der Logik, dann ist Lean Administration Management by view of customer (siehe Bild 1-3).

Mit den Augen des Kunden sehen

Bei Lean Administration geht es um den Kunden! Es ist kein Mittel zum Selbstzweck, auch wenn es landläufige Meinung ist, dass schlankere Prozesse in erster Linie für das Ergebnis relevant sind. Dies stimmt auch insoweit, als dass sich eine höhere Produktivität positiv auf die Marge auswirkt und ein früherer Zahlungseingang durch den Kunden cash flow-relevant ist. Betrachten Sie das Thema aber einmal aus einem anderen Blickwinkel: Ohne die notwendigen Anpassungen der Kostenstrukturen wird sich ein Unternehmen früher oder später aus dem Markt katapultieren, weil der Kunde nicht bereit ist, auch bei sehr hoher Qualität oder Servicegrad nicht wettbewerbsfähige Preise zu bezahlen. Gemeinkosten sieht der Kunde in Ihrer Kalkulation bis zu einem gewissen Maß als notwendig an, Verschwendung in den Gemeinkosten aber sicher nicht. Die bekommt der Kunde zwar in den meisten Branchen zum Glück nicht zu sehen, wenn er sich aber erst einmal für einen anderen Lieferanten entschließt, ist es zu spät.


Bild 1-3: Das Management by view of customer zählt zu den zentralen Erfolgsfaktoren

Die Kosten sind aus Sicht des externen Kunden aber nur die eine Seite der Medaille, denn der ‚administrative Servicegrad‘ ist ein anderer Aspekt, der vom Kunden beurteilt wird. Wie leistungsfähig ist Ihre Administration? Hierbei bewertet der Kunde weniger die Effizienz, die sich letztendlich in den Kosten widerspiegelt, als vielmehr die Effektivität der verwaltenden Bereiche. Beispiele habe ich bereits weiter oben zum Thema versteckte Verschwendung aufgezeigt. Die Unzufriedenheit des Kunden über solche Prozessprobleme bekommt das Unternehmen im Idealfall über eine Befragung mitgeteilt und kann noch darauf reagieren. Ansonsten droht das gleiche Schicksal wie bei nicht wettbewerbsfähigen Preisen.

Das interne Kunden-/Lieferantenverhältnis: Mehr als eine Floskel

Ein anderer Aspekt ist die interne Kundenperspektive. Das interne Kunden-/Lieferantenverhältnis ist auch kein neuer Begriff, im Sinne der Lean Administration aber von zentraler Bedeutung. Erst wenn der nachgelagerte Prozessschritt die benötigten Informationen zum benötigten Zeitpunkt in der erforderlichen Qualität bekommt, um selbst seine Arbeit termingerecht abliefern zu können, sind die Voraussetzungen gegeben, dass ein administrativer Prozess ‚ins Fließen‘ kommt und Verschwendung vermieden wird. Um ein internes Kunden-/ Lieferantenverhältnis aber definieren zu können, ist die eindeutige Definition der Produkte und der Produktanforderungen, beispielsweise in Form von Übergabespezifikationen, erforderlich. Dies ist ein ganz zentrales Thema in der Administration, auf das ich im Verlauf von Kapitel 3 ausführlich eingehen werde.

Die Mitarbeiter zur Wertschöpfung befähigen

Lean als Führungsprinzip bedeutet, die Mitarbeiter zu einem Ergebnis und zu der Einsicht zu führen, dass ein unzufriedener Kunde nicht alleine ein Problem des Vertriebs ist. Wenn die Mitarbeiter hinterfragen, ob ihr Handeln wertschöpfend im Sinne des Kunden ist (unabhängig davon, ob dieser extern oder intern ist), und Verschwendung selber identifizieren, dann ist Lean Administration auf der Erfolgsspur. Es ist Aufgabe des Managements, den Mitarbeitern dies zu vermitteln, sie zu motivieren und sie zu befähigen.

Lean Administration wird nicht ‚verkündet‘

Mit einem Statement ‚Ab heute machen wir Lean Administration, weil die Gemeinkosten zu hoch sind‘ werden Sie nicht viel bewegen. Im Gegenteil: Erstens wissen die Mitarbeiter nicht genau, worum es geht und zweitens werden sie allein schon aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Blockadehaltung einnehmen oder paralysiert beobachten, was um sie herum geschieht. Das ist übrigens ähnlich wie bei den beschriebenen Produktivitätsprogrammen, die rein auf das Ergebnis ausgerichtet sind, jedoch keinen ganzheitlichen Ansatz zum Change Management verfolgen.

Lean Administration ist ein Appell an die Mitarbeiter

Es geht um einen systematischen und für die Mitarbeiter nachvollziehbaren Ansatz, der an das Können und das Wollen der Mitarbeiter appelliert. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter am Verhalten ihrer Führungskräfte orientieren können und in dem Lean Administration zum Selbstläufer wird. Die Mitarbeiter zu ‚befähigen‘ heißt deshalb deutlich mehr als sie in den Grundlagen des Lean Management zu schulen. Es heißt, ihnen eine andere, kundenorientierte Sicht auf die Prozesse zu vermitteln und sie von der Änderung der Unternehmensphilosophie zu überzeugen. Kompetenz meint aber viel mehr als formale Qualifikation und angehäuftes Fachwissen. Es geht um die Fähigkeit, Leistung in der Berufspraxis eigenständig zu organisieren und sich aktiv, motiviert und selbstkritisch in die Arbeit einzubringen (Wittenstein 2010).

Lean Administration ist kein neues Führungsprinzip. Es liefert die Klammer, um die betriebswirtschaftliche Logik begreifbar, lehrbar und damit erlernbar zu machen. Es appelliert an die Mitarbeiter und befähigt sie, dieser Logik zu folgen.

1.3 Was ist der Erfolgsmaßstab?

Woran Sie merken, dass Sie alles richtig gemacht haben!

In diesem Buch lesen Sie, was aus Sicht des Praktikers notwendig ist, um Lean Administration zum Erfolg zu führen. Sie werden lernen, welche strukturellen Voraussetzungen im Unternehmen vorhanden sein sollten, welche Vorgehensweise sich in einer Vielzahl von Projekten bewährt hat und wie Sie es schaffen, die Mitarbeiter für Lean zu begeistern. Wenn Sie das alles befolgt haben, werden Sie zu Recht die Frage stellen, woran Sie merken, dass Sie alles richtig gemacht haben.

Aufgeräumte Büros: Schon mal ganz gut – aber nicht alles

Viele denken: Büros aufzuräumen, Ordnung zu schaffen und damit schneller benötigte Dokumente zu finden, sei der Kern von Lean Administration. Diese landläufige Meinung werde ich an diversen Stellen widerlegen, auch wenn der Nutzen solcher Aktionen unbestritten ist. 5S ist geeignet, um die Mitarbeiter zu Beginn abzuholen und eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Auch ist es eines der (wenigen offensichtlichen) Zeichen, dass sich im Unternehmen etwas geändert hat. Wenn sich an der inneren Einstellung der Mitarbeiter jedoch nicht grundsätzlich etwas ändert, werden die Büros nach kurzer Zeit wieder so aussehen wie vorher und es besteht die Gefahr, dass auch 5S das gleiche Schicksal ereilt wie die o.g. Produktivitätsprogramme, sie müssen in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. So gesehen sind 5S-Aktionen im Büro ein Symbol für Nachhaltigkeit. Unternehmen, die Lean Administration verinnerlicht haben, werden 5S-Aktionen genau einmal je Bereich durchführen. Danach wird es nicht mehr notwendig sein, da die Mitarbeiter von sich aus überzeugt sind, dass ein permanentes Aufrechterhalten von Ordnung und Sauberkeit sinnvoll und notwendig für strukturiertes Arbeiten ist.

Veränderte Strukturen: Extrem wichtig und häufig unterschätzt

Eine Veränderung von Strukturen ist in nahezu allen Unternehmen notwendig, um schlanke Prozesse in der Verwaltung nachhaltig zu verankern. Diese Strukturen lassen sich grob in zwei unterschiedliche Aspekte unterteilen: Einerseits müssen die aufbauorganisatorischen Rahmenbedingungen für prozessorientiertes Handeln gegeben sein. Stark ausgeprägte, funktionale Strukturen werden keinen Beitrag dazu leisten, einen administrativen Prozess zum Fließen zu bringen und Durchlaufzeiten zu reduzieren. Prozessorientierte Strukturen müssen sich deshalb im Organigramm wiederfinden, beispielsweise durch die Bildung von Auftragszentren oder einer Projektorganisation.

Andererseits geht es bei der Veränderung von Strukturen um die Reduzierung von Komplexität. Diese entsteht durch die Produkte der Administration und durch Aufwandstreiber. Erstere sind die Ergebnisse, die durch eine Abteilung erzeugt werden und die vom nachgelagerten Prozessschritt für die weitere Bearbeitung benötigt werden. Produkte der Administration können sowohl für externe Kunden (Auftragsbestätigungen, Rechnungen etc.) als auch für interne (Zeichnungen, Arbeitspläne etc.) erzeugt werden.

Aufwandstreiber verursachen ebenfalls einen zeitlichen Aufwand, der aber nicht der unmittelbaren Wertschöpfung, also der Erstellung eines administrativen Produktes, zuzurechnen ist. Hierzu gehören beispielsweise die Aktivitäten im Rahmen des Lieferantenmanagements, bei der die Anzahl der Lieferanten Aufwandstreiber ist, oder Abteilungsbesprechungen. Administrative Produkte sind deshalb grundsätzlich Aufwandstreiber, umgekehrt gilt dies nicht. In diesem Zusammenhang geht es bei der Reduzierung von Komplexität also darum, die Anzahl der Aufwandstreiber soweit wie möglich zu reduzieren. Dies gelingt, indem man sich von nicht notwendigen Aufwandstreibern schlicht verabschiedet (beispielsweise Besprechungen) oder einen höheren Standardisierungsgrad anstrebt (beispielsweise durch eine modulare Produktstruktur). Beide Ansätze weisen in der Praxis enorme Potenziale auf, die in vielen Unternehmen immer noch ungenutzt sind.

Das Erreichen von Kennzahlen: Ein erster Schritt

Lean Administration beruht wie alle (guten) Führungsprinzipien auf der Vorgabe von Zielen, die hierdurch erreicht werden sollen. Hierbei geht es nicht um die klassischen und allseits bekannten Bereichsvorgaben wie Umsatzziele, Einkaufspreisreduktionen etc. Die haben auch weiterhin ihre Gültigkeit. Es geht um die Zielerreichung von Parametern aus dem Lean Management-Umfeld, die sich aus den Verschwendungsfaktoren der Administration ableiten. Hierzu gehören die Reduzierung von Durchlaufzeiten und Fehlerquoten oder die Erhöhung des Flussfaktors. Welche Kennzahlen sich anbieten hängt von unterschiedlichen Parametern ab, auf die ich in Kapitel 3.7 eingehen werde.

Das Erreichen solcher (quantifizierbarer) Ziele ist ein wichtiger Schritt, zeigt es doch, dass das Unternehmen auf dem richtigen Weg ist. Aber genau wie umgesetzte 5S-Aktionen ist die Erreichung solcher Hard Facts kein alleiniger Bewertungsmaßstab, über den sich der Erfolg von Lean Administration definiert. Ich werde im Verlauf des Buches darauf zu sprechen kommen, dass Zielvereinbarungen beispielsweise ein adäquates Mittel sind, um die Nachhaltigkeit von Lean Administration sicherzustellen. Wenn diese aber dadurch ad absurdum geführt werden, dass aus monetären Beweggründen Einzelner ihre persönlichen Ziele zu erreichen, die falschen Entscheidungen getroffen werden, ist dem Unternehmen wenig geholfen.

Unternehmerisch denkende Mitarbeiter: Dann haben Sie es geschafft

Wenn Sie kumulativ zu den oben genannten Aspekten zu der Erkenntnis gelangen, dass Ihre Mitarbeiter sich so verhalten, wie es der Unternehmer im Zweifelsfall selbst tun würde, haben Sie es geschafft. Wenn Sie feststellen, dass Denken und Handeln der Mitarbeiter darauf ausgerichtet sind, Verschwendung von Wertschöpfung zu unterscheiden und erstere soweit wie möglich zu vermeiden, sind sie auf dem richtigen Weg. Und wenn Sie sicher sind, dass all dies keine zeitlich limitierte Blase ist, wird sich Lean Administration als Philosophie in Ihrem Unternehmen durchsetzen.

Woran Sie merken, dass ‚Lean‘ noch nicht vollständig angekommen ist

Wenn Sie den Empfehlungen dieses Buches folgen, werden Sie Lean Administration erfolgreich umsetzen. Es kann aber sein, dass Sie einzelne Mitarbeiter mental noch nicht abgeholt haben. Und je nachdem, welche Position diesen Mitarbeitern zukommt, kann dies relevante Auswirkungen auf die Durchsetzung schlanker Prozesse haben. Dann werden festgelegte Standards nicht eingehalten, zugewiesene Verantwortlichkeiten missachtet oder vordefinierte Prozesse umgangen. Im Zweifelsfall wird einfach alles so gemacht wie vorher auch. In diesem Fall müssen Sie solche Mitarbeiter identifizieren und gezielt coachen. Hier ist Führungsarbeit gefragt, die das Management als Treiber und Motivator für Lean Administration leisten muss. Auch dieses Thema wird umfassend in Kapitel 6 detailliert.

Wie man nun konkret mit Lean Administration anfängt, lesen Sie in Kapitel 2.

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